Astronomisches Grundwissen 6: Exoplaneten

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Dieser Blogbeitrag ist Teil einer zehnteiligen Serie, die astronomisches Grundwissen vermitteln soll. Alle Beiträge auf einen Blick:

  1. Nachthimmel, Lichtverschmutzung, Beobachtungen
  2. Bilder, Spektren, Einfluss der Atmosphäre, Entfernungen
  3. Unser Sonnensystem
  4. Die Sonne und andere Sterne
  5. Das Leben der Sterne
  6. Exoplaneten
  7. Die Milchstraße und andere Galaxien
  8. Kosmische Strahlung, Gravitationslinsen, großräumige Struktur
  9. Kosmische Expansion und Urknall
  10. Galaxienentwicklung, Dunkle Energie und Ausblick

Näheres zur Motivation der Serie und dazu, was ich unter astronomischem Grundwissen verstehe, findet sich hier in Teil 1.


Exoplaneten

Die Planeten, die unsere eigene Sonne umkreisen gehören zu den ältesten astronomischen Entdeckungen überhaupt. Seit 1995 der erste Planet um einen anderen sonnenähnlichen Stern entdeckt wurde, ist die Suche nach und Untersuchung von extrasolaren Planeten, also von Planeten um andere Sterne als die Sonne, eines der heißen Themen der astronomischen Forschung geworden. Verkürzt heißen diese Planeten auch Exoplaneten.

Sterne überstrahlen ihre Planeten um ein Vielfaches. Direkte Abbildungen sind den Astronomen daher bislang nur von rund einem Dutzend Exoplaneten gelungen, und selbst das nur mit großem Aufwand. Exoplaneten werden in den allermeisten Fällen indirekt nachgewiesen. Die beiden wichtigsten Verfahren dazu lassen wir jetzt Revue passieren.

Wenn der Planet am Stern ruckelt: Radialgeschwindigkeitsmethode

Bei der Radialgeschwindigkeitsmethode geht es um folgendes. Man mag sich gelegentlich vorstellen, dass ein Planet um seinen Heimatstern umläuft, aber in Wirklichkeit laufen beide Himmelskörper – umeinander und um den gemeinsamen Schwerpunkt des Systems. Weil die Masse des Planeten soviel geringer ist als die des Sterns, liegt dieser Schwerpunkt freilich sehr nahe am Stern; bei unserer Sonne beispielsweise meist knapp über der Oberfläche, manchmal auch im Sonneninneren. Allein auf Grund des an ihr ziehenden Jupiter bewegt sich die Sonne mit einer Geschwindigkeit in der Größenordnung von etwa 10 Metern pro Sekunde alle 12 Jahre einmal um den gemeinsamen Schwerpunkt.

Wichtig ist: Falls wir nicht direkt von oben auf ein solches System aus Stern und Planet schauen, wird sich der Stern während seines Umlaufs um den Schwerpunkt gelegentlich etwas auf uns zu bewegen, dann wieder etwas von uns weg. Solche “Radialbewegungen” lassen sich nachweisen, wenn man das Licht des Sterns hochgenau untersucht. Wir kennen den sogenannten Dopplereffekt aus dem Straßenverkehr, wenn ein Rettungsfahrzeug mit eingeschaltetem Signalhorn vorbeifährt. Solange das Fahrzeug auf uns zu fährt, klingt sein “Tatüü-tataa” höher (höhere Frequenz des Schallsignals) als ab dem Moment, in dem es wieder von uns fort fährt (niedrigerer Ton = niedrigere Frequenz des Schalls), wie in diesem kurzen YouTube-Film zu hören ist:

Ganz analog verschiebt sich auch das Licht, das wir von einem Stern empfangen, zu höheren Frequenzen hin, wenn sich der Stern auf uns zubewegt. Im sichtbaren Spektrum, dem Regenbogen, sind die höchsten Frequenzen die am blauen Ende. Zu höheren Frequenzen verschobenes Licht heißt daher ganz allgemein “blauverschoben”. (Das gilt, etwas verwirrend, auch, wenn wir uns nicht mehr im sichtbaren Teil des Spektrums befinden.) Bewegt sich der Stern von uns fort, so ist sein Licht zu niedrigeren Frequenzen hin verschoben – man sagt: “rotverschoben”.

