Welträtsel oder Wissenschaft
BLOG: Quantenwelt
Die Welt könnte so einfach sein. Wenn sich der Raum streng euklidisch verhalten würde und alle Winkel- und Längenverhältnisse mit einfacher Mittelstufenmathematik berechenbar wären, bräuchte es keine komplizierten, nichtlinearen Gleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie um den Kosmos zu beschreiben. Wenn die Atome klassische Teilchen wären, mal glatt und rund, mal rau, kantig und mit Häkchen versehen, die miteinander nach Newtons Gesetzen Stöße vollführen und aneinander binden, brauchten wir keine Quantentheorien mit rätselhaften Verschränkungen und Unbestimmtheitsrelationen.
Vereinfachte Weltmodelle gibt es viele und nach wie vor gibt es überzeugte Kritiker der Relativitätstheorie und der Quantenmechanik, die einfache Welterklärungsmodelle feilbieten und die moderne Physik zu einem großen Betrug erklären. Ich beginne langsam zu verstehen, was diese selbsternannten Kritiker antreibt und warum der Dialog mit ihnen so schwer, meistens sogar aussichtslos ist.
Hilfreich für dieses Verständnis war das Buch Einsteins Gegner: Die öffentliche Kontroverse um die Relativitätstheorie in den 1920er Jahren1 2 der Wissenschaftshistorikerin Milena Wazeck. Obwohl sich Wazeck in diesem Werk auf die frühe Kritik an die Relativitätstheorie beschränkt, scheint es mir immer noch aktuell. Die Argumente, mit denen Alternativwissenschaftler Einsteins Relativitätstheorie und Teile der Quantenmechanik ablehnen, haben sich in fast einem Jahrhundert kaum geändert.
Wazeck bezeichnet die Kritiker der Relativitätstheorie als Welträtsellöser und weist damit bereits auf den wesentlichen Unterschied zur etablierten Wissenschaft hin: Ihr völlig anderes Verhältnis zur Metaphysik und zum Wahrheitsbegriff.
In der etablierten Wissenschaft spielt die Suche nach der tiefsten, endgültigen Wahrheit keine Rolle. Je nach Geschmack suchen wir falsifizierbare Theorien3, passende Konstrukte4 oder einfach praktikable Methoden um Messergebnisse zu errechnen5.6 Das bedeutet nicht, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler keine Vorstellung über den Wahrheitsgehalt ihrer Theorien haben dürfen. Es kann bei der Theorienentwicklung sehr hilfreich sein, wenn die Forscherin oder der Forscher eine klare Vorstellung hat, wie die Welt aufgebaut ist.7 Für die wissenschaftliche Arbeit spielt der Wahrheitsbegriff jedoch keine Rolle. Es geht in der etablierten Wissenschaft darum, mit Theorien die gemessenen oder beobachteten Daten adäquat abzubilden.
Welträtsellöser/innen suchen dagegen primär nach der Weltformel, der letzten Wahrheit. Typische Welträtsellöser sind überzeugt, diese Wahrheit gefunden zu haben. Wazeck ordnet das Welträtsellösertum der 1920er Jahre grob in drei Kontexte ein: Okkultismus, Lebensreform und Monismus.
Aus okkultistischer Sicht ist die etablierte Wissenschaft abzulehnen, weil sie auf Reproduzierbarkeit und Intersubjektivität Wert legt. Die Entdeckung der Röntgenstrahlung hat esoterischen Strömungen Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts Hoffnung gegeben: Wenn es mit der von Wilhelm Konrad Röntgen entdeckten X-Strahlung, eine bis dahin unentdeckte Strahlung gibt, die für Menschen nicht wahrnehmbar ist, warum sollte es dann nicht andere Strahlungen geben, die nur von besonders sensitiven Menschen nutzbar ist? Warum sollte man so nicht Phänomene wie Hellsicht, Telekinese, Astrologie erklären?
Okkultisten nehmen Einzelberichte und Geheimwissen ungeprüft als Wahrheit an. Sie erkennen die Forderung der Wissenschaft nicht an, dass ein Phänomen verifizierbar sein muss, bevor eine Erklärung notwendig ist. In den Bereich okkultistisch motivierter Welträtsellöser lässt sich heute die Schwache Quantentheorie des Harald Walach einordnen.
