Astronomische Beobachtungen: Wärmestrahlung

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… aber nicht einfacher
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Etwas Wärme können wir derzeit vermutlich alle brauchen. Und auch wenn der Einfallswinkel der Sonnenstrahlung derzeit auf der Nordhalbkugel recht ungünstig ist: Im Prinzip sendet uns die Sonne genau das: Wärmestrahlung. Und viele andere astronomische Objekte tun das gleiche.

In meinen ersten Blogbeiträgen zur Vorlesung Methoden der Astronomie für Nichtphysiker hatte ich vor allem über Beobachtungsinstrumente und den Beobachtungsvorgang geredet: darüber, wie man große Teleskope baut, was Astronomen eigentlich (physikalisch gesehen) beobachten, oder wie man aus den Rohdaten ein so schönes Bild wie das der Säulen der Schöpfung rekonstruiert.  Jetzt wird es Zeit, die andere Seite zu betrachten: unter welchen Umständen setzen astronomische Objekte eigentlich Strahlung frei? Und was können Astronomen demgemäß aus den Strahlungseigenschaften erschließen? Hier geht es zunächst einmal um eine bestimmte Strahlungsart: Wärmestrahlung.

Thermisches Gleichgewicht

Physikalische Systeme haben typischerweise viele Möglichkeiten, wie sich Dinge bewegen können. Jedes Teilchen eines Gases kann in eine beliebige Richtung fliegen; jedes Atom im Kristallgitter kann ein wenig schwingen. Jede dieser Bewegungsmöglichkeiten heißt ein Freiheitsgrad des Systems.

Solange all diese Freiheitsgrade Energie austauschen können – solange die Gasteilchen häufig genug kollidieren oder sich Kristallschwingungen ausbreiten und beliebige Atome erfassen können – stellt sich mit der Zeit thermisches Gleichgewicht ein. Dann ist die gesamte verfügbare Energie gleichmäßig über alle Freiheitsgrade verteilt. Dann gibt es keine Klumpen von Gasteilchen, die schüchtern in der Ecke hocken, sondern im Mittel hat jedes Gasteilchen in jede der drei unabhängigen Bewegungsrichtungen dieselbe Energie.

Wenn die Verteilung der Energie durch das thermische Gleichgewicht festgelegt ist, fehlt nur noch eine Angabe: Wieviel Energie pro Freiheitsgrad ist denn nun in diesem System vorhanden? Der Parameter, der diese Information liefert, ist die Temperatur des Systems. In der klassischen Physik entfällt auf jeden Freiheitsgrad eines Systems der Temperatur \(T\) die Energie $$E_{th} = \frac12\cdot k_B\cdot T,$$ wobei die Temperatur in Kelvin gemessen wird und \(k_B\) die sogenannte Boltzmann-Konstante ist, $$k_B = 1{,}381 \cdot 10^{-23} \; \mathrm{J/K}.$$

…und noch etwas mehr

Auch wenn ich bislang nur von Gasteilchen und schwingenden Kristall-Komponenten geredet habe gibt es in unserer Welt noch einen Freiheitsgrad, der immer da ist. Überall im Raum ist nämlich ein elektromagnetisches Feld (vgl. Von der Kraft zum Feld), das sich ebenfalls ändern und bewegen kann, konkret: das sich in Form von Lichtteilchen durch den Raum bewegen kann (vgl. Was ist eigentlich Licht?).

Und auch dieser Freiheitsgrad kann angeregt werden, sprich: Wo sich die Energie gleichmäßig auf alle Freiheitsgrade verteilt, da ist auch das elektromagnetische Feld angeregt – da gibt es auch Strahlung! Wie alle Energie-Anregungen im thermischen Gleichgewicht hängen auch die Eigenschaften der Wärmestrahlung, die ein gegebenes Volumen an Gleichgewichts-Materie aussendet, nur von der Temperatur ab.

