LHC-Anmerkungen I: Higgs und Masse

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… aber nicht einfacher
RELATIV EINFACH

Der Untertitel dieses Blogs leitet sich aus einem Zitat ab, das Albert Einstein zugeschrieben wird: Man soll die Dinge so einfach machen wie möglich, aber nicht einfacher.  In den Berichten zum Start des Teilchenbeschleunigers LHC habe ich den Eindruck, dass diese Grenze doch immer mal wieder ein wenig überschritten wird. Hier als erstes ein Beitrag zur Frage LHC, Higgs und Masse; anschließend sollen dann noch “LHC und Urknall” und natürlich “LHC und Schwarze Löcher” dazukommen.

[Update: hier sind die LHC-Anmerkungen II: Urknall

 


 

Eines der realistischeren Ziele des LHC ist es, ein Elementarteilchen zu finden, dessen Existenz bereits vor Jahrzehnten postuliert wurde, das aber bislang nicht direkt nachgewiesen werden konnte: Das Higgs-Boson ist wichtiger Baustein desjenigen Mechanismus, der im gängigen Standardmodell der Elementarteilchenphysik erklärt, warum Elementarteilchen wie Elektronen und Quarks eine (Ruhe-)Masse besitzen (zum Begriff Ruhemasse später noch mehr).

Die schönste Erklärung, auf die auch in der aktuellen Berichterstattung immer wieder zurückgegriffen wird, stammt von David Miller vom University College London. Sie ist mittlerweile 15 Jahre alt und das Ergebnis eines Wettbewerbs: Der damalige britische Wissenschaftsminister William Waldegrave hatte angesichts der beträchtlichen Mengen an Steuergeldern, die für die Suche nach dem Higgs-Boson zur Verfügung gestellt werden sollten, einen Preis für die beste Erklärung der Bedeutung (und Wichtigkeit) dieser Suche ausgesetzt. Die Erklärung müsse freilich auf ein einziges Blatt Papier passen.

Higgsteilchen auf der Cocktailparty

Millers Analogie (hier ist das Original) ist das einer Partygesellschaft konservativer britischer Politiker, die, an ihren Cocktails nippend, gleichmäßig verteilt im Raum stehen und sich unterhalten.  Nun betritt, wir schreiben das Jahr 1993, Margaret Thatcher den Raum und schreitet zielstrebig voran. Sofort bildet sich eine Art Traube um sie — diejenigen Partygäste, an denen sie vorbeigeht, werden zu ihr hingezogen und kommen ihr näher; ist Thatcher vorbeigegangen, dann stellt sich die ursprüngliche, lockere Verteilung von Gästen wieder ein.  Da die Menschendichte um Thatcher herum auf diese Weise immer etwas größer ist als anderswo, sieht es so aus, als würde sich viel mehr Masse durch den Raum bewegen als nur Thatchers eigene. Schaut man genauer hin, bewegt sich allerdings nur Thatcher selbst — alle anderen Personen bewegen sich nur einmal kurz auf Thatcher zu und kehren dann ungefähr dahin zurück, wo sie vor der Thatcher-Begegnung waren.

Die träge Masse ist ein Maß für den Widerstand, den ein Teilchen Änderungen seiner Bewegungsrichtung oder seiner Geschwindigkeit entgegensetzt.  In Abwesenheit der Partygäste wäre es ganz einfach, Thatcher durch leichtes Schieben von ihrer geraden Bahn abzulenken (rechtliche Konsequenzen und der Umstand, dass Thatcher bei solcher Behandlung wahrscheinlich entrüstet stehengeblieben wäre, bleiben der Einfachheit halber außen vor).  Mit den Partygästen ist es dagegen deutlich schwieriger, Thatcher samt der sie umgebenden Menschentraube von ihrem gewählten Kurs abzulenken, sie schneller oder langsamer werden zu lassen.  

Die Partygäste sind in diesem Bild das Analogon des sogenannten Higgsfeldes, das den ganzen Raum erfüllt (man denke an ein Kraftfeld wie das elektromagnetische Feld — den ganzen Raum zu erfüllen ist eine allgemeine Eigenschaft von Feldern). Auch bei Elementarteilchen ist die träge Masse nicht von vornherein “eingebaut”.  Wie sehr sich beispielsweise ein Elektron Bewegungsänderungen widersetzt, ergibt sich erst durch seine Wechselwirkung mit dem Higgs-Feld.