Die Lebensreform-Bewegung nahm an dier zunehmend materialistischen Ausrichtung der Wissenschaft Anstoß. Auch wenn Vertreter/innen der Lebensreform hauptsächlich alternative Heilmethoden gegen die von ihnen als Schulmedizin bezeichnete wissenschaftlich fundierte Medizin durchsetzten wollten, gingen aus ihr auch Kritiker der Naturwissenschaften hervor. Kritiker aus diesem Kontext kritisieren die Naturwissenschaften dafür, dass sie sich nur mit dem materiellen Teil der Welt beschäftigen und geistliches außen vor lassen. Oft setzen sie ein Lebensprinzip als Grundlage ihrer Wissenschaftsauffassung. Für sie ist Leben kein Phänomen, das aus komplexen biochemischen Interaktionen hervorgehen kann, sondern ein grundlegendes Prinzip, das hinter allen Naturphänomenen steht. Mechanische Gesetzmäßigkeiten gehören für sie entweder einer anderen Welt an, in der das Leben nicht erklärbar ist, oder sie sind dem Lebensprinzip untergeordnet. Ein allumfassender Weltgeist treibt die mechanischen wie die biologischen Vorgänge an.
Interessant an den Kritiken aus der Lebensreform-Bewegung ist, dass sie die Wissenschaft einerseits als zu reduktionistisch ablehnen, andererseits aber versuchen ihren eigenen Konzepten einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben, um an die gesellschaftliche Autorität der Wissenschaften Teil haben zu können.
Monisten schließlich kritisierten die modernen Wissenschaften für ihre Spezialisierung. Die monistischen Vereinigungen der 1920er Jahre strebten nach einer Universalwissenschaft, die alle gesellschaftlichen Aspekte auf naturwissenschaftliche Grundlagen zurückführte. Diese Spielart der Kritik rekrutierte sich vorwiegend aus Ingenieuren und versuchte auch Ethik und Politik auf mechanische Grundlagen zurückzuführen.8
Es gab und gibt eine Vielzahl monistischer Alternativwissenschaften mit völlig zueinander konträren Ansätzen. Atomistische Theorien, die alle Phänomene auf die Interaktion klassischer Teilchen im Vakuum zurückführen wollen. Weltäthertheorien, die als Grundlage ein metaphysisches, alles durchdringendes Kontinuum von Urmaterie annehmen. Aber auch pantheistische Ansätze, die große Parallelen zu okkulitischen und Lebensreform-Ansätzen haben, sich aber von diesen durch ihre Ablehnung von Dualismen unterscheiden.
Man kann gegen Wazecks Dreiteilung der Kritiker in Okkultisten, Lebensreformler und Monisten einwenden, dass eine eindeutige Zuordnung oft gar nicht möglich ist. Wazeck selbst weist auf die großen Überschneidungen in den Motivationen dieser drei Bewegungen hin. Wollte man Kritiker kategorisieren, so wäre es zielführender, eine Art Matrix aufzustellen, in der jede Alternativtheorie nach ihrer Tendenz zum Okkultismus, zum Lebensreformgedanken und nach ihrer Präferenz von dualistischen oder monistischen Ansätzen eingeteilt werden kann. Aber eine Klassifizierung ist nicht Wazecks Intension. Es geht ihr in erster Linie darum, das Spektrum an Beweggründen von Kritikbewegungen in den 1920er Jahren zu beleuchten. Das gelingt ihr mit dieser Einteilung und den dazu gegebenen Beispielen recht einleuchtend.
Für mich war die Lektüre des Buchs hilfreich, weil sie mir gezeigt hat, wo der wirkliche Konflikt zwischen Naturwissenschaften und ihren unorthodoxen Kritikern liegt. Es sind keine Kleinigkeiten. Die allermeisten Welträtsellöser werden wir nicht von der modernen Wissenschaft überzeugen können, indem wir nachweisen, dass die Relativitätstheorie mathematisch Konsistent ist. Es wird nichts bringen, Experimente zu erläutern und zu zeigen, mit welchen Theorien sie konsistent sind und welchen sie widersprechen. Und es ist auch nicht Zielführend, zu erläutern, warum wir die Relativitätstheorie einer Äthertheorie vorziehen, selbst wenn die beiden Theorien mathematisch gleich sind.