Schwarze Körper vermessen

Ganz so einfach ist es dann allerdings doch nicht – und deswegen ist die korrekte Formulierung der Energieverteilung der Wärmestrahlung direkt mit einer Revolution der Physik verknüpft: der Entstehung der Quantentheorie. Am Anfang standen dabei Messungen im Labor der Physikalischen Reichsanstalt in Berlin (vgl. Hoffmann 2000). Dort hatten Otto Lummer und Mitarbeiter diese Energieverteilung jahrelang genau vermessen, zuletzt mit einem Hohlraumstrahler in Form eines elektrisch beheizten, innen schwarz bedampften Porzellanrohres; hier ist die (natürlich gut isolierte) Anordnung von außen zu sehen:

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Elektrisch beheizter Schwarzer Körper von Otto Lummer und Mitarbeitern. Bild: Abb. 2 aus Lummer und Kurlbaum 1901

Der erste, dem es gelang, die dabei gemessene Energieverteilung aus einigen einfachen Annahmen herzuleiten, war Max Planck. Eine der einfachen Annahmen hatte es freilich in sich: Planck musste, ohne dafür eine plausible Begründung zu haben, annehmen, dass die Wände des Schwarzen Körpers Strahlung nur in “Paketen” oder Quanten genau definierter Energie absorbieren und ausstrahlen konnten. Jedes Paket entspricht dabei einer ganz bestimmten Strahlungsfrequenz \(f[/latex[, und seine Energie ist zu dieser Frequenz proportional, [latex]E=h\cdot f,\) mit \(h\) dem Planck’schen Wirkungsquantum, einer Naturkonstante. Diese Quanteneigenschaft verschiebt die Energieverteilung insbesondere bei hohen Paket-Energien – sie wird weniger einfach als die strikte Gleichverteilung der klassischen Physik.

Plancks Strahlungs-Quanten gaben den Startschuss zur Entwicklung der Quantentheorie, der Grundlage unserer heutigen Beschreibung der Materieeigenschaften und des Geschehens auf den Größenskalen von Atomen und Elementarteilchen. Die Strahlungspakete sind die Lichtteilchen oder Photonen, die ich auch in Was ist eigentlich Licht? beschrieben hatte.

An dieser Stelle soll uns etwas anderes interessieren: Wie sieht die Energieverteilung denn nun eigentlich aus?

Planck-Kurve: Energieverteilung für die Wärmestrahlung

Die von Planck gefundene Energieverteilungs-Kurve hat das folgende charakteristische Aussehen: Planck-Kurven für die Energieverteilung der Wärmestrahlung bei unterschiedlichen TemperaturenDargestellt sind die Verteilungskurven für unterschiedliche Temperaturen in Kelvin. Für die Umrechnung gilt: X Grad Celsius entsprechen (273,15 + X) Kelvin (veraltet gelegentlich: Grad Kelvin). Die grüne Kurve bei 300 K, in diesem Maßstab kaum zu sehen, entspricht damit 27 Grad Celsius und damit Alltagstemperaturen.

Einige Trends sind aus der Abbildung direkt ablesbar: Mit zunehmender Temperatur wird insgesamt immer mehr Strahlung ausgesandt, und die Balance verschiebt sich immer mehr in Richtung kleinerer Wellenlängen.

Farbe und Intensität von Wärmestrahlung

Beide Zusammenhänge kennen wir zumindest zum Teil aus dem Alltag. Menschen beispielsweise, aber auch die meisten anderen Objekte, die uns umgeben, strahlen im sichtbaren Licht überhaupt nicht, geben aber Infrarot-Wärmestrahlung ab; hier ein Beispiel, das ich vor einiger Zeit für eine MPIA-Pressemitteilung zusammengestellt hatte: amy-thermalSolche Objekte oder Subjekte, hier die Astronomin Amelia Stutz, sehen wir zwar im reflektierten Licht (links). Ohne externe Lichtquelle sehen wir aber zumindest mit unseren Augen nichts (Mitte). Eine Wärmebildkamera offenbart aber, dass hier fleißig ferninfrarote Strahlung (rechts, Wellenlängen zwischen rund 15 Mikrometern und einem Millimeter) ausgesandt wird.

Vorsicht Doppeldeutigkeit!

