Katalyse-Forschung für Pharmazie und Pflanzenschutz
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Den mit 10.000 Euro dotierten „BASF Catalysis Award“ für herausragende Nachwuchsforscher erhält in diesem Jahr Professor Dr. Tobias Ritter von der Harvard University. Professor Ritter studierte Chemie in Braunschweig, Bordeaux, Lausanne und Stanford. Nach der Promotion in Zürich wechselte er als Postdoktorand an das California Institute of Technology (Caltech). Seit 2006 lehrt und forscht er an der Harvard University. Ausgezeichnet wird Professor Ritter auf dem diesjährigen Heidelberg Forum of Molecular Catalysis (HFMC 2011) für seine innovativen Arbeiten auf dem Gebiet der Katalyse für die organische Synthese. Michael Lang sprach mit Tobias Ritter über die Schwerpunkte seiner Katalyse-Forschung.
Herr Professor Ritter, womit beschäftigt sich Ihre Arbeitsgruppe?
Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt auf den organischen Fluorverbindungen. Wir haben ein neues katalytisches Verfahren entwickelt, um gezielt eine Bindung zwischen einem Fluor- und einem Kohlenstoffatom herzustellen.
Was ist das Besondere an einer Fluor-Kohlenstoff-Bindung?
Fluor besitzt die höchste Elektronegativität aller chemischen Elemente. Das bedeutet, dass es die beiden gemeinsamen Elektronen zweier Atome in einer Bindung ganz stark an sich zieht. Außerdem hat Fluor einen sehr kleinen Ionenradius. Daraus resultiert nicht nur eine sehr stabile Bindung, sondern auch eine starke polare Wechselwirkung mit anderen Molekülen.
Welche Konsequenzen haben diese Eigenschaften für die praktische Anwendung?
Organische Fluorverbindungen werden vor allem in der Pharmazie, aber auch im Pflanzenschutz oder bei medizinischen Untersuchungen eingesetzt. Fluor verbessert die Bioverfügbarkeit, die Fettlöslichkeit und sorgt dafür, dass die Substanz vom Stoffwechsel nicht zu schnell abgebaut wird.
Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Forschung?
Wir wollen das Universum der Moleküle für die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) erweitern. Für dieses Verfahren ist das Isotop 18F die erste Wahl. Allerdings hat 18F eine Halbwertszeit von nur etwa 109 Minuten. Dieser rasche Zerfall ist die eigentliche Herausforderung. Wir haben nicht genug Zeit, das Molekül zu synthetisieren. Deshalb bauen wir Fluor erst im letzten Schritt der Synthese in das Molekül ein.
Wie erfolgt der Einbau des Fluors in das organische Molekül?
Seit hundert Jahren versuchen Chemiker, Fluor direkt mit Kohlenstoff zu verbinden. Das ist wegen der Reaktionsfreudigkeit und Elektronegativität von Fluor nicht ganz einfach. Meine Arbeitsgruppe hat 2008 einen indirekten, mehrstufigen Ansatz entwickelt. Wir binden zunächst den Kohlenstoff an ein Übergangsmetall, anschließend erfolgt die Bindung von Fluor an diesen Komplex, und im letzten Schritt werden Fluor und Kohlenstoff miteinander verbunden.
Das hört sich einfach an. Gibt es einen Trick dabei?
Die Bindung zwischen Fluor und Kohlenstoff ist sehr stabil. Das bedeutet, dass es eine hohe energetische Hürde gibt, um diese Bindung herzustellen. Normalerweise wird als Katalysator nur ein Metall verwendet. Wir setzen hingegen zwei Metalle ein, die gewissermaßen zusammenarbeiten, um diese hohe Energiebarriere zu senken.
Sie haben noch ein zweites Forschungsgebiet. Warum beschäftigen Sie sich mit Eisen als Katalysator?
Eisen ist wirtschaftlich interessant. Für großtechnische Verfahren wie das Haber-Bosch-Verfahren oder die Fischer-Tropsch-Synthese werden Tausende von Tonnen Eisen als Katalysator benötigt. Wenn wir hier die Ausbeute verbessern können, wäre das für die Unternehmen von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Außerdem ließe sich durch eine effizientere Katalyse viel Energie einsparen. Ich schätze, dass ungefähr ein Prozent des weltweiten Energieverbrauchs für das Haber-Bosch-Verfahren aufgewendet wird.
Das Gespräch führte der Wissenschaftsjournalist Dr. Michael Lang