Der wesentliche Unterschied zwischen Welträtsellöser/innen und Wissenschaftler/innen liegt darin, dass erstere andere Erwartungen an Wissenschaft haben. Sie lehnen moderne Wissenschafts- und Erkenntnistheorie ab und suchen nach einer letzten Wahrheit. Nach einer Weltformel. Viele Welträtsellöser waren so überzeugt davon, das letze Prinzip, die Weltformel gefunden zu haben, dass sie sich nicht erklären konnten, warum ihnen die etablierte Wissenschaft nicht sofort beipflichtete. Daraus entwickelten sich dann die Verschwörungstheorien und die Plagiatsvorwürfe gegen Einstein.
Mein Fazit aus der Lektüre des Buches und den Erfahrungen, die ich selbst in der Diskussion über die Relativitätstheorie sammelt konnte, ist, dass Welträtsellöser/innen einfach nicht die Zielgruppe für Erklärungen der Relativitätstheorie sind. Erklären können wir Theorien denen, die grundsätzlich mit den Zielen und Methoden zeitgenössischer Naturwissenschaft einverstanden sind und Details der Theorien und Experimente verstehen wollen.9 Mit Welträtsellöser/innen müssen wir, wenn überhaupt, über Wissenschaftstheorie diskutieren.
Vielleicht gibt es ja Überlappungen von Welträtsellösern und theoretischen Physikern, den Stringtheoretikern beispielsweise. Wollen die Stringtheoretiker wirklich das, was gemäss folgendem Zitat das Ziel eines typischen Physikers sein soll: (Zitat)” Je nach Geschmack suchen wir falsifizierbare Theorien, passende Konstrukte oder einfach praktikable Methoden um Messergebnisse zu errechnen”
Interessant ist es schon, dass sich so wenige Menschen mit falsifizierbaren Theorien, passenden Konstrukten und praktikablen Methoden für die Errechnung von Messergebnisen zufriedengeben. Die meisten brauchen mehr, suchen nach Transzendenz und der letzten Wahrheit.
Doch vielleicht ist es ratsam die Suche nach der letzten Wahrheit ins Private zu verbannen und die Wissenschaft vor dieser Suche zu bewahren.1
@ Martin Holzherr
13. Mai 2014 18:15
Wieso soll es “ratsam” sein, dies ins Private zu verbannen? Seit wann ist Wissenschaft eine billige Institutionalisierung für den Wertschöpfungsbetrieb (wegen des praktikablen und anwendbaren Outputs – dessen Nutzung dann ziemlich einseitig ausfällt)?
Und seit wann bezahlen wir unsere eigenen Unterdrückungssysteme? (o.k., das tun die Menschen schon immer). Das “weltfremde”, was sich bei diesem Thema (Esoterik und oben besprochene Weltsichten) hier eindeutig ausgerichtet zeigt, kann man eben auch locker umdrehen. Das es “weltfrend” sei, wenn man streng ignoriert, was in der Welt noch los ist und sich auf eine Art “Mehrwertsteigerung” in demgegenüber banalen Nebensächlichkeiten konzentriert.
Offenbar ist Wissenschaft doch eine “Demokratieveranstaltung”… allerdings eine “zeitgenössische” eben; zeitgenössischer “Demokratiepraxis” – wo erst mitbestimmen darf, wer sich vorher einem Paradigma unterworfen hat. “Demokratie” kann man da auch abschaffen – würde nichts am Ergebnis ändern. “Demo” kennen wir ja auch anderswo her. Da steht es für eine Demonstration – also für einen “Probelauf” oder einem Anschauungsbeispiel. Prima….
