Einstein verstehen V: Klassische Mechanik – Kräfte, starre Körper, verschiedene Anwendungen
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Materialunebenheiten (für Festkörperreibung verantwortlich)
Das Bild, das ich im Haupttext als Illustration der Materialunebenheiten zeige, ist Teil einer Bilderserie, die ich so beeindruckend finde, dass ich sie hier im Ganzen zeigen möchte. Die Bilder stammen sämtlich von der SPM-Gruppe von Prof. Dr. Roland Wiesendanger von der Universität Hamburg. Die vergrößerten Bilder wurden mit einem Rastertunnelmikroskop aufgenommen, bei dem eine kleine Sonde eine Oberfläche unter Ausnutzung eines Effekts der Quantenmechanik (“Tunneleffekt”) extrem genau abtastet.
Den Anfang macht eine einfache Ein-Cent-Münze, wie sie rechts zu sehen ist. Die Oberfläche der Münze ist aus Kupfer und weist Regionen auf, die mit dem bloßen Auge, mit der Lupe und, so nehme ich an, auch mit einem herkömmlichen Lichtmikroskop betrachtet glatt aussehen.
Jetzt kommt das Rastertunnelmikroskop zum Einsatz. Hier ist ein Ausschnitt einer der vermeintlich glatten Kupferoberflächen zu sehen – der Bildausschnitt zeigt einen Bereich der Größe ein Millionstel Meter mal ein Millionstel Meter (1 μm x 1 μm):
Das war das Bild aus dem Haupttext. Die Stufen der Terrasse haben jeweils die Höhe einer einzigen Atomschicht. Zoomen wir mal um einen Faktor 10 hin zu dem kleinen Trapez nahe der Bildmitte:
An dieser Stelle kann bereits die einzelnen Atome unterscheiden. Unten rechts gibt es eine interessante Spur, die auf die Wellennatur der Materie in der Quantenmechanik hinweist: Die konzentrischen Kreise gehören zu einer Elektronenwelle. Noch einen Faktor 100 hineingezoomt, und wir sind bei den Kupferatomen selbst:
Was genau man da sieht, und wie der Anblick mit der quantenmechanischen Beschreibung der Atome und ihrer Elektronenhüllen zusammenhängt, sind wieder einmal Fragen, die weit über das hinausgehen, was diese Einführung leisten kann. Wir belassen es bei der Feststellung, dass dort in bestimmter Art und Weise die Atome selbst sichtbar gemacht wurden.
Vielen Dank an Heiko Fuchs, der für die Wiesendanger-Gruppe Öffentlichkeitsarbeit macht, für das Zusenden der Bilder!
Erhaltung der Energie am Beispiel der Gravitationskraft in Erdnähe
Zu zeigen ist, dass sich der Ausdruck
mit der Zeit nicht ändert. In der von uns beschriebenen Situation ist die Beschleunigung, die der Körper erfährt, gerade
Das folgt aus dem in Abschnitt Die Schwerkraft nahe der Erdoberfläche gegebenen Ausdruck F=mg für die Kraftstärke der erdnahen Schwerkraft: Wir hatten die y-Koordinate so gewählt, dass höher gelegene Punkte ein größeres y haben. Die Schwerkraft wirkt in der Gegenrichtung, nämlich nach unten; deswegen ergibt sich
mit einem Minuszeichen, das anzeigt, dass die Kraft hier in negative y-Richtung wirkt. Aus dem zweiten Newton’schen Gesetz
folgt dann die angegebene Beschleunigung.
Wer differenzieren kann – ich hatte die grundlegenden Regeln dazu in Teil IV hier eingeführt – hat es an dieser Stelle einfach: Die Änderung von T mit der Zeit erhält man als Ableitung von T nach t; setzt man die Definition der kinetischen Energie T ein, ergibt das
also, weil die zeitliche Änderung der y-Komponente der Geschwindigkeit per Definition gleich by, der Beschleunigungskomponente in y-Richtung, ist, gerade
In dem Ausdruck U=mgy sind m und g zeitunabhängig – das einzige, was sich mit der Zeit ändern kann, ist die y-Koordinate des Körpers, und deren zeitliche Änderung ist per Definitiondie y-Komponente der Geschwindigkeit, nämlich vy. Als Formel aufgeschrieben haben wir damit
Das ist aber bis auf das Minuszeichen dasselbe, was wir für die zeitliche Änderung von T ausgerechnet hatten! Zusammengezählt ergibt sich demnach eine zeitliche Änderung null,
Wie angekündigt ändert sich T+U also nicht mit der Zeit, sondern bleibt erhalten.
