Meichsner vs. Rahmstorf Teil II: Dürre in Afrika
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In dem Blogbeitrag, in dem ich mich kritisch über den Umgang von Spiegel Online mit dem Klimaforscher Stefan Rahmstorf geäußert hatte, hatte ich den fachlichen Anlass der ganzen Geschichte, nämlich die Gründe, warum Rahmstorf die Journalistin Irene Meichsner kritisiert hatte (die ihn dann anschließend verklagte) bewusst beiseite gelassen – dort stand die SPON-Berichterstattung über das Gerichtsurteil im Mittelpunkt.
Aber natürlich interessieren mich die Hintergründe auch, und ich finde sie noch aus einem anderen Grunde sympathisch: Ich habe mich bislang nicht eingehender mit der Klimawandel-Debatte beschäftigt, habe andererseits ein schlechtes Gewissen, dass ich mir dieses Thema bislang nicht näher angeschaut habe, war aber bislang von dem Umfang, den eine umfassende Einarbeitung erfordern wurde, abgeschreckt worden. Die vergleichsweise überschaubaren Aussagen, um die es in dem kritisierten Zeitungsartikel geht, scheinen mir da schon eher ein guter Einstieg, eine Art Stichprobe, wie es denn bei den Klimawandeldiskussionen so zugeht.
Irene Meichsner: “Die Fehler der Klimaforscher”
Den Anfang macht der Artikel von Irene Meichsner. Die Version, die in der Frankfurter Rundschau erschienen war, dort anschließend zurückgezogen und kritisch kommentiert wurde, ist natürlich nicht mehr online. Aber bei dieser Version im Kölner Stadtanzeiger soll es sich laut Rahmstorf (weitgehend? ganz?) um den gleichen Artikel handeln. Ich nehme jedenfalls jetzt diesen Artikel als Grundlage meiner Untersuchung.
Diesmal lasse ich die ganzen Begleitumstände, die Frage, ob hier mit Formulierungen Stimmung gemacht wird und all das, was in meinem letzten Blogbeitrag im Mittelpunkt stand, beiseite, und konzentriere mich nur auf die Vorwürfe gegen das, was im IPCC-Bericht steht.
Der Hauptvorwurf – wie ich daraus schließe, dass dies die Zusammenfassung oben vor dem Haupttext ist:
1 Bis zum Jahre 2020, so wird auf Seite 50 prognostiziert, würden in Afrika voraussichtlich „zwischen 75 und 250 Millionen Menschen“ einer erhöhten Wasserknappheit infolge des Klimawandels ausgesetzt sein. Ebenfalls „bis 2020 könnten in einigen Ländern die Erträge aus der vom Regen bewässerten Landwirtschaft um bis zu 50 Prozent“ sinken. Es sei davon auszugehen, dass „die landwirtschaftliche Produktion, einschließlich des Zugangs zu Nahrung, in vielen afrikanischen Ländern stark gefährdet“ werde: „Dies würde die Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung weiter nachteilig beeinflussen und das Problem der Unterernährung verschärfen.“
Keine fundierte Grundlage
2 Eine wissenschaftlich tragfähige Basis für diese Behauptung bleibt der IPCC-Bericht schuldig. Der englische Internet-Blogger Richard North und die Tageszeitung Sunday Times brachten es gemeinsam ans Licht, nachdem es in der üppig sprudelnden Blogger-Szene schon seit einigen Tagen gärte. Bei den Quellenangaben führt die Spur zu Ali Agoumi, einem Mitarbeiter des marokkanischen Umweltministeriums sowie der Firma „EcoSecurities“, die ihr Geld unter anderem mit dem Handel von Verschmutzungsrechten verdient. Agoumi ist Autor eines Berichts über die „Anfälligkeit von nordafrikanischen Ländern für klimatische Veränderungen“, den die internationale Umweltorganisation „Institut für nachhaltige Entwicklung“ (IISD) mit Sitz in Kanada im Jahr 2003 veröffentlichte.
3 Die dort von Agoumi genannten Kronzeugen beziehen sich allerdings nur auf drei nordafrikanische Länder: Algerien, Marokko und Tunesien – ohne dass daraus konsistente Aussagen über die möglichen Folgen des Klimawandels für den Wasserhaushalt und die Landwirtschaft in ganz Afrika herzuleiten wären.
4 In der „Sunday Times“ bestätigte Chris Field, der neue Koordinator des IPCC-Teams zur Ermittlung der Folgen des Klimawandels, dass er im letzten Sachstandsberichts des IPCC nichts finden könne, was die weit reichende Behauptung unterstützt: „Ich gehörte nicht zu den Autoren des Synthesis-Reports, aber wenn ich ihn lese, kann ich keine Unterstützung für die Behauptung bezüglich eines Rückgangs der landwirtschaftlichen Erträge in Afrika finden.“
Das ist, soweit ich sehen kann, der Kernvorwurf. Danach geht es noch darum, wo das “Afrika-Argument” überall eingesetzt wurde und was daraus für die (Un-)Glaubwürdigkeit der Klimaforscher folgt.
Landwirtschaft oder Wasserhaushalt?
Mein erster Eindruck bei der Lektüre dieses Textes ist, dass da bereits einige Dinge durcheinandergehen, auf die es sich aufzupassen lohnt. Worum geht es denn in den IPCC-Zitaten? Einmal um die Wasserknappheit bzw. den Wasserhaushalt, zum anderen um die Auswirkungen auf die Landwirtschaft. In der Zusammenfassung ist von “Dürre” die Rede; bei diesem Begriff ist beides mit drin. Die These von den drohenden Dürren sei nicht hinreichend wissenschaftlich belegt.
In Absatz 1 finden wir dann drei Zitate aus dem IPCC-Bericht: In Afrika seien soundsoviel Menschen einer erhöhten Wasserknappheit ausgesetzt. So könne in einigen Ländern die Produktion sinken. Und die Landwirtschaftliche Produktion sei in vielen Ländern Afrikas gefährdet. Eine Aussage zur Wasserknappheit, zwei zur landwirtschaftlichen Produktion.
Dann kommt ein Übergang, bei dem ich stutzig werde. Denn im Anschluss ist nur davon die Rede, dass “diese Behauptung”, singular, nicht wissenschaftlich tragfähig belegt sei. Dabei geht es ja offenbar um (mindestens) drei verschiedene Behauptungen: eine zur Wasserknappheit in ganz Afrika, sinkende Produktion in einigen Ländern, und gefährdete Produktion in vielen Ländern.
Meint Frau Meichsner jetzt nur die letzte Behauptung, wenn sie die fehlende wissenschaftliche Basis beklagt? Dann würde es wenig Sinn machen, die anderen Zitate einzufügen; außerdem ist in Absatz 3 eben nicht nur von der Landwirtschaft die Rede, sondern auch vom Wasserhaushalt und vom Bezug auf “ganz Afrika” die Rede. Anscheinend geht es doch um alle drei Aussagen.
Die explizite Kritik an der genannten Quelle Agoumi 2003 bezieht sich dann aber nur auf die Frage, ob die Zahlen für ganz Afrika gelten. Das ist natürlich höchst sonderbar, denn von den drei Aussagen, die ich hier unterscheide, bezieht sich ja nur die erste auf ganz Afrika. Bei den anderen geht es um einige bzw. viele afrikanische Länder.
Das ist für mich bereits eine entscheidende Schwäche des Artikels von Meichsner. Die verschiedenen Aussagen mit durchaus unterschiedlicher Tragweite werden nicht auseinandergehalten, im Rückbezug vermengt, und das einzige für einen Leser allein anhand des Textes explizit nachvollziehbare Argument für die fehlende tragfähige Datenbasis, nämlich der Umstand, dass aus dem Agoumi-Artikel mit seinen drei Ländern keine Aussagen über ganz Afrika abzuleiten seien, kann wenn, dann überhaupt nur für eine der Aussagen greifen, denn in den anderen ist nicht von “ganz Afrika” die Rede.
So ein Kuddelmuddel sollte, und mit dieser Meinung bin ich bestimmt nicht allein, in einem guten Zeitungsartikel nicht vorkommen.
Quellensuche
Was sind denn nun die Quellen? Bei Meichsner wird nur der Agoumi-Artikel explizit erwähnt. Zeit, ins Original zu schauen: in den IPCC-Bericht, der hier online ist.
Also: Seite 50. Die PDF-Version des “Synthesis Report” ist hier. Die von Meichsner zitierten Aussagen finden sich in Abschnitt 3.3.2, und in der HTML-Version, die ich hier verlinkt habe, ist der Vorteil: Von dort aus ist der Verweis auf die ausführlichere Version direkt verlinkt: Kapitel 9.4 des Berichts der Working Group II.
Gehen wir also zu dem ausführlichen Bericht: In 9.4.1, dem Abschnitt “Wasser”, steht in der Tat:
In some assessments, the population at risk of increased water stress in Africa, for the full range of SRES scenarios, is projected to be 75-250 million and 350-600 million people by the 2020s and 2050s, respectively (Arnell, 2004).
[Direkt danach wird dann noch, wie in der Wissenschaft üblich, differenziert und z.B. darauf hingewiesen, dass einige der Modelle “water stress” für Nord- und Südafrika, aber reduzierten “water stress” für Ost- und Westafrika vorhersagen.]
Das ist die einzige der drei von mir unterschiedenen Aussagen, die sich auf ganz Afrika bezieht. Und die Quelle dafür ist eben nicht, wie ein Leser bei der Lektüre von Meichsners Artikel denken könnte, der Agoumi-Bericht. Es ist (das erinnere ich auch, bei Rahmstorf gelesen zu haben) ein Artikel von Arnell 2004. Und dort werden eben nicht nur Werte für einige Länder abgeleitet, sondern, basierend auf verschiedenen Klimamodellen, Werte für alle Regionen Afrikas.
Das ist in meinen Augen dann doch mehr als sonderbar. Meichsner bringt in Absatz 1 ein Zitat zur Wasserknappheit, dann kommt in Absatz 2 die Aussage, die Spur führe zu Agoumi, und in Absatz 3 die Kritik: Agoumi behandle nur drei Länder; daraus ließen sich aber keine “konsistenten Aussagen […] für den Wasserhaushalt […] in ganz Afrika herleiten”. Was soll ich als Leser denn daraus anderes schließen, als dass zumindest für die Aussage zum Wasserhaushalt die Spur zu Agoumi führe, der aber wegen seiner Beschränkung auf nur drei Länder keine tragfähige Grundlage liefere? Und dieser Schluss wäre eben falsch, denn, wie man direkt aus der Lektüre des IPCC-Reports sieht: Die Quelle für die genannte Wasserknappheits-Aussage ist eine ganz andere. Und die bezieht sich auf ganz Afrika.
Was ist mit der Landwirtschaft?
Blieben noch die Zitate, die sich auf die landwirtschaftliche Produktion beziehen. Was das Absinken um 50% angeht, kommen wir hier tatsächlich auf Agoumi. Es geht um Abschnitt 9.4.4., und zwar den 4. Absatz:
In other countries, additional risks that could be exacerbated by climate change include greater erosion, deficiencies in yields from rain-fed agriculture of up to 50% during the 2000-2020 period, and reductions in crop growth period (Agoumi, 2003).
Inwieweit der mögliche Interessenskonflikt, der bei Meichsner in Absatz 2 angedeutet wird, relevant ist, kann ich nicht einschätzen. Darüber sagt Meichsner in ihrem Artikel ja selbst auch nichts weiter. Das explizit ausgeführte Argument in Meichsners Absatz 3 geht jedenfalls auch hier ins Leere. Denn bei dieser Behauptung ist ja, wie Meichsner auch selbst zitiert, nicht von ganz Afrika, sondern nur von “other countries” die Rede. Wieder eine Niete.
Bleibt das zweite Landwirtschaftszitat. Ich finde es nach ein wenig Googeln zunächst im Technical Summary 4.1.7. Dort ist auch das erste Landwirtschaftszitat Bestandteil der Begründung, gewissenhaft wieder mit dem Zusatz, es beziehe sich auf “some countries”. Dann ist da noch die Aussage
Agricultural losses are shown to be possibly severe for several areas (e.g., the Sahel, East Africa and southern Africa) accompanied by changes in length of growing periods impacting mixed rain-fed, arid and semi-arid systems under certain climate projections.
Der Verweis führt auf Abschnitte zur Verwundbarkeit von settlements und infrastructure (hier) und auf die case study “Food Security” (hier), beide jeweils mit entsprechenden Artikelreferenzen. Dass der Agoumi-Artikel dort auf ganz Afrika verallgemeinert wurde, konnte ich nicht finden.
OK, Zeit für eine umfassendere Suche. Wo wird Agoumi überhaupt zitiert? Da es um Afrika geht, lade ich das Kapitel 9 Afrika als PDF herunter. Fünf Verweise auf Agoumi. Keiner davon mit auf ganz Afrika verallgemeinerten Aussagen.
Und was ist die in Meichsners Absatz 4 angesprochene “weitreichende Behauptung” “bezüglich eines Rückgangs der landwirtschaftlichen Erträge in Afrika”? Jedenfalls keine der von Meichsner zitierten Behauptungen, denn dort gibt es nur entweder den ganz-Afrika-Bezug oder die Landwirtschaft, aber nicht beides.
Zwischenbilanz
Meine Zwischenbilanz zum Artikel von Meichsner fällt sehr negativ aus: Die verschiedenen Aussagen werden nicht sauber genug auseinander gehalten. Und was die Aussage, dass sich Agoumis Artikel nur auf drei Länder beziehe und daher nicht auf ganz Afrika verallgemeinert werden könne, dort verloren hat, ist mir schleierhaft. Wo bitte wird denn im IPCC-Bericht solch eine unzulässige Verallgemeinerung vorgenommen? Ich habe, wie hier dargelegt, kein Beispiel dafür gefunden. Das Zitat zur Wasserknappheit in Afrika hat eine andere Quelle. Und die wird in Meichsners Artikel dann mit keinem Wort erwähnt. Aus meiner Sicht eine höchst irreführende Darstellung. Ich habe über Meichsners Vorgehen jedenfalls nur den Kopf schütteln können, und kann gut nachvollziehen, dass Rahmstorf den Meichsner-Artikel kritisiert.
Lehmkuhl
Aber dann war da ja noch der WPK-Quarterly-Artikel von Markus Lehmkuhl. Wie geht der mit dem um, was ich hier an Meichsners Artikel kritisiere?
Zunächst einmal stelle ich mit Genugtuung fest, dass Lehmkuhl den Kern des Meichsner-Artikels genau so liest wie ich. Auch für ihn bezieht sich der oben zitierte Abschnitt 3 Meichsners auf “die Aussagen im Synthesis-Report”, nicht nur auf die letzte der (meiner Zählung nach) drei verschiedenen Aussagen.