Die Naturwissenschaft beschränkt sich in ihren Erkenntnisansprüchen, um ihrem Fachgebiet gerecht zu werden, so wie der Schneider auch nur Kleider für den König macht, nicht aber durch ein Kleid einen Bürger zum König macht. Wenn sie Ideologie wollen, so schaffen sie damit meist erst ein Unterdrückungssystem, sie überwinden es damit nicht. Überhaupt ist die Stossrichtung ihres Kommentars so 20. Jahrhundert, dass man meinen könnte die Menschheit, mindestens einige Exemplare unter Ihnen, sei überhaupt nicht gescheiter geworden und sie vermisse die Ideologien und falschen Heilslehren der Vergangenheit
Folgendes stimmt nur bedingt: ” Für die wissenschaftliche Arbeit spielt der Wahrheitsbegriff jedoch keine Rolle. Es geht in der etablierten Wissenschaft darum, mit Theorien die gemessenen oder beobachteten Daten adäquat abzubilden.”. Diese Aussage stimmt nur bedingt, denn mit diesem “Es geht nur darum Messungen zu erklären”-Credo wäre die MOND-Theorie (Modified Newton Dynamic), welche einfach ein paar Terme an die Newton’sche oder Einstein’sche Gravitationsgleichungen anhängt, um die astronomischen Beobachtungen eines stärkeren als erwarteten Gravitatonsfeldes in den äusseren Abschnitten von Galaxien zu erklären, genauso gut wie die Hypothese, es gebe Materie im Weltall, die man nicht sieht, die aber über ihre Verteilung unter anderem die stärker als erwartete Gravitation in den äusseren Bezirken von Galaxien erkläre.
Warum ist diese “Dunkle-Materie”-Hypothese viel besser als die MOND-Hypothese? Unter anderem weil die MOND-Hypothese eine billige Flickschusterei ist: man hängt an eine Gleichung einfach ein paar weitere Terme an bis die Gleichung einige oder die meisten Beobachtungen erklärt. Das ist unbefriedigend, gerade weil es in der Physik eben doch so etwas wie Wahrheitssuche gibt, nämlich die Suche nach Beschreibungen der Phänomene, so dass auf einer bestimmten mathematischen Ebene einfache und verständliche Gesetze herauskommen. Zum Beispiel ist es naheliegend, dass die Stärke des Gravitationsfeld um eine kugelförmige Masse bei Verdoppelung des Abstand auf einen Viertel seiner Stärke fällt, weil das gut zu einem Feld passt, welches sich gleichmässig/linear in den umgebenden Raum ausbreitet, so dass nichts “verloren” geht sondern sich nur gleichmässig “verdünnt”. Schliesslich ist die Kugeloberfläche einer doppelt so grossen Kugel ebenfalls viermal so gross, was genau dem inversen Verhalten der Feldstärke entspricht.
Ich behaupte: Sogar die Quantentheorie, die man ja angeblich nicht verstehen und nachvollziehen kann, fällt unter diese Kategorie einer Theorie, die auf einer passend gewählten mathematischen Ebene so etwas wie Schönheit und Einfachheit entfaltet.
Solch ein einfaches Gesetz wie das Newtonsche Gravirationsgesetz passt also zu einer einfachen und verständlichen Welt, während die modifizierte newtonsche Mechanik, welche so lange an Gleichungen herumschraubt bis sie passen, nichts erklärt, sondern nur etwas zurechtbiegt.
@Martin Holzherr:
Das ist eine Frage, über die ich auch lange nachgedacht habe. Vielleicht etwas für einen eigenen Artikel. Aber geht es hier wirklich um einen Wahrheitsbegriff? Oder ist eher die Eleganz der Beschreibung das treibende Element? Es gibt ja keine Garantie, dass die Welt elegant beschreibbar ist.
Eine Erklärung soll einen ja weiterbringen. Wenn sie Turbulenzen in Flüssigkeiten mit ebensolchen Turbulenzen in ihrer mathematischen Beschreibung erklären und nichts darüber hinaus anzubieten haben, dann sind sie vielleicht ein guter Ingenieur, aber kein guter Physiker.
Ja. Das ist ja der Grund, warum das koperikanische Modell besser war als das ptoleäische, obwohl es zunächst ungenauer war. Aber worum es mir geht: Kriterium ist hier nicht, welches Modell näher an der Wahrheit liegt. Das können wir ja nicht wissen. Entscheidend ist, welches Modell das höhere Erklärungspotential hat. Die Möglichkeit aus den zugrunde liegenden Prinzipien mehr abzuleiten als nur die Beobachtungen, die zur Entwicklung des Modells geführt haben.