Das mit dem Feld assoziierte Higgs-Boson oder Higgs-Teilchen ist im Cocktailpartybild ein Gerücht, das gezielt durch den Raum läuft: es beginnt an einer Stelle des Raumes, und die dortigen Partygäste stecken die Köpfe zusammen. Dann wenden sich die ersten Gäste ab, aber es kommen benachbarte Gäste dazu, denen das Gerücht weitererzählt wird. Unter geeigneten Bedingungen (keine Aufspaltung!) kann sich eine “wandernde Traube” von zusammengesteckten Köpfen bilden, die durch den Raum läuft. Diese wandernde Menschenverdichtung entspricht dem mit dem Higgs-Feld assoziierten Higgs-Teilchen — es handelt sich um eine Anregung des Higgs-Feldes, die sich als Teilchen durch den Raum fortpflanzt.  Dieses Teilchen soll am LHC nachgewiesen werden.

Wasser, Sirup, Molasse?

Die erste Subtilität: In manchen Darstellungen ist Millers Analogie mutiert.  Dann ist beispielsweise davon die Rede, Teilchen erführen im Higgsfeld “eine Art Reibungswiderstand, so wie ein Mensch, der in einem Schwimmbecken durch das Wasser läuft”. Das wäre ungünstig, denn dann würden diese Teilchen immer langsamer werden und schließlich zur Ruhe kommen.  Es geht nicht um einen generellen Widerstand gegenüber Bewegungen jeglicher Art. Es geht um Widerstand gegenüber Änderungen des Bewegungszustandes, um das, was die Physik zusammenfassend als Geschwindigkeitsänderungen bezeichnet: schneller werden, abbremsen, Änderung der Bewegungsrichtung.

Das ist das große Problem von Analogien wie der Bewegung durch Wasser, Sirup oder Molasse.  Auch Millers Analogie entkommt dieser Falle nur, weil Miller seinen Partygästen ein etwas unnatürliches Verhalten zuschreibt — bei einer wirklichen Party würde Margaret Thatcher höchstwahrscheinlich im Menschenandrang abgebremst werden.

Verschiedene Arten von Masse 

Die zweite Subtilität: Dass im vorangehenden Text so explizit von “Elementarteilchen” die Rede war und nicht einfach von “Teilchen” oder “Materie”, hat seinen Grund. Schon bei einem Teilchen wie dem Proton, einem der zwei Grundbestandteilen von Atomkernen, ist die Sache deutlich komplizierter. Gemäß Einsteins berühmter Formel E=mc² trägt jegliche Energie zur trägen Masse eines Objekts bei. Und einige wichtige Energiebeiträge haben mit den durch das Higgsfeld erzeugten Elementarteilchenmassen nichts zu tun.

Charakteristisch für jede Spezies von Teilchen ist die so genannte Ruhemasse. Naiv gesehen ist sie für Teilchen, deren Ruhemasse ungleich Null ist, diejenige Masse, die das Teilchen besitzt, wenn es in Ruhe ist, wenn also insbesondere die Bewegungsenergie nichts zur Trägheit des Teilchens beisteuert. Teilchen mit Ruhemasse Null sind in einer Klasse für sich — sie sind gezwungen, sich ohne Unterlass mit Lichtgeschwindigkeit fortzubewegen, können also gar nicht zur Ruhe kommen.

Die Quantenwelt ist etwas komplizierter, und das einfache Bild von einem Teilchen, das an einem genau festlegbaren Ort ruht, ist dort nicht anwendbar. Das heißt aber nicht, dass sich die Ruhemasse in der Quantentheorie nicht ebenfalls mit Beobachtungsgrößen verknüpfen ließe. In Beschleunigern die dem LHC werden Teilchen mit bestimmter Energie zusammengeschossen; aus der Kollision entstehen neue Teilchen. Mit welcher Wahrscheinlichkeit bei gegebener Kollisionsenergie welche neuen Teilchen entstehen, lässt sich berechnen. Und einer der Parameter, der in die Rechnungen eingeht und die Wahrscheinlichkeit mitbestimmt, ist die Ruhemasse der neu entstehenden Teilchen.