Auch Rahmstorfs Hinweis auf den Arnell-2004-Artikel wird von Lehmkuhl auf S. 5 referiert. Ab S. 7 macht dann etwas ähnliches, wie ich es oben jetzt, nachträglich, auch gemacht habe: Er geht für jedes der Zitate den Quellen nach. Zur ersten Aussage (die 75 bis 200 Millionen Menschen) argumentiert Lehmkuhl völlig unabhängig von dem, was Meichsner schreibt, die Aussage sei durch den Artikel nicht gedeckt. Dazu unten mehr. Zur zweiten Aussage (Reduktion 50%) schreibt auch Lehmkuhl, man werde dem IPCC nicht vorwerfen können “seine Aussage, wonach die Erträge in ‘einigen’ afrikanischen Ländern zurückgehen könnten, werde durch die von ihm zitierte Literatur nicht gestützt.” Dann geht er wieder selbst weiter in die Tiefe als Meichsner, wobei ich aber z.B. seine Kritik an der fehlenden Unterscheidung zwischen “zwei Länder[n] Nordafrikas” und “einige Länder ganz Afrikas” nicht ganz nachvollziehen kann.
Lehmkuhl schließt daraus: Die Kernvorwürfe Meichsners seien haltbar, Kritik verdiene allein die Überschrift, und die habe Frau Meichsner ja nicht selbst geschrieben.
Das ist aus meiner Sicht aber dann doch eine sehr sonderbare Zusammenfassung. An einem journalistischen Artikel ist doch nicht nur wichtig, welche Aussagen getroffen werden, sondern auch, wie die Aussagen begründet werden.
Ein fiktives Beispiel: “China produziert jedes Jahr mehr Autos als jedes andere Land – das ergibt eine einfache Analyse, in der man die Anzahl der produzierten Autos mit der Zahl der Bewohner malnimmt und durch die Zahl der linkshändigen Fahrradfahrer teilt.” Wäre es eine angemessene Zusammenfassung zu sagen, dass die von mir geäußerte “Kernaussage” haltbar sei, das, was ich schrieb, demnach nicht zu kritisieren? Natürlich nicht, denn der Stuss, den ich zur Begründung anfüge, stimmt ja hinten und vorne nicht. In einem guten Artikel müssen die Aussagen stimmen, aber auch die Begründungen. Wer die Begründungen ausblendet, greift mit seinem Urteil deutlich zu kurz.
So läuft es aber aus meiner Sicht bei Lehmkuhl und Meichsner: Lehmkuhl nimmt Meichsners Vorwürfe, untersucht sie und kommt dabei zu Argumenten, die in Meichsners Artikel nirgends angesprochen werden. Auf dieser Grundlage kommt er zu dem Schluss, zutreffend sei allein die Kritik an Meichsners Überschrift. Die aus meiner Sicht ganz zentrale und unbedingt kritikwürdige Art und Weise, wie Meichsner den obigen Absatz 3 (Agoumi hat nur drei Länder ausgewertet, das sagt nichts über ganz Afrika) einsetzt, geht dabei anscheinend völlig unter.
Im SPON-Artikel wird Lehmkuhl dann mit den Worten zitiert: “Sie hat nicht abgeschrieben und faktisch nichts Falsches gesagt, sondern Ergebnisse gedeutet.” Dass ich das nach der Analyse, die ich oben dokumentiert habe, für höchst irreführend halte, dürfte klar sein.
Was ist mit Arnell 2004?
Nachdem die auch von Lehmkuhl aufgemachte Rechnung zu Arnell 2004 auch in der Diskussion zu meinem vorigen Blogeintrag eine Rolle spielte, will ich hier abschließend auch noch darauf eingehen.
Das Zitat, um das es ging, war (3.3.2):
By 2020, between 75 and 250 million of people are projected to be exposed to increased water stress due to climate change.
Ist das aufgrund der in Arnell 2004 aufgeführten Daten richtig?
Hier wird eine weitere Unterscheidung wichtig, die in der Diskussion anscheinend gelegentlich fehlt.
Bestimmte Populationen haben gemäß der dort referierten Klimamodelle aufgrund des Klimawandels zusätzliche Probleme mit Trockenheit (genauer: ‘increase in water stress’). Andere Populationen haben weniger Probleme als vorher (‘decrease in water stress’).
Man kann jetzt – Zahlen sind ja geduldig – entweder die Zahl der Menschen angeben, die aufgrund des Klimawandels zusätzliche Probleme haben. Sprich: Die Zahl derjenigen, die vorher keine Probleme hatten und jetzt Probleme haben. Das macht der IPCC-Bericht.
Oder man kann diejenigen, die jetzt keine Probleme mehr haben, gegen diejenigen aufrechnen, die neue Probleme haben, und kommt auf eine “Netto-Anzahl”. Das macht Lehmkuhl.
Darauf, dass er eine ganz andere Zahl angibt als der IPCC-Bericht, geht Lehmkuhl in seinem Artikel offenbar gar nicht ein. Das ist natürlich ziemlich sonderbar. Aber eins nach dem anderen.
Rechnungen
Das einfachere zuerst: Die Zahlen selbst. Für die Zahl derjenigen, die neue Probleme bekommen (“increase in water stress by region”) bekomme ich aus Tabelle 11, Prognose für 2025, die folgenden Werte: Die kleinsten vorhergesagten Werte liefern die Untergrenzen für das Modell B2 HadCM3: für Afrika in der Summe 15+0+0+33+26 = 74 Millionen, auf zwei signifikante Stellen auf den nächsten Fünfer gerundet also 75 Millionen. Die größten vorhergesagten Werte liefern die Obergrenzen desselben Modells: 104+5+26+43+61 = 239 Millionen, in der gleichen Weise gerundet also 250 Millionen. (In einer späteren Antwort auf Rahmstorf sagt Lehmkuhl, es entspreche nicht “den Regeln”, auf 5 aufzurunden. Aber das verkennt dann doch die Vielfalt dessen, was in der Wissenschaft je nach Situation sinnvoll sein kann. Ich sehe das hier eher locker.)
Eine kleine Ungenauigkeit des IPCC-Berichts dabei übrigens: In der Tabelle ist als Referenzdatum 2025 angegeben, im IPCC-Bericht sind das allgemein die “2020s” (das ist ja noch richtig), aber in der Zusammenfassung ist es “by 2020”. Ich vermute, das macht keinen großen Unterschied, aber ganz richtig ist es nicht.
Woher kommen jetzt aber Lehmkuhls Netto-Zahlen von -23 Millionen bis +200 Millionen? Generell offenbar, indem man für die verschiedenen Modelle jeweils die Zahlen aus Tabelle 12 (reduced water-stress) von denen in Tabelle 11 (increased water-stress) abzieht. Die +200 Millionen bekomme ich als Maximum, für das Modell B2 CSIRO, ebenfalls heraus. Ein Kommentator bei meinem vorigen Blogartikel, Peter Heller, hatte ja bereits darauf hingewiesen. Für die -23 Millionen hatte derselbe Kommentator auf B2 CCSR verwiesen. Da bekomme ich -22 Millionen heraus, aber das ist ja letztlich egal.
Ein Problem gibt es dann noch. Wenn Größe A die Werte 1 bis 2 annehmen kann, und Größe B die Werte 1 bis 4, was sind dann der größte und der kleinste Wert, den die Größe A-B annehmen kann? Der kleinste Wert ist -3 (also 1 minus 4, der kleinstmögliche Wert von A minus der größtmögliche Wert von B). Der größte Wert ist 1 (nämlich 2 minus 1, der größtmögliche Wert von A minus der kleinstmögliche Wert von B). Zumindest gilt das, wenn die beiden Größen völlig unabhängig sind.
Entsprechend gilt, dass die -22 oder -23 Millionen, geht man allein nach den Daten in den beiden Tabellen, gar nicht unbedingt das Minimum sein müssen. Für die Modelle A2 und B2 HadCM3 sind in Tabelle 11 und 12 jeweils nur Wertebereiche angegeben. Sind diese Wertebereiche für Tabelle 11 und 12 unabhängig, dann gilt, siehe oben: um den kleinstmöglichen Wert für die Differenz zu erhalten, muss man von dem entsprechenden Minimum in Tabelle 11 das Maximum aus Tabelle 12 abziehen. Analog erhält man den größtmöglichen Wert. Sind die Werte in den Wertebereichen nicht voneinander unabhängig, aber weiß man nicht im einzelnen, wie sie voneinander abhängen, dann kann man aus den beiden Tabellen nicht einfach ablesen, wo das Minimum und das Maximum der Differenz liegen. Ich kenne die Hintergründe nicht genau genug um einschätzen zu können, was zutrifft. Aber das sind Feinheiten.
Welche der Zahlen ist sinnvoller?
Viel wichtiger ist: Welche der beiden möglichen Zahlen ist denn nun die sinnvollere? Die Anzahl der Menschen, die durch den Klimawandel zusätzlich Dürreprobleme haben? Oder die Nettozahl: Die Anzahl der Menschen, die mehr Probleme haben minus die Anzahl der Menschen, die weniger Probleme haben? In der PIK-Stellungnahme u.a. zu Lehmkuhls Artikel heißt es: “Derartige Zahlen finden sich nicht in der Arnell-Studie und sind laut Aussage von Nigel Arnell wissenschaftlich falsch.” Das ist aus meiner Sicht zumindest zum Teil eine problematische Aussage. Die Zahlen finden sich zwar tatsächlich nicht – man muss sie als Differenz aufgelisteter Zahlen bilden. Eine Zahl (die -23 Millionen) lässt sich, siehe oben, tatsächlich nicht ohne Zusatzinformationen ableiten. Aber die 74-239 Millionen finden sich natürlich auch nicht ohne Rechnung in dem betreffenden Artikel. Um die zu erhalten, muss man addieren.
Man kann aus den gegebenen Zahlen in den Tabellen, rein mathematisch gesehen, sowohl die eine wie die andere Art von Wert ableiten – Anzahl der zusätzlich Betroffenen und Nettoanzahl.
Aber die eigentliche Frage ist natürlich: Was ist das sinnvollere Maß für den “impact”, also die Auswirkungen des Klimawandels?
Das Problem mit der Nettozahl liegt für mich auf der Hand. Man kann daran überhaupt nicht ablesen, ob es negative Folgen des Klimawandels gibt oder nicht. Wenn die Nettozahl 0 ist, kann das bedeuten, dass sich durch den Klimawandel gar nichts geändert hat. Kein Mensch hat mehr Dürreprobleme als vorher, kein Mensch hat weniger Dürreprobleme. Oder es kann heißen, dass nun 200 Millionen Menschen in Gegenden mit Dürreproblemen leben, während 200 Millionen Menschen, die vorher Dürreprobleme hatten, nun keine mehr haben. Als Politiker, der z.B. wissen will, ob er Finanzmittel für die Folgen des Klimawandels einplanen muss, sind das zwei ganz unterschiedliche Szenarien. Im ersten Falle gibt es keinen Handlungsbedarf. Im zweiten Falle muss eine riesengroße Region entweder bewässert oder umgesiedelt werden. Die Nettozahl unterscheidet zwischen den beiden Szenarien nicht, und ist daher ein schlechtes Maß für die Auswirkungen. Szenarien mit gewaltigen Änderungen und Szenarien ohne jegliche Änderungen wird der gleiche Wert zugeordnet.
Die Zahl der Menschen, die durch den Klimawandel zusätzliche Dürreprobleme bekommen, ist ein weit besseres Maß. Die gibt dem Politiker einen direkten Anhaltspunkt über die Größenordnung des Handlungsbedarfs. Wenn diese Zahl Null ist, weiß der Politiker, dass er keine Hilfsmaßnahmen einplanen muss.
Als zusätzliche Größe kann die Nettozahl dann ergänzende Informationen liefern – z.B. eine Abschätzung darüber, ob man die Hilfsaktionen in dem einen Gebiet darüber finanzieren kann, dass in anderen Gebieten jetzt weniger Anti-Dürre-Maßnahmen notwendig sind. Aber ein gutes Maß für den “impact”, also sinngemäß etwa: die Schwere der Auswirkungen, ist sie aus den erwähnten Gründen nicht.
Insofern kann ich Lehmkuhls Aussage, die im IPCC-Bericht genannte Spanne habe “keine wissenschaftliche Basis”, da sie “die Zahl derjenigen nicht berücksichtigt, die vom Klimawandel profitieren”, nicht nachvollziehen. Im Gegenteil: Was die vom IPCC-Bericht verwendete Kennzahl ausdrückt, ist genau die Art von Information, die Politiker von den Wissenschaftlern benötigen, um das Ausmaß des Handlungsbedarfes abschätzen zu können.
Bleibt nachzutragen, dass wir uns damit von der eigentlichen Frage, ob nämlich die Aussage des IPCC-Berichts durch den Arnell-Artikel gedeckt ist, etwas entfernt haben. Aber das ist sie natürlich. Dort steht ja nichts davon, dass jetzt “aufs Ganze gerechnet X Menschen mehr” betroffen seien, sondern dass es eine bestimmte Anzahl Menschen gebe, die infolge des Klimawandels von erhöhter Wasserknappheit betroffen seien. Und genau das folgt aus Arnells Tabelle 11.
Fazit
Zusammenfassend ist mein Eindruck, dass der Artikel von Meichsner die Sachlage durchaus irreführend darstellt, weil er wichtige Differenzierungen unterlässt und eklatante Schwächen bei der Begründung der darin geäußerten Anschuldigungen aufweist (Umgang mit Agoumi und der Extrapolation auf ganz Afrika). Lehmkuhls Artikel finde ich irreführend, weil er die Frage, ob Meichsner in ihrem Artikel angemessen argumentiert, offenbar ganz außer acht lässt und sein Fazit nur davon abhängig macht, ob die “Kernvorwürfe” stimmen. Seine eigene Argumentation ist dann z.T. völlig unabhängig von der Meichsners. Was die Stellungnahme zum “impact” der Wasserknappheit angeht, geht Lehmkuhl in seinem WPK-Quarterly-Artikel nicht darauf ein, dass er eine andere Definition benutzt als der IPCC-Bericht. Seine Argumentation dazu, welche der beiden Kennzahlen sinnvoller sei, bzw. warum die im IPCC-Bericht verwendete Kennzahl keine wissenschaftliche Basis habe, halte ich schlicht für falsch.
Bleibt noch nachzutragen, dass ich dies hier als jemand schreibe, der kein Fachmann für das entsprechende Gebiet ist und rein nach den genannten (begrenzten) Quellen geht. Wenn ich aus dieser Begrenzung meiner Kenntnisse heraus irgendetwas in den falschen Hals bekommen haben sollte – nur zu mit den Korrekturen! Dafür gibt es ja die Kommentarfunktion.
Eine in mehrfacher Hinsicht spannende und interessante Analyse, auf dem von diesem Autor gewohnt hohen Niveau.
Sie zeigt auch sehr anschaulich in welche analytischen und argumentativen Fallen man als unbedarfter Konsument wissenschaftlich anmutender Diskusionen geraten kann.
Bekanntermaßen stellt ja gerade die akurate Interpretation statistischer Daten immer wieder eine weitaus größere Herausforderung dar als es auf den ersten Blick scheint.