Dass solche Strahlung für die Temperaturen der meisten uns umgebenden Alltagsobjekte typisch ist, hat zu einer potenziellen Sprachverwirrung geführt: Ursprünglich war Wärmestrahlung synonym mit Infrarotstrahlung; das ist eben die Strahlung, die Objekte aussenden, die wir im Alltag als warm bezeichnen würden. In Begriffen wie Wärmebildkamera lebt diese Bezeichnung fort; auch heute noch kann man in entsprechenden Texten lesen, solche Kameras würden Wärmestrahlung aufzeichnen und sichtbar machen.

In diesem Beitrag hier folgen wir dem physikalischen bzw. astronomischen Sprachgebrauch: Für uns ist Wärmestrahlung ein Strahlungsgemisch, das von Körpern infolge des thermischen Gleichgewichts ausgesandt wird. Dazu wird immer auch Infrarotstrahlung gehören, aber es können auch andere Strahlungsanteile – sichtbares Licht, UV, sogar Röntgenlicht – prominent vertreten sein.

Höhere Temperaturen und sichtbares Licht

Bei höheren Temperaturen enthält die Wärmestrahlung dann auch zunehmend sichtbares Licht. Wir kennen das von einer metallenen Herdplatte alten Stils, die man ohne Topf angelassen hat: nach einer Weile beginnt sie, schwach rötlich zu glühen. Auf diesem Bild hier sind unterschiedlich heiße Glühstadien zu sehen:

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ExtraSchicht 2010, Radreifenproduktion im Bochumer Verein. Bild: Rainer Halama via Wikimedia Commons unter Lizenz CC BY-SA 3.0

Daran sieht man von rechts nach links sehr schön: Mit zunehmender Temperatur strahlen die Radreifen immer heller, und gehen vom rötlichen ins gelbliche über, weil immer mehr kürzere Wellenlängen hinzukommen. Genau das sagt die Planck-Kurve vorher.

Die große Strahlungsmenge machen wir uns zunutze, wenn wir bei Glühlampen einen Glühdraht auf hohe Temperaturen im Bereich zwischen 2000 und 3000 Kelvin erhitzen.

Bei noch höheren Temperaturen wird das Licht erst weißlich, dann bläulich, wie auf dieser Grafik zu sehen, bei der am linken Bildrand die Farbe bei einer Temperatur von 1000 K, am rechten bei einer Temperatur von 10 000K dargestellt ist:

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Darstellung: Mitchell Charity auf What color are the Stars?

Deswegen sind die Assoziationen zwischen Farbe und Temperatur in der Astronomie gerade anders herum als im Alltag: in der Astronomie gilt “rot=kühl” und “blau=heiß”.

Astronomische Objekte modellieren

Die meisten astronomischen Objekte, die man am Himmel beobachten kann, senden selbst Strahlung aus. (Prominente Ausnahme sind die Planeten, von denen wir vornehmlich reflektiertes Sonnenlicht wahrnehmen.) Für Sterne, aber beispielsweise auch für Gas- oder Staubwolken, entspricht die Energieverteilung in guter Näherung einer Wärmestrahlung – im Falle unserer Sonne mit einer Temperatur von rund 5800 Kelvin, für den rötlichen Schulterstern Beteigeuze des Orion sind es nur 3600 Kelvin, für bläuliche Sterne können einige zehntausende Kelvin sein.

Umgekehrt liefern uns astronomische Beobachtungen damit Informationen über die Temperatur zumindest jener Regionen eines Himmelsobjekts, die Wärmestrahlung aussenden (im Falle der Sterne die sogenannte Photosphäre). Dabei können sich natürlich durchaus auch mehrere Komponenten überlagern; hier der (fiktive, nicht auf Beobachtungsdaten beruhende) Fall von Strahlung aus Regionen, die Temperaturen von 300 K und 1000 K besitzen: Überlagerte Wärmestrahlung bei 1000 K und 300 KWarum die Strahlung bei 1000 K nicht deutlich stärker ist als die bei 300 K? Weil es immer auch davon abhängt, wieviel Materie wir bei der entsprechenden Temperatur vorliegen haben; hier sehr viel Materie bei 300 K und wenig Materie bei 1000 K.

