Klimakrisen-Wahlempfehlung 8: Weil verantwortliches Handeln selbstverständlich sein sollte

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… aber nicht einfacher
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Willkommen beim achten und letzten Teil meiner “Klimakrisen-Wahlempfehlung” – einem persönlich geprägten Blick auf die Physik der Klimakrise, motiviert durch meine Sorgen darüber, dass weite Teile der deutschen Politik- und Medienlandschaft die Klimakrise nicht ernst genug nehmen. Heute ist Bundestagswahl, da kommt es darauf an! In diesem Teil will ich das Puzzle der Informationsbausteine der vorangegangenen Teile noch einmal direkt zusammensetzen – nichts komplett Neues, aber eine Einordnung und Abrundung.

Verantwortungsvolles vs. unverantwortliches Handeln

Bereits in den vorigen Teilen bin ich wieder und wieder auf das Thema verantwortungsvolles bzw. unverantwortliches Handeln zurückgekommen. Dort, wo ein akutes, direkt wahrnehmbares Risiko besteht, haben die allermeisten von uns ja überhaupt kein Problem, diese Unterscheidung zu treffen. Entscheidende Faktoren sind dabei: Wie schlimm wird es, wenn die Sache schiefgeht? Je größer der im ungünstigsten Falle erwartbare Schaden, umso vorsichtiger sollten wir sein. Können wir im ungünstigsten Falle gegensteuern, das Schlimme oder wenigstens das Schlimmste verhindern? Wenn nicht, dann sind wir fast schon bei der Definition von unverantwortlichem Handeln: Dinge in Gang zu setzen, von denen man weiß, dass man sie überhaupt nicht mehr aufhalten könnte, wenn die Sache schief geht. 

Bei der Klimakrise kommen alle diese Faktoren zusammen: die Energiemengen, um die es geht, sind so groß, dass sie unsere Möglichkeiten für die gezielte Umwandlung von Energie insgesamt weit übersteigen (siehe meinen Teil 2) Wir konnten die Erwärmung überhaupt nur dadurch herbeiführen, dass wir beträchtliche Hebelwirkungen ausgenutzt haben, in diesem Falle von Treibhausgasen in der Atmosphäre (siehe meinen Teil 4). 

Zu den Auswirkungen habe ich rückblickend in meiner kleinen Serie vergleichsweise wenig geschrieben.  Insbesondere bei den Extremwetterereignissen hätte ich das vermutlich tun sollen (ähnlich wie letztes Jahr zu Hochwassern). Mich hatte stattdessen der Umstand beschäftigt, dass wir nicht allzu weit entfernt sind von einer sehr grundlegenden Hitze-Luftfeuchtigkeits-Grenze, ab der Menschen ohne aufwändige Schutzmaßnahmen schlicht nicht überleben können (siehe meinen Teil 3). Aber auch daran hängt natürlich ein ganzer Rattenschwanz an Folgen: Wenn sich die Lebensbedingungen in zahlreichen Großstädten (siehe verlinkte Studie in Teil 3) des globalen Südens drastisch verschlechtern, besteht die Gefahr größerer Fluchtbewegungen, sowohl innerhalb der betroffenen Länder selbst als auch nach Norden. Und mit Migration tun wir uns als Gesellschaft ja derzeit, gelinde gesagt, nicht leicht.

Risiko gleich Schadenshöhe mal Eintrittswahrscheinlichkeit

Bei einer Risikoabschätzung spielen vor allem zwei Faktoren eine Rolle: die Größe des Schadens und die Wahrscheinlichkeit, mit welcher der Schaden eintritt. (Ich hatte hier in meiner Bayes-Blogbeitrags-Serie etwas dazu geschrieben.) Welche Schäden der Klimawandel verursacht oder ermöglicht, sehen wir regelmäßig in den Nachrichten. Was noch kommen könnte, wenn wir nicht gegensteuern, zeigen Überlegungen wie die in meinem Teil 3 zu grundsätzlichen Überlebens-Grenzen für Menschen. Entsprechend müsste die Eintrittswahrscheinlichkeit jener Schäden schon sehr gering sein, damit man das Risiko getrost vernachlässigen könnte. 