In der üblichen Formulierung des Standardmodells haben alle Teilchen, auch die Elektronen und die Quarks, die Ruhemasse Null. Nicht aus Jux und Dollerei, sondern weil die Grundlagen der mathematischen Formulierung der Theorie kaputtgehen, wenn man den Formeln einfach per Hand diejenigen Terme hinzufügt, die den betreffenden Teilchen eine von Null verschiedene Ruhemasse verleihen. Hier schafft das Higgs Abhilfe — auf diesem indirekten Wege können Elektronen, Quarks, aber beispielsweise auch die so genannten W- und Z-Bosonen, die für bestimmte Arten von Radioaktivität verantwortlich sind, eine Ruhemasse ungleich Null bekommen, ohne dass es Konflikte mit der mathematischen Struktur des Modells gibt. Deswegen ist das Higgsteilchen so wichtig — ohne das Higgs müssten sich die Teilchenphysiker etwas ganz Neues ausdenken, um zu einer in sich stimmigen Beschreibung der Teilchen und Kräfte zu gelangen.

Soweit, so gut. Bei zusammengesetzten Teilchen sieht die Lage dann allerdings schon anders aus. Die Massen der drei Elementarteilchen-Konstituenten des Protonen die Quarks, sind für weniger als die Hälfte der Ruhemasse des Protons verantwortlich (ein Teil dieses Quark-Beitrags ergibt sich aus der Ruhemasse der Quarks, der Rest aus ihrer Bewegungsenergie). Der Rest der Masse kommt durch die Energie der Gluonen zustande, Bindeteilchen mit Ruhemasse Null, welche die Quarkbestandteile zusammenhalten, sowie durch einige noch subtilere Effekte. Allgemeiner gilt: Elementarteilchenmasse ist eben nur eine der möglichen Arten von Masse. 

Dieser Unterschied fällt in der Berichterstattung immer dann unter den Tisch, wenn ganz allgemein die Rede davon ist, das Higgs-Teilchen erkläre die Masse von Teilchen. An einer Stelle stand sogar ganz explizit, das Higgs sei dafür verantwortlich, “wie die Bausteine der Materie (schwere Protonen, leichte Elektronen usw.) zu ihrer spezifischen Masse kommen”. Das Higgs-Feld ist ein wichtiger Erklärungsbaustein, aber eben weder der einzige noch der wichtigste, wenn es um zusammengesetzte Systeme wie Proton oder Neutron geht.

Spezifische Massenwerte?

“…zu ihrer spezifischen Masse kommen”. Hoppla, da ist ja noch ein Mißverständnis: die genauen Werte der verschiedenen Ruhemassen erklärt der Higgs-Mechanismus auch nicht. Warum hat beispielsweise ein Elektron eine geringere Masse hat als ein Myon?  Gute Frage, aber eine Frage, die das Standardmodell nicht beantworten kann. Wie stark die einzelnen Teilchen an das Higgsfeld koppeln — daraus ergibt sich die Ruhemasse der Teilchen — lässt das Modell offen. Die Massenwerte sind freie Parameter, über die das Standardmodell keinerlei Voraussagen trifft. 

Ach ja, und die Benennung des Higgsteilchens als “Gottesteilchen” sollte man ganz einfach totschweigen. Sie hat keinerlei Erklärungswert (ausser für Massenanbeter, falls es so etwas geben sollte) und sollte in verdiente Vergessenheit geraten.

Ja und? 

Sind das alles Spitzfindigkeiten?  Ich finde, nein. Wenn man schon darüber berichtet, dass mit Milliardenaufwand nach dem Higgsteilchen gesucht wird, dann sollten die Leser auch erfahren, was das Higgsteilchen denn nun eigentlich tut — und zwar ohne, dass dem Higgsteilchen dabei zuviel in die Schuhe geschoben wird (etwa Protonenmasse). Insbesondere finde ich es unsäglich, wenn gerade diejenigen Leser, die selber mitdenken, verwirrt werden: wenn ein Leser eine Beschreibung liest, in der das Higgsfeld mit Sirup oder Wasser verglichen wird, und derjenige Leser genügend Hintergrundwissen besitzt, den Konflikt zwischen diesem Bild und dem Umstand zu sehen, dass Elementarteilchen, sich selbst überlassen, nicht einfach abbremsen und stehenbleiben, und wenn der Leser sich dann womöglich noch sagt, er sei wohl einfach zu dumm, zu verstehen, wie das zusammenpasst — dann hat die Berichterstattung mehr geschadet als genützt.