Ich kenne weder Herrn Lehmkuhl, noch habe ich mich über ihn und seine Positionen näher informiert. Mein Eindruck ist, dass er bezüglich des politischen Handlungsbedarfs aufgrund eines mutmaßlich vom Menschen beeinflussten Klimawandels eher auf der skeptischen Seite anzusiedeln ist. Ich unterstelle ihm NICHT dass er bewusst irreführend oder gar gegen sein eigenes besseres Wissen argumentiert. (agitiert)
Al Gores Begriff ‘unbequeme Wahrheit’ trifft es eben sehr gut. Wie ich hier im Blog bereits erwähnte ist es leider sehr menschlich, gegenüber unbequemen Wahrheiten voreingenommen zu sein. Da fliegen einem die passenden Argumente gerade so zu.
Ein IPCC, zwei Meinungen
Hallo Herr Pössel,
wir können uns also darauf einigen, daß die von Lehmkuhl ermittelten Werte in Arnell (2004) enthalten sind und daher auch nicht als “unwissenschaftlich” bezeichnet werden können. Zu Ihren weiteren Ausführungen möchte ich folgendes anmerken:
1. Eine hohe Zahl (wahrscheinlich ca. 200 Mio.) von Menschen lebt bereits heute in Afrika in Gegenden mit Wassermangel.
2. Diese Zahl wird sich bis 2025 deutlich erhöhen, im Extremfall sogar etwa verdoppeln – in einer Welt ohne weiteren Klimwandel allein aufgrund des Bevölkerungswachstums (Trendszenario).
3. Für die politische Bewertung ist nun entscheidend, wie viele Menschen aufgrund eines potentiellen Klimawandels zu diesen noch hinzukommen könnten. Und da ist zwingend die Nettozahl zu betrachten (Verlierer minus Gewinner), denn die Basiszahl aus dem Trendszenario ist auch bereits eine solche Nettozahl.
4. Man kann das aus der Studie von Arnell in einem gewissen Umfang regional herunterbrechen. Wichtig ist aber dann eben immer, gleiches mit gleichem zu verrechnen. Also die Nettozahlen aus Tabelle 7 (Trendszenario) mit denen aus den Tabellen 11 und 12.
5. Die politische Bewertung kann nur auf der strategischen Ebene erfolgen, denn die regionale Auflösung in Arnell (2004) ist immer noch sehr grob. Sie umfasst jeweils mehrere unabhängige politische Einheiten (Staaten) und jeweils geographisch getrennte Lebensräume. Die Bruttozahl liefert also, im Gegensatz zu ihrer Annahme, nicht mehr nützliche Informationen, sondern weniger. In keinem Fall können aber konkrete Maßnahmen aus Arnell (2004) abgeleitet werden. Es geht allein um die Frage einer Entscheidungshilfe, ob angesichts der Zukunftsprojektionen mit und ohne Klimawandel eine Vermeidungsstrategie oder eine Anpassungsstrategie robuster ist. Da Arnell (2004) in vielen Projektionen zeigt, daß sich die Wasserversorgung für mehr Menschen verbessert als verschlechtert, wenn der Klimawandel eintritt, ist die Anpassungsstrategie klar zu bevorzugen.
6. Das IPCC führt im Bericht der Arbeitsgruppe 2 des AR4 diese Betrachtung für Mittel- und Südamerika korrekt durch. Es werden die Nettozahlen von Arnell jeweils im Trendszenario und im Szenario HadCM3 gegenübergestellt (ich nehme an, HADCM3 wurde deswegen gewählt, weil es das einzige Szenario ist, das Arnell mit allen 4 Emissionsszenarien koppelt).
7. Das IPCC führt diese Betrachtung für Afrika nicht durch. Wie werten Sie diese Differenz in der Interpretation von Arnell (2004) in ein und demselben Dokument?
Nach Ihrer Meinung ist Kapitel 9 (Afrika) korrekt und sinnvoll. Nach meiner Meinung ist Kapitel 13 (Lateinamerika) korrekt und sinnvoll. Beides gleichzeitig geht nicht.
Ich würde mich freuen, wenn Herr Rahmstorf und Herr Cramer aus ihrer Sicht diesen Widerspruch kommentieren könnten.
Antwort von MP: Zum Adjektiv “unwissenschaftlich”: Das kommt immer darauf an, was gemeint ist. Stillschweigend die Nettozahlen einzuführen, ohne darauf einzugehen, dass in der kritisierten IPCC-Aussage eindeutig andere Zahlen gemeint sind, ist sicher keine gute wissenschaftliche Praxis. (Wobei ich das Adjektiv “unwissenschaftlich” generell eher ungern verwende.)
Ihre weiteren Ausführungen zur Nettozahl gehen aus meiner Sicht am Kern der Sache vorbei. Entscheidend ist doch: Die Nettozahl ist kein gutes Maß für den Impact, weil sie keine Unterscheidung zwischen bestimmten Szenarien mit gar keiner Auswirkung und mit katastrophaler Auswirkung erlaubt. Beispiel siehe Haupttext. Sie mag als Hilfsgröße bei der weitergehenden Beurteilung nützlich sein. So taucht sie ja auch im Lateinamerika-Abschnitt auf: als ergänzende Angabe zu der da ja sehr wohl auch genannten Zahl von Menschen, die “increased water-stress” ausgesetzt sind.
Und bitte nicht vergessen, was hier eigentlich der Anlass war: Als eine (nicht die einzige!) Angabe zum Thema Impact ist die “increased water-stress”-Zahl statthaft und nützlich. Ich habe bislang keine nachvollziehbare Begründung gehört, warum sie nicht im Synthesis Report angeführt werden sollte. Oder warum der Umstand, dass man aus Arnell 2004 noch andere Zahlen mit ganz anderer Bedeutung ableiten kann, bedeuten sollte, dass die im Synthesis Report verwendete Zahl nicht wissenschaftlich belegt ist.
Beispiel
Also ein kurzes Beispiel:
Sie haben 100 Milliarden zur Verfügung um in Afrika das Bewässerungsproblem zu lösen.
Mit diesen 100 Milliarden können sie
A Bewässerungsanlagen bauen.
B In Afrika den CO2-Ausstoss nicht wachsen lassen.
Eine Studie kommt zum Schluss, dass Brutto 200 mio. Menschen durch den Klimawandel “verlieren” und schlechtere Wasserbedingungen haben.
Gleichzeitig provitieren aber 200 mio. Menschen vom Klimawandel und haben bessere Wasserbedingungen.
Szenario A.
Sie können den Klimawandel nicht stoppen, den Betroffenen Menschen konnten aber Bewässerungsanlagen zur Verfügung gestellt werden und kommen selbst mit langen Dürren aus.
Szenario B.
Sie konnten möglicherweise den Klimawandel stoppen.
Dadurch konnten (möglicherweise) 200 mio. Menschen vor Dürren bewahrt werden. Jedoch haben 200 mio. Menschen Probleme mit Wasserknappheit.
Kurz: Szenario A–>0 Verlierer
Szenario B –> 200 mio. Verlierer.
Ist natürlich ein fiktives Beispiel, es zeigt aber worauf die Argumentation von Herrn Heller hinausläuft.
Antwort von MP: Ihr Beispiel zeigt sehr schön das Problem der Nettozahl. Die sagt mir nämlich überhaupt nicht, ob da nun 200 Millionen Verlierer 200 Millionen Gewinnern gegenüber stehen, oder ob alles gleich bleibt. Die Nettozahl ist in beiden Fällen die gleiche, nämlich Null. Dass Sie sich mit ihrem Geld überhaupt zwischen Bewässerungsanlagen und
Klimawandelgegenmaßnahmen unterscheiden müssen (um bei ihrer einfachen Unterteilung zu bleiben) können Sie aus der Nettozahl also nicht entnehmen.
Was Sie dazu brauchen, ist eben z.B. die Zahl der “neuen Verlierer”, also die Zahl des IPCC-Reports.
Und ob diesen neuen Verlierern auch Gewinner gegenüberstehen, ist nicht so wichtig, wie es die direkte Aufrechnung suggeriert. Die 200 Mio. Gewinner hatten sich, als sie noch Verlierer waren, bereits an die Wasserknappheit angepasst. Dass die jetzt weniger Probleme haben, ändert ja nichts daran, dass ich in der jetzt neu betroffenen Region Maßnahmen treffen muss. Nettozahl 0 heißt eben keineswegs, dass keine zusätzlichen Kosten entstehen.
Allenfalls bekommen Sie aus der Nettozahl eine grob abgeschätzte Zusatzinformation, die z.B. für laufende Kosten der Dürrebekämpfung wichtig ist.
Die Zahlen zum Dürrerisiko
In den wesentlichen Teilen bestätige ich die Analyse der Grundlagenliteratur durch Herrn Pössel.
Zur Landwirtschaft hatte ich mich ja schon in der Fachpresse http://www.pnas.org/…early/2011/02/23/1015078108 geäussert: wer es also “noch besser weiss” als die Gutachter der PNAS, der möge es bitte auch dort publizieren.
Zur Wasserknappheit und der Studie von Arnell und deren von unabhängigen und fachlich ausgewiesenen Gutachtern mehrfach untersuchten Interpretation findet sich meine Zusammenfassung unter http://www.vielfalter-blog.de/?p=401#comments.
Den eigenen Totalverlust der Ernte und den nachfolgenden Hunger gegen den zusätzlichen Regen (und das Überschwemmungsrisiko) an anderen Orten aufzurechnen, mag als “Meinung” einiger Blogger und Wissenschaftsjournalisten durchgehen können – der IPCC kam aber zu dem Ergebnis, dass in einer solchen Bilanzierung keine gute Beratung der Öffentlichkeit und der Regierungen zu den Wirkungen des Klimawandels zu sehen sein würde.
Ursache – Wirkung
Der Artikel von Journalisten ist keine wissenschaftliche Arbeit. Sachliche Kritik an eventuell vorhandenen Fehlern ist daher zwar möglich – aber nicht sinnvoll; da keinerlei wissenschaftlicher Anspruch daraus abgeleitet werden kann.
Wenn aber Kritik geübt wird und dies zu einer gerichtlichen Klage führt, dann sollte von solchen Journalisten kein Artikel mehr veröffentlicht werden.
Antwort von MP: Verstehe ich nicht. Aussagen richtig wiederzugeben, einfache, im Artikel nachvollziehbar erzählte Argumente richtig zu beschreiben, unterschiedliche Aspekte des Themas nicht in verwirrender Weise zu vermischen, eine Situation verkürzt und doch nicht verfälscht darzustellen – das sind doch alles journalistische Grundfähigkeiten. Und wenn es in diese Richtung hapert, dann ist es legitim, den betreffenden Journalisten dafür zu kritisieren. Ob es in dem betreffenden Artikel nun um Wissenschaft, Politik oder was auch immer geht.
Was ist eigentlich eine Projektion?
Herr Pössel,
mir ist schon klar, daß Sie eigentlich über den Stil einer Auseinandersetzung diskutieren wollen und nicht über deren Inhalte. Mir ist die Stilfrage allerdings eher gleichgültig. Ich befürchte auch, daß viele Leser unserer Zahlendebatte nicht mehr folgen wollen, da die meisten weder Lust noch Zeit haben werden, sich entsprechend gründlich mit der Arbeit von Arnell zu befassen. Daher sollten wir das an dieser Stelle abschließen. Ich werde zu Arnell 2004 noch an anderer Stelle ausführlich Antwort geben und dabei auch versuchen zu erläutern, was eigentlich eine Projektion ist und wie man eine solche sinnvoll und korrekt interpretieren kann, und wie nicht.
Abschließend würde ich gerne Sie und die Leser hier (und ganz besonders Herrn Cramer ;)) anregen, einmal in Tabelle 11 und 12 von Arnell links oben zu schauen (weil man das schnell findet).
Da liest man dann:
“Verlierer A1-HadCM3 Nordafrika 2025”: 86
“Gewinner A1-HadCM3 Nordafrika 2025”: 107
(in 2055 kehrt sich das dann interessanterweise um…über die Dynamik des Prozesses wäre auch noch so einiges zu sagen)
Mehr gibt Arnell (2004) nicht her. Was soll man jetzt mit dieser Information anfangen?
Tatsächlich handelt es sich ja nicht um reale Personen, auch wenn Herr Cramer das suggeriert. Wir wissen nicht, wer das sein kann, wo diese leben und welche Lebensumstände sie im Detail aufweisen. Es ist völlig unklar, ob die “Verlierer” sich lediglich an etwas weniger Regen anpassen müssen, oder gleich ganz verdursten. Wir wissen auch nicht, ob die Gewinner nur so gerade eben über die Runden kommen, oder gleich ertrinken. Es handelt sich hier lediglich um fiktive Modellzahlen mit rein statistischer Aussagekraft, die wir Zukunftsforscher gemeinhin als “Indikatoren” bezeichnen. Diese indizieren einen Trendbruch (oder auch nicht), haben also nur im Vergleich zum Trendszenario (ohne Klimawandel) irgendeine Aussagekraft.
Das Trendszenario (Tabelle 7) weist für 2025 in Nordafrika 210 Mio. Menschen unter Wassermangel aus. Auch über diese wissen wir nichts. Auch dies sind keine realen Personen, es ist ein fiktives Modellergebnis.
Zu sagen, in 2025 könnten im A1 Szenario bis zu 296 Mio. Menschen (Trend plus zusätzliche Verlierer A1) von Wassermangel bedroht sein, ist nun schlicht falsch. Denn man darf bei dieser Betrachtung eben die Gewinner nicht außer Acht lassen. Es sind also in der Summe nur 193 Mio.. Nach Arnell verbessert in A1-HadCM3 die Klimaänderung die Situation in Nordafrika insgesamt. Und mehr kann man eben nicht sagen. Es mag trotzdem irgendwo dann eine große katastrophale Hungersnot geben, aber die ist im Trendszenario ohne Klimawandel genau so gut möglich. Die Bruttozahlen liefern Ihnen also nicht mehr Informationen, sondern weniger, denn sie gestatten den Vergleich mit der “Nulllinie” nicht.
Und zuallerletzt möchte ich noch darauf hinweisen, daß nicht nur das IPCC Verlierer und Gewinner aggregiert darstellt, sondern auch Arnell selbst. In Tabelle 8.
P.S.: Herr Mollet hat mit seinem Beispiel exakt ins Schwarze getroffen.
Antwort von MP: Nee, ist schon gut – in dem ersten Blogbeitrag ging es vor allem um Stil und Schreibe; hier geht’s dagegen durchaus um Inhalte und ob sie richtig dargestellt werden.
Die Frage danach, was die Zahlen im einzelnen bedeuten, finde ich hochinteressant, möchte sie aber der Übersicht halber zunächst zurückstellen; dringender scheint mir ein Problem, das aus meiner Sicht Ihre ganze Argumentation zunichte macht.
Wenn man Dürreprobleme bekämpfen würde, indem man jedem Betroffenen einen festen Jahresbetrag an Geld überweist, dann würde ich Ihnen sofort rechtgeben: dann wäre die Nettozahl das entscheidende, denn es käme nur darauf an, ob die Gesamtzahl der Betroffenen sich verändert hat.