So argumentieren natürlich jene, die den Klimawandel als Quatsch abtun wollen – allen voran Donald Trump mit diversen climate-change-is-a-hoax-Behauptungen und ganz aktuell seinen Versuchen, Klimaforschung als Ganzes zu unterdrücken – von der Zerstörung der entsprechenden staatlichen Forschungsinstitute bis zum Streichen von (auch bereits zugesagten) Forschungsgeldern für wissenschaftliche Projekte, in deren Beschreibung Worte wie “Klima” oder “Wetter” vorkommen. Ich wüsste nicht, wann in jüngerer Zeit drastischer auf Basis von sachlich abgehobener Ideologie in den Wissenschaftsbetrieb eingegriffen worden wäre als derzeit in den USA. 

Von der Physik her ist die Situation dagegen recht klar: Bringt man die Wirkung von CO2 auf Infrarotstrahlung, das Konzept der optischen Dicke, den Temperaturverlauf in der Troposphäre und den Umstand zusammen, dass sich ein System aufheizt, wenn man ihm mehr (Wärme-)Energie zuführt als abgeführt wird, dann landet man im Falle einer Erhöhung der CO2-Konzentration unweigerlich bei einer Klimaerwärmung (siehe meinen Teil 6). Es müssten schon eine Reihe ungewöhnlicher zusätzlicher Faktoren in genau der richtigen Weise ins Spiel kommen und genau zusammenpassen, um das zu vermeiden. Aber die umfassenderen Modelle, in denen alle bekannten zusätzlichen Faktoren berücksichtigt werden, zeigen ja gerade nicht, dass der Klimawandel bei genauerer Betrachtung verschwinden würde. Und selbst die einfachen Modelle, hier die von Exxon-Wissenschaftlern 1982 erstellte Prognose (Animation aus diesem Tweet von Kevin Pluck), beschreiben den aktuellen Trend  im Gegenteil sehr gut (siehe auch die Analyse von Stefan Rahmstorf nebenan in der KlimaLounge):

Grafischer Vergleich der Klimawandel-Projektion von Exxon-Wissenschaftlern aus dem Jahre 1982 mit dem realen Verlauf
Animation: Kevin Pluck

Dass Exxon auf seine eigenen Wissenschaftler dann nicht gehört hat, steht auf einem anderen Blatt. 

Nicht bei Nebel in Richtung Stau rasen

Wichtig bei der Risikoabschätzung ist, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadens nur einer der Faktoren ist. Betreten wir ein baufälliges Haus, dann ist uns selbstverständlich nicht genug, dass es wahrscheinlicher ist, dass das Haus während unseres Besuches stehenbleibt als dass es in sich zusammenstürzt. Das wäre absurd – vermutlich niemand von uns würde sich sorglos in ein solches Haus begeben, wenn die Wahrscheinlichkeit, dort lebend und ohne schwerere Verletzungen wieder herauszukommen, bei lediglich 51% läge. Auf den Klimawandel übertragen: bei so großem potentiellen Schaden wären Klimaschutzmaßnahmen selbst dann die richtige Entscheidung, wenn wir uns ob des Klimawandels weitgehend unsicher wären, aber das Restrisiko trotzdem zu groß wäre, dass doch etwas an der Sache dran ist. Selbst eine Eintrittswahrscheinlichkeit von, sagen wir, 10% wäre an jener Stelle zuviel. In Wirklichkeit befinden wir uns weit jenseits dieser (sehr niedrigen) Hürde: die grundlegende Physik sagt uns, dass wir beim CO2-in-die-Atmosphäre-blasen eine Erwärmung zu erwarten haben; einfache entsprechende Modellrechnungen bestätigen das (und beschreiben auch den aktuell beobachtbaren Trend gut); die umfassendsten derzeitigen Simulationen bestätigen es auch.

