Klimakrisen-Wahlempfehlung 2: Weil die riesigen Energiemengen nicht (direkt) kontrollierbar sind

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… aber nicht einfacher
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Willkommen bei Teil 2 meiner kleinen Serie “Klimakrisen-Wahlempfehlung” – einem persönlich geprägten Blick auf die Physik der Klimakrise, motiviert durch meine Sorgen darüber, dass weite Teile der deutschen Politik- und Medienlandschaft die Klimakrise nicht ernst genug nehmen. In Teil 1 ging es um eine Variante des magischen Denkens, das stillschweigend annimmt, alle Probleme, denen wir als Gesellschaft gegenüberstehen, ließen sich schon irgendwie in der üblichen Weise regeln: mit Kompromissen, bei denen es keinen grundlegenden Unterschied macht, ob mal ein paar Jahre das eine, dann wieder das andere Problem je nach Zusammensetzung der Regierungskoalition etwas zurückstecken muss. Bei der Klimakrise droht diese Denke, uns auf die Füße fallen. Um einen Grund dafür geht es in diesem Teil der Serie: die extrem großen Energiemengen, um die es bei der Erderwärmung geht. So groß, dass wir sie nicht mehr direkt manipulieren bzw. kontrollieren können. Ganz allgemein gilt: Wer eine Situation herbeiführt, die er oder sie nicht kontrollieren kann und die das Potenzial hat, katastrophal aus dem Ruder zu laufen, handelt unverantwortlich. Was die Klimakrise angeht, handeln viele derer, deren Handeln Konsequenzen hat – in Regierungen oder auch in Unternehmen – in dieser Hinsicht derzeit unverantwortlich.

Energiemengen und die Grenzen unserer Einflussnahme

Der Physik sind menschliche Maßstäbe fast komplett egal. In Bezug auf die Astrophysik ist das Stichwort “astronomisch” als Adjektiv sogar in unseren Alltags-Sprachgebrauch übergegangen als Wort für Größenskalen jenseits unserer direkten Erfahrung. Das ist insofern OK, als dass wir bei astronomischen Objekten ja gar nicht erst versuchen würden, selbst auf jenen Größenskalen aktiv zu werden, beispielsweise ernsthaft einen künstlichen Stern oder gar eine künstliche Galaxie zu produzieren oder vorhandene Sterne oder gar Galaxien umzubauen. Das wäre absurd!

Beim Klimawandel haben wir ebenfalls ein massives Größenordnungsproblem. Dort betrifft es allerdings nicht ferne Regionen des Universums, sondern unsere unmittelbare planetare Umgebung, ein System, das wir in der Tat selbst beeinflussen, das gezielter “Reparatur” aber zumindest auf kurzen Zeitskalen ähnlich unzugänglich ist wie ein Stern und eine Galaxie. Nehmen wir das Größenordnungsproblem nicht ernst, dann laufen wir Gefahr, in eine nur schwer anschaulich vorstellbare, unverantwortliche und riskante Grenzsituation hineinzurutschen.

Energiemengen in Atmosphäre und Ozeanen

Das jenseits üblicher menschlicher Maßstäbe große System besteht in diesem Falle aus der Erdatmosphäre samt Ozeanen, mit der fernen Sonne als Energielieferant. Um die Größenordnungen abschätzen zu können, um die es geht, reproduziere ich hier eine Abbildung aus dem Science-Artikel von Cheng et al. 2019 zur Entwicklung des Wärme-Gehalts der oberen Ozeanregionen (0-2000 m):

Kurve mit Messwerten und Vorhersagen zum Wärmegehalt der oberen Ozeanschichten

Im Vergleich zum Ausgangspunkt 1990 sind rund 240 Zettajoule an zusätzlicher Wärmeenergie in den Ozeanen gelandet, also 2,4 mal 1023 Joule, von 1990 bis 2019 sind das im Schnitt pro Jahr 8 mal 1021 Joule.

Mal angenommen, dass wir herausfinden, dass es keine gute Idee ist, soviel zusätzliche Wärme in den Ozeanen zu haben. (Den sarkastischen Tonfall des letzten Satzes denke sich der/die geneigte Leser*in bitte hinzu.) Könnten wir daran etwas ändern? Energie zu transportieren, von einer Energieform in die andere umzuwandeln, ist zentraler Teil unserer technischen Aktivitäten. Natürlich kommt es bei der Umsetzung auf die Details an, darauf, welche technischen Prozesse ablaufen sollen. Aber unser Vermögen oder Unvermögen, mit einer gegebenen riesigen Energiemenge klarzukommen, lässt sich sehr grob abschätzen, indem wir fragen: Wie viel Energie wandeln wir denn überhaupt, alle technischen Prozesse zusammengenommen, pro Jahr um bzw. setzen sie für unsere Belange ein?

Das Primärenergiebedarf als (großzügige) Obergrenze für unser Energie-Umwandlungs-Vermögen

Der Weltbedarf an Primärenergie betrug im Jahre 2023 rund 620 Exajoule, also 6,2 mal 1020 Joule. Dort sind alle Vorgänge eingerechnet, mit denen wir Energie zu unserem eigenen Nutzen ein- und umsetzen, abgesehen von körperlicher Arbeit. Der Primärenergiebedarf ist damit ein Maß dafür, welche Energiemengen wir, alle unsere technischen Möglichkeiten zusammengenommen, überhaupt technisch umwandeln und nutzbar machen können.