Aber so funktioniert das bei Wasserknappheit, soweit ich sehen kann, nicht. Wenn in einer Gegend infolge des Klimawandels das Wasser knapp wird, dann dürfte man z.B. tiefere Brunnen bohren und Kanäle anlegen müssen. Aber für Kosten und Aufwand des Brunnenbohrens hilft es mir nicht die Bohne, dass in einer anderen Region ein bereits vorhandener tiefer Brunnen überflüssig geworden ist, weil Wasser dort jetzt weniger knapp ist als vorher. Und wenn ich einen neuen Kanal grabe, ist es ebenso schnuppe, ob es in einer anderen Region mit “Klimagewinnlern” bereits einen Kanal gab, der jetzt überflüssig ist. Für diese Kosten und die Kosten weiterer Infrastruktur und Baumaßnahmen kann man eben nicht aufrechnen.
Das gleiche gilt, soweit ich sehen kann, für die überwiegende Mehrzahl der Anpassungskosten. In all diesen Fällen ist die Zahl derjenigen, die jetzt neu an Wassermangel leiden, das wichtige, und die Nettozahl eben kein aussagekräftiger Indikator.
@MP
Wir sind doch der gleichen Meinung!
Mein Hinweis bezog sich lediglich darauf, ob es überhaupt sinnvoll ist, derartig unfähigen Journalismus zu kritisieren.
Kann man wirklich erwarten dass journalistische Grundfähigkeiten plötzlich vorhanden sind?
Ich halte es für wesentlich sinnvoller Zeitungen/Zeitschriften nicht mehr zu kaufen – wenn man bei Kritik mit einem Prozess rechnen muss: Dies wäre dann wenigstens ein Beitrag zur Müllvermeidung. Selbstverständlich muss man dies der zuständigen Redaktion in einem Leserbrief mitteilen.
Dass Nettozahlen alleine zu wenig Information über die kommenden möglichen Veränderungen beinhalten, ist nun schon mehrfach ausgeführt worden. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Aber es gibt noch ein weiteres Problem mit diesen Nettozahlen, wenn ich das richtig verstanden habe:
Es ist ja nicht so, dass ‘weniger Wasser’ nur ‘schlecht’, und ‘mehr Wasser’ nur ‘gut’ ist, sondern ‘mehr Wasser’ kann ‘gut’ ODER ‘schlecht’ sein, je nachdem, wie sich dieses ‘mehr’ an Wasser präsentiert. Umgekehrt könnte ‘weniger Wasser’ auch hin und wieder gut sein (weniger Überschwemmungen).
Das dürfte der wissenschaftliche Grund dafür sein, warum man keine sinnvollen Nettozahlen aus den ermittelten Daten berechnen kann (und warum Arnell das auch nicht getan hat).
Antwort von MP: Genau weiß ich’s nicht, aber ich bin skeptisch, da die genauen Formulierungen ja “increased water-stress” und “decreased water-stress” lauten, nicht “mehr Wasser” und “weniger Wasser”. Da würde ich denken, dass “decreased water-stress”, also wohl: weniger Wasserprobleme, in der Tat allgemein positiv ist.
doch noch was
Ich muss doch noch was nachschieben.
Zitat aus Ihrer Antwort an Herrn Mollet:
“Dass Sie sich mit ihrem Geld überhaupt zwischen Bewässerungsanlagen und Klimawandelgegenmaßnahmen unterscheiden müssen (um bei ihrer einfachen Unterteilung zu bleiben) können Sie aus der Nettozahl also nicht entnehmen.”
Na, und ob man das kann.
Zunächst helfen die Nettozahlen (und nur diese) das Problem “Klimawandel” gegen alle anderen Probleme und Risiken abzuwägen. Sollten die Nettozahlen im Vergleich zum Trendszenario niedrig sein, ist der Klimawandel in der entsprechenden Projektion offensichtlich kein bedeutender Risikofaktor (keine bedeutende “Hebelkraft” hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der Wasserversorgung).
Sollten sich außerdem in auch nur einer der 14 per Definition gleich wahrscheinlichen Projektionen Arnells negative Nettozahlen ergeben (also mehr Gewinner als Verlierer bzw. eine Verbesserung der Situation gegenüber dem Trend), ist Anpassung automatisch gegenüber Vermeidung in allen Projektionen zu bevorzugen. Denn Anpassung liefert in allen Punkten des möglichen Zukunftsraums, die durch die Projektionen erfasst wurden, ein positives Ergebnis, Vermeidung aber nicht.
(Zu abstrakt? Link auf mich selbst: http://www.science-skeptical.de/blog/2435/002435/)
Jetzt ist aber wirklich Feierabend.
Antwort von MP: Sorry, aber das ist aus meiner Sicht völlig abwegig. Sind wir uns denn zumindest einig, dass Sie der Nettozahl
nicht ansehen können, ob sich gar nichts geändert hat oder
ob Sie 200 Millionen Verlierer und andererseits 200 Millionen Gewinner haben?
Wenn ja, heißt das aber: Im ersten Fall könnten Sie weitermachen wie bisher und die
Klimawandelfolgen ganz außer acht lassen, im zweiten Fall müssten Sie ganze
Regionen, in denen bislang keine Maßnahmen notwendig waren, mit neuer
Infrastruktur, Kanälen, Brunnen etc. versorgen. Sprich: Allein aus der
Nettozahl können Sie gar nicht entnehmen, ob überhaupt
Anpassungskosten anfallen.
@KRichard
Das Problem journalistischer Sorgfaltspflicht hinsichtlich wissenschaftlicher Artikel in Zeitschriften/Zeitungen/Journalen lässt sich meines Erachtens in zwei Hälften aufteilen. Ich kenne reichlich Beispiele, wo aus einer redaktionell vielleicht notwendigen Straffung oder Vereinfachung eines wissenschaftlichen Sachverhalts purer Nonsens entstand. Besonders gut entsinne ich mich eines Artikels in der Online-Ausgabe der “Süddeutschen Zeitung”, der vor einiger Zeit einen Bericht über paläontologische Streitfragen im Umkreis der Kreide-Tertiär-Grenze behandelte. Diese Bericht enthielt so viele falsche Behauptungen und Verzerrungen, dass sich beim Lesen die Haare sträubten. Nicht nur ich, sondern auch andere Kommentatoren haben im zugehörigen Forum auf diese journalistische “Glanzleistung” hingewiesen, verbunden mit der
Frage, wie es sein kann, dass in einem seriösen Presseorgan derart falsche und irreführende Meldungen überhaupt erscheinen können. Es war offensichtlich, dass hier jemand am Werk war, der nicht den geringsten Bezug zum Thema hatte und offensichtlich von weisungsbefugter Stelle darauf angesetzt wurde, ohne jede Berücksichtigung einer entsprechenden Qualifikation.
Etwas anders sieht es bei der neuesten Anti-Rahmstorf-Kampagne des “Spiegel” aus. Hier geht es nur vordergründig um wissenschaftliche Fakten und den Streit um deren sachgerechte Bewertung. Das Urteil in Sachen Meichsner vs. Eahmstorf diente dem “Spiegel” nur dazu, die Klimaforschung im Allgemeinen und Stefan Rahmstorf im Besonderen nach Kräften zu diskreditieren und in ein schiefes Licht zu rücken. Wobei die Autorin Jana Hauschild vor keiner Unterstellung zurückschreckte. Dieser Artikel (oder besser gesagt: Pamphlet) war ein rein politisches Manöver mit klar ersichtlichen Intentionen. Unter dem Deckmäntelchen journalistischer “Aufklärung” wurde hier reine Tatsachenverfälschung betrieben, so zum Beispiel, dass Rahmstorf nichts dazugelernt habe und in seinem neuesten Blogbetrag weiterhin Fachkollegen angeht. Davon ist kein Wort wahr, wie sich jeder an Ort und Stelle selbst überzeugen kann.
Nach meinem Empfinden grenzt diese Art der Berichterstattung an journalistischen Rufmord und hat mit Meinung und Kommentierung eigentlich nichts mehr zu tun. Lehrreich wäre auch ein Blick in das für den Artikel freigeschaltete Forum: Was hier an Hasstiraden und Unterstellungen gegenüber Rahmstorf zu finden ist, ist kaum in Worte zu fassen und verschlägt zumindest mir fast die Sprache.
@M.P.
O-Ton Nigel Arnell in seinem Beitrag zum Stern Report im Mai 2006:
Sekundär-Quelle hier:
http://www.vielfalter-blog.de/?p=401#comments
Mir erscheint das, was Arnell da sagt oder schreibt, schlüssig.
Antwort von MP: OK, dann griff meine rein auf der Wortwahl basierende Vermutung zu kurz, und Sie haben recht.
Hmpf
Ich hasse das, wenn ich meine eigenen Regeln nicht befolge und statt eisern zu schweigen, dann doch wieder eine Frage aufgreife.
Aber gut.
“Antwort von MP: Sorry, aber das ist aus meiner Sicht völlig abwegig. Sind wir uns denn zumindest einig, dass Sie der Nettozahl nicht ansehen können, ob sich gar nichts geändert hat oder ob Sie 200 Millionen Verlierer und andererseits 200 Millionen Gewinner haben?”
Wir haben in Arnell (2004) nicht eine Welt mit ganz viel Wassermangel und eine Welt mit ganz wenig Wassermangel zur Auswahl.
Es gibt nur eine Zukunft mit ganz viel Wassermangel, die sich also in diesem Punkt nicht von der Gegenwart unterscheidet.
Es werden in 2025 (Trendszenario, Tabelle 7) in Afrika ca. 300-400 Millionen Menschen an Wassermangel leiden. Das ist der Ausgangspunkt. Das geschieht selbst dann automatisch, wenn wir Morgen am Tage alle CO2-Emissionen beenden. Das ist unvermeidbar, es sei denn, wir ändern die demographische Entwicklung. Aber das liegt außerhalb der Betrachtung bei Arnell.
(Wir werden also, Herr Cramer, auch bei einem sehr ambitionierten Klimaschutz im Jahr 2025 sehr sehr viele afrikanische Kleinbauern erleben, die bangend in den Himmel schauen. Mit dem “Energiehunger” der industrialisierten Welt hat das nichts zu tun. Das hat eher etwas damit zu tun, daß die andere Hälfte der Welt nicht genug industrialisiert ist.)
Wenn man also feststellen will, was der Klimawandel daran ändern könnte, sind selbstverständlich die Netto-Zahlen zu verwenden.
Sie haben 400 Euro. Sie bekommen 100 Euro dazu und geben 80 Euro aus. Wieviel Euro haben Sie? Ihrer Meinung nach 500.
Es gibt in den Projektionen von Arnell auch nicht die Auswahl, ob man die 100 Euro haben will und/oder die 80 Euro ausgeben möchte. Es geht nur beides. Entweder also, Sie tun nichts, oder Sie führen die Transaktion komplett durch. Das eine bedingt das andere, die beiden Vorgänge sind nicht getrennt zu haben.
Was Sie glauben, aus Arnell 2004 herauslesen zu können, wäre die Stückelung der Noten bzw. Münzen, die Sie transferieren. Diese aber ist unvorhersehbar, man kann sie Arnell nicht entnehmen. Außerdem ist die Stückelung auch absolut unerheblich für die Frage, wieviel Geld Sie am Ende in der Tasche haben. Entweder eben 400 Euro, oder aber 420. Keinesfalls aber 500.
Zu Balanus oben kann ich noch ergänzen, daß exakt dieselbe Argumentation auch gegen die Verwendung der Bruttozahlen alleine spricht. Man darf eben die beiden Werte für Gewinner und Verlierer nicht getrennt betrachten. Nur gemeinsam ergeben sie im Rahmen der Studie einen Sinn. Sie sind ja auch voneinander abhängig, sie bedingen einander, weil sich in den Klimamodellen die Niederschlagsmuster entsprechend ändern.
Für die Information, die Sie gerne hätten, Herr Pössel. ist die zeitliche und räumliche Auflösung in Arnell 2004 schlicht nicht ausreichend fein. Ich hätte diese Information ja auch gerne. Da sie aber nun einmal nicht zur Verfügung steht, darf man den Fehler nicht machen, über diese Information zu spekulieren und Arnell anhand dieser Spekulation zu werten.
Man könnte auch sagen, daß das IPCC genau diesen Fehler gemacht hat. Ich weiß nicht, ob das Frau Meichsner aufgefallen ist. Leake und North aber haben genau an der Stelle angefangen, nachzufragen. Und ich denke, Herrn Lehmkuhl ist ebenfalls exakt dies aufgefallen.
Antwort von MP: Ich habe den Eindruck, dass Sie mein Hauptargument komplett ignoriert haben. Für Geldbeträge ist Netto das richtige, klar. Aber nochmal, verkürzt: Wenn irgendwo wegen zusätzlicher Wasserknappheit ein Brunnen benötigt wird und an einem anderen Ort einer überflüssig wird, dann ist es unsinnig, zu sagen “Nettowert Null, alles in Ordnung”. Den neuen Brunnen müssen Sie bauen; dass irgendwo anders ein Brunnen überflüssig ist, hilft Ihnen dabei gar nichts.
Und um das zu erkennen, brauchen Sie auch keine bis ins letzte Detail gehende Auflösung. Egal wie grob Ihre Einteilung ist: Sobald sie Unterschiede zwischen den gewählten Regionen sehen, ist das Gesamt-Netto problematisch. Und diese Unterschiede werden durch feinere Aufteilung nicht verschwinden. Umgekehrt können aber natürlich weitere Unterschiede innerhalb der Regionen durch feinere Aufteilung überhaupt erst sichtbar werden.
Spekulatius
“People living in these watersheds have an apparent decrease in water resources stress, but in practice the extra water may not alleviate water stress because it may occur largely during increased flood flows. It is therefore not appropriate to calculate the net numbers of people affected by changes in water stress.”
@ Balanus:
Darüber allerdings weiß der Arnell exakt so viel wie Sie oder ich oder alle anderen. Nänmlich nichts. Hier spekuliert Arnell. Es gibt keine Zahlen, die diese Spekulationen auf der Betrachtungsebene (halbe Kontinente und viele Jahrzehnte) stützen, die in Arnell 2004 eingenommen wird.
“May”? “May not”?
…
Es ist leider die Unsitte einer Expertenhörigkeit verbreitet, die den Experten selbst dann als Autorität betrachtet, wenn er phantasiert. Ich lese das auch aus den Beiträgen von Herrn Cramer heraus.
Ich wünsche mir nur, daß die Menschen ganz einfach mal selbst anfangen zu denken. Welcher Kleinbauer wann in Afrika aus welchem Grund bang zum Himmel blicken wird, dies zu wissen, liegt nicht in unseren Möglichkeiten. In Ihren nicht – und in Arnells auch nicht und in meinen schon gar nicht. Auch wir Experten kochen nur mit Wasser. Was den Experten vom Laien unterscheidet ist einfach nur die Fähigkeit, sein Unwissen besser charakterisieren zu können. Ich finde es schade, daß Arnell und Cramer (beispielsweise) diese Fähigkeit hier nicht anwenden.
Selber denken
Nehmen wir an, in der Gemeinde von Herrn Heller benehmen sich die Bürger so, dass sein Land geschädigt wird, dass seines Nachbarn aber besser wird. Herr Heller wird deswegen monatlich weniger Einkünfte erzielen und unter die Armutsgrenze fallen, sein Nachbar, mit dem er vielleicht noch auf Kriegsfuss steht, dafür mehr. Dann ist in seiner Logik das Verhalten seiner Mitbürger für ihn und für den Frieden in der Gemeinde kein bedeutendes Risiko, weil unterm Strich schließlich, wenn man die Gemeinde betrachtet, eine Null (einer steht schlechter, einer besser) heraus kommt?