Was nicht heißen würde, dass es nicht Unsicherheiten und weiteren Forschungsbedarf gäbe. Kipp-Punkte (siehe meinen Teil 7) sind so ein Fall. Wir wissen aus der Physik ganz allgemein, dass solche Kipp-Punkte in dynamischen Systemen auftreten und dort, wo sie auftreten, drastische Verhaltensänderungen des Systems bewirken können. Für das Klima-System gibt es eine Reihe möglicher Kipp-Punkte, aber die Details und insbesondere auch die Abschätzungen, wann solche Kipp-Punkte erreicht wären, sind Gegenstand durchaus kontroverser Diskussionen unter den beteiligten Forscher*innen. Aber auch dort heißt verantwortlicher Umgang mit Risiko: wenn die Gefahr besteht, dass unsere Handlungen das System Klima noch deutlich stärker durcheinanderbringen könnten als ohnehin schon, dann ist das ein weiterer Grund zur Vorsicht, und das heißt in diesem Falle: zu einer möglichst schnellen Reduktion unserer CO2-Emissionen auf Null, zu einem Kämpfen um jedes Zehntelgrad vermeidbarer Erderwärmung. Mojib Latif hat das anlässlich der Veröffentlichung des Global Tipping Points Reports 2023 anschaulich formuliert: “Es ist so, wie wenn Sie im dichten Nebel auf der Autobahn fahren und irgendwo vor Ihnen ein Stau liegt, von dem Sie das Ende nicht kennen. Dann rasen Sie doch auch nicht einfach drauf los, als g[ä]be es kein Morgen.”

Immerhin: es passiert etwas

Immerhin ist es ja – trotz aller negativen Nachrichten derzeit – nicht so, als würde weltweit nicht bereits eine Menge passieren. Vergleiche wie in diesem Beitrag hier, der frühere Prognosen zum Ausbau der erneuerbaren Energien der tatsächlichen Entwicklung gegenüberstellt, zeigen, wie viel schwieriger Prognosen zur wirtschaftlichen und technischen Entwicklung im Vergleich zur Physik des Klimas sind. Wie regelmäßig die International Energy Agency IEA das Ausbautempo der Erneuerbaren in dem gezeigten Zeitraum (2002–2016) wieder und wieder und wieder unterschätzt hat, um dann jeweils von der aktuellen Entwicklung überholt zu werden, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Dass deutsche Autobauer sich von schnellen und agilen chinesischen Firmen im E-Auto-Bereich haben abhängen lassen, zeigt, wie gefährlich es wirtschaftlich sein kann, die neue Dynamik zu unterschätzen.

Erschwerend kommt allerdings hinzu, dass wesentliche Akteure auf den relevanten Gebieten zum Teil massive Interessenskonflikte haben. Oder gar nicht einmal Konflikte, sondern schlicht das Interesse, sich durch Verzögerung von Klimaschutzmaßnahmen und des Ausstiegs aus fossilen Energieträgern Abermilliarden an Profite zu sichern. Wenn man bedenkt, wie sehr die öffentliche Diskussion in den letzten Jahrzehnten von der gezielten Propaganda entsprechender Firmen geprägt war, ist es durchaus ein Grund zur Hoffnung, wie weit sich das Klimaschutz-Bewusstsein trotz dieser gut finanzierten Widerstände entwickeln konnte. 