Mir ist völlig klar, dass man in einem Zeitungsartikel die Subtilitäten nicht so explizit wird aufschlüsseln können wie in diesem Blogbeitrag. Aber das muss ja auch gar nicht sein.  Es gibt immer eine Möglichkeit, die Dinge so darzustellen, dass sie richtig und doch verständlich sind — Leser ohne Vorwissen freuen sich über den verständlichen Text, und Fachleute nicken anerkennend, wenn sie sehen, wie der Autor mit seinen Formulierungen diese oder jene Klippe umschifft, ohne dass die meisten Leser davon überhaupt etwas mitbekommen. Der Journalist muss dafür allerdings wissen, worauf zu achten ist — keine Protonen ins Spiel bringen, z.B. das Wort “Elementarteilchen” verwenden, und auf irreführende Bilder wie Sirup oder Wasser verzichten. Und um nicht den falschen Eindruck entstehen zu lassen: Meine hier geäußerte Kritik bezieht sich keineswegs auf alle Medienberichte. In einer ganzen Reihe von Berichten wurde die Angelegenheit LHC, Higgs und Masse durchaus richtig dargestellt, gerade, indem auf anschauliche, aber falsche Bilder verzichtet wurde — so einfach wie möglich, aber eben nicht einfacher.

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

11 Kommentare

  1. Schöner Beitrag!

    Da habe ich mich doch glatt selbst dabei ertappt, wie ich auf die ein oder andere unzulässige Vereinfachung hereingefallen bin! Vielen Dank für diesen sehr lehrreichen Text!

  2. “Eines der realistischeren Ziele des LHC ist es…”

    Das kann nicht oft genug betont werden. Vielen Dank für Ihre Ausführungen. Ich freue mich schon sehr auf die weiteren Anmerkungen, die Sie folgen lassen wollen. Wenn ich bedenke, daß die Wissenschaftler hier dies alles in ihrer freien Zeit machen, kann ich nur den Hut ziehen. Danke, danke, danke

  3. @ Hattenbach & Hilsebein

    Danke für die lobenden Worte!

    Zu den Hintergründen des Higgs (bei mir geht es ja mehr um die Missverständnisse) gibt es gerade auch auf spektrum.de einen interessanten Artikel der, soweit ich sehen kann, frei zugänglich ist: Teilchenphysik vor dem Umbruch von Chris Quigg, auf dessen homepage (allerdings auf Englisch) noch weiteres Material zu finden ist, insbesondere auch Vortragsskripte und -videos.

  4. sehr anschauliche Erklärung

    Sehr geehrter Herr Dr.Pössel,

    besten Dank für diese Ausführungen, die mir in diesem Detail nicht bekannt waren. Ich habe den Artikel ausgedruckt und werde in meinem Bekanntenkreis darauf verweisen, wenn ich wieder einmal gefragt werde, was es eigentlich mit dem “Higgs-Teilchen” und der Masse für eine Bewandnis hat.

    Freundliche Grüsse, Ralf Kannenberg

  5. In der Tat…genauso wie Sie es dargestellt haben war mir nach dem analogon “Wasser” zumute, wie es allenorten zu lesen ist. Zudem habe ich einige Stellen gelesen, wo die Minister zu Reportern wurden und den Politiker am weitergehen gehindert hatten (was nach dem Verständnis Ihres Beitrages nun ja offensichtlich falsch ist).

    Allerdings würde ich mir auf der Webseite vom Cern durchaus etwas mehr tiefergehendes Wissen wünschen und nicht auf die jeweils neueste Ausgabe von Speektrum warten müssen 😉

    Besten Dank für diese Erhellende Erklärung.

  6. Bravo!

    Ich bin ein “verhinderter” (Astro-)Physiker (“…hätte ich doch nur was gescheites studiert… verdammt…”) der einen guten Teil seiner Freizeit bei der Lektüre von “Laienliteratur” zum Thema verbringt (weil physikalisch komplexes Formelwerk leider über seinen Horizont geht).

    Mir sind viele, der von Ihnen angesprochenen Widersprüche in der allgemeinen Berichterstattung aufgefallen und es hat mich viel Zeit gekostet die Fakten von den Unwahr-/Halbwahrheiten zu trennen.

