• Von Joachim Schulz
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Weltsprache der Physik

BLOG: Quantenwelt

Gedanken eines Experimentalphysikers
Quantenwelt

Nebenan fragt Beatrice Lugger: Wie wichtig ist es über Wissenschaft in der jeweiligen Landessprache zu kommunizieren? und stellt weiter ein paar Fragen, zu denen sie gerne Antworten in den Kommentaren hätte. Ich erlaube mir, hier zu antworten, in der Hoffnung, dass das Pingback funktioniert und es dort die Diskussion voranbringt. Hier werde ich die Kommentare sperren.

Ich werde diese Fragen spontan, ohne lange drüber zu grübeln beantworten. Selbstverständlich aus meiner Sicht, der eines Experimentalphysikers in einem europäischen Forschungsinstitut.

1. Wie wichtig ist es, eine universelle Wissenschaftssprache über alle Ländergrenzen hinweg zu haben?

Das ist unverzichtbar. Zunächst ist es vom wissenschaftstheoretischen Standpunkt unsinnig, Physik in Sprachraumgrenzen1 zu halten. Wir haben gute Gründe anzunehmen, dass ein Atom hier ebenso funktioniert wie in China, Japan oder den Vereinigten Staaten. Es wäre schade, wenn gute Ergebnisse verloren gingen und mehrmals entdeckt werden müssten, weil sie in einer seltenen Sprache erschienen sind und niemand es für nötig hielt, sie in die großen Sprachen zu übersetzen.

Desweiteren dürfte es schwierig sein, ausreichend Fachübersetzer zu finden. Wir müssen uns klar machen, dass das Englisch in der Physik keine englische Alltagssprache sondern Fachsprache ist. Es gibt die meisten Fachwörter auch in anderen Sprachen, wie Schwedisch, Französisch oder Deutsch, und deshalb kann ein physikalischer Englischer Text nicht von beliebigen Menschen übersetzt werden, die beide Sprachen beherrschen. Es braucht qualifizierte Fachübersetzer/innen.

Zuletzt ist es in internationalen Forschungsinstituten aber auch in größeren nationalen Instituten wie dem DESY wichtig, eine gemeinsame Sprache zu haben, die auch Kurzzeitgäste ausreichend beherrschen um im Forschungsalltag und in den Pausen zu kommunizieren.

2. Ist Englisch dafür eine geeignete Sprache

Englisch ist dazu so geeignet wie jede andere Sprache auch. Sollte im Englischen die eine oder andere physikalische Theorie nicht ausdrückbar sein, wird die Fachsprache einfach erweitert.

3. Wie wichtig ist es umgekehrt, dass über Wissenschaft in der jeweiligen Landessprache kommuniziert wird?

In der Fachsprache halte ich es für unwichtig. Natürlich unterhalte ich mich mit deutschsprachigen Kolleginnen und Kollegen meistens auf Deutsch. Sobald sich aber andere dazugesellen wechseln wir zur englischen Fachsprache. Das ist mit ein Wenig Übung kein großes Problem.

In der populärwissenschaftlichen Kommunikation und im Gespräch mit Politiker/innen ist es dagegen wichtig, Wissenschaft in einfachen Worten erklären zu können, ohne dabei Fremdsprachkenntnisse vorauszusetzen. Im Gewissen Sinne hilft es hier sogar, wenn die Fachsprache Englisch ist, denn das zwingt uns, eine geeignete einfache Übersetzung für Fachwörter zu finden statt einfach das Fachwort selbst zu verwenden.

4. Wie ist Eure Einschätzung bei internationalen englischsprachigen Publikationen: Werden englischsprachige Muttersprachler womöglich bevorzugt? Haben sie es leichter?

Selbstverständlich. Insgesamt haben es Menschen mit guter Sprachbegabung leichter, gute Publikationen zu schreiben. Wer sich in Englisch gut und wortreich ausdrücken kann, weil sie oder er das von Kindheit an praktiziert hat, dürfte einen Vorteil haben. Gute Ergebnisse lassen sich allerdings auch in mäßigem Englisch publizieren.

5. In welchen Situationen im Forschungsalltag oder bei welchen Diskussionen wird eher Deutsch oder Englisch gesprochen?

Ich erlebe es so, dass in Kreisen, in denen fast ausschließlich Leute mit Deutsch als Muttersprache anwesend sind, fast immer auch auf Deutsch kommuniziert wird. In Schweden habe ich das ähnlich bei den dortigen Muttersprachlern erlebt. In internationalen Konferenzen ist dagegen Englisch die Umgangssprache.

Interessanter ist es bei Kolleginnen und Kollegen, die Deutsch und Englisch etwa gleich gut beherrschen, aber beides nicht als Muttersprache sprechen. Ich habe einen Kollegen, mit dem ich grundsätzlich Deutsch spreche, und eine Kollegin, mit der ich grundsätzlich Englisch spreche und nur auf Deutsch umsteige, wenn andere Deutschsprechende dabei sind. Wie und warum wir uns jeweils auf die Sprach geeinigt habe, kann ich nicht begründen. Das ist Tradition.

Anmerkungen:
1. Es geht hier wohl nicht wirklich um Ländergrenzen, denn zum Beispiel in Österreich düfte dieser Text ohne weitere Übersetzung lesbar sein.
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Joachim Schulz ist Gruppenleiter für Probenumgebung an der European XFEL GmbH in Schenefeld bei Hamburg. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann in der Quantenoptik, in der er die Wechselwirkung einzelner Atome mit Laserfeldern untersucht hat. Sie führte ihn unter anderem zur Atomphysik mit Synchrotronstrahlung und Clusterphysik mit Freie-Elektronen Lasern. Vier Jahre hat er am Centre for Free-Electron Laser Science (CFEL) in Hamburg Experimente zur kohärenten Röntgenbeugung an Biomolekülen geplant, aufgebaut und durchgeführt. In seiner Freizeit schreibt er zum Beispiel hier im Blog oder an seiner Homepage "Joachims Quantenwelt".