Das ist natürlich ein noch deutlich größerer Betrag als jener, den wir kurz- bis mittelfristig für ein Spezialprojekt einsetzen könnten. Wir werden ja für ein fiktives Großprojekt “entzieht den Ozeanen die Wärme!” nicht einfach sämtliche Produktion stoppen, sämtliche öffentlichen Stromnetze abschalten, sämtlichen Verkehr lahmlegen, sämtliche Heizungsanlagen stoppen, um mit der dafür sonst benötigten Energie zwischenzeitlich etwas ganz anderes zu unternehmen. Zumal wir für jenes Alternativ-Unternehmen ja überhaupt entsprechende technische Anlagen bauen müssten, mit entsprechenden zusätzlichen Kosten. Aber gerade deswegen ist dieser Betrag eine hilfreiche, weil sehr großzügige Obergrenze für das, was wir als Menschheit überhaupt an Energie aufbringen können, um Dinge zu erledigen. Wir liegen damit so weit über unseren tatsächlichen Möglichkeiten, dass niemand uns vorwerfen kann, unsere Möglichkeiten zu unterschätzen.

Aber selbst wenn wir alle diese Umwandlungsmöglichkeiten einsetzen könnten, um dem Ozean in dieser Größenordnung Wärme zu entziehen (wie gesagt hoffnungslos unrealistisch; alles andere in unserer industrialisierten Gesellschaft stünde dann still; hinzu kommt dass die allermeisten von uns genutzten Energieumwandler für diese spezielle Umwandlungsaufgabe schlicht nicht geeignet sind), bräuchten wir bei den genannten Wärmemengen rund 390 Jahre.

…aber wie konnten wir dann eigentlich soweit kommen?

Umgekehrt kann man sich natürlich fragen: Wenn das, was da im Ozean gelandet ist, Energiemengen weit jenseits dessen sind, was wir technisch direkt manipulieren können – wie können wir dann als Menschheit überhaupt für jene Erwärmung verantwortlich sein?

Der wichtigste Teil der Antwort ist, dass da eine noch deutlich größere Energiequelle im Spiel ist. Rund 5450 Zettajoule, in der üblichen wissenschaftlichen Schreibweise 5,45 mal 1024 Joule, sendet die Sonne in jedem Jahr zur Erde. (Wobei “zur Erde” hier heißt: So viel Sonnenlicht trifft in einem Jahr auf die Erdatmosphäre. Eine Menge davon wird reflektiert oder anschließend wieder abgestrahlt. Aber so viel kommt in einem Jahr überhaupt erst einmal an.) Was wir mit dem erhöhtem Treibhausgas-Ausstoß verursacht haben, ist analog zu jemandem, der den Wasserhahn einer Badewanne öffnet: Mit vergleichsweise geringem Aufwand haben wir ein überproportional großes Ergebnis herbeigeführt.

Im Falle der Badewanne ist das letztlich bloß Arbeitsersparnis, denn zur Not hätten wir die Badewanne auch füllen können, indem wir die nötige Arbeit komplett selbst leisten, nämlich zu einem Brunnen gehen, eimerweise Wasser nach oben holen, jeden Eimer in unsere Wohnung tragen und seinen Inhalt in die Badewanne kippen. Umgekehrt gilt damit natürlich: Wenn alle Stricke reißen, oder genauer: Wenn der Abfluss verstopfen sollte, bekommen wir die Badewanne zur Not auch mit Hilfe von Eimern und anderen Gefäßen geleert.

Im Falle des Klimawandels ist das Missverhältnis zwischen der Wirkung des Analogons zum Wasserhahneffekt und dem, was wir mit metaphorischen Eimern vermögen, deutlicher ausgeprägt. Über den Treibhaus-Steuereffekt haben wir einen Energiefluss ausgelöst, der den Ozeanen in den letzten 25 Jahren jedes Jahr im Schnitt 13 Mal mehr Energie zugeführt hat als die Gesamtmenge des (heutigen) Primärenergiebedarfs. Das ist ein Unterschied von etwas mehr als einer Größenordnung, eir Zehnerpotenz. Dass wir diese im Vergleich zu sonstigen menschlichen Energie-Manipulationen große Menge zuführen konnten, hat nur funktioniert, weil es den “Wasserhahneffekt” gibt. Weil wir einen großen Energiestrom, dessen Energiemengen jenseits all unserer anderen Energiefreisetzungs-Möglichkeiten liegen, mit vergleichsweise geringem eigenen Aufwand manipuliert haben.

Definiere “unverantwortlich”

An dieser Stelle gehen wir von den Naturwissenschaften – die uns hier die entsprechenden quantitativen Aussagen bzw. Zahlenverhältnisse geliefert haben – auf eine andere Ebene über, nämlich die gesellschaftliche. Dort spielen Kategorien und Begriffe eine Rolle, die unser Handeln und seine möglichen Folgen betreffen. Zwei wichtige entsprechende Begriffe sind Verantwortung bzw. Vorsicht.

Verantwortlich bzw. vorsichtig zu handeln schließt ein, kein Risiko einzugehen, bei dem man negative Folgen nicht notfalls begrenzen, korrigieren oder rückgängig machen könnte. Fahre ich im Verkehr so schnell, dass ich im Notfall nicht schnell genug bremsen könnte, verhalte ich mich unverantwortlich. Entfache ich ein Feuer, bei dem die Gefahr besteht, dass es sich ausbreiten könnte, ohne dafür Sorge zu tragen, es notfalls wieder löschen zu können, handle ich unverantwortlich. Nehme ich Schulden auf, von denen ich nicht den Hauch einer Chance habe, sie jemals wieder zurückzahlen zu können, handle ich unverantwortlich. Lasse ich ein Kind an einem gefährlichen Ort herumlaufen in einer Weise, dass ich im Falle eines Unglücks nicht mehr rechtzeitig und/oder nicht wirksam genug eingreifen könnte, um Verletzungen oder sogar eine Todesfolge vermeiden zu können, handle ich unverantwortlich.