Nimmt man das von Balanu genannte Zitat hinzu:Herr Heller bekommt weniger, für den Nachbarn wirkt das Verhalten seiner Mitbürger wie ein Los, mit dem er mit einer ungewissen Wahrscheinlichkeit über die Armutsgrenze kommt. Vielleicht stehen am Ende also beide arm da.
Das Netto-Argument kommt mir nicht überzeugend vor.
Somalia (2. Versuch)
Man kann heute nicht sagen wann und wo Dürre in Afrika oder sonst wo eintreten wird. Völlig unabhängig ob sich das Klima wandelt oder nicht. Wenn es um die Menschen geht – um die geht es doch, oder? – dann hilft nur eine Anpassungsstrategie. Die Menschen müssen in die Lage versetzt werden, auftretende Probleme wie Dürre oder Überschwemmung zu bewältigen. Dies geht aber nur in einer Gesellschaft die über entsprechende wirtschaftliche Ressourcen verfügt. Lars Fischer hat das einmal in einem Beitrag in Spektrum.de recht gut anhand der Trockenheit und der Hungerkatastrophe in Somalia dargestellt. Dort sollte es den Klimamodellen gemäß eigentlich mehr Regen geben. Tut es aber nicht. Siehe: http://www.wissenschaft-online.de/…amp;_z=859070
Ich finde es bedauerlich, dass Lars Fischer seine, meines Erachtens nach wichtigste Schlussfolgerung, hier nicht vorgebracht hat: “Eine Dürre allerdings macht noch keine Hungersnot. Der Südwesten der USA zum Beispiel leidet seit Jahren unter einem ähnlichen Trockentrend wie Ostafrika – hungern muss dort niemand. Es sind politische und ökonomische Faktoren, die aus einem Klimaereignis eine Katastrophe machen.”
Fazit: Solange es nur Prognosen gibt, teilweise nur Spekulationen, diese sowohl zeitlich als auch räumlich nicht eingegrenzt werden können, ist es müßig darüber zu spekulieren, ob denn nun Brutto oder Netto eine bessere Grundlage für zu treffende Entscheidungen ist. Keine von beiden ist es, wie das Beispiel Somalia zeigt. Dennoch bleibt die Frage zu klären, warum diese Zahlen aus dem Arnell-Papier so ausgewählt worden. Die Antwort darauf kann ich mir sparen, ich denke die ist jedem klar.
Brutto-Netto
Peter Heller: “Zu Balanus oben kann ich noch ergänzen, daß exakt dieselbe Argumentation auch gegen die Verwendung der Bruttozahlen alleine spricht.”
Noch mehr spricht dagegen, nur eine von beiden Bruttozahlen zu verwenden.
Nach Arnell sinkt die Dürrebelastung global gesehen durch den Klimawandel (Tabelle 10):
“In northern, central and southern Africa, considerably more people are adversely affected by climate change than see a reduction in stress (Tables 11 and 12). In eastern Africa the numbers are more evenly balanced, and in western Africa more people experience a reduction in stress than an increase. Very large numbers of people in south Asia and the Northwest Pacific region have an increase in runoff and hence an apparent reduction in water-resources stress, and indeed these two regions account for virtually all of the global total of people with a reduction in stress.”
http://mfs.uchicago.edu/…ers/readings/arnell.pdf
Und in der Zusammenfassung: “Climate change increases water resources stresses in some watersheds, but decreases them in others. If the absolute numbers of people living in waterstressed watersheds was taken as the indicator of water resources stress, then climate change would appear to reduce global water resources pressures
because more watersheds move out of the stressed class than move into it. However, this gives a misleading indication of the effect of climate change.”
So ist das völlig in Ordnung.
Wenn im IPCC-Bericht für Afrika nur die Zahl für stärker Dürrebelastete verwendet wird, die für weniger Dürrebelastete aber nicht, für Lateinamerika dagegen beide Zahlen verwendet werden, dann ist das einfach irreführend.
WPK – Spiegel – Storch?
Spannende Diskussion hier! Ich hab daraufhin auch mal den Lehmkuhl-Artikel gelesen. Wow! Der übernimmt ja einfach die Umdeutung des Arnell-Papers, wie sie Anfang 2010 auf Skeptiker-Websites erschien (zum Beispiel Goklany), und gibt das als O-Ton Arnell aus! Er verschweigt einfach, dass Arnell in der Mediendebatte dazu damals selbst klar sagt, dass er mit dieser Deutung nicht einverstanden ist und sie “missleading” findet (laut WSJ, Dank an Herrn Cramer für den Hinweis). Und dann ist Lehmkuhl so frech, Herrn Rahmstorf vorzuwerfen, er habe Arnell nicht richtig gelesen!
Hab ja gar nix dagegen, wenn Lehmkuhl meint, Klimaskeptikerthesen vertreten zu wollen. Darf er. Aber er muss doch ehrlicherweise sagen, dass das nicht Arnells Thesen sind.
Die Skeptikersympathien von Lehmkuhl sind offensichtlich, wo er die FR für ihren völlig sachlich-vernünftigen Text angreift, in dem sie einige Skeptikerbehauptungen als falsch entlarven.
Lehmkuhl nennt Rahmsdorf einen “politischen Agitator”, ohne jeden Hinweis auf eine politische Aussage Rahmsdorfs, nur weil der IPCC gegen falsche Skandalvorwürfe verteidigt.
Lehmkuhl verteidigt dagegen Meichsner, die ja schon vorher boulevardeske Skeptikerblogthesen gegen IPCC recycelt hat, z.B. indem sie IPCC-Chef Pachauri in Verbindung mit “amourösen Eskapaden” brachte. O-ton Meichsner im KStA http://www.ksta.de/…/artikel/1264185825382.shtml über ein Buch von Pachauri:
“Rückkehr nach Almora” handelt von den amourösen Eskapaden von Sanay Nath, einem ehemaligen Ingenieur in den 60ern, der sich in Sachen Klimawandel engagiert, genau wie der 69-jährige Rajendra Pachauri selber.
Stimm nicht, siehe Deltoid http://scienceblogs.com/…eake_based_story_re.php . Niemand in dem Buch hat was mit Klimawandel zu tun und um amouröse Eskapaden geht es auch nicht, schon gar nicht von jemandem in den 60ern.
Lehmkuhl behauptet Meichsner werde mundtot gemacht und schreibe nicht mehr zum Klima. Hat sie aber offenbar mehr als ein Jahr nach Rahmstorfs Kritik noch getan, sagt Peter Hartmann hier in einem Kommentar zu Teil I.
Es ist doch sonnenklar, dass hier einfach ein paar Klimasskeptiker versuchen einen Forscher zu verunglimpfen, weil der es wagt, gegen ihren Unsinn ab und zu was zu sagen.
Sehr interessant, wie das Dreieck WPK-von Storch-Spiegel hier aus der Mücke einen “sich ausweitenden Eklat” herbeizuschreiben versucht. Man muss da nur 1+1 zusammenzählen. Die Verbindung von Storch-Spiegel ist seit vielen Jahren sehr eng. Die Verbindung WPK-Spiegel ist durch das hier von einem Leser schon erwähnte WPK-Mitglied Axel Bojanowski gegeben, der schon wiederholt Klimaskeptikerthesen in seinen Artikeln verbreitet hat und hier bei den Wissenslogs von Rahmstorf dafür kritisiert wurde. Von Storch sagt, ein Journalist habe ihm das Urteil gegen Rahmsdorf zugespielt, und er stellt es ins Netz. Sodass Spiegel sich dann darauf beziehen kann, ohne sich selbst die Finger schmutzig zu machen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
@ Klimaklaus
Interessant zu wissen wäre ob Frau Meichsner wenigstens “Rückkehr nach Almora” selbst gelesen oder da auch nur Zusammenfassungen aus Blogs übernommen hat.
Zu Lehmkuhl: falls es zutrifft, daß der seine Thesen zu Arnell nur aus Blogs abgekupfert hat fragt man sich natürlich wie das mit seiner doch sehr dezidiert blog-kritischen Haltung zusammenpaßt die in seinem WPK-Artikel zum Ausdruck kommt.
Zum letzten Absatz: ich finde es gut, daß Storch das Urteil ins Netz gestellt hat. Dadurch kann sich jeder eine eigene Meinung bilden, was nur anhand des WPK-Artikels doch recht schwierig war.
Brutto *und* netto
Um nochmal auf den eigentlochen Gegenstand dieses Blog-Artikels zu kommen:
Mir scheint, das es absurd ist zu behaupten, dass “nur brutto” oder “nur netto” einen Aussagewert hätten, und noch absurder, dass das eine “wissenschaftlich” und das andere “unwissenschaftlich” wäre.
Beide Kennzahlen haben ihren Wert, je nachdem, was die Fragestellung ist. Wenn der IPCC für Afrika die Netto-Zahl in den Vordergrund stellt, ist das der Aufgabe des Berichts geschuldet: Auf Risiken (und Chancen) des Klimawandels hinzuweisen. Und die lassen sich aus einer Bruttozahl viel schwerer abschätzen, wie Markus Pössel und Wolfgang Cramer sehr richtig argumentieren.
Sehr geehrter Herr Pössel,
will man die zusammenfassenden Zahlen der Arnell-Studie vom IPCC (Sie sagen dazu Brutto) und von Lehmkuhl (Netto) bewerten, kann man ihre Entstehung beurteilen oder untersuchen, was man mit diesen Zahlen anfangen kann.
Bezüglich der Entstehung dieser Zahlen ist es mathematisch grundsätzlich richtig, wenn man Plus und Minus zusammenrechnet und nicht einzeln betrachtet. Um das zu verdeutlichen, betrachte ich einmal nur „Plus“. Was würden Sie von der alleinigen Aussage halten, dass nach Arnell die Zahl der durch den Klimawandel in Afrika von Wasserknappheit betroffenen Menschen bis 2020 (2025) um 11-175 Millionen geringer werden wird? Ich halte das für Unfug – Sie auch? Ich habe jetzt aber Tabelle 12 von Arnell genau so ausgewertet wie das IPCC Tabelle 11!
Führt ein und die selbe Auswertungsmethode (IPCC) einer Studie (Arnell) aber zu zwei völlig gegensätzlichen Aussagen, ist sie zu verwerfen!
Als Zweites zu der Frage, was man mit den Zahlen anfangen kann. Man kann die negativen Folgen der Klimaerwärmung durch das Vermeidungsprinzip (wie etwa CO2-Vermeidung) bekämpfen oder/und durch das Anpassungsprinzip (wie etwa Trinkwasserbrunnen in Afrika).
Weder aus den Bruttozahlen des IPCC noch aus den Nettozahlen von M. Lehmkuhl kann man heute irgendwelche sinnvollen Anpassungsmaßnahmen direkt ableiten, denn man weiß ja nicht, wo man die Brunnen bauen soll. Auch wenn man nur die IPCC-Zahlen nimmt, kann man heute die Brunnen an die völlig falsche Stelle setzen. Man kann aus beiden Zahlen nur ableiten, dass man wohl irgendwo Brunnen bauen muss. Wo und wie viel zu bauen sind, lässt sich nicht herleiten. Man kann nur abwarten und die Brunnen dann dort bauen, wo sie wirklich benötigt werden – also in Zukunft genau das machen, was man heute schon (aber viel zu wenig) macht, selbst auf die „Gefahr“ hin, dass die Brunnen 20 Jahre später überflüssig sind.
Betrachtet man CO2-Vermeidung nur mit Hinblick auf die IPCC-Zahlen, kommt man zu der Erkenntnis, dass jede CO2-Vermeidung Leid in Afrika verringert. Dummerweise zeigen die Netto-Zahlen von Lehmkuhl, dass das auch nach hinten losgehen kann. Wenn wir ganz viel CO2 vermeiden, kann das nach Arnells Studie dazu führen, dass wir Leid (Wasserknappheit) in Afrika vermeiden, es kann aber auch dazu führen, dass wir das Leid vergrößern, weil ein positiver Effekt einer Klimaerwärmung nun nicht eintritt. Kein Mensch kann sagen, ob es durch eine CO2-Vermeidung zu mehr oder zu weniger Leid in Afrika (bzgl. der Wasserknappheit) kommen wird, denn die Szenarien unterscheiden sich nicht in ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit!
Die IPCC-Zahlen sind daher unsinnig, denn sie sind nicht nur grundsätzlich mathematisch falsch, sie suggerieren auch eine Möglichkeit der Vermeidung von Wassermangel durch alleinige CO2-Reduzierung, die sich als Bumerang herausstellen könnte. Ausschließlich die Nettozahlen (Lehmkuhl) gestatten es, zu erkennen, dass zur Bekämpfung von Wasserknappheit in Aftika nur das Anpassungsprinzip (Brunnen bauen) wirklich Sinn macht.
MfG
Antwort von MP: Soweit ich sehen kann, gehen Sie von einer Aussage aus, die im IPCC-Bericht (zumindest an den hier diskutierten Stellen) gar nicht getroffen wird. Ihr Gegenbeispiel ist die Aussage, “dass nach Arnell die Zahl der durch den Klimawandel in Afrika von Wasserknappheit betroffenen Menschen bis 2020 (2025) um 11-175 Millionen geringer werden wird”. Aber der IPCC-Bericht sagt doch gar nicht, jetzt mal wieder umgedreht, dass nach Arnell “die Zahl der durch den Klimawandel in Afrika von Wasserknappheit betroffenen Menschen” um X Millionen größer werden würde. Er sagt, dass es X Millionen Menschen gibt, die vorher nicht von Wasserknappheit betroffen waren, es aber aufgrund des Klimawandels im Jahre 2025 sein werden. Das ist ein entscheidender Unterschied.
Die Zahl der neu von Wasserknappheit Betroffenen sagt mir natürlich nicht, wo ich im Einzelnen neue Brunnen bauen etc. müsste, aber sie gibt mir eine Abschätzung, wieviele Brunnen neu gebaut werden müssten (bzw. allgemeiner, denn die Brunnen waren hier ja nur ein vereinfachtes Beispiel: wie groß der Aufwand für Gegenmaßnahmen ist – und das ist ja wiederum ein Maß für die Schwere der Auswirkungen). Die Nettozahl, das habe ich inzwischen ja wiederholt mit Beispielen illustriert, sagt mir noch nicht einmal, ob überhaupt Anpassungsmaßnahmen notwendig sind.
Kreise
Herr Pössel, Sie schreiben oben:
“Ich habe den Eindruck, dass Sie mein Hauptargument komplett ignoriert haben.”
Ich habe in drei verschiedenen Formulierungen Ihr Hauptargument widerlegt.
“…dann ist es unsinnig, zu sagen “Nettowert Null, alles in Ordnung”.”
Das sage ich nicht. Es ist nicht alles in Ordnung. Auf Basis des Trendszenarios ist klar, daß sich die Zahl der unter Wasserknappheit leidenden Menschen in Afrika deutlich erhöhen wird.
