Astronomische/physikalische Aprilscherze 2014

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… aber nicht einfacher
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Auch Wissenschaftler machen Aprilscherze. Die kommen in ganz unterschiedlichen Variationen und Geschmacksrichtungen. Da sind zum einen die institutsinternen Aktionen, von denen ich nostalgisch einige aus meiner Doktorandenzeit am Albert-Einstein-Institut (Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik) erinnere: Wie Albert Einstein auf einmal ein eigenes Postfach im Postzimmer hatte, das erst nach einigen Tagen auffiel und entfernt wurde. Wie in der Bibliothek neben den Fachzeitschriften ein Fach mit der Zeitschrift “Bravo Girl” auftauchte, ordentlich beschriftet und katalogisiert. Unseren Plan, neben dem häufig überfluteten Fußballrasen des Golmer Campus ein Schild “Reisbauversuchsanstalt Golm” anzubringen, haben wir aber, soweit ich erinnere, niemals umgesetzt.

In Zeiten des Internet ist die öffentliche Pressemitteilung eine weitere Aprilmöglichkeit. Das Handicap dabei ist natürlich, dass der Scherztext nicht zu subtil sein darf. Sonst wird er womöglich ernstgenommen, und das Verhältnis des Instituts zu dem hereingelegten Medium wäre nachhaltig gestört. Ein niedliches Beispiel haben die Kollegen von der GSI in Darmstadt veröffentlicht, die in Spektakulärer Fund: Dunkle Materie am GSI-Beschleuniger entdeckt die Entdeckung der nach wie vor rätselhaften Dunklen Materie mit, sagen wir mal: einer anderen für die Wissenschaft nicht unwichtigen Substanz verknüpfen.

Aktueller Einschub: Bei den vielen Medienanfragen, die heute zu dem gestern schön sichtbaren Feuerball über Teilen Deutschlands und der Schweiz beim Haus der Astronomie ankamen, haben die Journalisten fast immer auch gefragt, ob es sich evt. um einen Aprilscherz handle.

Einiges an Selbstironie zeigt das CERN. Nicht wenige Kommentatoren hatten sich darüber mokiert, dass eine Reihe der Präsentationsfolien bei der Bekanntmachung der Entdeckung des Higgs-Teilchen in der Schriftart Comic Sans verfasst waren (gibt es sonst noch eine Schriftart, die eigene Hass-Seiten hat?). Heute gab das CERN dementsprechend bekannt, nun werde die gesamte CERN-Kommunikation auf Comic Sans umgestellt. Und wie es sich kamen die gesamten CERN-Webseiten auf cern.ch heute in genau dieser Schriftart daher:

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Dagegen nimmt sich eine April-Meldung wie die von Spaceflight Now, die NASA habe versehentlich vor ein paar Jahren die Namen zweier der Space Shuttle vertauscht, doch recht hausbacken aus. Die NASA selbst hat, soweit ich sehen kann, gar keine April-Nachricht auf ihren Webseiten. Die Nachricht, dass neue, externe Finanzpartner gesucht werden, weil das deutsch-amerikanische Flugzeugobservatorium SOFIA ansonsten eingemottet werden muss, ist leider alles andere als ein Aprilscherz.

Die hohe Schule des wissenschaftlichen ersten April sind aber zweifellos die Vorabdruck-Server, allen voran arXiv.org. Ein herkömmliches Beispiel ist The CMB flexes its BICEPs while walking the Planck, das im klassischen Fachartikelstil, aber mit genau so vielen Wortspielen wie der Titel verspricht, die neuen BICEP2-Resultate zu Inflation und urtümlichen Gravitationswellen (ich berichtete hier, hier und hier) auf die Schippe nimmt.

