Wozu Positronen gut sind

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Gedanken eines Experimentalphysikers
Quantenwelt

Wenn  ich gefragt wurde, wozu man Antiteilchen eigentlich braucht, dann nenne ich gerne die Positronenemissions-Tomographie. Das ist ein bildgebendes Verfahren in der Nuklearmedizin, bei dem dem Patienten ein Kontrastmittel injiziert wird, das Positronen emittiert. Positronen sind Anti-Elektronen. Sie sind in fast allen Eigenschaften genau wie Elektronen. Nur in der elektrischen Ladung unterscheiden sie sich. Trifft solch ein Positron auf ein Elektron, so annihilieren die beiden. Das heißt sie lösen sich in zwei Lichtblitze mit je exakt der Energie eines Elektrons um. Entsteht solch ein Positron irgendwo im menschlichen Körper, so wird es recht bald auf ein Elektron treffen und ziemlich in der Nähe von seinem Entstehungsort die Lichtblitze erzeugen. Ein Positronenemissions-Tomograph nimmt nun die gleichzeitig an zwei Seiten austretenden Lichtblitze auf und verfolgt ihren Entstehungsort zurück. Damit bekommt man ein dreidimensionales Bild davon, wie sich das Kontrastmittel im Körper verbreitet hat.

Am Donnerstag habe ich auf einer Konferenz in Berlin, in einem Vortrag von Reinhard Krause-Rehberg, eine weitere Anwendung von Positronen kennen gelernt.

Haben Sie sich schonmal darüber gewundert, dass ein Metall wie Eisen so viele verschiedene Eigenschaften hat. Es hängt nicht nur von der Legierung ab, wie hart oder weich, elastisch oder spröde, widerstandsfähig oder brüchig das Metall ist, sondern auch von den Herstellungs- und Verabreitungsprozessen. Einen wesentlichen Beitrag zu den Materialeigenschaften von festen Körpern jeder Art hat die Struktur auf molekularer Ebene. So gibt es in Kristallgittern immer irgendwelche Fehlstellen, also Punkte, an denen ein Metallatom sitzen sollte aber keines vorhanden ist. Es gibt Grenzen zwischen verschieden ausgerichteten Kritsallkörnchen und es gibt Einschlüsse von Fremdatomen entweder vereinzelt oder als größere Körner. Positronen sind nun für einige dieser Spezialitäten der Festkörperphysik empfindlich und können als Sonden zur Untersuchung von Materialien verwendet werden.

Die Paar-Vernichtung von Positron und Elektron ist glücklicher Weise nicht so einfach, wie man es meist liest. Es ist nicht so, dass sich Teilchen und Antiteilchen nur nahekommen müssen und schon knallt es. Auch hier müssen kinematische Regeln eingehalten werden. Alles, was bei einem klassischen Stoß zweier Billardkugeln gilt, gilt auch beim Positron-Elektron-Stoß. Die Energie, der Impuls und der Drehimpuls müssen bei jedem Prozess erhalten bleiben. Und wenn aus Positron und Elektron zwei Lichtblitze (Photonen) entstehen sollen, dann müssen diese Photonen die Energie, den Impuls und den Drehimpuls übernehmen. Anders geht es nicht.

Ein Positron vernichtet also nicht das erste Elektron, das es trifft, sondern erst das Elektron, mit dem es unter den richtigen kinematischen Randbedingungen zusammenstößt. Wenn nun ein schnelles Positron in einen Festkörper eingeschossen wird, dann wird es mit vielen Elektronen ganz normal, beinahe klassisch zusammenstoßen und dabei Energie verlieren. Es wird immer langsamer bis es die Tempertur der umgebenden Elektronen angenommen hat. Dann wird es auf zufälligen Wegen durch den Körper diffundieren. Vielleicht wird es mit einem Elektron für einige Zeit eine Art Atom, ein so genanntes Positronium bilden. Und erst wenn es ein wirklich passendes Elektron gefunden hat, wird es unter Abgabe zweier Lichtblitze vernichtet werden.

Das passende Elektron kann sich vorher an beliebigen Positionen im Festkörper befunden haben. Es kann eines der Leitungselektronen sein, die sich mit moderater Geschwindigkeit frei im Metall bewegen können, oder es ist eines der stark gebundenen Innerschalen-Elektronen, die zum Teil recht hohe Geschwindigkeiten tief im anziehenden elektrischen Feld des Atoms haben. Die entstehenden Lichtblitze tragen die Information der Elektronengeschwindigkeit aus dem Festkörper heraus.

Bringt man nun alle diese Eigenschaften von Positronen zusammen, so kann man viele Einsichten in die atomare Struktur von Festkörpern gewinnen.  Aus der bekannten Geschwindigkeit, mit der man die Positronen in den Festkörper schießt, kann man die Eindringtiefe bestimmen. Die Positronen zerfallen dann unterschiedlich schnell, je nach der Umgebung, die sie antreffen. In den Abklingkurven der Strahlung konnte Prof. Krause-Rehberg die verschiedenen Lebensdauern zeigen. Und schließlich geben die Energien der Lichtblitze Aufschluss darüber, ob Leitungs- oder Rumpfelektronen vernichtet wurden. In Deutschland gibt es zwei intensive Positronenquellen. Eine am Forschungsreaktor FRM II in Garching bei Münschen und eine am Forschungszentrum Dresden-Rossendorf.

Positronen werden übrigens auch bei uns am DESY (Hamburg) in den Speicherringen DORIS und PETRA eingesetzt. Dort vertreiben die Positronen mit ihrer positiven Ladung die Ionen aus dem Vakuum und räumen sich damit ihren eigenen Weg frei.