Wer nicht mit der Differentialrechnung vertraut ist, sollte sich in diesen Rechnungen eigentlich nur darüber wundern, wieso die zeitliche Änderung von 1/2 vy2 gerade vy by ist, mit dem Vorfaktor Eins. Hier ist dieser Teil der Rechnung etwas ausführlicher dargelegt (übrigens genau analog zu dieser Rechnung hier in Teil IV):
Zu einem bestimmten Zeitpunkt t0 möge vy gerade den Wert vy(t0) haben. Die Beschleunigung by ist definiert als die Änderung der Geschwindigkeit mit der Zeit, also
Anders ausgedrückt heißt dies, dass der Ausdruck
gegen Null geht, wenn man Δt gegen Null gehen lässt. Mit Hilfe dieses Ausdrucks kann man schreiben
Jetzt berechnen wir die Änderungsrate von vy2. Per Definition (vgl. wie gesagt hier in Teil IV) evaluieren wir den Ausdruck dazu zur Zeit t0 + Δt. Dann ziehen wir den Wert von vy2 zur Zeit t0 ab und erhalten so einen Ausdruck dafür, wie sich vy2 über das Zeitintervall Δt hinweg verändert hat. Diese Änderung teilen wir durch die Dauer Δt des Zeitintervalls, um eine mittlere Änderungsrate zu erhalten. Zum Schluss lassen wir Δt gegen Null gehen, um die momentane Änderungsrate zu erhalten.
Mit Hilfe der oben eingeführten Funktion R(t0,Δt) können wir alle diese Schritte hintereinander ausführen. Durch Einsetzen und Ausmultiplizieren erhalten wir
Der letzte Term in diesem Ausdruck ist derjenige, den wir gleich wieder abziehen, nämlich vy2 zur Zeit t0. Anschließend teilen wir das Ergebnis durch Δt und erhalten
Lassen wir jetzt Δt gegen Null gehen, dann verschwindet fast alles, was auf der rechten Seite steht. Nehmen wir den ersten Summanden rechts: das Δt darin geht gegen Null. Der weitere Faktor by2 verändert sich nicht, wenn wir Δt gegen Null gehen lassen; damit geht auch das Produkt der beiden Faktoren gegen Null.
Bei fast allen weiteren Termen ist es genau so: Fast jeder der anderen Terme ist ein Produkt von Faktoren, die gegen Null gehen, wenn wir Δt gegen Null gehen lassen (solche Faktoren sind hier Δt oder R(t0,Δt)), und von Ausdrücken, die unabhängig von Δt sind, nämlich 2 oder by(t0) oder vy(t0); solche Produkte gehen ihrerseits gegen Null, wenn wir Δt gegen Null gehen lassen.
Übrig bleibt alleine 2 by(t0)vy(t0), also genau der Ausdruck, den wir bereits oben für die Änderungsrate von vy2 eingesetzt hatten.
Potenzielle Energie für den harmonischen Oszillator
Zu zeigen ist, dass
der richtige Ausdruck für die potenzielle Energie des harmonischen Oszillators ist, sprich: dass T + U, mit T der kinetischen Energie der an der Feder hängenden Punktmasse und U dem hier gegebenen Ausdruck, sich mit der Zeit nicht verändert (= erhalten bleibt).
Schreiben wir das Problem erst einmal um, indem wir festsetzen, dass die Bewegung des Punktteilchens an der Feder entlang der x-Achse stattfindet. Wir hatten das System schließlich so definiert, dass alle Bewegung und Auslenkung nur entlang einer vorgegebenen Richtung (in Bezug auf diese Richtung dann natürlich: hin oder zurück) stattfinden kann. Diese Richtung wählen wir als Richtung unserer x-Achse. (Darauf, dass wir diese Freiheit tatsächlich haben, werde ich in einem späteren Teil von Einstein verstehen noch näher eingehen.)
Wählen wir ferner den Raumnullpunkt unseres Koordinatensystems direkt dort, wo die Punktmasse ihre Ruhelage hat. Die Auslenkung Δ l ist bei dieser Wahl gleich der x-Koordinate der Punktmasse. Die x-Komponente der Geschwindigkeit, vx, beschreibt die einzig mögliche Bewegung der Punktmasse, nämlich die Bewegung entlang der x-Achse. Die beiden anderen Geschwindigkeitskomponenten sind null, und die kinetische Energie ergibt sich allein aus der Bewegung in der x-Richtung, nämlich zu
Wie ändert sich T + U mit der Zeit?
Die Änderung der kinetischen Energie mit der Zeit ist
mit bx der x-Komponente der Beschleunigung – das hatte ich im vorangehenden Exkurs Erhaltung der Energie am Beispiel der Gravitationskraft in Erdnähe bereits vorgerechnet.