Wo die Grenze bei riskantem Verhalten verläuft, müssen wir als Gesellschaft dann natürlich aushandeln. Dabei spielt das Risiko für negative Folgen ebenso hinein wie das Ausmaß jener negativen Folgen. Ist das Ausmaß akzeptabel, können wir uns darauf einigen ein größeres Risiko hinzunehmen. Allgemein muss allerdings in die Risikobetrachtung auch eine realistische Abschätzung unseres Wissensstandes eingehen. Wenn wir in einer gegebenen Situation schlicht nicht genug wissen, um ein größeres Risiko ausschließen zu können, dann dürfen wir die Grenzen unseres Wissens nicht als Vorab-Entschuldigung vorschieben, sondern müssen bei unserer Risikobewertung auch diese Unsicherheit einfließen lassen. Dieser Umgang mit den Grenzen unseres eigenen Wissens ist ein wichtiger Teil verantwortlichen Handelns.

Bezogen auf die Klimakrise heißt das: Entweder wir vertrauen den Vorhersagen der Klimaforschung zur weiteren Entwicklung und dazu, wie sie insbesondere von unserer Treibhausgas-Freisetzung abhängt. Dann ist sehr klar, wie wir mit der Situation verantwortlich umgehen – nämlich dass wir so schnell wie mögllich die Treibhausgas-Freisetzung herunterfahren, und wenn es uns irgendwie möglich ist sogar CO2 aus der Atmosphäre entfernen. Oder aber, und das ist ja insbesondere bei denen eine beliebte Taktik, deren kurzfristige Profite durch jene Umstellung leiden würden und die deswegen gehörig Geld investieren um jene Umstellung zu verzögern: Wir haben bzw. sähen Zweifel.

Dazu, warum die Extremvariante des alles-nicht-wahr-was-die-Klimaforschung-sagt, nicht stimmen kann, kommen in einem späteren Beitrag noch weitere Informationen. Beschränken wir uns hier also auf diejenige Variante, die sich auf die zweifelllos vorhandenen Unsicherheiten der Klimamodelle, auf die zweifellos vorhandenen Lücken unseres Wissens zum Klimasystem der Erde, die ganz klar vorhandenen Grenzen unseres heutigen Wissens stützt. Wer aus jenen Unsicherheiten ein  “…darum sollten wir uns beim Klimaschutz erst einmal zurückhalten” schließt, vernachlässigt die oben genannten Grundsätze verantwortlichen Handelns: Gerade weil wir die Zukunft nicht perfekt vorhersagen können, ist es unverantwortlich, Handlungen vorzunehmen, die wir (oder uns helfende andere Menschen oder Institutionen) nicht zurücknehmen können. Genau das tun wir aber bei der Erderwärmung: Wir manipulieren einen riesigen Energiefluss in einer Weise, die wir mit der Gesamtheit der unter unserer Kontrolle stehenden Energie-Umwandlungs-Fähigkeiten auch nicht ansatzweise kurz- oder mittelfristig rückgängig machen können, wenn sich negative Folgen unseres Handelns zeigen und etwas schiefgeht.

Das ist für mich der zweite gewichtige Grund, die Klimakrise als gefährlich und dringlich einzustufen, und entsprechen jedem/jeder zu raten, dem Thema bei der anstehenden Wahlentscheidung zur Bundestagswahl mit angemessenem Gewicht zu berücksichtigen. Ich sehe insbesondere angesichts der Zeitskalen jeden und jede von uns in der Verantwortung, so zu wählen, dass wir der Klimakrise so entschieden wie möglich begegnen. Sprich: Von der Wahl von Parteien, die die Klimakrise als Ganzes leugnen, aber auch von Parteien, die sich bei eigener Regierungsbeteiligung oder von den öffentlichen Aussagen her als Klimakrisen-Abwiegler und/oder Klimaschutz-Verzögerer hervorgetan haben, rate ich dringend ab. (Tipp: Es ist durchaus aufschlussreich, sich anzuschauen, welche prominenten Parteimitglieder sich wie über die Klimakrise äußern. Wenn jemand sich fast nur zum Thema äußert,  um ein langsameres Tempo anzumahnen, nimmt der oder die die Klimakrise meiner Einschätzung nach nicht ernst genug.)

Themenübersicht

Ich habe mir für diese Serie die folgenden Themen überlegt, die ich in lockerer Folge besprechen will:

Die Themenauswahl spiegelt wieder, was ich selbst für mein Verständnis der Klimakrise für entscheidend halte – und damit für den Umstand, dass ich die Klimakrise als extrem dringend einstufe. Dass die Themen physik-basiert sind, ergibt sich aus meinem persönlichen Hintergrund. Ich nähere mich dem Thema eben von der Physik her.

Damit die Diskussion in den Kommentaren nicht ins unübersichtlch-unkonstruktive abgleitet, die bei mir bei potenziell kontroversen Themen üblichen Regeln: keine Beleidigungen oder beleidigende Unterstellungen/Pauschalisierungen; bitte nur Beiträge mit direktem Bezug zum Inhalt des Blogbeitrags (kein allgemeines Forum); bitte respektieren Sie die Lesezeit der Mitlesenden und fassen Sie sich so kurz wie möglich; bitte keine Tatsachenbehauptungen ohne entsprechende Quelle bzw. entsprechendes Link. Beiträge, die sich nicht an die Regeln halten, schalte ich ggf. gar nicht erst frei.