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Joachim Schulz ist Gruppenleiter für Probenumgebung an der European XFEL GmbH in Schenefeld bei Hamburg. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann in der Quantenoptik, in der er die Wechselwirkung einzelner Atome mit Laserfeldern untersucht hat. Sie führte ihn unter anderem zur Atomphysik mit Synchrotronstrahlung und Clusterphysik mit Freie-Elektronen Lasern. Vier Jahre hat er am Centre for Free-Electron Laser Science (CFEL) in Hamburg Experimente zur kohärenten Röntgenbeugung an Biomolekülen geplant, aufgebaut und durchgeführt. In seiner Freizeit schreibt er zum Beispiel hier im Blog oder an seiner Homepage "Joachims Quantenwelt".

5 Kommentare

  1. hmm, echt interessant.
    Aber was für Einsichten kann man daraus für einen Festkörper gewinnen?
    Was hat das mit den Fehlstellen oder Einschlüssen von Fremdatomen zu tun?

    Grüße

  2. Wozu Elektronen gut sind?

    Eine schöne Vorstellung, dass gerade jetzt jemand in einer Spiegelwelt aus Antimaterie eine Artikel geschriben hat mit dem Titel: Wozu Elektronen gut sind?

    Gut gefallen hat mir der Gedanke, das ein Positron sich nur mit einem passenden Partner annihiliert.
    Es braucht also den “perfect match for death”

    Ein Laie (also ich) denkt oft, die Quantenmechanik erlaube alles – und hin un wieder noch etwas mehr (z.B. das Tunneln durch eine Barriere).

    Ihr Artikel führt mich zur neuen Einschätzung, dass die möglichen Ereignisse mit festen Ganzzahlenverhältnissen verbunden sind. Ein interessanter Gedanke, hatten doch bereits die Griechen eine Abneigung gegen irrationale Zahlen und ganzzahlige Proportionen bevorzugt.

    Es gibt also kein Dazwischen und das ermöglicht das Unmögliche, z.B. die digitale Quantenbatterie (siehe http://www.physorg.com/news180704455.html), in der im atomaren Massstab elektrische Feldstärken existieren, die eigenlich zum Durschlag führen müssten.

  3. Welche Einsichten

    Lieber Martin Schmidt,

    “Aber was für Einsichten kann man daraus für einen Festkörper gewinnen?
    Was hat das mit den Fehlstellen oder Einschlüssen von Fremdatomen zu tun?”

    Dieser Teil ist mir tatsächlich reichlich kurz geraten. Der Vorteil von Positionen ist, dass sie die Fehlstellen praktisch suchen und sich dort anlagern. An den Fehlstellen fehlt ja ein positiv geladener Atomrumpf, also kann ein Positron diese Stelle einnehmen und wird dort ebenso gebunden, wie das fehlende Atom hier gebunden wäre. Jedes Positron, das bei seiner Diffusion auf eine Fehlstelle trifft, wird dort also gebunden bleiben und sich nicht weiter bewegen.

    Nun ist an der Fehlstelle auch die Dichte von Elektronen geringer, weil ja der Rumpf eines Atoms auch Elektronen enthält. Es ist damit für das “gefangene” Positron schwerer passende Partner zu finden und deshalb wird es länger leben.

    Konkret misst man die Zerfälle der eingeschossenen Positronen über die Zeit und wird dann verschiedene Abklingzeiten finden. Jede Abklingzeit-Komponente steht für eine Art von Kristalldefekt und das Verhältnis der Intensitäten der Komponenten gibt die relative Dichte der Defekte an.

    Wenn man dann noch abhängig von der Eindringtiefe der Positronen unterschiedliche Kurven sieht, bekommt man einen guten Überblick in welcher Tiefe welche Defekte existieren. In der Praxis wird man natürlich auch verschieden behandelte Materialien miteinander vergleichen.

  4. Negatronen

    @Martin Holzherr:
    “Eine schöne Vorstellung, dass gerade jetzt jemand in einer Spiegelwelt aus Antimaterie eine Artikel geschriben hat mit dem Titel: Wozu Elektronen gut sind?”

    Nur, dass man in der Spiegelwelt unsere Elektronen natürlich Negatronen nennt. Schließlich sind dort die Elektronen positiv geladen.

  5. “Kontrastmittel”

    Was mich an dem in Verbindung mit den weiteren Erläuterungen im Kommentarteil gut verständlichen und informativen Text etwas stört, ist die Verwendung des Wortes “Kontrastmittel” für die PET.
    Auch auf die Gefahr hin hier als Laie auf dem Gebiet der (Medizin-)Physik falsch zu liegen, so möchte ich doch Einspruch erheben und von Schulz zu Schulz vorschlagen das Wort Tracer statt Kontrastmittel zu verwenden, da letzteres m.E. hier nicht passt.
    Begründung:
    Ein Kontrastmittel wie es üblicherweise in der medizinischen Bildgebung verwendet wird schwächt das zur Bildgebung verwendete Signal stärker oder weniger stark als es das Untersuchungsobjekt allein vermag – verändert dieses also. Auch ohne Kontrastmittel erhält man aber ein Bild.
    Tracer, wie sie in der Nuklearmedizin Anwendung finden (hier werden üblicherweise Stoffwechselvorgänge damit sichtbar gemacht) sind hier selbst die Signalgeber, die die am Ende detektierte Gammastrahlung emittieren (bzw. zu deren Emission führen wie bei der PET).
    Ohne den Tracer als Signalquelle gäbe es gar kein Bild. Auswirkungen auf den Bildkontrast (im Sinne von Signalschwächung) haben die Tracer jedoch nicht.

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