Wir leben natürlich trotzdem bei weitem nicht in einer idealen Welt. Ein Thema, das ich mir in Zukunft noch näher anschauen möchte: Ich hatte in den letzten Wochen den Eindruck, dass sich die Themenauswahl in der Berichterstattung der Medien und die Themengewichtung, die entsprechende Umfragen zeigen, deutlich unterschieden. Hier eine aktuelle Umfrage zur Wichtigkeit der verschiedenen Themen:

Umfragewerte für ZDF-Politbarometer Februar II 2025: "Ähnlich wie vor zwei Wochen nennen die Befragten Frieden und Sicherheit (45 Prozent) sowie die Wirtschaft (44 Prozent) als wichtigste Themen für die eigene Wahlentscheidung bei der Bundestagswahl. Auf Rang drei liegt – bei zwei möglichen Nennungen pro Befragtem – mit 39 Prozent die soziale Gerechtigkeit, gefolgt von Flüchtlinge/Asyl (26 Prozent), vor Rente/Alterssicherung (22 Prozent) und Klimaschutz (22 Prozent)."

 

Ich habe nicht den Eindruck, dass die Themen in der Berichterstattung und bei den Wahlkampfs-Diskussionsveranstaltungen auch nur annähernd in dieser Gewichtung vorgekommen wären. Das will ich mir in Zukunft noch konkreter anschauen.

Die Diskussion über Machbarkeit und Umsetzbarkeit von Klimaschutz und Energiewende wurde in den Kommentaren meiner Blogbeitragsserie ja schon eifrig geführt. Aus meiner Sicht der wichtigste grundsätzliche Punkt: CO2 beeinflusst die Änderungsrate für die Temperatur (siehe meinen Teil 6). Es ist wie im Badewannenbeispiel: Wenn die Badewanne überläuft, sollte man keine Zeit mit dem Zusammensuchen aller verfügbaren Handtücher und Feudel verschwenden, bevor man nicht den verdammten Wasserhahn zugedreht hat. Ins Positive gewendet: Was wir jetzt für eine Infrastruktur erneuerbarer Energien aufwenden, ist eine Investition, und erspart uns in Zukunft gewaltige Kosten. Das ist ein gewichtiger Grund, jetzt so rasch wie möglich den Wandel voranzutreiben. Verkürzt gesagt: Bauen ist günstiger als Mieten. Jetzt den Klimawandel soweit es noch geht zu begrenzen ist billiger, als der sich dann stetig verschlechternden Entwicklung wieder und wieder und wieder hinterherzuhinken.

In einer idealen Welt hätten uns zu dieser Bundestagswahl alle Parteien konstruktive, realistische Lösungsansätze für den Klimaschutz angeboten, jede mit einem entsprechenden Twist: unternehmerfreundlich bei CDU/CSU und FDP, sozial bei SPD und Linken, mit den Umweltaspekten im Vordergrund bei den Grünen, und mit “die alten Parteien können keinen Klimaschutz!!” bei BSW und AfD. Das sehe ich in den aktuellen Debatten tatsächlich nicht. Entsprechend kann ich nur jedem/jeder raten kann, der noch nicht gewählt hat: (a) gehen Sie bitte wählen, und (b) berücksichtigen Sie das Thema Klimaschutz bei der heutigen Wahlentscheidung zur Bundestagswahl bitte mit angemessenem Gewicht. Ich sehe insbesondere angesichts der Zeitskalen jeden und jede von uns in der Verantwortung, so zu wählen, dass wir der Klimakrise so entschieden wie möglich begegnen. Sprich: Von der Wahl von Parteien, die die Klimakrise als Ganzes leugnen, aber auch von Parteien, die sich bei eigener Regierungsbeteiligung oder von den öffentlichen Aussagen her als Klimakrisen-Abwiegler und/oder Klimaschutz-Verzögerer hervorgetan haben, rate ich dringend ab. (Tipp: Es ist durchaus aufschlussreich, sich anzuschauen, welche prominenten Parteimitglieder sich wie über die Klimakrise äußern. Wenn jemand sich fast nur zum Thema äußert,  um ein langsameres Tempo anzumahnen, nimmt der oder die die Klimakrise meiner Einschätzung nach nicht ernst genug.)