Aber das sind alles nur Spielereien im Vergleich zu den nächsten beiden Artikeln, die genau das leisten, was ein perfekter Aprilscherz leisten soll. Es geht um unorthodoxe Methoden zum Nachweis von Dunkler Materie:

New Dark Matter Detector using Nanoscale Explosives (Alejandro Lopez et al.) – dabei geht’s um Dunkle-Materie-Teilchen, die in einem Detektor eine Explosion in einem winzigen zwei-Komponenten-Sprengstoff auslösen, die wiederum eine Kettenreaktion weiterer Nano-Explosionen zündet die dann zum Nachweis führt. Dasselbe Autorenteam hat dann mit New class of biological detectors for WIMPs (A. K. Drukier et al.) noch nachgelegt – mit DNA-basierten und enzym-basierten Nachweisen für die Dunkle-Materie-Teilchen.

Aprilscherz oder nicht? Eigentlich kann das ja nicht sein: Minibomben und biologische Dunkle-Materie-Detektoren. Aber die Artikel selbst lesen sich nicht unvernünftiger als die anderer Fachgebiete, in denen ich zwar Grundkenntnisse habe, aber nicht alle Details kenne. Und würde jemand sich solche Mühe machen (26 Seiten inklusive vieler aufwändiger Grafiken für den ersten, 29 Seiten inklusive Anhängen und Literaturverzeichnis für den zweiten) nur für einen Aprilscherz? Andererseits: Würde jemand, der ernsthaft so exotische Nachweisverfahren vorschlägt, sich nicht hüten, ausgerechnet am 1. April damit herauszukommen? Letztlich glaube ich schon, dass es sich um Aprilscherze handelt. Aber hundertprozentig sicher bin ich nicht. Und genau so sollten Aprilscherze sein. Chapeau, Kollegen, so oder so!


 

 

Nachtrag: Dank an Knud Jahnke für den Hinweis auf arXiv:1403.8146v1, A Necro-Biological Explanation for the Fermi Paradox [komplett mit Zombie-Drake-Gleichung]

Nachtrag 2 vom 2.4.: Science hat gestern auch Aprilscherz-News zum BICEP2-Resultat gehabt: Scientists Find Imprint of Universe That Existed Before the Big Bang (u.a. mit dem TRICEP- und dem QUADRICEP-Detektor)

 

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

9 Kommentare

  1. Also bei dem DNA(analogen)-Detektor bin ich mir unsicher, den gab es schon Mitte 2012. Da ist mir aber kein passendes Scherzdatum in Erinnerung, die “Nano-Bombe” scheint neu zu sein 🙂

    • Beim ersten hat man vergessen, die Kontinente aus den Planck-Daten rauszurechnen,
      deswegen dauert es wohl noch eine Weile bis die Polarisationsdaten verifiziert sind.
      Der zweite geht aber, ist eine Frage der Perspektive “von wo” für ein gutes Teleobjektiv.

      • Zum 2. Bild:
        Naja, von der Erde aus. Ansonsten wäre er zu klein. Zum Vergleich: Auf den SOHO-Bildern, die Herr Hattenbach anlässlich der Beobachtung des Kometen ISON letzten Herbst hier publiziert hat, ist unten links ein etwas dickerer Lichtpunkt zu erkennen. Wenn man sich die Bilder mal in Originalgrösse ansieht, stellt man fest, dass es sich dabei um den Saturn handelt, der zu der Zeit etwa 10,8 AE von der Sonne entfernt war. Da der Saturn zu dieser Zeit beinahe in Konjunktion zur Erde stand, also fast genau auf der gegenüberliegenden Seite der Sonne, dürfte die Entfernung Erde-Saturn etwa 11,7 AE betragen haben. Wenn man beachtet, wie klein der Saturn auf den SOHO-Bildern ist, dann kann das Bild von Karl nur einen Durchgang meinen, der von der Erde aus beobachtet worden wäre.

        • Der Äquatordurchmesser der Sonne beträgt 1.392.684 km, und
          der Äquatordurchmesser des Saturn beträgt 120.536 km.

          Für mein Bild habe ich ein ähnliches Verhältnis gewählt,
          denn es sollte ja realistisch aussehen.

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