Wie ändert sich der Ausdruck U, den wir nach der genannten Wahl unseres Raumnullpunkts als
schreiben können, mit der Zeit?
Die x-Komponente der Geschwindigkeit war definiert (vgl. meine nun schon mehrfach zitierten früheren Ausführungen zu Änderungsraten hier ) als
Anders gesagt: Im Grenzfall, dass Δt gegen Null geht, verschwindet auch der Ausdruck
Mit Hilfe des so definierten R(t0, Δt) können wir schreiben
Damit können wir die Änderungsrate von U mit der Zeit berechnen. Der Wert von U zur Zeit t0+Δt ist dann nämlich
Analog zu den Rechnungen bei Erhaltung der Energie am Beispiel der Gravitationskraft in Erdnähe können wir damit die zeitliche Änderungsrate von U berechnen: Wir ziehen von U(t0+Δt) den Term U(t0) ab und erhalten so die Änderung von U während des Zeitintervalls Δt. Dieser Ausdruck geteilt durch Δt gibt uns die durchschnittliche Änderungsrate während des betrachteten Zeitintervalls, und der Grenzwert Δt gegen Null die momentane Änderungsrate. Alle Terme, die R(t0,Δt) oder Δt enthalten, wenn wir diesen Grenzwert nehmen, werden in diesem Grenzwert selbst zu null und tragen nicht mehr bei.
Das Ergebnis ist
Jetzt setzen wir noch die Gleichung ein, welche die Bewegung der Feder bestimmt, nämlich F = mbx mit
der Hooke’schen Federkraft (das Minuszeichen die Richtung der Kraft an – immer entgegen der Auslenkung, in Richtung der Ruhelage) und erhalten also
Damit ist die Summe der zeitlichen Änderungen von kinetischer Energie und dem angegebenen Ausdruck für die potentielle Energie U aber in der Tat null. Die Summe von T und U ändert sich nicht mit der Zeit sondern bleibt erhalten.
Potenzielle Energie für die Newton’sche Gravitationskraft
Wir argumentieren genauso wie in den beiden vorangehenden Exkursen Erhaltung der Energie am Beispiel der Gravitationskraft in Erdnähe und Potenzielle Energie für den harmonischen Oszillator; ich lege die einzelnen Schritte hier nicht noch einmal dar; wer zumindest den direkt vorangehenden Exkurs zum Oszillator gelesen hat, sollte nachvollziehen können, was ich hier rechne. Einziger Unterschied ist die Form der potentiellen Energie.
Der Ausdruck für die potenzielle Energie einer Punktmasse m, die sich unter dem Gravitationseinfluss einer größeren Masse M bewegt, ist
mit r dem Abstand der Punktmasse m, deren Energie wir betrachten wollen, von der Masse M.
Wir wollen wiederum berechnen, wie sich dieser Ausdruck mit der Zeit ändert. Die Änderungsrate von U zum Zeitpunkt t0 ist wiederum (vgl. wiederum meine früheren allgemeinen Ausführungen zu Änderungsraten hier )
Wenn man das (wie ich hier) von Hand ausrechnet, dann weiß man erst so richtig zu schätzen, wie einfacher das Leben durch die grundlegenden Rechenregeln der Differenzialrechnung wird. Mit diesen Grundregeln geht es an dieser Stelle recht schnell. Ohne sie – wie in diesem Blogbeitrag, in dem ich ja keinerlei Mathematik jenseits Klassenstufe 10 voraussetzen möchte – dauert es deutlich länger.
Erste Erkenntnis: Die Vorfaktoren G, m, M, Minus 1 machen für unsere Rechnung keinen Unterschied. Von ihnen können wir erstmal absehen und ganz am Ende alle vier Faktoren wieder an das Ergebnis dranmultiplizieren. Unsere minimal vereinfachte Frage lautet dann: Was ist
Als erstes empfiehlt es sich, die Differenz der Kehrwerte von r auf denselben Nenner zu bringen:
Wir haben
so dass auf den ersten Blick nicht offensichtlich ist, wie sich
im Grenzfall Δt gegen Null verhält – zieht man nur direkt die beiden Wurzeln voneinander ab, ist nicht direkt sichtbar, welche Anteile sich dabei wegheben. Um weiter zu kommen, ist es hilfreich, die Differenz mit
malzunehmen. Das ergibt dann nämlich
und durch die Quadrate im Zähler sind die Wurzeln verschwunden und es stehen dort Differenzen für Quadrate von x, y, z.