Themenübersicht

Das hier sind alle Themen der kleinen Serie zu Klimaschutz-Wahlempfehlungen:

Die Themenauswahl spiegelt wieder, was ich selbst für mein Verständnis der Klimakrise für entscheidend halte – und damit für den Umstand, dass ich die Klimakrise als extrem dringend einstufe. Dass die Themen physik-basiert sind, ergibt sich aus meinem persönlichen Hintergrund. Ich nähere mich dem Thema eben von der Physik her.

Damit die Diskussion in den Kommentaren nicht ins unübersichtlch-unkonstruktive abgleitet, die bei mir bei potenziell kontroversen Themen üblichen Regeln: keine Beleidigungen oder beleidigende Unterstellungen/Pauschalisierungen; bitte nur Beiträge mit direktem Bezug zum Inhalt des Blogbeitrags (kein allgemeines Forum); bitte respektieren Sie die Lesezeit der Mitlesenden und fassen Sie sich so kurz wie möglich; bitte keine Tatsachenbehauptungen ohne entsprechende Quelle bzw. entsprechendes Link. Beiträge, die sich nicht an die Regeln halten, schalte ich ggf. gar nicht erst frei.

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

6 Kommentare

  1. Ihre Beiträge habe ich als sehr objektiv empfunden. Sie sind auf viele Aspekte eingegangen, haben alles recht nachvollziehbar beschrieben und haben sehr sachliche Bewertungen vorgenommen.

    Ich persönlich würde „Dynamiken“, wegen meiner früheren beruflichen Prägung als „Elektroniker“, stärker bewerten. Sie wurden einerseits absichtlich genutzt, aber es sind auch sehr häufig „Störeffekt“ aufgetreten.

    Es gibt Aufschaukelungen und Resonanzen, Gleichungen die dieses Geschehen abbilden, enthalten „Polstellen“, so dass bei auch sehr kleinen Veränderungen der Anfangsbedingungen, sehr große plötzlich auftretende, zerstörerische Kräfte auftreten können.

    Sie haben praktisch selber die Antwort geliefert, warum „die Menschen“ Frieden/Sicherheit und Wirtschaft, …… höher bewerten als den Klimawandel.

    In Amerika ist das noch ausgeprägter als bei uns, weil dort Bürger schneller als (derzeit noch) bei uns, als Obdachlose auf der Straße landen. Da haben die Menschen nun einmal andere Prioritäten.

    Sieht man recht drastisch am Heizungsgesetz. Die Grünen haben gemeint, statt einen neuen Ölkessel, wenn der alte defekt ist, schafft man sich einfach eine Wärmepumpe an und alles ist paletti.

    Hat man sich genauer informiert, wurde einem schnell klar, dass es sich aus technischen Gründen völlig anders verhält. Es können Kosten bis rund 200 000 Euro bei einem alten Einfamilienhaus auftreten, wenn man alles ordnungsgemäß (Fußbodenheizung, Wärmedämmung,….) erledigen lässt……

    Klar dass z.B. bei „DDR Pensionisten“ mit 2 000 Euro Rente, die sich ehemals gerade noch ein Häuschen leisten konnten, die Verzweiflung ausbricht…. Bei jungen Leuten sind es die gestiegenen Mietkosten…..

    • Zur Bewertung: Sie reden so, als lasse sich Klimawandel irgendwie von Frieden/Sicherheit und Wirtschaft trennen. Während sich andererseits die Rückversicherer vor großen Problemen sehen, Menschen in einigen Regionen (Florida!) ihre Häuser gar nicht mehr versichert bekommen, und den Menschen z.B. im Ahrtal das entsprechende Extremwetter ganz sicher nicht abstrakt vorkommt. Von den Zahlen her: bei der Befragung zur Wahl nach dem wichtigsten Thema liegen Wirtschaftswachstum mit 15% und Klima/Umwelt mit 13% nicht arg weit auseinander; den Unterschied sollte man nicht größer reden, als er ist.