Die Frage, die Arnell 2004 beantwortet, lautet: Wie stark wirkt sich ein potentieller Klimawandel im Vergleich zu anderen Herausforderungen (hier konkret: Bevölkerungswachstum) aus?
Auf andere Fragen gibt Arnell keine Antwort.
Sie (und Herr Cramer und das IPCC und viele andere) haben eine völlig falsche Vorstellung davon, was man aus Projektionen lernen kann und was nicht. Weil Sie – so scheint es – Projektion (bzw. Szenario) und Prognose konsequent gleichsetzen.
“Die Nettozahl, das habe ich inzwischen ja wiederholt mit Beispielen illustriert, sagt mir noch nicht einmal, ob überhaupt Anpassungsmaßnahmen notwendig sind.”
Anpassung ist immer erforderlich. So, wie es keine Welt ohne Wasserknappheit gibt, gibt es auch keine ohne Anpassung. Man kann Arnells Projektionen eben nur dann richtig verstehen, wenn man sie im Kontext einer dynamischen Entwicklung – und nicht etwa einer unstetigen Abfolge von Zuständen betrachtet.
Wir gehen von einer Welt mit viel Wasserknappheit aus, in der in großem Umfang Anpassung stattfindet und enden in einer Welt mit viel Wasserknappheit und umfänglicher Anpassung.
Nun geht es um die Frage, welchen Unterschied der Klimawandel zwischen der Gegenwart und der Zukunft bedeutet.
Man erhält dann eine Antwort darauf, ob es sich lohnt, die laufenden Prozesse (bspw. Bevölkerungswachstum) durch eine Vermeidungsstrategie hinsichtlich des Klimawandels zu ergänzen. Die Antwort ist ganz einfach nach Arnell 2004: Nein. Es lohnt sich nicht, es bringt keine besonderen Vorteile (gegenüber dem Trendszenario).
Sie gehen natürlich mit dem Ansatz an Arnell heran: Klimaschutz ist absolut notwendig, welches zusätzliche Argument liefert mir die Studie für diese Haltung?
Und dann folgen Sie der gedanklichen Konstruktion, die Ihnen Cramer, das IPCC und andere vorgeben.
Nur, wenn Sie sich von diesem Ringschluß lösen, werden Sie verstehen, warum Ihre Bruttozahl tatsächlich keine neuen und verwertbaren Informationen beinhaltet und deswegen nicht nützlich ist.
Antwort von MP: Nee, da fehlt aus meiner Sicht wieder ein entscheidendes Argument. (Und, nebenbei: Ich gehe mitnichten mit der Haltung, die Sie mir unterschieben, an die Sache heran. Ich bin direkt über den Meichsner-Artikel in die Debatte gerutscht; nicht mehr und nicht weniger.)
Vielleicht kommen wir auf die folgende Weise weiter. Soweit ich sehen kann, gibt es zwei Arten von Folgekosten, wenn eine Region neu von Wasserknappheit betroffen ist. Zunächst einmal Umstellungskosten: Sie müssen neue Brunnen bohren, Kanäle anlegen, Sie haben Kosten wenn Menschen aus der betroffenen Region in andere Gebiete ziehen, müssen die dort betriebene Landwirtschaft umstellen und sicher noch eine ganze Reihe weiterer Infrastrukturmaßnahmen ergreifen. Diese Kosten fallen während der Umstellungsphase an, nach erfolgter Umstellung (per Definition) nicht mehr. Dann gibt es noch laufende Folgekosten – vielleicht sind die Steuereinnahmen der Region vermindert, oder sie müssen, falls das Land ein soziales Hilfsnetz besitzt, in dieser Region jetzt verstärkt das Analogon von Sozialhilfe zahlen, und so weiter. Diese laufenden Folgekosten fallen immer weiter an, solange die Region weiter unter Wasserknappheit leidet.
Sind wir denn wenigstens soweit d’accord? (Das ist nicht mein ganzes Argument; ich finde Diskussionen, in denen jeweils recht lange Kommentare mit vielen Einzelaspekten aufeinander antworten, aber recht unübersichtlich und würde daher gerne Schritt für Schritt vorgehen.)
Dank
Vielen Dank, Herr Pössel, für ihre erhellenden Artikel, besonders den zum SPIEGEL-Artikel fand ich äußerst gelungen.
Sie schrieben, dies seien ihre ersten Erfahrungen mit der Klimadebatte. Ganz schön überhitzt und hysterisch, das ganze, oder? Mir scheint, durch ihre Kritik am Spiegel sind Sie für manche schon zu einer Art “Gegner” geworden, siehe
http://www.science-skeptical.de/…/#comment-32220
und folgende Kommentare.
Vielleicht ahnen Sie die Konsequenzen für jemanden, der nicht nur in einem Blog, sondern in weiten Kreisen der Öffentlichkeit Stellung bezieht. Das ist der Kontext, in dem die Kritik an Rahmstorf verstanden werden muss.
Mich hätte noch interessiert, inwieweit Meichsner die “Argumente” Jonathan Leakes aus seinem Sunday Times-Artikel wiederholt hat. Leider verbirgt sich dieser Artikel aber hinter einer Paywall.
Viele Grüße
Gegner?
Vielleicht, Blackfox, erklären Sie mal, was Sie mit obigem Kommentar genau meinen.
Selbstverständlich sind Herr Pössel und ich “Gegner” in dem Sinne, daß wir völlig unterschiedliche Auffassungen darüber haben, was man aus Arnell (2004) lernen kann, und was nicht. Selbstverständlich sind unsere unterschiedlichen Auffassungen davon geprägt, daß wir das Gesamtthema “Klimaschutz” völlig unterschiedlich bewerten.
Wir streiten uns. Das heißt aber nicht, daß wir uns nicht respektieren. Immerhin treten sowohl Herr Pössel, als auch ich, als auch Herr Cramer u.a. mit realen Namen für ihre jeweilige Sache ein.
Würde ich die Haltung von Herrn Pössel nicht respektieren, hätte ich hier bestimmt nicht so viel geschrieben. Welche Art “Konsequenzen” das nun für Herrn Pössel haben sollte, ist mir völlig unklar. Denn es gibt keinerlei “Konsequenzen” einer offen geführten Debatte – wo kämen wir denn da hin?
“Ganz schön überhitzt und hysterisch, das ganze, oder?”
Wir versuchen doch gerade, die “Überhitzung” und “Hysterie” aus der Causa “Meichsner vs. Rahmstorf” herauszunehmen und auf die Sachebene zu kommen (immerhin hauen wir uns hier seit einigen Tagen jede Menge Zahlen aus Arnell 2004 um die Ohren).
Sehr geehrter Herr Pössel,
was halten Sie von dieser alleinigen Zusammenfassung der Arnell-Studie: „Es wird projiziert, dass bis zum Jahr 2020 11 bis 175 Millionen Menschen aufgrund der Klimaänderung von abnehmender Wasserknappheit profitieren.“ ? Das entspricht wortwörtlich der IPCC-Aussage aus der Zusammenfassung für Politiker – allerdings auf Grundlage der Tabelle 12 statt 11 von Arnell. Ist das Ihrer Meinung nach auch ein „entscheidender Unterschied“ zu derzeitigen Stand oder ist das unwichtig?
Im 2. Absatz sagen Sie zur IPCC-Auswertung: „… aber sie gibt mir eine Abschätzung, wieviele Brunnen neu gebaut werden müssten“ Das ist falsch! Wie wollen Sie die Anzahl der benötigten Brunnen bei einer Zahl von 75 – 250 Millionen abschätzen à „viele Brunnen“? Dass in Afrika viele Brunnen fehlen, weiß ich auch ohne das IPCC und es fehlen auch noch viele Brunnen, wenn „Netto“ X Millionen Menschen weniger betroffen sind. Wissen wir nun dank des IPCC, dass wir mehr als „viel“ Brunnen bauen müssen?
MfG
Antwort von MP: Wer behauptet denn, dass der im IPCC-Bericht genannte Satz eine Zusammenfassung der Arnell-Studie wäre? Soweit ich sehen kann, niemand; es geht lediglich darum, ob dieser Auszug aus der Studie eine für die Folgenabschätzung sinnvolle Teilaussage aus Arnell wiedergibt. Der Meinung bin ich nach wie vor; siehe meine Stellungnahmen dazu, warum die Nettozahl kein sinnvolles Maß für den “impact” ist.
Zum 2. Absatz: Ich behaupte nicht, dass es mehr als eine Abschätzung ist. Und die Brunnen stehen (in den Antworten zu anderen Kommentaren war ich da expliziter als bei Ihnen) pars pro toto für die diversen Gegenmaßnahmen, die zu treffen sind; der Aufwand dafür sollte aber in der Tat ungefähr mit der Zahl der Neubetroffenen skalieren. Womit er auf keinen Fall skaliert, ist jedenfalls die Nettozahl, denn wie hier schon mehrmals geschrieben: An der kann ich noch nicht einmal auseinanderhalten, ob es überhaupt Anpassungsbedarf gibt oder nicht.
Nettozahlen, zum Zweiten und Letzten
Offenbar ist bei einigen immer noch nicht angekommen, warum Arnell (2004) es unterlassen hat, Differenzen aus den Zahlen aus Tabelle 11 und12 zu bilden.
Ich versuche nochmals eine Erklärung und übernehme hierzu mal die Begriffe “Gewinner” und “Verlierer” für die präsentierten Daten.
Die in Tabelle 11 genannte Zahlen entsprächen dann den Verlierern, die in Tabelle 12 genannten Zahlen entsprächen x Gewinnern und y Verlierern, je nachdem, welche Folgen mit den vermehrten Niederschlägen verbunden sind. Das Verhältnis von x zu y in Tabelle 12 ist also unbekannt.
Und nun die Preisfrage:
Wie bildet man mathematisch korrekt eine Differenz bzw. Nettozahl aus, sagen wir, 100 Mio. Verlierern und einer unbekannten Anzahl von Gewinnern?
(Man könnte nun natürlich spekulieren, dass alle aus Tabelle 12 zu den Gewinnern zählen – aber das wäre dann keine Wissenschaft mehr, sondern eben reine Spekulation, und das wollen wir ja alle nicht… ;-))
Antwort von MP: Das kommt noch hinzu, ist aber zugegebenermaßen ein Aspekt, der auch in meiner Argumentation bislang zu kurz kommt.
ach Balanus
“Offenbar ist bei einigen immer noch nicht angekommen, warum Arnell (2004) es unterlassen hat, Differenzen aus den Zahlen aus Tabelle 11 und12 zu bilden.”
Das ist schon lange angekommen, denn Arnell schreibt es ja selbst in seiner Studie auf Seite 37. Dann schreibt er selbst, daß er das nicht wirklich belegen kann (…this suggestion needs further investigation) und aggregiert in Tabelle 8 dann doch.
Das IPCC aggregiert auch in Kapitel 13 AR4-WGII (Lateinamerika). Warum nun Afrika anders zu behandeln sein soll, als die gesamte Welt und im besonderen Lateinamerika, ist die Frage, auf die Sie eine Antwort bisher schuldig bleiben.
Ihr Denkfehler (und der von Arnell) ist, daß sich selbstverständlich auch unter den “Verlierern” Gewinner verstecken können. Arnell betrachtet ja nur jährliche und dekadische Mittel des Wasserdurchflusses durch ein Einzugsgebiet, inwieweit die Verteilung sich jahreszeitlich bzw. zwischen Trockenzeit und Regenzeit sich ändert, ist der Arbeit nicht entnehmbar. Arnell weist selbst darauf hin, daß sein Parameter (
ach Balanus (zweiter Versuch)
“Offenbar ist bei einigen immer noch nicht angekommen, warum Arnell (2004) es unterlassen hat, Differenzen aus den Zahlen aus Tabelle 11 und12 zu bilden.”
Das ist schon lange angekommen, denn Arnell schreibt es ja selbst in seiner Studie auf Seite 37. Dann schreibt er selbst, daß er das nicht wirklich belegen kann (…this suggestion needs further investigation) und aggregiert in Tabelle 8 dann doch.
Das IPCC aggregiert auch in Kapitel 13 AR4-WGII (Lateinamerika). Warum nun Afrika anders zu behandeln sein soll, als die gesamte Welt und im besonderen Lateinamerika, ist die Frage, auf die Sie eine Antwort bisher schuldig bleiben.
Ihr Denkfehler (und der von Arnell) ist, daß sich selbstverständlich auch unter den “Verlierern” Gewinner verstecken können. Arnell betrachtet ja nur jährliche und dekadische Mittel des Wasserdurchflusses durch ein Einzugsgebiet, inwieweit die Verteilung sich jahreszeitlich bzw. zwischen Trockenzeit und Regenzeit sich ändert, ist der Arbeit nicht entnehmbar. Arnell weist selbst darauf hin, daß sein Parameter (1000 m3 pro Person und Jahr) keinerlei Rückschlüsse auf die tatsächlichen Lebensumstände der Menschen zulässt. Wenn sich also in Gebieten, in denen keine oder nur unzureichende Speichermöglichkeiten zur Verfügung stehen, der Wasserdurchfluß gleichmäßiger über das Jahr verteilt, kann es besser werden, obwohl die Gesamtdurchflußmenge sinkt. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.
Nach Ihrer Argumentation dürfte man die Zahlen von Arnell überhaupt nicht verwenden, denn sie sind in jedem Fall reine Spekulation, weil so ziemlich alle wichtigen Rahmenbedingungen (Ökonomie, Technologie, Politik) unter denen konkrete Schlußfolgerungen möglich wären, einfach weggelassen wurden.
Ich dagegen stehe auf dem Standpunkt, daß man die Zahlen sehr wohl verwenden kann, solange man strikt im Rahmen der Studie bleibt. Und da ist es eben (zum wiederholten Mal) die Fragestellung. inwieweit der Klimawandel im Vergleich zum Bevölkerungswachstum ein zusätzlicher Risikofaktor für die zukünftige Wasserversorgung sein kann.
Das schreibt Arnell auch selbst:
“Rather, the number in the tables can be used to indicate the relative effects of different emissions, climate and population scenarios.”
Relative Effekte, wohlgemerkt, Sinn ergibt immer nur der Vergleich. Und das “to indicate the relative effects” ist eben nur mit der Nettozahl möglich.
Es zeigt sich in Arnells Berechnungen eben eindeutig, daß der Effekt des Klimawandels auf die Wasserversorgung gering ist im Vergleich zu dem Effekt des Bevölkerungswachstums. Dies ist nicht, was Sie gedacht haben oder was sich Herr Cramer, der ja lieber den Energiehunger im Norden statt den Durst im Süden anprangern möchte, wünscht.
Da kann ich aber nichts dafür.
getarnter Rassismus
Meiner Meinung nach ist die unter Klimaskeptikern weit verbreitete naturromatische Vorstellung dass das angebliche “Erblühen” der Sahara anderweitige Dürren (über-)kompensieren würde, nichts anderes als versteckter Rassismus. Getreu dem Motto: Sollen die da unten doch einfach Umziehen oder sich anpassen, wenn sich die klimatischen Bedingungen ändern. Treffender kann man seine Geringschätzung gar nicht mehr zum Ausdruck bringen.