Letztlich müssen Astronomen das alles zusammen modellieren: Wieviel Materie bei welcher Temperatur anwesend ist. Im Falle eines jungen Sterns wird man bei der Energieverteilung beispielsweise unterscheiden können, welcher Strahlungsanteil von dem Stern selbst und welcher Anteil von der deutlich kühleren Scheibe aus Gas und Staub kommt, die den jungen Stern umgibt.

Damit ist die Planck-Formel für die Wärmestrahlung ein wichtiges Werkzeug für die Astronomen – deren Ziel schließlich darin besteht, nicht nur zu dokumentieren, welche Erscheinungen sich am Himmel beobachten zu lassen, sondern diese Erscheinungen auf physikalische Modelle von Objekten zurückzuführen.

 

 

 

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

2 Kommentare

  1. Folgendes (Zitat):

    Ursprünglich war Wärmestrahlung synonym mit Infrarotstrahlung

    ist auch heute noch eine verbreitete Assoziation. Mit der Google-Anfrage wärmestrahlung und astronomie erhält man folgende Top-Treffer:
    1) Infrarotastronomie – Wikipedia,
    2) Astronomie: die kosmische Perspektive,
    3) Welt der Physik: Infrarotstrahlung
    4) INFRAROT = KEINE WÄRME(STRAHLUNG) | Astronomie allgemein …

    und im letzten Teil des Google-Suchfenster findet sich der Eintag “Verwandte Suchanfragen zu wärmestrahlung und astronomie” mit folgender List: infrarot teleskop funktionsweise, infrarot teleskop kaufen, infrarotbereich wellenlänge, infrarot teleskop aufbau, submillimeter definition, röntgenteleskop, submillimeterbereich definition, sofia flugzeug

    Jedenfalls ist es gut zu wissen, dasss das meiste Licht aus astronomischen Quellen Wärmestrahlung ist. Und bis vor kurzem erzeugten auch die meisten vom Menschen eingesetzten Lichtquellen Wärmestrahlung. Das jedenfalls zeigt der Wikipedia-Eintrag Timeline of lighting technologies die mit den Lichtquellen Feuer, Öllampen, Kerzen, Gaslampen beginnt und erst mit der um 1870 erstmals eingesetzten Fluoreszenzlampe eine Nicht-Wärmestrahlung-Lichtquelle auflistet.

  2. Wärmestrahlung transportiert immer auch Wärme von dem Objekt weg, das die Wärmestrahlung abgibt. Doch hier auf der Erde ist in den meisten Fällen der konvektive Wärmetransport in Form von aufsteigender warmer Luft über von der Sonne erhitzten Flächen oder über dem von warmem Wasser erhitzten Heizkörper bedeutender als der Strahlungswärmetransport. Ausser man präpariert das Objekt, welches Wärme abgibt dementsprechend wie das in der Versuchsanlage passierte, welche zum Bericht Radiative cooling to deep sub-freezing temperatures through a 24-h day–night cycle gehört, wo darüber berichtet wird, wie man allein durch Abstrahlung von Wärme Temperaturen erreichen kann, die 40 Celsius unter der Umgebungstemperatur und damit unter dem Gefrierpunkt liegen. Dazu wurde der Strahler optimal gegenüber dem Himmel platziert (wobei er vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt war) und zusätzlich wurde der Strahler in ein Vakuumgefäss eingeschlossen. Anders als der Artikel sehe ich aber potenzielle Anwendungen nicht hier auf der Erde (passive building cooling, renewable energy harvesting from the universe and refrigeration in arid region), sondern im Weltraum, wo Teleskope und andere Instrumente oft auf eine nicht allzu stark schwankende Temperatur angewiesen sind und eine passive Kühlung mittels Wärmeabstrahlung einer aktiven Kühlung mittels verdunstendem Helium vorzuziehen ist. Das Spitzer-Weltraumteleskop (oder besser gesagt der Teil der Instrumente, der auf extreme Kälte angewiesen ist/war) könnte jedenfalls noch heute Bilder liefern, wenn nicht sein Kühlmittel Helium inzwischen verdunstet wäre.

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