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

25 Kommentare

  1. und wieso wissen wir alle leider genau, dass fast alle Parteien die realistisch gesehen in den Bundestag kommen, (zumindest aktuell) nicht verantwortlich genug zur Klimakrise sich positionieren? Dass bei aller Kritik es so klar ist, wen der Autor hier empfiehlt, dass er sie nicht mal erwähnen muss?!

  2. Auf der unten verlinkten Seite wird die Energiezunahme durch die globale Erwärmung in Hiroschima-Bomben umgerechnet. Pro Sekunde 4 Hiroschima Bomben. Ob der Wert korrekt ist, weiß ich nicht. Aber er gibt eine gewissen Vorstellung für Laien.

    4hiroshimas.info

    • Das finde ich tatsächlich eher weniger hilfreich, weil dabei eine Energiemenge, die durch plötzliche Freisetzung ihre zerstörerische Kraft entfaltet, mit einem allmählichen Prozess verglichen wird.

      • Bei Atombomben-Explosionen im Abstand von Viertelsekunden könnte man schon von einem kontinuierlichen Prozess sprechen. Die Problematik bei dieser Veranschaulichung sehe ich mehr darin, dass die Atombomben jeweils nur einen kleinen Bereich betreffen, die Erwärmung durch die Sonne aber global verteilt ist.

        Außerdem haben wir gar keine intuitive Vorstellung, wie viel Energie in so einer Atombombe freigesetzt wird. Hiroshima hatte mit 12.500 Tonnen TNT-Äquivalenten nur etwa ein Tausendstel der Sprengkraft späterer Wasserstoff-Bomben.

        Übrigens: Eine 1 kT_TNT = 4,184 TJ, die Hiroshima-Bomba hatte also 52 TJ Energiegehalt oder 14,6 MWh. Grob gerundet dasselbe wie die Energiefreisetzung eines Kernkraftwerks über drei Stunden bzw. dessen Stromerzeugung in 10 Stunden.

        Diese Energiemenge wird aber 3 * 3600 * 4 mal in den drei Stunden freigesetzt, entspricht also der Wärme von 43.000 Kernkraftwerken. Wirkt viel, aber bei einer Fläche der Erdoberfläche von 510 Millionen km² wäre das aber (nur) ein Kernenergie-Kühlturm für je eine Fläche von je 12.000 km². Oder je 6.000 km² auf der jeweiligen Tagseite der Erde. Vielleicht unterschätzt man auch die Wärmemenge, die so ein Kern- oder auch Kohlekraftwerk abgibt; immerhin werden ganze Flüsse von dem Kühlwasser deutlich aufgeheizt.

        Proberechnung: 43.000 KKW * 1400 MW / 0,3 [elektr. Wirkungsgrad] * 3600 s/h * 24 h/d * 365 d/a = 6,3 * 10^21 Joule/a, die Angabe im Text lautet 8 mal 10^21 Joule/a, die Größenordnung stimmt.

        • Wenn wir keine intuitive Vorstellung davon haben, dann hilft es jenseits von, überspitzt gesagt, “Atombombenexplosionen sind schrecklich, Klimawandel ist wie Atombombenexplosionen, Klimawande ist also schrecklich” nicht viel. Und diese Assoziationskette finde ich dann doch sehr plakativ. Just my 2 cent.

  3. Der hier erwähnte Artikel „ How fast are the oceans warming?“ von Cheng et al aus dem Jahr 2019 kommt zu einer in etwa linearen Erwärmung der oberen Ozeanschichten. Andere Untersuchungen kommen aber zu einem beschleunigten Anstieg der Erwärmung des Weltmeers, etwa der Artikel Recent acceleration in global ocean heat accumulation by mode and intermediate waters, wo man folgendes liest: Hier analysieren wir historische und jüngste Beobachtungen, um zu zeigen, dass sich die Wärmeaufnahme der Ozeane seit den 1990er Jahren dramatisch beschleunigt hat und sich zwischen 2010 und 2020 im Vergleich zu 1990 und 2000 fast verdoppelt hat.
    Das passt übrigens sehr gut zu Aussagen von Jim Hansen, der auch eine beschleunigte Erwärmung der Erdoberfläche in den letzten Jahrzehnten feststellt. Jim Hansen und Co. führen das auf eine Abnahme der Aerosole zurück unter anderem weil die Schiffahrt entschwefelt wurde (Global Warming Has Accelerated: An Intimate Conversation with Leading Climate Scientists)

    Empfehlung: Klimaschutz sollte weltweit die aktuell kostengünstigen Massnahmen einsetzen und im Rhythmus von 5 oder 10 Jahren ihre Klimaschutzpläne an die dann aktuelle Technologie anpassen. Grund: nur finanziell tragfähige Lösungen sind ökonomisch nachhaltig. Was genau die Lösungen sind, hängt immer vom momentanen Entwicklungsstand der Technik ab.
    Möglichst viel Mitigation also mit den Mitteln, die gerade zur Verfügung stehen.

    • Eine mögliche Beschleunigung ist besorgniserregend, aber der Blogartikel will ja auf etwas viel Elementareres hinaus, nämlich die Größenordnungen der Energiemengen, um die es da geht.

      Zu Ihrer Empfehlung: Da fehlt aus meiner Sicht die zentrale Aussage, dass es jederzeit eine Komplett-Planung bis zum CO2-Ausstieg mit den aktuell verfügbaren Mitteln geben sollte. Anpassung alle 5 bis 10 Jahre dann gerne, aber es darf keine Pläne geben, bei denen irgendwelche zukünftigen Wundermittel schon mit eingerechnet sind und die Begründung dafür liefern, warum wir uns aktuell gar nicht so sehr anstrengen müssen.