Analog zum Vorgehen in Potenzielle Energie für den harmonischen Oszillator nutzen wir wieder aus, dass
Entsprechende Ausdrücke gelten natürlich auch für vy und vz. Anders ausgedrückt heißt das: Wir könnten vx(t0) schreiben als
mit Rx(t0, Δt) einer Funktion, die Null wird, wenn wir Δt gegen Null gehen lassen.
Mithilfe von entsprechenden Ausdrücken Ry(t0, Δt) und Rz(t0, Δt), die ebenfalls Null werden, wenn wir Δt gegen Null gehen lassen, können wir auch für y(t0+Δt) und z(t0+Δt) solche Ausdrücke hinschreiben.
Dann bleibt nur elementares Rechnen: Mit Hilfe der gerade gefundenen Ausdrücke für x(t0+Δt), y(t0+Δt), z(t0+Δt) können wir den Ausdruck r(t0)2-r(t0+Δt)2 hinschreiben, damit wiederum
Wenn wir dann durch Δt teilen, können wir für jeden Summanden den Grenzwert im Falle Δt gegen Null angeben. Wie in den vorangehenden Fällen bleibt nur vergleichsweise wenig übrig, nämlich
Um das weiter auswerten zu können, müssen wir uns die Komponenten der Gravitationskraft in x-, y- und z-Richtung ansehen. Bislang hatten wir ja nur die Stärke der Gravitationskraft angegeben, nämlich
und gesagt, die Kraft auf den im Abstand r befindlichen Körper sei in Richtung des (im Nullpunkt sitzenden) zweiten Körpers gerichtet, und umgekehrt.
Wir betrachten hier bei unseren Energierechnungen den zweiten Körper, der eine Kraft in Richtung des Raumnullpunkts erfährt. Was das für die Komponenten der Kraft bedeutet, kann man am besten sehen, wenn man zunächst den Fall betrachtet, dass sich der Körper in der x-y-Ebene befindet. Dann sieht die Situation mit einer Kraft der Stärke F, die von einem Ort mit den Koordinaten x, y hin zum Nullpunkt gerichtet ist, so aus:
Die x- und y-Komponenten der Kraft können wir ebenfalls einzeichnen:
Wichtig ist, dass sich das Dreieck mit den Seitenlängen r, x, y und das mit den Seitenlängen F, Fx, Fy ähnlich sind – beide Dreieck haben die gleichen Winkel. Das heißt unter anderem, dass die Verhältnisse entsprechender Seiten bei diesen Dreiecken gleich sind. Insbesondere haben wir für die Beträge von x-Koordinate und x-Komponente der Kraft
und analoge Ausdrücke für die x- und y-Komponenten und -Koordinaten.
An der Zeichnung sieht man außerdem direkt, dass die Beträge zwar gleich sein mögen, die Komponenten aber entgegengesetzt gerichtet sind – sich also um ein Vorzeichen unterscheiden:
Damit können wir den Ausdruck für die Änderungsrate von U umschreiben können zu
Setzen wir jetzt das zweite Newton’sche Gesetz ein, Fx = m·bx und analog, erhalten wir
Damit sind wir so gut wie am Ziel, denn wenn wir den Geschwindigkeitsbetrag v durch die Komponenten vx, vy, vz ausdrücken, dann ist die kinetische Energie
Mit der gleichen Rechnung wie in Potenzielle Energie für den harmonischen Oszillator folgt daraus
Und das ist in der Tat bis auf das Vorzeichen der gleiche Ausdruck wie für die zeitliche Änderung des hier angegebenen Ausdrucks für die potentielle Energie. T+U, mit U in der hier angegebenen Form, bleibt für die Newton’sche Gravitationskraft also in der Tat erhalten.
Was steckt in F=mb? Zur Definition von Masse und Kraft
Ich hatte die Masse in Teil IV als grundlegende Eigenschaft von Punktteilchen und später auch von zusammengesetzten Körpern eingeführt. Die Gleichung, in der die Masse mit der messbaren Größe Beschleunigung verknüpft wird, führt aber gleichzeitig noch eine neue Größe ein, nämlich die Kraft,
wobei entsprechende Beziehungen natürlich auch für Fy, Fz mit by, bz gelten; ich spreche im folgenden zusammenfassend von F=mb, wenn ich diese drei Gleichungen meine.
Was hat es mit dieser Gleichung auf sich? Ist das eine Definition der physikalischen Größe “Kraft”? Eine Definition von “Masse”? Beides? Oder mehr als eine bloße Definition: ein Gesetz, das den Zusammenhang zwischen zwei physikalischen Größen aufzeigt? Über diese Fragen haben sich im Laufe der Zeit diverse Physiker und Physikdidaktiker zum Teil recht unterschiedlich geäußert (eine Aufstellung bietet Hoyer 1977). Ich habe im Hauptteil gezeigt, wie man – mit einigen Zusatzannahmen – vorgehen kann, um sowohl Massen als auch Kräfte zu messen. An dieser Stelle möchte ich noch ausführlicher auf die Dreifachrolle des zweiten Newton’sches Gesetzes eingehen.