In Teil 2 hatten wir im Abschnitt Spektren gesehen, dass es im Licht von Sternen bestimmte charakteristische Muster gibt, nämlich insbesondere dunkle Linien, die zu ganz bestimmten chemischen Elementen gehören. Daran, wie sich diese Linien verschieben, kann man sehen, ob und wieweit das Licht des Sterns in einem bestimmten Moment rot- oder blauverschoben ist.

Messung der Frequenzverschiebung anhand der Spektrallinien; daraus Rückschluss via Dopplereffekt darauf, wie sich der Stern mit der Zeit auf uns zu und von uns weg bewegt; daraus Rückschluss auf die Anwesenheit eines Planeten, dessen Gravitations-Ziehen die Sternbewegung verursacht: das ist die Radialgeschwindigkeitsmethode.

Planetenschatten: Die Transitmethode

Die Transitmethode ist einfacher zu verstehen. Einige ferne Planetensysteme werden wir zufällig gerade so von der Seite sehen, dass ein Planet auf seiner Umlaufbahn regelmäßig zwischen seinem Heimatstern und uns vorbeizieht. Wir werden den Planeten nicht direkt sehen können, aber mit geeigneten Instrumenten könnten wir nachweisen, dass der Stern immer dann, wenn der Planet zwischen uns und ihm steht, etwas weniger hell leuchtet als sonst.

Die für einen Nachweis nötigen genauen Helligkeitsmessungen sind zumindest für größere Planeten bereits mit sehr kleinen Teleskopen möglich – hier kommen zum Teil handelsübliche Kamera-Zoomobjektive oder Teleskope zum Einsatz, wie sie auch fortgeschrittene Amateurastronomen besitzen. Hin zu kleineren Planeten werden die Anforderungen an die Genauigkeit schließlich so hoch, dass Weltraumteleskope nötig sind. Dem Weltraumteleskop CoRoT der französischen Raumfahrtagentur und der ESA beispielsweise gelang 2009 der erste definitive Nachweis eines großen Felsplaneten (einer “Supererde”; leider ist das Teleskop seit Ende letzten Jahres defekt; noch laufen Versuche, es wieder funktionsfähig zu machen). Das Weltraumteleskop Kepler der NASA hat sogar Planeten gefunden, die der Erde in Masse und Durchmesser sehr ähnlich sind.

Wie alle astronomischen Messungen haben auch Radialgeschwindigkeits- und Transitmessungen mit Störeinflüssen zu kämpfen. Gerade wenn ein System mit mehreren Planeten nachgewiesen werden soll, sind oft lange Messreihen für die Radialgeschwindigkeit nötig, um die verschiedenen Einflüsse sauber trennen zu können. Auch bei der Transitmethode sind Wiederholungsmessungen nötig, um zum Beispiel sicherzustellen, dass die Verdunkelung nicht z.B. auf große Sternflecken – dem Analog der in Teil 4 erwähnten Sonnenflecken – zurückgeht, sondern dass es sich tatsächlich um einen Planeten handelt.

Bilder von Exoplaneten und mehr.

Direkte Aufnahmen von Exoplaneten sind, wie schon erwähnt, sehr schwierig – so, als wolle man ein Glühwürmchen fotografieren, dass direkt neben einem 1000-Watt-Scheinwerfer hockt. Derzeit ist dies bei 32 Planeten gelungen (aktueller Stand hier). Hier ist als Beispiel  ein Bild eines “Super-Jupiters” (seine Masse beträgt mehr als 13 Jupitermassen), der den Stern Kappa Andromedae umkreist (Bild: Bild: NAOJ / Subaru / J. Carson [College of Charleston] / T. Currie [University Toronto]):

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Das Bild des Sterns ist schon bei der Aufnahme weitgehend ausgeblendet worden, durch einen “Koronographen”, eine passgenaue Scheibe, die sein Licht abblockt (schwarzes Feld in der Bildmitte). Dann wurde durch Aufnahmen bei unterschiedlicher Teleskoporientierung zwischen dem Bild des Planeten (heller Punkt links oberhalb der Bildmitte) und Bildfehlern und Blendeffekten unterschieden und die Störeffekte weitgehend herausgerechnet (Reste davon sind um die zentrale Scheibe sichtbar) .