      • @Markus Pössel(Zitat): „ Da fehlt aus meiner Sicht die zentrale Aussage, dass es jederzeit eine Komplett-Planung bis zum CO2-Ausstieg mit den aktuell verfügbaren Mitteln geben sollte..“Behauptung: Die Investitionen und Ausgaben für den Klimaschutz können maximal einige Prozent des BIP betragen, aus dem wichtigen Grund, dass andere Ausgaben in den Augen der Bevölkerung viel wichtiger sind. Am stärksten zeigt sich das für mich bei den Gesundheitsausgaben. In Deutschland wurden 2024 498 Milliarden Euro für die Gesundheit ausgegeben. Das sind 12.8% des BIP. 1990 waren es erst 163 Milliarden Euro, also eine gewaltige Zunahme. Eine Zunahme, auf die aber niemand verzichten wollte.
        Fazit: wären die Ausgaben für Gesundheit auf dem Niveau für 1990 geblieben und hätte man das Geld statt dessen für den Klimaschutz ausgegeben, wäre Deutschland heute weitgehend dekarbonisiert, es wäre europaweit führend. Offensichtlich stehen in den Augen der Mehrheit nur begrenzte Finanzen für den Klimaschutz zur Verfügung und ich sehe keinen Weg um das zu ändern.

        • Das halte ich für eine gefährliche und letztlich auch realitätsfremde Argumentation. Erstens blendet sie aus, um welche gewaltigen Summen es auch bei den Schäden geht. Zweitens gibt sie Politiker*innen gleich vorab einen Freibrief, sich bei jeder Herausforderung der CO2-Reduzierung schulterzuckend abzuwenden und zu sagen “Tja, sorry, mehr ist derzeit einfach nicht möglich.” Sprich: Sie legitimieren hier von vornherein unverantwortliches Handeln. Und jenes unverantwortliche Handeln ist ja mitnichten hypothetisch – Politiker*innen, die so argumentieren und einfach mal weglassen, dass sie damit den zukünftigen Generationen unverhältnismäßig hohe Lasten aufbürden, hatten wir in den letzten Jahrzehnten mehr als genug. Deswegen ja auch das entsprechende Verfassungsgerichtsurteil das sagt: so geht es nicht! Was Sie an Zahlen dazu aufrechnen, macht es nicht besser. Wir haben nach wie vor Milliarden an umweltschädlichen Subventionen – warum bleiben die bei Ihnen unsichtbar? Und das “niemand [wollte] verzichten” ist reine Spekulation. Es ist ja nicht so, als lebten wir in einer Gesellschaft, in der über solche Planungen öffentlich abgestimmt wurde. Dass niemand Abstriche bei sich selbst möchte, ist trivial. Dass unsere Finanzen begrenzt sind, auch. Die dafür wenn es kriselt nötigen Aushandlungsprozesse von vornherein für unmöglich zu erklären – man würde ja Menschen etwas wegnehmen! – würde heißen, ganz auf Politik zu verzichten.

          Aus meiner Sicht führt kein Weg daran vorbei: Verantwortliches politisches Handeln muss realistische Planungen dafür einschließen, wie wir CO2-neutral werden. Wer nach dem Motto plant “jetzt müssen wir nur ganz, ganz sachte ganz ganz wenig machen, aber versprochen, 2035 kommt der Durchbruch bei der Kernfusion und wir sind gerettet” handelt im höchsten Maße unverantwortlich und unseriös.

          • @Markus Pössel: Schon Angela Merkel hat doch den Übergang zu einer von Kohle, Gas und Öl freien Wirtschaft abgebremst. Statt dessen setzte sie auf russisches Gas. Die einzige Rechtfertigung, die ich damals dafür sah war die, dass sie und Deutschland damit nicht allein waren.
            Zu dieser Zeit hatte ihr Blog-Kollege in einem Artikel geschrieben, der klimabewusste Deutsche könne im
            Moment nur einiges tun: Auf das Essen von Fleisch verzichten, denn sonst sei alles politisch schon programmiert. Darauf schrieb ich in einem Kommentar, der Bürger könnte doch gegen Kohlekraft, etc. demonstrieren, wenn es sein müsse gewaltsam. Darauf war Michael Blume schockiert und ich habe meinen Vorschlag zurückgenommen.

          • …solche Schilderungen bitte immer mit Link, damit die Leser*innen auch den Kontext nachlesen können! Wie absichtlich da gebremst wurde, ist wieder keine so einfache Frage. Dass billiges russisches Gas damals willkommen war und zum damaligen Wirtschaftswachstum beigetragen hat, dürfte Konsens sein. Dass wenn damals die Weichen schneller gestelllt worden wären wir heute deutlich weniger Probleme mit der Energiewende hätten, stimmt aber ebenso.