Naiv könnte man denken: Wir haben es mit einer Gleichung (F = mb), aber mit gleich zwei Unbekannten (nämlich: nicht unabhängig definierten physikalischen Größen) zu tun, F und m. Wie soll man da die Unbekannten bestimmen können? (Wenn wir berücksichtigen, dass F und b jeweils x-, y-, z-Komponenten haben, wird die Lage nicht besser – dann haben wir 3 Gleichungen für 6 Unbekannte.)
Tatsächlich greift diese Beschreibung aber zu kurz. Zum einen sind Kraft und Masse sind in der obigen Gleichung nicht zwei abstrakte mathematische Variablen, von denen wir jenseits der Gleichungen F=mb überhaupt nichts wissen. Zum anderen gilt F=mb in einer Vielzahl verschiedener Situationen. Auch daraus lassen sich systematische Rückschlüsse ziehen.
Kräftegleichgewicht
Eine wichtige Zusatzeigenschaft von Kräften, die sich hier als hilfreich erweist, ist der Umstand, dass man Kräfte (komponentenweise, Fachbegriff: vektoriell) addiert, um die gesamte wirkende Kraft zu erhalten. Diese Eigenschaft führt zu einer wichtigen Möglichkeit, Kraft- und Massenbestimmung zu entkoppeln: Wenn ich an ein und demselben in meinem Labor ruhenden Körper der (mir noch nicht bekannten) Masse m zwei Kräfte angreifen lasse, die sich genau aufheben, dann kann ich diesen Umstand daran feststellen, dass der Körper in Ruhe bleibt. Dass sich die Kräfte aufheben heißt ja gemäß F=mb, dass die Beschleunigung verschwindet. Ein ruhender Körper bleibt weiterhin in Ruhe.
Dass der Körper in Ruhe bleibt, zeigt uns also gerade an, dass die Kräfte gleich sind. Und zwar, ohne dass uns der Umstand, dass wir die Masse des Körpers nicht kennen, irgendwie behindert hätte – die Masse spielt in solchen statischen Gleichgewichtssituationen keine Rolle. Damit können wir feststellen, wann zwei Kräfte gleich stark sind. Genau dieses Prinzip wird bei einer Balkenwage angewandt (rechts ein einfaches Exemplar), mit dem einzigen Zusatz, dass der zentral aufgehängte Balken die beteiligten Kräfte um 180 Grad umlenkt, so dass sich eben auch die Stärke parallel (nämlich nach unten) gerichteter Gewichtskräfte vergleichen lässt.
Bei Kräften, deren Eigenschaften wir gezielt verändern können – etwa die Federkraft durch Wahl der Stärke der Auslenkung -, können wir in solchen statischen Situationen auch quantitative Zusammenhänge nachmessen. Wir können beispielsweise demonstrieren, dass die Gewichtskraft zweier baugleicher Gewichte in einer Wägeschüssel, die an einer Feder aufgehängt ist, die Feder in genau messbarer Weise stärker dehnt, bis ein Kräftegleichgewicht erreicht ist, als es eines der Gewichte alleine getan hätte.
Masse als Materieeigenschaft
Die im Hinblick auf unsere Fragestellung nützlichste Eigenschaft der Masse ist, dass sie als Eigenschaft von Massenpunkten und, davon abgeleitet, als Eigenschaft von zusammengesetzten Objekten wie z.B. Festkörpern, direkt mit der Materie zusammenhängt, aus der ein Objekt besteht.
Solange wir keine Materie von einem Objekt entfernen (also keine Stücke aus dem Objekt herauslösen, nichts abschneiden etc.) und keine Materie hinzufügen, dann sollte auch die Masse des Objekts gleich bleiben. Praktische Erfahrungen damit, wann Objekte dieselbe Dichte haben und dass z.B. in gleicher Weise hergestellte Metallobjekte dieselbe Dichte haben, ihr Gewicht demnach direkt proportional zu ihrem Volumen ist, haben die Menschen seit Jahrhunderten gesammelt.
Experimentell lässt sich dieser Umstand in statischen Gleichgewichtssituationen überprüfen, wie wir sie im vorigen Abschnitt kennengelernt haben. Beispielsweise kann man nachprüfen, dass ein und dieselbe Federkraft der Gewichtskraft eines bestimmten Metallgewichts, aber auch der Gewichtskraft beliebiger anderer in gleicher Weise angefertigter Objekte aus demselben Material entspricht, solange diese nur das gleiche Volumen haben.