Gut, dass laut Arnell die Situation in Europa so eindeutig ist, dass das Aufrechnen von “Gewinnern” und “Verlieren” gar nicht mehr nötig ist.
Die hier im Kommentarbereich geführte Pseudo-Diskussion ist meiner Meinung nach völlig Überflüssig, solange der Diskussionspartner nicht grundlegende Regeln akzeptiert. Eine dieser Diskussionsregeln ist z.B., dass man dem Gegenüber die Erklärung und Interpretation seiner eigenen Meinung zugesteht. Oder im konkreten Fall, dass die Aussagen des Autors der zugrunde liegenden wissenschaftlichen Arbeit berücksichtigt werden (und sei es nur durch eine simple Nachfrage bei Zweifeln). Die meisten Klimaskeptiker tun dies aber nicht. Damit erübrigt sich jede weitere Diskussion – und mag sie noch so wissenschaftlich getarnt sein.
Sahara?
Hätten Sie Arnell (2004) gelesen, Physiker, wäre Ihnen sicher aufgefallen, daß dort ein “Erblühen” der Sahara gar nicht vorkommt (Abbildungen 5, 6 und 7).
@Peter Heller:
“Hätten Sie Arnell (2004) gelesen, Physiker, wäre Ihnen sicher aufgefallen, daß dort ein “Erblühen” der Sahara gar nicht vorkommt (Abbildungen 5, 6 und 7).”
Wie kommen Sie darauf eine Meinung über Klimaskeptiker auf Arnell zu beziehen? Wenn Sie mir unbedingt widersprechen wollen, dann distanzieren Sie sich doch einfach davon, der Wissenschaft kritisch gegenüber zu stehen (“science-skeptical”). Denn ansonsten ist eine vernünftige Diskussion nicht möglich.
@ Physiker
Wenn Sie mir unbedingt widersprechen wollen…
Nö, ich will nicht mit Ihnen diskutieren.
Ich wollte nur darauf hinweisen, daß wir hier eine ambitionierte, sachliche und ruhige Debatte führen, zu der Sie offensichtlich nichts beizutragen haben.
@Peter Heller
»Das ist schon lange angekommen, denn Arnell schreibt es ja selbst in seiner Studie auf Seite 37. Dann schreibt er selbst, daß er das nicht wirklich belegen kann …«
Ach so, weil Arnell nicht belegen kann, dass die Annahme, dass die “Winners” die “Losers” genau kompensieren, falsch ist, meinen Sie nun, dass diese Annahme zutrifft. Oder verstehe ich Sie da falsch?
»Das IPCC aggregiert auch in Kapitel 13 AR4-WGII (Lateinamerika). Warum nun Afrika anders zu behandeln sein soll, als die gesamte Welt und im besonderen Lateinamerika, ist die Frage, auf die Sie eine Antwort bisher schuldig bleiben. «
Was für Afrika hinsichtlich der “Gewinner” und “Verlierer” gilt, dürfte auch für Lateinamerika gelten.
Daran ändert Tabelle 13.6 (“Net increases in the number of people living in water-stressed watersheds in Latin America (millions) by 2025 and 2055 (Arnell, 2004).”) im IPCC-Bericht nichts. Aussagekräftiger und bedeutsamer sind allemal die jeweiligen absoluten Veränderungen.
»Ihr Denkfehler (und der von Arnell) ist, daß sich selbstverständlich auch unter den “Verlierern” Gewinner verstecken können. «
Nein. Wenn nicht nur unter den “Gewinnern” Verlierer, sondern auch unter den “Verlierern” Gewinner versteckt sind, dann verschärft sich das Problem mit den Nettozahlen nur, sie werden dann noch fragwürdiger. Je mehr Unbekannte in den absoluten Ausgangszahlen stecken, desto kritischer sind die Nettoergebnisse zu sehen. Hier wäre Skepsis wirklich mal angebracht.
Mathematisch korrekt sind die Nettozahlen nur dann, wenn es allein um die Zahl der Menschen in den Wasserstress-Gebieten geht und weitergehende Betrachtungen über Vorteile (Gewinner) und Nachteile (Verlierer) keine Rolle spielen (wie in Tabelle 13.6, IPCC-Bericht). Aber nicht alles, was mathematisch korrekt ist, ist zugleich auch sinnvoll.
»Dies ist nicht, was Sie gedacht haben… «
Ich habe mir diesbezüglich gar nichts gedacht. Mir geht es da eher wie Herrn Pössel.
@ Balanus
“Ach so, weil Arnell nicht belegen kann, dass die Annahme, dass die “Winners” die “Losers” genau kompensieren, falsch ist, meinen Sie nun, dass diese Annahme zutrifft. Oder verstehe ich Sie da falsch?”
Ja, Sie verstehen mich falsch. Was daraus folgt ist, daß man die Zahlen nicht so bewerten darf, wie Sie das gerne tun möchten.
Sie sind auf eine Art und Weise konstruiert, die einzig – wie Arnell es ausdrückt – Rückschlüsse auf die relative Wirkung von Emissionsszenarien, Klimamodellen und Bevölkerungswachstum in den jeweiligen Projektionen im Vergleich zum Trendszenario zulassen. Für den Vergleich der relativen Wirkungen aber sind wiederum einzig die Nettozahlen heranzuziehen.
Arnell irrt also in der Frage der zulässigen Interpretation seiner eigenen Arbeit. Die entsprechende Passage ist übrigens die, über die ich schon beim ersten Lesen gestolpert bin. Wäre ich Gutachter gewesen, hätte ich diesen Text so nicht durchgehen lassen. (Es sind noch ein paar mehr Klöpse darin. Insgesamt ist die Arbeit allerdings sehr gelungen, sonst würde ich mich damit auch nicht so ausführlich beschäftigen.)
Es ist übrigens nicht nur so, daß Arnell selbst in Tabelle 8 aggregiert und daß das IPCC in Tabelle 13.6 aggregiert – nein, die Zahlen in Tabelle 11 und 12 sind jeweils für sich auch schon aggregierte Werte (ebenso wie übrigens die Zahlen aus dem Trendszenario).
Selbst wenn er in Tabelle 11 und 12 trennscharf zwischen den Einzugsgebieten mit und ohne Anstieg der Durchflüsse unterschieden hat (und davon können wir wohl ausgehen, auch wenn das nirgends expilizit ausgeführt wird), sind die betrachteten Regionen jeweils so groß, daß auch von Unterschieden innerhalb dieser auszugehen ist. Die dann eben durch die geographische Auflösung weggebügelt werden.
Man muß sich ganz einfach immer und immer wieder verdeutlichen: Es geht hier nicht um konkrete, einzelne, definierte Personen oder Personengruppen. Die Werte entstehen nicht bottom-up, indem einzelne Landwirte (bspw.) aufaddiert werden. Die Zahlen entstehen top-down und sind völlig fiktiv. Es sind nicht konkrete Menschen, sondern statistische Modellwerte, Marker, Indizes, (in der Zukunftsforschung: Indikatoren) deren absolute Größe völlig aussagelos ist. Denn es sind Projektionen, über die wir sprechen, keine Prognosen.
Relevant ist allein die relative Größe der einzelnen Werte im Vergleich zueinander.
Gut, ich wiederhole mich nun. Aber – seufz – es scheint notwendig zu sein.
Eine längere und grundlegende Analyse von Arnell (2004) ist in Arbeit. Werde ich bestimmt noch in diesem Jahr online veröffentlichen.
Sehr geehrter Herr Pössel,
ich muss Ihnen voll zustimmen. Offensichtlich war es falsch, dass ich annahm, dass das IPCC den Stand der Wissenschaft zusammenfassen wollte. Es ging dem IPCC einzig darum, die möglichen negativen Folgen einer Klimaerwärmung auf die Verfügbarkeit von Wasser in Afrika darzustellen. Unter diesem Gesichtspunkt ist die vom IPCC aus der Studie von Arnell entnommene Teilaussage natürlich optimal ausgewählt.
MfG
Antwort von MP: Bitte drehen Sie mir die Worte nicht im Munde herum. Das ist ja ein ganz unangenehmer Diskussionsstil! Erst verzerren Sie für Ihre Argumentation das, was der IPCC-Bericht sagt (12.12. 12:15), und jetzt ignorieren Sie das, was der IPCC zu reduziertem “water-stress” sagt (siehe den obigen Blogbeitrag – da wird das ja erwähnt) um dem IPCC einseitige Darstellung zu unterstellen. Und vereinnahmen mich dann auch gleich noch für Ihren verqueren Standpunkt. Sorry, aber da habe ich nicht den Eindruck, als wäre eine weitere Diskussion mit Ihnen überhaupt sinnvoll.
@Peter Heller
“Ich wollte nur darauf hinweisen, daß wir hier eine ambitionierte, sachliche und ruhige Debatte führen, zu der Sie offensichtlich nichts beizutragen haben.”
Das ist nur Ihr Eindruck. Sie sind bisher mit keinem einzigen Wort auf die Argumente von Markus Pössel eingegangen. Sie reden konsequent an ihm vorbei und weichen seinen Fragen aus. Ihre Beiträge strotzen nur so vor Unterstellungen, Strohmännern, rhetorischen Maschen und Selbstüberheblichkeit. Und Sie merken das anscheinend nicht einmal.
Ein Beispiel:
“Arnell irrt also in der Frage der zulässigen Interpretation seiner eigenen Arbeit.”
Das ist eine groteske Aussage. Sie gestehen hier nicht einmal dem Autor einer Arbeit eine eigene Interpretation zu. Wie soll man mit Ihnen überhaupt sinnvoll diskutieren, wenn Sie anderen nicht einmal die Erklärung und Interpretation der eigenen Meinung zugestehen?
@ Physiker
Hmm ja, natürlich.
Mir war bislang nicht klar, daß Nigel Arnell zu Irrtümern nicht fähig ist.
Da das so nicht in seiner Arbeit steht, konnte ich das bislang auch nicht berücksichtigen.
Gibt es denn dafür eine begutachtete Quelle, die frei zugänglich ist?
Nachtrag
Sehr geehrter Herr Pössel,
noch ein kleiner Nachtrag, damit Sie nachvollziehen können wieso ich annahm, dass es um eine wissenschaftliche Auswertung der Arnell-Studie ging.
Das IPCC schreibt auf seiner Internetseite über sich selbst, dass es gegründet wurde, „um der Welt einen klaren wissenschaftlichen Überblick über den aktuellen Stand des Wissens zum Klimawandel und der möglichen umwelt-und sozial-ökonomischen Auswirkungen zu liefern.“
Von diesem Gründungsauftrag des IPCC bin ich ausgegangen. Sie haben nun in Ihren Betrachtungen zur Auswertung der Arnell-Studie richtig festgestellt, dass es hier dem IPCC nur darum ging, die möglichen Gefahren – also nur die negativen Auswirkungen – zu beschreiben. Eine Darstellung des wissenschaftlichen Überblicks und der allgemeinen Auswirkungen (positive und negative) ist zum Thema „Wasserknappheit in Afrika“ im IPCC-Bericht nicht erfolgt. Diese Vorgehensweise des IPCC ist aber nun nicht nur auf das Wasserproblem in Afrika beschränkt. In der Zusammenfassung für die Politik finden sich ausschließlich negative Auswirkungen einer Klimaerwärmung. Die durchaus vorhandenen positiven Auswirkungen einer Klimaerwärmung (s. z.B. Arnell) werden völlig ignoriert. Durch diese vom IPCC durchgeführte selektive Auswahl aus den wissenschaftlichen Quellen kommt man dann auch zur gewollten politischen Schlussfolgerung, die Prof. v. Storch erst vor wenigen Tagen in einem Artikel (s. spiegel.de) treffend so eingeschätzt hat: „Der Versuch von Naturwissenschaftlern, eine erfolgversprechende Klimapolitik anzuleiten, ist gescheitert. Eine Politik, die von Wissenschaftlern verordnet wird, ist offenbar nicht möglich. Ursache dafür ist ein falsches Verständnis der Rolle der Klimaforschung und die Vereinfachung des Problems Klimawandel. Sich allein auf die Einschränkung der Treibhausgasemissionen als einziges Mittel gegen den Klimawandel zu konzentrieren, war ein Fehler.“
MfG
Antwort von MP: Siehe meinen Kommentar zu Ihrer vorigen Mail. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.
Hans von Storch…
…tut in seinem Artikel ja nachgerade so als hätte es Dutzende andere Optionen gegeben. Von denen würde ich gerne mal hören.
Hartwell
@ Fischer: von Storch meint beispielsweise das Hartwell-Papier, in dem eine diametral andere Klimapolitik entworfen wird, als sie derzeit etabliert ist.
siehe bspw. hier:
http://www.science-skeptical.de/…-papier/002562/
@Peter Heller
“Mir war bislang nicht klar, daß Nigel Arnell zu Irrtümern nicht fähig ist.”
Man kann sich irren, bei der Interpretation von (eigenen) Daten. Man kann sich aber nicht irren, bei der Interpretation der eigenen Arbeit. Genausowenig kann man sich irren, wenn man den eigenen Standpunkt erklärt. Der Standpunkt selbst mag falsch sein, jemandem aber vorzuwerfen er irre sich mit der Wiedergabe des eigenen Standpunktes, ist grotesk. Damit sprechen Sie anderen die Fähigkeit ab, die eigene Meinung auszudrücken. Das disqualifiziert Sie von jeder sachlichen Diskussion.
Kommentar von MP: Vorsicht, Herr Heller hatte da noch das Wörtchen “zulässig” mit drin. Für mich las sich das schlicht wie die Aussage “Arnell’s Interpretation seiner eigenen Arbeit ist [aus bestimmten Gründen] unzulässig”, nicht “Arnell gibt seine [eigene] Interpretation nicht richtig wieder”. Sie reden, soweit ich sehen kann, aneinander vorbei.
Zulässig?
Gemeint war die Textstelle auf Seite 37 in Arnells Studie, in der er sinngemäß schreibt, die Aufrechnung der Werte aus den Tabellen 11 und 12 wäre “nicht zulässig” (in meinen Worten). Seine Begründung, die “Gewinner” könnten aus anderen Gründen auch “Verlierer” sein, wird ja hier auch von einigen Diskutanten vertreten.
Ich habe das erstens eingeworfen, weil hier angenommen wird, ich hätte dieses Argument nicht verstanden (habe ich aber sehr wohl, denn es steht ja eben bei Arnell schon drin) und zweitens wird gesagt, ich wäre auf dieses Argument nicht eingegangen.
Das sehe ich nun anders, ich bin sehr direkt auf genau dieses Argument eingegangen, weil es eben der Punkt ist, an dem Arnell erstens irrt und zweitens die Darstellung seiner Zahlen im IPCC-Bericht vorgibt. Es ist zulässig, die Nettozahlen zu bilden. Es ist sogar erforderlich.