      Zweitens, siehe Bundesverfassungsgericht, ist da halt der Gerechtigkeitsaspekt. Die meisten Menschen dürften dabei durchaus zustimmen, dass die jetzige Generation die Umwelt nicht einfach kaputtmachen und dann die kläglichen Reste mit einem knappen “ok, das war’s für uns, dann noch viel Spaß” den nachfolgenden Generationen hinterlassen sollte. Diese Art von Leben-auf-Kosten-der-anderen dürfte für eine große Mehrheit der Menschen nicht mit ihrem Gerechtigkeitsempfinden vereinbar sein.

      Zu Heizungsgesetz und Kosten: Was Sie da schreiben mit “alles ist paletti” stimmt doch so einfach nicht, denn selbstverständlich war z.B. die Wärmedämmung schon lange vorher Thema. Die Dämmpflicht kam in der jetzigen Form schon mit dem Gebäudeenergiegesetz 2020, noch vor der Ampel. Dass Wärmepumpe nur mit Fußbodenheizung ginge, ist ein Mythos. Und es ist ja auch nicht so, dass das alles ohne Fördermittel abginge; da geht über KfW und andere ganz gehörig etwas mit Zuschüssen oder langfristigen günstigen Krediten. Aber letztlich stimmt natürlich auch, dass D da lange geschlafen hat. Wenn wir die Wärmewende so frühzeitig angegangen wären wie einige der skandinavischen Länder, dann wären das ganz andere Vorlaufzeiten gewesen, und entsprechend geringer wäre die Belastung. Da hat es das Zögern früherer Regierungen in der Tat schwerer gemacht, als es hätte sein müssen. Den Fehler sollten wir jetzt nicht noch einmal machen.

  2. Es sieht so aus, dass es ein neues Kommunikationsdesaster gibt aufgrund dieses Papers:

    “Continued Atlantic overturning circulation even under climate extremes”

    http://www.nature.com/articles/s41586-024-08544-0

    Stefan Rahmstorf:
    “I’ve been getting a lot of media queries about a new paper on the AMOC (Atlantic Meridional Overturning Circulation), which has just been published. In my view this large media interest is perhaps due to confusing messages conveyed in the title of the paper and in press releases about it by the journal Nature and by the Met Office. Whether intended or not, these give the impression that new model results suggest that the AMOC is more resilient than previously thought. That’s (unfortunately!) not the case.
    (…)
    It’s the same models, showing the same things – just the wording is different. What previous studies have labelled an ‘AMOC collapse’ is now called ‘no collapse’. It’s essentially a discussion about semantics, not physics. Do you call it an AMOC collapse if a weak and shallow wind-driven overturning persists after the thermohaline part has collapsed? Or not?”

    http://www.realclimate.org/index.php/archives/2025/02/how-will-media-report-on-this-new-amoc-study/

    • Warum hängen Sie die Sache mit der Wortwahl “Kommunikationsdesaster” gleich wieder so extrem hoch? Zumal das, was Stefan Rahmstorf da beschreibt, ja nichts ist, was kompetente Wissenschaftsjournalist*innen nicht richtig vermitteln könnten.

  3. @ Markus Pössel

    Ich bin von Ihrer Grafik ausgegangen: ZDF Politbarometer Februar II 2025.
    Frieden/Sicherheit, Wirtschaft liegen bei 44…45% Zustimmung, Klimaschutz bei 22%.

    Bei der Bewertung spielt es aus psychologischen (und auch naheliegenden Gründen) stets eine bedeutende Rolle, ob ein Ereignis unmittelbar bevor steht, in 1 Jahr, in 10 Jahren, in 50 Jahren oder noch später eintritt.

    Natürlich spielt auch eine Rolle, ob einer „Sorgen“ hat, oder womöglich „sorgenfrei im Elfenbeinturm“ lebt. Dann kommt es auch noch darauf an, ob die Sichtweisen vor oder nach der „Zeitenwende“ (Corona, Krieg, …..) erhoben wurden.