Der Zusammenhang von Materie, Volumen und Masse legt nahe, dass baugleiche Objekte – auf dieselbe Art aus dem gleichen Material gefertigt, mit denselben Maßen und dem gleichen Volumen – auch gleiche Massen besitzen. Dass die Gewichtskraft eines Körpers proportional zu seiner Masse ist, kann man dann experimentell nachprüfen, indem man z.B. das Gewicht eines Referenzkörpers mit dem Gesamtgewicht von drei (vier, fünf, allgemein n) baugleichen Körpern vergleicht, von denen jeder einzelne jeweils ein Drittel (Viertel, Fünftel, n-tel) der Masse besitzt.
Mit einem Satz von Gewichten, im einfachsten Falle tatsächlich herstellungsgleiche Metallkörper unterschiedlichen Volumens, kann man in unterschiedlichsten Kombinationen überprüfen, dass Bruchteilen von Materiemengen tatsächlich gleiche Bruchteile an Gewichtskraft entsprechen.
Eigenschaften von Kräften
Im letzten Absatz haben wir bereits ausgenutzt, dass Kräfte keine zufälligen, unsystematischen Phänomene sind, sondern sich mit einer gewissen Genauigkeit reproduzieren lassen. Bringt man Objekte in ein und dieselbe Situation, dann sollten dieselben Kräfte auf diese Objekte wirken.
Wichtig ist dabei, dass die Physiker für die Kräfte selbst systematische Gesetzmäßigkeiten formulieren. Das wohl früheste Beispiel, die (näherungsweise) Proportionalität von Gewichtskraft und Masse, hatte ich oben angesprochen. Zusammen mit der Teilbarkeit von Masse eröffnet sie Möglichkeiten, systematisch zu erforschen, wie Kraftstärken sich verändern, wenn man die äußeren Umstände verändert. Der Satz an Gewichten und Teilgewichten erlaubt es, die zu untersuchende Kraft nicht nur mit der Gewichtskraft eines bestimmten Referenzkörpers zu vergleichen, sondern eben auch mit der Hälfte dieser Kraft, einem Viertel, einem Achtel, drei Achteln und vielen weiteren Verhältnissen ganzer Zahlen.
So lassen sich Krafteigenschaften systematisch erforschen: Wieweit muss ich beispielsweise eine Feder dehnen, bis ihre Rückstellkraft einer der Referenz-Gewichtskräfte entspricht? Auf diese Weise lässt sich überprüfen, dass solch eine Feder tatsächlich dem Hooke’schen Gesetz folgt.
Haben wir auf diese Weise die Eigenschaften von Kräften verstanden, dann lässt sich genauer definieren, was es heißt, zwei verschiedene Objekte “in gleiche Situationen” zu bringen. Im Falle einer Feder beispielsweise, die bei kleinen Verformungen Hooke’sche Rückstellkräfte ausübt, heißt es, Federn mit der gleichen Federkonstante zu verwenden und diese in gleicher Weise auszulenken.
Haben wir von mindestens einer Kraft ein gutes Modell, das es uns erlaubt, die Kraftstärke durch Anpassung bekannter Parameter gezielt zu verändern – im Falle unserer Hooke’schen Feder etwa: durch gezielte Wahl der Auslenkung eine Rückstellkraft bestimmter Stärke einzustellen – dann können wir statische Kraftvergleiche auch zur Messung der Stärke solcher Kräfte verwenden, für die wir (noch) kein gutes Modell haben. Genau auf diese Weise funktionieren die Kraftmesser, die man in Physiksammlungen findet: Die außen angreifende Kraft wird mit der Hooke’schen Gegenkraft einer im Kraftmesser angebrachten Feder verglichen. An der Dehnung der Feder kann man die Stärke der Gegenkraft ablesen.
Nicht-statische Kräfte und Stoßprozesse
Sobald wir für mindestens eine Kraft ein einfaches, experimentell geprüftes Modell formuliert haben – als einfachstes Beispiel bietet sich wieder die Hooke’sche Feder mit ihrem Zusammenhang zwischen Auslenkung und Kraftstärke an – können wir direkt über F = mb Massen bestimmen. So sind wir ja auch im Haupttext vorgegangen:
Wir lassen dazu auf zwei verschiedene Objekte eine Federkraft gleicher Stärke wirken. Reagiert das eine Objekt mit größerer, das andere mit geringerer Beschleunigung, dann ergibt sich aus dem Verhältnis der Beschleunigern das Verhältnis der Massen der beiden Objekte. Ein Objekt A, das auf die gleiche Kraft mit doppelter Beschleunigung reagiert wie ein Objekt B, hat eben nur eine halb so große Masse wie das Objekt B.