Man kann das Ergebnis einer Projektion nur im Rahmen seiner durch die Konstruktion der Projektion vorgegebenen Bedeutung interpretieren. Man darf nicht am Ende etwas hineindichten, was man am Anfang nicht hineingesteckt hat. Zu glauben, man können aus dem Wert der Bruttozahl der Verlierer irgendeinen Hinweis auf das Ausmaß erforderlicher Adaptionsanstrengungen ableiten, ist zwar naheliegend, aber eben im Rahmen von Arnell 2004 “nicht zulässig”. Warum das so ist, habe ich nun oben ausführlich beschrieben.
Ich glaube, unser Disput, Herr Pössel, scheitert an meiner Unfähigkeit, das Ganze wirklich allgemeinverständlich zu formulieren. Es ist ganz einfach zu abstrakt. Sobald man aus einer Projektion oder einem Szenario Zahlenwerte ableiten kann, neigen die Menschen gleich dazu, diese Werte als Prognosen anzusehen. Um dies zu vermeiden, arbeite ich in der Regel mit Projektionen, deren Ergebnis ich nur qualitativ (als Wirkungszusammenhang) darstelle. Damit meine Kunden gar nicht erst zu einer “nicht zulässigen” Verwendung der Ergebnisse angestiftet werden.
Projektionen wie die von Arnell sind Plausibilitätsbetrachtungen, die die gegenseitige Abhängigkeit von bestimmten Paramtern widerspruchsfrei darstellen. Man darf nicht einen einzelnen Parameter aus dem Zusammenhang der Projektion herausreißen und als Solitär interpretieren (Sie sehen, ich ringe immer noch um eine eingängige Formulierung), denn das führt zu Trugschlüssen. Wie oben schon einmal gesagt: Die Zahlen der “Verlierer” und die der “Gewinner” sind nicht unabhängig voneinander. Sie bedingen einander durch die Art der Konstruktion des Szenarios und können daher nicht als getrennte Resultate angesehen werden.
Beispiel: Arnell schreibt selbst, daß die 1000 m3 Wasserdurchfluß pro Einwohner und Jahr als Kriterium zur Feststellung von Wassermangel völlig willkürlich sind. Sie übersteigen den tatsächlichen Bedarf eines Menschen um ein Vielfaches. Die Wertung dieser Zahl kann also nur anhand der konkreten Lebensumstände in der konkreten Region erfolgen.
Bspw.: Gibt es eine entsprechend ausgebaute Wasserversorgung mit Speichern und Verteilnetzen oder nicht? Wir können den Tabellen 11 und 12 bei Arnell entnehmen, daß es in dem von Wassermangel betroffenen Regionen Europas durch die Bank schlechter wird, im Falle eines Klimawandels. Wir wären also die “Verlierer”. Das sind wir aber in Wirklichkeit nicht, weil wir schon heute mit “Wassermangel” sehr gut umgehen können und dieser uns eigentlich kaum betrifft. Mir vorliegende (nichtöffentliche) Untersuchungen zur Wasserversorgung bspw. in Norddeutschland sagen, daß es bis zum Jahr 2085 (weiter reichen die Untersuchungen nicht) keinerlei Anpassungsbedarf in der vorhandenen Wasserinfrastruktur gibt, selbst wenn uns der Klimawandel entsprechend deutlich erwischen sollte (Bild 5 bei Arnell).
Auf der anderen Seite beinhalten die von Arnell verwendeten Emissionsszenarien A und B ja auch ökonomische Parameter, wie etwa Wertschöpfung und Einkommen in den entsprechenden Regionen. Diese Szenarien besagen (kurz): Wenn die Emissionen steigen, werden wir alle reich, insbesondere die heutigen Entwicklungsländer. Diesen Zusammenhang, der ja darauf hinweist, daß es in Afrika in 2055 eine ähnlich gute Wasserversorgungsinfrastruktur und intensive Bewässerung in der Landwirtschaft geben könnte, wie bei uns, beachtet Arnell aber ebenfalls nicht. Man kann die Schlußfolgerungen, die Sie aus der Zahl der “Verlierer” ziehen können zu glauben, also nicht ziehen, ohne Zusatzannahmen, die nicht in Arnell enthalten sind. Weil man nicht einschätzen kann, welche Zahl wo wirklich ein Problem ist und welche nicht. Deswegen sollte man es bei den Nettozahlen belassen um die Wirkung des Klimawandels im Vergleich zur Wirkung des Bevölkerungswachstums abschätzen zu können. Dies ist im Rahmen von Arnell 2004 möglich, weil darauf ja die Konstruktion der Projektionen beruht.
Das war jetzt noch einmal sehr lang, aber vielleicht ein bißchen verständlicher.
Antwort von MP: Ich glaube nicht, dass der Abstraktionsgrad hier eine große Hürde ist. Aber zumindest bei meinen Einwänden war die Frage der Gleichsetzung von “reduced water-stress” mit “Gewinner” ja gar nicht der Kern der Sache. Ich hatte in meiner Antwort auf Ihren Kommentar vom 11.12.2011, 21:25 versucht, Schritt für Schritt herauszuarbeiten, worum es mir geht; schade, dass Sie darauf bislang nicht eingegangen sind.
@Heller
Herr Heller, weil sich so bemühen verstanden zu werden, zwei Hinweise: Erstens gehen Sie m.E. immer noch nicht auf die regionale Änderung des Wasserstresses ein, der ja offensichtlich in Arnells “Projektionen” enthalten ist (was Sie in Ihrem ersten Kommentar oben unter Punkt 3. auch einsehen), und zweitens vermengen Sie in Ihrem letzten Kommentar ökonomische Aspekte mit Änderungen des Wasserstresses im Sinn der Studie von Arnell, 1000cm3/Kopf/Jahr, die ja noch nichts über dessen Wirkungen sagt.
Ad 1: Nehmen wir nur mal aus Tabelle 11 und 12, den ersten Eintrag (Nordafrika, A1), 86 Mio. Menschen geraten in Wasserstress, 107 sind nicht mehr im Wasserstress. Wenn ich Sie richtig verstehe, sollte man als Ergebnis von Arnell zusammenfassen: “Die Gesamtzahl der von Wasserstress betroffenen Menschen nimmt leicht ab.” Wenn nun aber in Nordafrika ein Wassereinzugsgebiet (ein “water-shed”, sagen wir, in Tunesien) weniger Wasser abbekommt und dort mit Klimawandel mehr Menschen unter Wasserstress leiden, ein anderes in Ägypten aber mehr (vgl. Abb 5 folgende), dann ist das doch offensichtlich, im Hinblick auf Konfliktpotenzial und Handlungsbedarf etwas ganz anderes, als wenn der Klimwandel (zusätzlich zum Bevölkerungswachstum) lediglich eine Abnahme um 20 Mio. verursachen würde.
Ad. 2: Selbstverständlich könnte es eventuell so sein, dass afrikanische Länder ohne Mitigationsmaßnahmen wirtschaftliche Vorteile haben, mit denen sie die Folgen des Wasserstresses vielleicht mildern können. Ob das so ist und welche Naßnahmen nötig oder Konflikte möglich sind, müsste eine weitere ökonomische und politische Analyse ergeben. Das ist aber nach meinem Verständnis nicht Gegenstand von Arnell(2004) und nicht von Teil II des IPCC AR4, sondern diese schaffen die Voraussetzung. Deswegen halte ich es nach wie vor für richtig, dass der IPCC Bericht sowohl von der Zunahme als auch der Abnahme der von Wasserstress betroffenen Menschen schreibt (ob qualitativ oder quantitativ sei mal dahingestellt). Ich mutmaße, dass die Zunahme von Wasserstress einen größeren Handlungsbedarf verursacht als die Abnahme. Insofern kommt es mir auch nicht abwegig vor, die Zunahme hervorzuheben. Die Abnahme nennt der Report ja auch.
Nachtrag
Nachtrag zu 2.: Wobei die aufbauenden Analysen dann natürlich die Parameter der Emissionsszenarien, unter denen Aussagen wie die über Zu- und Abnahme von Wasserstress entstanden sind, berücksichtigen müssen. (Was in den ökonomischen Assessment Modellen ja wohl auch geschieht.)
@ pseudonymus
“Wenn ich Sie richtig verstehe, sollte man als Ergebnis von Arnell zusammenfassen: “Die Gesamtzahl der von Wasserstress betroffenen Menschen nimmt leicht ab.””
Nein, da haben Sie mich falsch verstanden. So etwas ist eben eine Spekulation. Man kann nur sagen, daß Arnells Studie zeigt, daß ein Klimawandel gegenüber dem Bevölkerungszuwachs ein kleiner Faktor hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der Wasserversorgung ist.
Meine Schlußfolgerung ist: Wenn man sich auf die Überbevölkerung einstellt, braucht man den Klimawandel nicht in seine Strategie einzubeziehen.
Meine Kritik ist, daß dies so nicht im IPCC-Bericht steht und dieser somit keine gelungene Politikberatung darstellt.
@P. Heller
Danke erst einmal, Herr Heller, diese Argumentation habe ich jetzt, meine ich, verstanden. Ich stimme Ihnen insoweit zu, dass die Relation der Änderung des Wasserstresses aufgrund von Klimawandel zur der aufgrund anderer Faktoren (Bevölkerungszunahme) wichtig ist.
Die weitere Argumentation kann ich nicht teilen. Nehmen wir nun wieder Nordafrika, A1. Laut Tabelle 7 leben 2025 ohne Klimawandel allein aufgrund der Bevölkerungszunahme 210 Mio in Einzugsbereichen mit Wasserstress, also 85 Mio. mehr als 1995.
Demgegenüber steht laut Tabellen 11 und 12 eine “Umverteilung” des Wasserstresses innerhalb von Nordafrika in Höhe von +86 Mio und -106 Mio (also eine Änderung von fast 200 Mio.). Selbst wenn man von den konkreten Zahlen absieht, so liegt doch die “Umverteilung” durch den Klimawandel klar in derselben Größenordnung wie die Zunahme durch den Bevölkerungszuwachs. Abb. 5 legt nahe, dass vor allem die Mahgreb-Staaten mehr, Ägypten weniger unter Wasserstress leidet. (Die Studie untersucht ja gerade auch die regionale Änderungen auf Basis eines 0,5°x0,5° Rasters).
Das ist m.E. für die internationale Klimapolitik (z.B. von Ägypten oder Tunesien) ein sehr relevantes Ergebnis und daher Bruttoaussagen, die die Größenordnung der Änderung durch den Klimwandel darstellen, auch in Relation zu der durch Bevölkerungszunahme für die Politik bedeutend.
Zu Ihrer Schlussfolgerung wäre noch anzumerken, dass sie vom Verlauf der Adaptionskostenkurve abhängt, ob sie in einem Land / einer Region in der Zahl der Betroffenen konkav oder konvex ist, ob es also zunehmend leichter oder schwieriger wird sich anzupassen. Aber das ist nun wirklich off topic.
Argumentation Rahmstorfs
Die Diskussion hat sich mit der sehr umfangreichen Diskussion über das Arnell-Papier recht weit vom eigentlichen Thema entfernt.
Ich möchte daher zum Thema Meichsner vs. Rahmstorf, insbesonder zur Kritik Rahmstorf an dem FR-Artikel zurückkehren.
Wie Markus Pössel ja gut herausgearbeitet hat, liegt der Hauptfehler, in der Tat ein grober Fehler, des Artikels darin, die Aussage, die auf Aroumi basiert, und andere Aussagen des IPCC-Berichts durcheinanderzuwerfen und daher zu behaupten, die Ergebnisse zu drei nordafrikanischen Staaten seien unzulässig auf ganz Afrika ausgedehnt worden. Das ist unzweifelhaft falsch.
Das ist auch der Hauptpunkt der Kritik Rahmstorfs, die insofern durchaus berechtigt ist. Dieser Fehler wird in der Überschrift des FR-Artikels (Neue Fehler beim Klimarat: IPCC macht aus Nordafrika ganz Afrika) ja noch besonders hervorgehoben. Der zweite Teil dieser Überschrift fehlt allerdings im KStA.
Rahmstorf sagt in seinem Schreiben an die FR allerdings auch: „Leider hat ja auch Ihre Zeitung in einem Artikel von Irene Meichsner kritiklos falsche Behauptungen von North/Leake übernommen“. Liest man weiter, muß man den Eindruck gewinnen, daß die Aussage “IPCC macht aus Nordafrika ganz Afrika” auch von North/Leake stamme. Das trifft aber nicht zu.
North/Leake haben sich fast ausschließlich mit dem Agoumi-Aufsatz beschäftigt. Die Hauptkritik dabei ist, daß der IPCC sich damit auf „graue Literatur“, also auf nicht „peer-reviewed“ Fachliteratur stütze. Die Aussage von Rahmstorff „der IPCC-Bericht hat völlig korrekt die wissenschaftliche Fachliteratur ausgewertet und beschrieben“ ist insofern nicht korrekt, als weder der Aboumi-Aufsatz noch einige seiner Quellen „wissenschaftliche Fachliteratur“ in der üblichen Bedeutung sind.
Rahmstorff führt weiter aus, daß der IPCC bei Berufung auf Agoumi immer von „einigen Ländern“ spreche. Ob das im Zusammenhang des gesamten IPCC-Berichts eine angemessene Beschreibung ist, darüber kann man streiten. Zumindest im ausführlichen Bericht der WG2 hätte ich erwartet, daß zumindest in einer Fußnote zu erfahren gewesen wäre, um welche Länder es sich handelt.
In einem anderen Beitrag seines Blogs sagt Rahmstorf auch, daß die Verwendung solcher „grauer Literatur“ nach den Regeln des IPCC durchaus zulässig sei. Zulässig ist aber ist aber nicht unbedingt angemessen. Der IPCC ist ja immerhin gehalten, ihre Quellen kritisch zu bewerten. Es handelt sich ja nicht um irgendeine Aussage von Tausenden, sondern um eine höchst aufsehenerregende Behauptung (Ernterückgang um „bis zu“ 50% schon bis 2020), die obendrein nicht nur in der Gesamtzusammenfassung, sondern auch in der „Summary for Policymakers“ und in Reden von Pachauri aufgegriffen wird.
Bei einer derartig hervorgehobenen Aussage sollte man eine besonders sorgfältige kritische Prüfung durch den IPCC erwarten. Davon ist aber nichts zu erkennen.
Diese Vorgehensweise nährt den Verdacht, daß der IPCC ein besondere Vorliebe für solche alarmistischen Aussagen hat (ähnlich die falsche Behauptung über die Himalaja-Gletscher) und dabei nicht so genau hinschaut. Das, scheint mir, ist der Kern der Kritik von North/Leake.
Bias
The statement that “zwischen 75 und 250 Millionen Menschen einer erhöhten Wasserknappheit infolge des Klimawandels ausgesetzt sein” is a valid conclusion from Table 11 of Arnell (2004).
In the same way we can deduce from Table 12 of Arnell (2004) that “By 2020, between 11 and 175 million of people are projected to enjoy decreased water stress due to climate change”.
The fact that the IPCC report does not mention this positive result as well as the negative result shows its bias.
MP’s answer: No, there are key asymmetries there; just check the previous contributions to the discussion.
Analyse
Ich möchte anmerken, dass die Analyse von Herrn Heller zu Arnell(2004) bereits seit einigen Tagen online verfügbar ist:
http://www.science-skeptical.de/…strophe/006561/