Weitere Methoden spielen derzeit eine untergeordnete Rolle: Der Nachweis nicht durch die periodische Änderung der Radialgeschwindigkeit, sondern durch Positionsänderungen des Sterns am Nachthimmel (astrometrische Methode) ist technisch noch an der Grenze des Machbaren. Der Nachweis dadurch, dass Licht eines Hintergrundsterns am Planeten ein wenig abgelenkt wird (Gravitationslinsenmethode, derzeit 18 Fälle) ist unter anderem deswegen interessant, weil sie auch Planeten erfasst, die mit den anderen Methoden derzeit noch nicht nachweisbar sind. So erlaubt sie Rückschlüsse auf die Gesamthäufigkeit von Planeten – und es scheint, als würde jeder Stern in unserer Milchstraße in der Tat im Schnitt von mehr als einem Planeten umkreist.

Der Nachweis durch leichte Veränderung in den Signalen, die wir von einem Pulsar empfangen (Pulsar-Timing, derzeit 17 Fälle) war 1990 sogar der erste Nachweis eines Exoplaneten überhaupt. Allerdings sind Pulsare als Sternreste ein Sonderfall; ist von der “ersten Exoplanetenentdeckung” die Rede, dann meint dies zumeist die Entdeckung des ersten Exoplaneten, der einen normalen Stern umkreist: die Entdeckung des Planeten 51 Pegasi b im Jahre 1995 durch Michel Mayor und Didier Queloz.

Derzeit (8. Februar 2013) gelten 862 extrasolare Planeten als nachgewiesen. Das kann sich aber wöchentlich ändern; die Extrasolar Planet Encyclopedia ist eine zuverlässige Quelle für den aktuellen Stand.

Warum suchen die Astronomen nach Exoplaneten?

Exoplaneten schaffen es immer einmal wieder in die Nachrichten: Der kühlste bislang nachgewiesene Planet, der bislang erdähnlichste, noch ein bislang erdähnlichster, und so weiter – manch ein Astronom anderer Fachgebiete hat den Rummel jetzt schon deutlich über. Denen ist möglicherweise auch die Ausführlichkeit, mit der ich das Thema hier in meiner Zusammenfassung abhandle, bereits zuviel.

Interessant ist an Exoplaneten vor allem zweierlei. Vor allem zeigen sie uns, welche Vielfalt an Planeten dort draußen ist – “heiße Jupiter” beispielsweise, ähnlich groß wie Jupiter, aber deutlich näher an ihrer Heimatsonne; “Supererden”, also Felsplaneten mit bis zu rund zehn Mal der Masse unserer Erde, oder neptunähnliche Planeten. Will man verstehen, wie Planeten entstehen, dann sollte man tunlichst nicht von einem einzigen Beispiel ausgehen (nämlich dem eigenen Sonnensystem) sondern schauen, welche Arten von Planetensystemen es dort draußen gibt – und wie häufig welche Art von Planeten vorkommt.

Zweitens interessiert uns als Menschen natürlich insbesondere die Entstehung unserer eigenen Lebensgrundlagen inklusive unseres Heimatplaneten. Das macht die Suche nach erdähnlichen Planeten so interessant. In der Öffentlichkeit stößt dabei die Suche nach einer Art “zweiter Erde”, einem Exoplaneten also, dessen Eigenschaften denen unseres Heimatplaneten möglichst ähnlich sind, auf besonders großes Interesse. Für direkte Bilder und Spektren solcher Planeten werden wir auf zukünftige Teleskope warten müssen. Ein erster indirekter Nachweis könnte mit der Transitmethode schon mit heutigen Teleskopen (wieder das Kepler-Weltraumteleskop) gelingen. Die Radialgeschwindigkeitsmessungen tasten sich gerade an die nötige Empfindlichkeit heran. Den aktuellen Stand der Suche nach möglichst erdähnlichen Planeten, die sich zudem in der habitablen Zone ihres Sterns befinden sollen – wie in Teil 3 erwähnt: das ist derjenige Abstand vom Stern, in dem lebensfreundlicherweise flüssiges Wasser möglich ist – findet man im Habitable Exoplanets Catalogue.