    Es gibt wohlhabende und kältere Länder, z.B. Norwegen, Schweden,….. die konnten und mussten sich effizientere Energiesysteme leisten. D hatte Kriegslasten zu bewältigen und ist letztlich auch „Tribut pflichtig“.

    Andere Länder sind noch weitaus „ärmer“, Menschen müssen noch härter um ihre Existenz kämpfen, der Wunsch nach vorsorglichem „Klimaschutz“ existiert nicht….

    Dass Menschen, z.B. in Kalifornien, Griechenland,….. wo es jedes Jahr „brennt“, ihre Häuser gar nicht mehr versichert bekommen, wundert mich nicht. Nur verstehe ich nicht, dass sie dort nicht alles „Brennbare“ (Bäume, Sträucher, Holzdächer,….) entfernen, sich „Steingärten“ zulegen, und nicht brennbare, womöglich Licht reflektierende „Sonnenschutzsegel“ aufbauen.

    Dass enge Flusstäler gefährdet sind, ist ein alter Hut. Da sind selektive bauliche Maßnahmen, z.B. Hochwasserschutz und künstliche Auffangbecken die gleichzeitig eine Funktion als Wasserdepots (gegen Trockenheit) haben angebracht.

    Aus den üblichen ökonomischen Gründen sollen Investitionen möglichst „rational“, (nicht ideologisch, womöglich aus psychologisch bedenklichen Motivationen) sondern „zielgenau“ und „zum optimalen Zeitpunkt“ erfolgen.

    Die alten Heizkörper haben normalerweise für eine Niedertemperaturheizung zu wenig Abstrahlfläche. Dass auch Wärmepumpen weiter entwickelt werden, ist klar.

    Aus biologischen Gründen erledigt sich das Problem der alten Ölheizungen praktisch von selbst. Die nachfolgende Generation wird die alten Häuser mit veraltetem Grundriss eher abreiße und neu bauen….

    Die E Autos werden besser und attraktiver werden.

    Die Hitze (z.B. in Afrika), wird ökonomisch in nutzbare „Energien transformiert“ (Wasserstoff, Strom,….).

    Die anstehenden Probleme sind extrem interessant für viele Wissensgebiete und meiner Ansicht nach, wäre heutzutage alles bestens zum optimalen Zeitpunkt lösbar.

    Zur Gerechtigkeit gehört auch, dass sich ärmere Menschen nicht ökonomisch ruinieren lassen müssen. Es gibt schon genug Obdachlose….

    • Zu den Befragungen: In der Grafik oben sind jeweils die ersten beiden Antworten gezählt, bei den Zahlen in meiner Antwort nur das jeweils wichtigste Thema.

      Zu den Zeitskalen: Sicher gibt es diesen Effekt, aber zum rationalen Handeln gehört eben auch, sich über die (absehbare) Zukunft Gedanken zu machen. Ob nun über die eigene noch fernliegende Rente oder eben Klimawandel-Effekte.

      Zu Skandinavien: Der schwedische Wärmepumpen-Boom kam in den 1990er Jahren. Da kann man nicht mehr sagen, D habe wegen “Kriegslasten” nicht mehr leisten können. Gerade über mehr als 30 Jahre gestreckt wäre das mit entsprechenden Regelungen auch in D durchsetzbar gewesen. Alleine schon wenn man es bei Neubau/Heizungstausch vorgeschrieben hätte.

      Insgesamt denke ich, Sie unterschätzen die Fähigkeit der Menschen zu rationalem und durchaus auch vorausschauendem Handeln.

      Dafür, dass alte Heizkörper “normalerweise” zu wenig Abstrahlfläche hätten, würde ich gerne einen Beleg sehen. Dafür sind bei Wärmepumpen derzeit gerade zu viele negative Mythen im Umlauf.

      Und ja, Sozialverträglichkeit ist in der Tat wichtig – deswegen sollte die nächste Bundesregierung endlich mal mit dem Klimageld ernstmachen.

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