Es gibt weitere Situationen, in denen wir Massenverhältnisse vergleichsweise direkt bestimmen können. Beim elastischen Stoß werden die beteiligten Körper (und die Umgebung!) weder erwärmt noch nachhaltig verformt; auch die Reibung muss man soweit wie möglich ausschalten. Um die Bedingungen für einen elastischen Stoß in der Praxis möglichst gut zu reproduzieren, stehen unterschiedliche Techniken zur Auswahl. Auf glatter Oberfläche rollende Kugeln (man denke an Billiard) funktionieren bereits recht gut. Eine Luftkissenbahn, deren Wagen zudem an jenem Ende, an dem sie miteinander kollidieren, mit federnden Puffern ähnlich denen von Eisenbahnwagen ausgestattet sind, stellen eine noch bessere Möglichkeit dar, wie sie auch in vielen Physiksammlungen zur Verfügung steht.
Der einfachste Fall ist der zentrale Stoß von Objekten, die sich nur entlang einer Raumrichtung bewegen. Für zwei Kugeln ist er hier schematisch dargestellt:
Die Erhaltung des Impulses erlaubt es, aus Anfangs- und Endgeschwindkeiten direkt das Massenverhältnis der beiden Kugeln auszurechnen. Nehmen wir an, die Kugeln bewegten sich in x-Richtung. Impulserhaltung bedeutet
mit p1x und p2x den x-Komponenten des Impulses der ersten bzw. der zweiten Kugel vor dem Stoß und p’1x und p’2x den Impulsen nach dem Stoß. Setzt man die Definition des Impulses ein, wird die Impulserhaltung zu
mit m1 und m2 den Massen der beiden Körper, v1x und v2x bzw. v’1x und v’2x den x-Komponenten ihrer Geschwindigkeiten vor bzw. nach dem Stoß.
Die zweite Gleichung lässt sich auflösen zu
In dem hier gezeigten Falle kommen die beiden Kugeln mit gleichem Geschwindigkeitsbetrag v aufeinander zu um anschließend mit 0,2v bzw. 2,2v weiterzulaufen. Eingesetzt in die Formel ergibt sich, dass die blaue Kugel eine viermal so große Masse hat wie die rote.
Der Dreifachnutzen von F=mb
Dass zeigt bereits an, dass die Gleichung F=mb alle drei Leistungen erbringen kann: In Verbindung mit einfachen Kraftsorten oder in Form der durch sie und das dritte Newton’sche Gesetz definierten Impulserhaltung kann man sie nutzen, um Massenverhältnisse zu definieren. Sind Massen definiert, kann man sie nutzen, um mit Hilfe von Beschleunigungen Kraftstärken zu messen; in statischen Situationen kann man sie auch nutzen, um direkt festzustellen, ob zwei (entgegengesetzte) Kräfte die gleiche Stärke haben oder nicht.
Hat man auf diese Weise Formeln für verschiedene Sorten von Kräften abgeleitet (die einfachsten Beispiele haben wir kennengelernt: Hooke’sche Federkraft, Gewichtskraft in Erdnähe, Newton’sche Gravitationskraft), dann kann F=mb in einer dritten Rolle zum Einsatz kommen: Zur Ableitung von Vorhersagen für Modellsituationen, die sich mit Hilfe dieser Kräfte erklären lassen, etwa die Bewegungen im Sonnensystem.
Im Haupttext führe ich dieses Vorgehen an einem Beispiel (Massendefinition durch Hooke’sche Federkraft) vor.
Wäre es sinnvoll, in diesem Teil noch den Begriff der Zwangskraft zu erklären?
Ich sehe derzeit nicht, wo ich den später benötigen würde (im Kern ist all das, was ich hier mache, ja eine Vorbereitung auf die Spezielle Relativitätstheorie) – übersehe ich da etwas?
Uff da hatte man aber echt viel zu Lesen, doch bereuhen tuh ichs nicht! Ich konnte einfach nicht aufhören zu lesen. Es war echt super Gestaltet mittendrin mit Beispielen und anhand der Formeln belegt. Top! So habe sogar ich etwas verstehen und lernen können.
Danke und weiter so!
Grüße Yvonne
…dann ergibt sich, dass eine solche Schale auf einen in ihrem Inneren befindlichen Körper gar keine Schwerkraft ausübt. hhmmmm, gilt dies auch,wenn sich die Probe nicht genau im Zentrum befindet?hajo.