      • @Markus Pössel(Zitat): „ Da fehlt aus meiner Sicht die zentrale Aussage, dass es jederzeit eine Komplett-Planung bis zum CO2-Ausstieg mit den aktuell verfügbaren Mitteln geben sollte..“
        Da bin ich skeptisch. Klar sollte jede Planung anschlussfähig sein, aber, behaupte ich, den Weg zu Null Emissionen können sie nur skizzieren, nicht aber sinnvoll voraus planen, denn die letzten 10 bis 20% sind die Schwierigsten und sie benötigen Technologien, die es heute kommerziell noch gar nicht. Man denke nur an das notwendige Entfernen von CO2 aus der Luft um auch Prozesse zu kompensieren, die nicht sinnvoll dekarbonisiert werden können. Heute kann niemand sagen, ob das 1000 Euro pro Tonne CO2 kosten wird oder nur 100 Euro. Also können sie auch keine kostenrealistische Planung machen.
        Viel besser scheint es mir, ein Reduktionsziel durchzuplanen, das mit heutigen technischen Mitteln erreichbar ist und das Ziel auch mit einem Zeitplan zu versehen. Also etwa Dekarbonisierung des Gebäudesektors, des Verkehrs und der Stromerzeugung beispielsweise in einem linearen Absenkpfad bis 2035. und das Ganze durchgerechnet mit heutigen Preisen. Überprüft und angepasst alle 5 Jahre.
        Behauptung: Die Investitionen und Ausgaben für den Klimaschutz können maximal einige Prozent des BIP betragen, aus dem wichtigen Grund, dass andere Ausgaben in den Augen der Bevölkerung viel wichtiger sind. Am stärksten zeigt sich das für mich bei den Gesundheitsausgaben. In Deutschland wurden 2024 498 Milliarden Euro für die Gesundheit ausgegeben. Das sind 12.8% des BIP. 1990 waren es erst 163 Milliarden Euro, also eine gewaltige Zunahme. Eine Zunahme, auf die aber niemand verzichten wollte.
        Fazit: wären die Ausgaben für Gesundheit auf dem Niveau für 1990 geblieben und hätte man das Geld statt dessen für den Klimaschutz ausgegeben, wäre Deutschland heute weitgehend dekarbonisiert, es wäre europaweit führend. Offensichtlich stehen in den Augen der Mehrheit nur begrenzte Finanzen für den Klimaschutz zur Verfügung und ich sehe keinen Weg um das zu ändern.

        • Siehe meine Antwort unten. Was Sie hier beschreiben ist verantwortungslos, nicht zuletzt gegenüber zukünftigen Generationen. Dass es eine soziale Herausforderung wird, Klimaschutz konsequent umzusetzen: keine Frage, gerade weil es ja verbreitungsstarke Medien mit “Please stärke die Fossilindustrie und unsere kurzfristigen Profite” im Hintergrund geht. Aber von vornherein einknicken und sich auch noch einzureden, das sei ja sowieso das einzig mögliche und man könnte nicht mehr machen, ist extrem kontraproduktiv.

        • Behauptung von Martin Holzherr: Die Investitionen und Ausgaben für den Klimaschutz können maximal einige Prozent des BIP betragen, aus dem wichtigen Grund, dass andere Ausgaben in den Augen der Bevölkerung viel wichtiger sind.

          Es bestehen auch große Gestaltungsmöglichkeiten für einen preiswerteren Klimaschutz, z.B. mit Höchstspannungs-Freileitungen statt mit Erdkabeln, mit solaren Freiflächenanlagen statt mit subventionierten Balkonmodulen, mit besserem Wärmeschutz gerade dann, wenn sowieso eine Fläche am Haus erneuert wird.

          Außerdem übersehen Sie, dass wir durchaus eine Sparquote von rund 10% des BSP bzw. BIP haben, so viel kann also auch investiert werden. Das ist jedenfalls dann gesellschaftlich akzeptabel, wenn den Investitionsausgaben auch ein entsprechender Anstieg des privaten Vermögens gegenübersteht. Z.B. entsteht eine Wertsteigerung des Hauses durch die Wärmepumpe, mit der das Heizen billiger wird.

          Wird die Wärmepumpe aber größtenteils subventioniert, mindert sich auch die wahrgenommene Wertsteigerung um diese Subvention (ein Käufer eines Hauses ohne Wärmpumpe kann ja denselben Stand auch preiswert erreichen), aber die Steuerzahlung, aus der u.a. die Wärmepumpe finanziert wird, ist als Belastung verbucht.

          Die Ausgaben für die freiwillig eingebaute Wärmepumpe wiegen schon bei derselben Person subjektiv weniger schwer als die für eine erzwungene Modernisierung. Zudem treffen sie nur diejenigen, die sich diese Ausgabe leisten wollten und v.a. können. Das gilt auch dann, wenn der Einbau der Wärmepumpe wegen steigenden Ausgaben für die Gasverbrennung wirtschaftlich fast unvermeidlich wird.

          Die Akzeptanz hängt also nicht nur davon ab, wieviel Klimaschutz gemacht wird, sondern wie er ausgestaltet wird.

  4. Klimaerwärmung ein „allmählicher“ Prozess?

    Lieber Herr Pössel,

    unter „allmählich“ stelle ich mir einen Vorgang vor, der eher langsam und wenig dramatisch verläuft, es bleibt noch reichlich Zeit, einzugreifen.

    Wenn ich mir allerdings vorstelle, dass die klimabedingte globale Energiezunahme pro Sekunde der Energiefreisetzung von vier Hiroshimabomben entspricht, dann wird deutlich, dass sofort gehandelt werden muss, wenn man das Schlimmste noch verhindern will.