Ist solch ein Planet gefunden, so kann man versuchen, auf ihm indirekt Leben nachzuweisen. Wer jetzt an SETI denkt, die bislang erfolglose Suche nach den Radiosignalen außerirdischer Zivilisationen (“Search for Extra-Terrestrial Intelligence”) liegt allerdings falsch. Die Spuren von Leben auf anderen Planeten, um die es hier geht, sind deutlich elementarer. Es dürfte z.B. auf einen Nachweis hinauslaufen, dass die Atmosphäre eines Exoplaneten soviel Sauerstoff enthält, dass dies nur durch sauerstoffproduzierende Organismen wie Pflanzen oder Blaualgen zu erklären ist.

Insgesamt weisen die Exoplanetenstudien übrigens darauf hin, dass Planeten sehr häufig sind. Im Schnitt wird jeder Stern der Milchstraße offenbar von mindestens einem Planeten umkreist. Alleine um die häufigsten Sterne, die Roten Zwerge, dürfte es in unserer Milchstraße Dutzende von Milliarden von Planeten geben.

Apropos Milchstraße – ich bin vergleichsweise ausführlich auf die Exoplaneten eingegangen, weil diese in der aktuellen Forschung und noch mehr in der aktuellen Berichterstattung über Astronomie eine wichtige Rolle spielen. Aber es wird Zeit, das nächste Thema anzuschneiden.

Weiter geht es mit Teil 7: Die Milchstraße und andere Galaxien

 


Ich danke Carolin Liefke und Jakob Staude für hilfreiche Anmerkungen zu diesem Text.

Anmerkung: Die letzten Abschnitte in “Warum suchen Astronomen nach Exoplaneten?” habe ich am 8.2., 16:45 Uhr noch etwas entwirrt und den Link auf den Habitable Exoplanets Catalogue hinzugefügt.

 

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

4 Kommentare

  1. ” Ist solch ein Planet gefunden, so kann man versuchen, auf ihm indirekt Leben nachzuweisen (z.B. wenn seine Atmosphäre soviel Sauerstoff enthält, dass dies nur durch sauerstoffproduzierende Organismen wie Pflanzen oder Blaualgen zu erklären ist). Ein erster indirekter Nachweis könnte mit der Transitmethode schon mit heutigen Teleskopen (wieder das Kepler-Weltraumteleskop) gelingen. “

    Habe ich richtig verstanden, dass man mit Kepler eine Athmosphäre und sogar deren Sauerstoffgehalt nachweisen könnte?

  2. @RD

    Danke für den Hinweis! Der betreffende Abschnitt war in der Tat etwas irreführend. Ich habe ihn überarbeitet und gleich noch einen schönen Link hinzugefügt; jetzt sollte klarer sein, was gemeint ist.

  3. Kompliment für die “Exoplaneten”

    Guter Beitrag, der keine der möglichen Nachweismethoden für Exoplaneten “vergisst”.

    In Artikeln für das wissenschaftsinteressierte Publikum liest man praktisch nie über die astrometrische Methode, die hier ebenfalls erwähnt wird. Doch der schon bald startende Satellit Gaia, welcher im Punkt L2 1 Milliarde Sterne der Milchstrasse (1% der Sterne in der Milchstrasse) möglichst präzis vermessen soll, wird die Position dieser Sterne auf 20 Mikrobogensekunden bestimmen und durch wiederholte Messungen des gleichen Sterns auch in der Lage sein, Exoplaneten anhand des Hin-und Herruckelns des Sterns relativ zu den anderen Sternen zu finden. Zusammen mit der ebenfalls gemessenen Radialgeschwindigkeit des Sterns wird Gaia sogar die Neigung der Orbitalebene von Exoplaneten bestimmen können und auch ihre Masse relativ zur Masse des Sterns, den sie umkreisen. Mit Gaia werden wohl viele tausende von Exoplaneten gefunden und genau charakterisiert werden.

  4. NASAplant Direktabbildung vonExoplaneten

    die NASA hat scheinbar ein neues Koronographie-System entwickelt, das sie zusammen mit deformierbarer Optik (zur Wellenfrontkorrektur) für die Direktabbildung von Exoplaneten einsetzen will – ab etwa 2020, näheres hier

    Mit dem schon verfügbaren System könnten grosse Planeten (Jupiters) bereits mittels relativ kleinen Teleskopen abgebildet werden, während für Planeten von Erdgrösse grosse Teleskope und eine Anpassung des momentan verfügbaren Koronographiesystems nötig wäre.

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