Das größte Radioteleskop der Welt – ohne Deutschland?

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… aber nicht einfacher
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Zugegeben: Beim Square Kilometre Array (SKA), dem im Aufbau befindlichen größten Radioteleskop der Welt, bin ich eher so etwas wie ein interessierter Beobachter. Im Max-Planck-Institut für Astronomie, wo ich für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich bin, sind eher andere Großprojekte wichtig: das 39-Meter European Extremely Large Telescope für sichtbares Licht etwa (Finanzierung hängt derzeit am Beitrag Brasiliens), oder ALMA (seit kurzem erfolgreich in Betrieb) im Millimeter-/Submillimeterbereich. Aber interessant – und durchaus beeindruckend! – finde ich schon, was da in Südafrika und Australien mit dem SKA geplant ist: Ein Quadratkilometer Sammelfläche für Strahlung. Knapp eine Milliarde Gigabyte an Rohdaten pro Tag. Eine Durchsatzrate alleine für die Schüsseln, die dem Zehnfachen des gesamten heutigen Internetverkehrs entspricht. Eine Empfindlichkeit, mit der man Flughafenradar auf einem bis zu 50 Lichtjahre entfernten Planeten nachweisen könnte.

Ich hatte auch schon Gelegenheit, einen der zukünftigen SKA-Standorte zu besuchen (siehe den Blogbeitrag Hier entsteht das größte Radioteleskop der Welt vom April letzten Jahres). Und ich war am 12. April 2012 eher zufällig in Kapstadt dabei, als Anette Schavan als damalige Bundesforschungsministerin die Beteiligung von Deutschland an diesem Projekt verkündete (sorry für den schlechten Ton – das war sozusagen spontan aus dem Handgelenk gefilmt):

Damals war die spannende Frage noch, wo das Teleskop-Feld gebaut werden würde – Südafrika oder Australien. Die Entscheidung fiel dann für eine Kombination, mit einigen Komponenten hie, den anderen dort.

Dass Frau Schavan damals die Beteiligung Deutschlands beschlossen hatte, war durchaus ein wenig überraschend, wie man auch in den entsprechenden Presseberichten liest:

Klar: Wenn man die damaligen Aussagen jetzt noch einmal liest, dann sind da durchaus einige Vorbehalte drin, und über die Finanzierung soll auch erst später geredet werden. Aber ich hatte wirklich gedacht, wenn es so ein öffentliches Ja gibt, ist das einigermaßen verlässlich, und es muss schon einiges passieren, ehe die Zusage zurückgezogen wird.

Jetzt jedenfalls ist auf den Seiten der SKA-Organisation zu lesen, dass sich Deutschland aus der SKA-Organisation zurückziehen wird – mitgeteilt per Brief des zuständigen BMBF-Staatssekretärs Georg Schütte an den SKA-Generaldirektor. Der (sehr diplomatischen!) Aussage auf den SKA-Seiten nach geht es wohl vornehmlich um die finanzielle Lage:

SKA Organisation regrets this decision, and understands it is driven by difficult national financial circumstances around the funding of large research infrastructures in Germany and Europe and that it by no means reflects a lack of confidence in the SKA project.

Und da wird es natürlich interessant. So arm ist Deutschland ja derzeit nicht, und Erklärungen, verstärkt in Bildung und Forschung investieren zu wollen, liest an ja auch nicht allzu selten. Irgendwo wurden da offenbar die Prioritäten bei den verschiedenen Forschungs-Infrastrukturen etwas verändert – und das ist natürlich interessant, weil es da ja z.B. auch um die Dauerbrenner-Frage Grundlagenforschung vs. angewandter Forschung und politisch vorgegebener Auftragsforschung geht.