    “Insbesondere finde ich es unsäglich, wenn gerade diejenigen Leser, die selber mitdenken, verwirrt werden: (…)”
    Jawohl!

    Ich habe vieles zum ersten Mal verstanden – mich in vielen anderen Dingen bestätigt gefunden und möchte mich auf diesem Weg für diesen großartigen Artikel zum LHC bedanken.
    Ich würde sogar soweit gehen diesen Artikel als den derzeit besten deutschsprachigen Artikel zum Start des LHC zu bezeichnen (der für Laien verständlich ist).

    Mehr davon – ich hoffe Sie nehmen sich noch oft die Zeit – ich werde regelmässig vorbeischauen.

  7. Ist das Higgs-Feld ein Kraftfeld?

    Ich lasse mich auch gerne von vereinfachten oder unvollständigen Artikeln verwirren. Daher auch mein Lob für den guten Beitrag!
    Aber eines verstehe ist mir immer noch nicht: Ist das Higgs-Feld ein Kraftfeld oder nur etwas ähnliches?
    Wenn es ein Kraftfeld ist, was ist dann die zugehörige physikalische Grundkraft? Kommt zur Gravitation, elektromagnetischer Kraft, schwacher und starker Kernkraft noch eine “Higgs Kraft” hinzu, die die Trägheit erzeugt?

    Freundliche Grüße,
    Markus Flad.

  8. @Markus Flad

    Das ist eine gute Frage. Allerdings wurde mein Antworttext so lang, dass ich merkte: das wird ein eigener Blogbeitrag. Und als ich dann einen Entwurfstext für den Blogbeitrag schrieb, merkte ich: das wäre die Gelegenheit, ein paar andere interessante Dinge zu erklären, aber dazu muss ich eigentlich noch ergänzend ein Vertiefungsthema für Einstein Online schreiben, damit es eine runde Sache wird. Die Kurzantwort auf deine Frage ist: ja, es ist eine Kraft, und der Zusammenhang mit den bekannten fundamentalen Wechselwirkungen ist etwas subtil. Näheres dazu gibt es in einigen Wochen als eigenen Eintrag.

  9. Feld vs. Teilchen

    Vermutlich ist das eine ziemlich dumme Frage, aber ich weiß nicht, warum:

    Die Masse eines Teilchens ergibt sich daraus, wie stark es ans Higgs-Feld koppelt; in der preisgekrönten populärwissenschaftlichen Party (Tequila!) ist das immer die träge Masse. Aber was für die träge Masse gilt, muß auch (nach allem, was wir wissen), für die gravitative Masse gelten. Umso stärker also ein Teilchen ans Higgsfeld koppelt, umso stärker zieht es an und wird angezogen.

    Nun sagte Einstein in einer (gern missverstandenen) Rede (Sie können die Quelle im Gegensatz zu mir sicher aus dem Handgelenk schütteln), daß man sich die gravitativ gekrümmte Raumzeit durchaus als eine Art “Äther” vorstellen darf, solange man sich diesen Äther nicht aus Teilen zusammengesetzt denkt, die durch Raum und Zeit verfolgbar sind.

    Meine Frage ist: widersprechen teilchenartige Repräsentationen des Higgsfeldes nicht dieser Forderung?

  10. Eichinvarianz und Higgs

    hallo Herr Pössel, das Higgsfeld erlaubt es also, die Eichinvarianz der Elektroschwachen Theorie zu erhalten und dann über die Ward-Identitäten die Renormierbarkeit der theorie zu retten.
    Aber wenn man eine finite theorie hätte, dann wäre doch das Higgs überflüssig.
    Wieso sind die Physiker so sicher, das es das Higgs gibt?

    Antwort von MP: Soweit ich sehen kann, sind eine Reihe von Physikern durchaus offen für die Möglichkeit, dass es das Higgs nicht gibt; nur herrscht schlicht ein Mangel an wirklich überzeugenden Alternativen. Wenn das Higgs in den kommenden Jahren nicht auftaucht und der erwartete Massenbereich komplett durchsucht ist, wird sich die Haltung da sicher bei vielen Physikern ändern. Die letzten CERN-Neuigkeiten sind ja aber für Higgs-Freunde eher ermutigend.

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