  5. Zur Kenntnisnahme und Selbstanalyse
    Gedanken zur Anatomie des Erdklimas

    …folgend ein aufklärender, witziger Kommentar von…

    Matthias Müller…
    Darüber sind sich tatsächlich alle Klimawissenschaftler und Historiker einig: Wir kommen aus der “Kleinen Eiszeit”, die etwa von 1450 bis 1880 ging und schlimme Hungersnöte und Elend mit sich brachte. An deren Ende hatten z.B. die Alpen-Gletscher ihre größte Ausdehnung seit tausenden von Jahren. Kein Wunder also, dass sie vom Ende des 19. Jahrhunderts bis jetzt wieder kleiner wurden. Dass in dieser Zeit eine Industrialisierung stattfand, ist auch unbestritten. Aus beiden aber einen Zusammenhang zu konstruieren, ist reinste Spekulation in Form einer irren Attribution. Das ist so, als würde man den ab März rapide ansteigenden Verkauf von Lindt-Schokohasen als Ursache ansehen, dass die Bäume ausschlagen und die Obstbäume zu blühen anfangen. – Es hat in den zurückliegenden Jahrtausenden immer wieder Kälte- und Wärmeperioden gegeben, ohne dass es eine Industrialisierung gab. Sie werden unbestritten auf Veränderungen der Planetenbahnen und der Sonnenaktivität zurückgeführt. Im Mittelalter besiedelten z.B. die Wikinger “Grünland” (Grönland) und wurde Wein in Norwegen angebaut. Auch zur Römerzeit war es wesentlich wärmer als jetzt, sodass mit mehreren Ernten pro Jahr die Bevölkerung des Weltreichs ernährt werden konnte. Es fiel in sich zusammen, als ab 350 n. Chr. ein plötzlicher Klimawandel zum Kalten eintrat und germanische Stämme wie die Vandalen deshalb zur “Völkerwanderung” nach Süden gezwungen waren, die schließlich im Jahr 455 Rom plünderten. Warum in alles in der Welt, hatten also frühere Klimawandel natürliche Ursachen und soll das jetzige Rauskommen aus der “Kleinen Eiszeit” unnatürlich sein? Während der “Kleinen Eiszeit” verbreitete die Obrigkeit, dass der Klimawandel von Menschen verursacht worden sei und verfolgte die “Hexen”. – Heute sind es keine Hexen mehr, die drangsaliert werden, sondern alle energieverbrauchenden “Konsumenten”, die sich aber per Ablass (CO2-Steuer) von ihrer Schuld freikaufen können.

    zu einem interessanten Online-Artikel…
    Welche Temperatur hätten’s denn gerne?

    • Auweia, das ist Desinformation vom Gröbsten! Dazu, dass der Zusammenhang selbstverständlich nicht aus irgendeiner Korrelation “konstruiert” wird (wie kommt man auf so einen Unsinn?) habe ich ja jetzt gerade in Teil 4 die ersten Bausteine zusammengetragen. Im nächsten Teil geht es um den physikalischen Mechanismus. Ansonsten ist der von Ihnen geteilte Text ein instruktives Beispiel dafür, wie man durch Weglassen wichtiger Fakten einen komplett falschen Eindruck erzeugen kann (oder es zumindest versuchen kann). Selbstverständlich gibt es natürliche Variationen. Aber wenn man sich z.B. den Klimalounge-Blogbeitrag dazu ansieht, dann sieht man sofort: Die Zeitskalen für die erwähnten natürlichen Änderungen und das, was jetzt passiert, sind komplett andere. Was jetzt passiert ist eine viel, viel schnellere Veränderung. Wer so argumentiert wie in dem von Ihnen zitierten Abschnitt, kann auch gleich Lottogewinn-Leugner werden. Es gibt keine Lottogewinne! Sieht man ja daran, dass Menschen nachweislich auch so Geld verdienen und sich etwas ansparen können!

      Zu dem Fokus-Artikel, den Sie verlinkt haben: Naja, “interessant” wiederum eher im Sinne von “Wow, es gibt Leute, die ernsthaft so argumentieren?” Dass die Auswirkungen des Klimawandels von Ort zu Ort variieren, ist ja nun wirklich weder neu noch umstritten. Und siehe meinen Teil 3: die Menschen, in deren Gegenden die Wet-Bulb-Temperatur kritische Werte erreicht, dürften sich bedanken wenn da jemand daherkommt und ihnen einreden will, es würde für sie doch jetzt sicher einfach nur gemütlicher!

  6. @Martin Holzherr // 13.02.2025, 13:17 Uhr

    » Der hier erwähnte Artikel „ How fast are the oceans warming?“ von Cheng et al aus dem Jahr 2019 kommt zu einer in etwa linearen Erwärmung der oberen Ozeanschichten.«

    Ich glaube, so kann man das nicht sagen. Soweit ich sehe haben Cheng et al. lediglich eine lineare Regression vorgenommen, weil ihnen dieses konservative Modell für den betrachteten kurzen Zeitraum (1990-2015) am passendsten erschien.

    Die von Markus Pössel gezeigte Grafik aus Cheng et al. 2019 zeigt doch eindeutig, wo die Energie-Reise in den nächsten 80 Jahren sehr wahrscheinlich hingehen wird.

  7. Dann war mein Link vielleicht doch hilfreich … .

    Die Klimakrise läuft auf Zeitskalen ab, die unterschiedlich gewertet werden. Wissenschaftler, die sich mit der Erdgeschichte befassen, würden sie als rasant bewerten, als Laie würden man ihn als langsam bezeichnen.

    Hans-Joachim Schellnhuber hat das mal in einem treffenden Bild zusammengefasst:

    “Der Klimawandel ist wie ein Asteroideneinschlag in Super-Zeitlupe. Und deshalb ist er eine riesige psychologische Herausforderung: Wir verdrängen ihn wegen seiner Langsamkeit”

    http://www.n-tv.de/wissen/Klimaforscher-warnt-vor-Massenflucht-article16455936.html

    Politiker denken dagegen vor allem in Legislaturperioden sowie in Quartal- und Jahresabschlussberichten.

  8. @ Pössel

    Ich hätte an Sie, oder andere „Spezialisten fürs Klima“ eine Frage?

    Ich habe die Vermutung, dass wir Menschen in der Nähe der Erdoberfläche heutzutage mehr „Sonnenstrahlen“ abbekommen als früher.

    Ich habe den persönlichen „Gefühlseindruck“ dass, wenn ich z. B. im Auto im Stau stehe, durch das geschlossene Seitenfenster, besonders in der kalten Jahreszeit, die Sonne stärker auf die Wange brennt als früher.
    (Ist natürlich keine exakte „physikalische“ Messmethode!)