Den SKA-Partnern und den deutschen Wissenschaftlern scheint diese Entscheidung allerdings einfach so serviert worden zu sein – zumindest diesem Tweet von Matthias Steinmetz vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) nach:

Jetzt bin ich jedenfalls gespannt, wie die Presse das Thema aufgreift. Das ist ja offenbar nichts, wozu das BMBF selbst eine öffentlich zugängliche Mitteilung herausgibt (zumindest ist bislang noch keine auffindbar – freilich finde zumindest ich bei der Suche auf bmbf.de überhaupt nichts zum SKA). Und wenn ich dem BMBF eine E-Mail schreibe, habe ich wahrscheinlich eher weniger gute Chancen, eine Antwort zu erhalten. Insofern hoffe ich jetzt z.B. auf die Journalisten, die im April 2012 über die deutsche Unterstützung für das SKA geschrieben haben, und als Vertreter größerer Medien auch vom BMBF Informationen über die jetzige Entscheidung bekommen sollten. Sobald ich entsprechende Artikel finde, verlinke ich die auch von hier aus.

Deutsche Beteiligung beim SKA wird es natürlich auch weiterhin geben – deutsche Wissenschaftler kooperieren ja auch mit entsprechenden internationalen Kollegen, sind als Einzelpersonen in verschiedenen der Gremien vertreten, und so weiter. Aber es wäre schon interessant zu erfahren, warum es keine Förderung im großen Stil, auf Bundesebene gibt.

Updates 10.6.2014:

 

 

 

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

4 Kommentare

  1. Völlig draussenbleiben beim SKA ist sicher falsch. Nur schon die Bewältigung der Datenmengen, also das Speicher- Kompressions- und Filterproblem und die Priorisierung ist eine Herausforderung an der man wachsen kann, die einem sogar die Gelegenheit gibt eine neue Architektur zu etablieren.
    China ist jedenfalls dabei. Die wissen, dass sie da etwas lernen können. Die USA aber fehlt seltsamerweise. Deutscher Sachverstand und Einschätzungsvermögen wäre sicher nützlich. Ich stelle mir immer vor, deutsche Ingenieure seien wie die deutsche Fussballmannschaft: Oft nicht gerade berauschend – aber sie gewinnen meist.
    Nun ja, man liest, IBM habe sich die Datenverarbeitungsprobleme schon mehr oder weniger unter den Finger gerissen.

    • Korrektur: IBM hat sich die Datenverarbeitungsprobleme schon mehr oder weniger unter den Nagel gerissen muss es heissen (nicht unter den Finger gerissen).
      Und IBM macht bereits Werbung damit. Offenbar will IBM mit erfolgreichen informatischen Grossprojekten assoziiert werden wie dem Projekt Watson (AI-Datenbank mit natural language inerface). Man liest:

      IBM is already talking about 3D chip stacking, water cooling systems, optical interconnects, nanophotonics, and new tape and phase change memory as possible ways to achieve throughput of this much data [ 1 exabyte pro Tag].

      Nun ja, das SKA hätte ja auch für Astronomen viel zu bieten (Reionisierungsepoche, kosmische Magnetfelder) und sogar für die Physik (Pulsar- und damit Gravitationswellenbeobachtung) fällt etwas ab. Nun, wenn die Daten allen zur Verfügung stehen, muss man ja nicht mitmachen. Mithorchen genügt dann (sind die USA deshalb nicht dabei?).

      • “Nun, wenn die Daten allen zur Verfügung stehen, muss man ja nicht mitmachen. ”

        Leider wird dies genau nicht der Fall sein. Es wird für das SKA keine “Open Sky”-Politik geben, so dass deutsche Wissenschaftler keine Möglichkeit haben werden, an vorderster Front mitzumachen!

        “Besonders hart trifft diese Entscheidung die Universitäten in Deutschland, die sich zusammen mit außeruniversitären Partnern gerade für den Synergieeffekt des SKAs in Bezug auf Astronomie über alle Wellenlängen und die Bedeutung für die Grundlagenphysik engagiert hatten sowie für die wichtigen Schlüsseltechnologien – Hochleistungsrechner, Signalverarbeitung und Umgang mit riesigen Datenmengen. Momentan stellt Deutschland die drittgrößte “Fraktion” in den SKA-Wissenschaftsfeldern, wie wir gerade jetzt wieder auf der Konferenz in Giardini Naxos sehen konnten. Diese große Community wird damit an der Ausführung ihrer Wissenschaft behindert, so dass langfristig Deutschland diese führende Stellung wird aufgeben müssen.”
        http://www.spektrum.de/news/zieht-sich-deutschland-vom-square-kilometre-array-zurueck/1294517

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