Ja, in der Tat – eines der schönsten Resultate der Newton’schen Gravitationstheorie, finde ich. Wenn man “Gravitationsfeld Kugelschale” googelt kommt man auf verschiedene Rechenwege dazu. Für diese Einführung hier fand ich die Rechnungen aber zu kompliziert (weil man dazu integrieren muss).
@Dr.Pössel,
es geht ganz kurz und ohne Integration, rein “geometrisch”, könnte man einbauen.
Man nimmt einen beliebigen Punkt im Kreis und zieht zwei Geraden durch.
Räumlich in der Kugel wären das dann Kegelschnitte mit den Flächen A und B.
Bzgl. der Abstände zu den Flächen gilt einfach A/B = a²/b² , ebenso für die Massen.
Das eingesetzt ins Gravigesetz gibt Fa=Fb, also Aufhebung der “Gegenflächen”.
Müßte man nur aufmalen und drei Zeilen “Schulformeln” schreiben.
Oder ein Scan an Sie aus dem Novikov 1982 S.16-21 per mail.
Freundliche Grüße – Senf
Dann hätte ich doch aber zunächst einmal nur zwei Teilabschnitte der Kugelschale, deren Einfluss sich aufhebt (in der Tat, trotz unterschiedlicher Abstände, das sieht man da natürlich bereits sehr schön). Aber dann muss ich doch noch zeigen, dass ich mit solchen Teilstücken die Kugelfläche “austapezieren” kann, ohne irgendeine Region doppelt zu zählen. Da kann man sicher mit der Winkelgröße der Regionen argumentieren, aber das scheint mir auch nicht so einfach zu sein. Dann kann ich mir schon vorstellen, dass man da mit Kreisringen in der Kugelfläche weiter kommt.
zum “Austapezieren”:
Die Serie soll ja “relativ einfach” eigentlich komplizierte Physik erklären.
Wenn man es anschaulich machen will, muß man wohl Abstriche in Mathe machen.
Novikov hat das ganz plausibel so formuliert “Da die Kräfte jedoch in entgegengesetzten Richtungen wirken, heben sie einander auf. Dasselbe läßt sich für beliebige andere Richtungen wiederholen. Damit heben sich alle entgegengesetzten Kräfte auf, und die resultierende Kraft, die auf m wirkt, ist gleich Null.”
Genauso einfach beschreibt er, wie auf einer gedachten Kugeloberfläche, nur die Kraft durch die Masse der Kugelmaterie bestimmt wird unabhängig von der (homogenen) Masse außerhalb dieses Volumens, das geht dann schon in Richtung Newton/ART.
Gut, die gleiche Winkelgröße der entgegengesetzt wirkenden Regionen muss man schon noch herausstellen, aber dann kann man so (oder eben mit den Ringen) wohl in der Tat so argumentieren, dass plausibel wird, was sich da aufhebt. Mal schauen, wenn nicht hier dann in einem anderen Beitrag. Danke!
Zum Starren Körper habe ich ich noch eine andere Ansicht.
Wenn ein solcher Körper dadurch gekennzeichnet ist, dass seine Massenpunkte einen festen
unveränderlichen Abstand zu einander haben – ein elastischer Körper aber nicht – dann genügt es doch, einen langezogenen elastischen Körper einfach an jedem Ende mit einer Feder vorzuspannen und seine Verlagerung in Längsrichtung durch die Längenvariation einer
Feder in Gang zu halten, dann müssen sich, zumindest in der Verschieberichtung, sämtliche
Massenpunkte ohne Veränderung ihres gegenseitigen Abstands mitschieben lassen – was
einen verschiebestarrren Körper entspricht.
Da dieser In der SRT nicht vorkommt, ist diese Theorie entweder falsch oder nur für elastische Körper verbindlich.
Darauf sollte man einmal deutlich hinweisen.
W.Schneider
Markus Pössel schrieb (15. Dezember 2013):
> […] bietet sich als einfachstes Modell der sogenannte starre Körper an. Ein solcher Körper besitzt eine Form, die sich im Raum geometrisch definieren lässt.
Welche konkrete, nachvollziehbare (Mess-)Definition käme denn für die Feststellung des eventuellen Besitzes von „Form“ in Frage (und wäre ggf. auch „im Sinne Einsteins“) ? —
Konstante Pingdauern jedes (unterscheidbaren) Bestandteils des zu untersuchenden Systems bzgl. jedes anderen, d.h. „τABA = constant“ ?
Oder (zumindest): konstante Pingdauer-Verhältnisse sowohl zwischen jeweils zwei Bestandteilen, also
„τABA / τBAB = constant“,
also auch von je drei Bestandteilen untereinander, d.h.
„τHJH / τHKH = constant“,
„τJHJ / τJKJ = constant“ und
„τKHK / τKJK = constant“ ? …