    Was mir auch auffällt, dass die Luft („Gegend“) wesentlich „klarer“ aussieht als früher.

    Früher gab es z.B. einen „Braunkohlemief“ und starke Emissionen aus den Rauchfängen der Industrie, auch den Haushalten und natürlich einen Gestank, abhängig von der Windrichtung. Besonders die Kinder bekamen Husten und im Freien aufgehängte Wäsche wurde schmutzig….

    Könnte mir vorstellen, dass die Hitze in großer Höhe „abgefangen“ wurde und in der Nacht wieder in den Weltraum abgegeben wurde, die Erde zur Bodenerwärmung und Speicherung, gar nicht erst erreicht wurde? Es deswegen (bei uns) früher eher kälter war als heute.

    Womöglich ist der Effekt der verbesserten „Sonnen Einstrahlung“ wirksam. Womöglich geht auch von der Sonne mehr Strahlenenergie aus als früher?

    • Wie viel Watt pro Quadratmeter an Sonnenstrahlung ganz allgemein bei uns ankommen schwankt mit dem natürlichen Aktivitätszyklus der Sonne. Die Kolleg*innen vom MPS haben dazu hier einiges an Informationen, insbesondere eine Zeitreihe von 1978 bis 2012 als Bild. Das ist zumindest von der Sonne her kein einfaches mehr-als-früher, sondern es sind kleine Schwankungen. Alleine über den Sonnen-Output lässt sich nicht erklären, was da beim Klimawandel passiert. Dazu, inwieweit die Schwefeldioxid-Verminderung im Schiffsverkehr den Temperaturanstieg beschleunigt hat, gab/gibt es ja einiges an Diskussionen, siehe z.B. hier. Richtig ist, dass Aerosole einen Teil der Sonnenstrahlung direkt wieder in den Weltraum reflektieren können, und damit eine abkühlende Wirkung bekommen.

  9. Die Erwärmung der Erdoberfläche und vor allem der Meere ist ja gewissermaßen ein Restposten der Klimabilanz mit den Schritten:

    1. Die Treibhauswirkung der Atmosphäre nimmt zu.
    2. Es wird mehr Wärme “eingefangen”
    3. Die Erdoberfläche inkl. Meere wird wärmer
    4. Dadurch nimmt die Wärmeabstrahlung wieder zu
    5. Es entsteht ein neues “Gleichgewicht” zwischen Abstrahlung und Einstrahlung, dass lediglich durch die Aufheizung der Erdoberfläche eine gewisses Ungleichgewicht enthält.

    Wie viel macht aber dieser (in der Übergangsphase!) kühlende Effekt aus?

    Man stelle sich eine komplett trockene Erdoberfläche vor, in den lediglich dort ein wenig Wärme aufgenommen würde, und viel stärker ein Strahlungsgleichgewicht herrschen würde, mit zunehmender Abstrahlung durch eine wärmere Erde: Wäre die Erwärmung dort viel stärker? Oder macht die auf der Erde aufgenommene Wärme nur einen Bruchteil der Verschiebung der Strahlungsbilanz aus?

    • Ganz trifft es diese Beschreibung nicht. Ich sage im nächsten Teil etwas mehr dazu, aber die Hauptsache ist: Durch die Treibhauswirkung ändert sich, in welcher Höhe der Atmosphäre welche Wellenlängen-Anteile im Infraroten abgestrahlt werden. Höhere Atmosphärenteile sind kühler. Verschieben sich die Abstrahlungs-Regionen z.B. durch größere Treibhausgas-Konzentration weiter nach oben, wird erst einmal weniger abgestrahlt als vorher. Dadurch sammelt sich entsprechend Wärmeenergie im System an, und die Temperatur erhöht sich solange, bis die Gesamt-Abstrahlung wieder so groß ist dass genau so viel abgestrahlt wird wie ankommt. Das geht bei höhergelegenen Abstrahlungs-Regionen aber nur, wenn sich die Atmosphären-Temperaturen in jener Höhe entsprechend erhöht haben. Innerhalb der Troposphäre ist die Rate der Temperaturänderung mit der Höhe aber ziemlich konstant (Effekt von Konvektion der Luft). Höhere Atmosphären-Temperaturen sind also nur möglich, wenn auch die Temperatur an der Erdoberfläche erhöht ist. Entsprechend ist dann in jenem Gleichgewicht auch die Temperatur am/nahe dem Erdboden höher. (Und nein, das stellt kein “gewisses Ungleichgewicht” dar, sondern das ist das neue Gleichgewicht.)

  10. Das “gewisse Ungleichgewicht” besteht darin, dass ja ein Teil der Wärme v.a. vom
    Meer aufgenommen wird. Währenddessen ist die Erwärmung der Luft geringer als diejenige, die zu einem vollständigen Ausgleich der zusätzlichen Treibhauswirkung führen würde.

    • Die Temperatur der Luft am Erdboden hängt direkt über die Konvektions-Beziehung mit der Temperatur der höheren Schichten zusammen, die für die Abstrahlung entscheidend sind. Im Gleichgewicht ist die Temperatur am Erdboden also in erster Näherung fix. Die Ozeane können dann sicherlich noch beeinflussen, wie lange es dauert, das Gleichgewicht zu erreichen (wenn eben zunächst viel Wärme zur Erwärmung des Wassers aufgewandt wird, die dann bei der Temperaturerhöhung der erdnahen Atmosphärenschichten “fehlt”), aber den Gleichgewichtszustand sollte das nicht verändern. “Nur” die Zeitdauer, bis er erreicht wird.

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