Der Begriff Wahrheit ist problematisch, da stimme ich zu. Wenn man sagt, in Wirklichkeit, in Wahrheit ist das so und so, meint man ja oft, man habe nun die einzig richtige Sicht auf die Welt oder den gerade untersuchten Bereich gefunden.
Ob es diese Art Wahrheit in der physikalischen Welt gibt, ist eine Glaubenssache und wir können es nicht wissen. Tatsächlich würde es mich gar nicht verwundern, wenn wichtige physikalische Phänomene auf zwei völlig verschiedene Arten, mit zwei völlig verschiedenen Modellen erklärt werden könnten und diese Modelle zu wei völlig verschiedenen Sichten auf die Welt gehören würden.
Wahrheit muss nicht Eindeutigkeit sein.
@Joachim Schulz
»Entscheidend ist, welches Modell das höhere Erklärungspotential hat.«
Und von diesem Modell glauben wir eben, dass es der „Wahrheit“ näher kommt.
Ich denke, letztlich sucht der Mensch auch dann die Wahrheit, wenn er rein naturwissenschaftlich arbeitet und den Wahrheitsbegriff aus guten Gründen meidet.
@ Bal :
Der zeitgenössische, in bestimmte Kulturen (“Aufklärung”) eingebundene, Primat sucht nach dem was ist oder letztlich sein könnte, er ist nicht utilitaristisch unterwegs, sondern will feststellen, was sein könnte oder diesem Sein möglichst nahe kommen könnte, korrekt.
Er sucht aber nach keiner ‘Wahrheit’, sondern nach der bestmöglichen und von irgendwelcher (idR: politischer) Macht möglichst [1] ungebundenen Erkenntnis.
MFG
Dr. W (der Sie sozusagen persönlich zu konstruktivistischen Sichten einlädt, bedarfsweise auch nach-fitten könnte, mögliche Gegenrede betreffend)
[1] Alles ist sozusagen Macht.
>:->
Wobei die Welt, die Erkenntnissubjekte beherbergt, gegenüber ‘Welträtsel-‘ oder ‘Weltformel-Suchenden’ [1] derart erklärt werden könnte, dass die Welt- oder Systemteilnehmer nie bestimmte Welt-Eigenschaften mit Sicherheit feststellen können, denn sie sind eben Welt-Teilnehmer mit per definitionem eingeschränktem, also nicht umfänglichem, System-“Wissen” [2], so dass sie sich leider leider mit der Erkenntnis (“Wissenschaft”, das ‘Wissen’ kann aber eben nicht gegeben sein, deshalb ist der Begriff der Wissenschaft (vs. ‘Scientia’) ein wenig irreführend) begnügen müssen.
MFG
Dr. W
[1] Hört sich doch gleich besser an, oder?: ToEs, Tegmark und so…
[2] Es gibt hier auch vglw. lustige Gedankenexperimente mit “allwissenden” Göttern, die zum Vergleich herangezogen werden könnten.
Mit Skeptikern meint man heute meist das Gegenteil von dem, was Carl Sagan mit dem von ihm geschaffenen Ausdruck Scientific skepticism gemeint hat: Während Skeptiker a la Sagan abergläubische, alternativmedizinische oder religiöse Meinungen und Überzeugungen in Frage stellen, stellen Relativitätsskeptiker und andere Wissenschaftsskeptiker alles in Frage was sie nicht selbst glauben.
Seine eigenen Meinungen und damit sich selbst in Frage zu stellen ist in der Tat für jeden sehr schwierig – sei er nun Wissenschaftler oder Esoteriker. Es braucht dazu nämlich den Blick von aussen auf sich selbst. Und die Einstellung von Skeptikern der zweiten Art, also von Relativitätsskeptikern und anderen Wissenschaftskeptikern zu ändern ist noch schwieriger. Wer an Engel und anderes überirdisches Zeug oder gar an selbstgesponnenen Mist glaubt, dem ist von vornherein mit rationalen Argumenten schwer beizukommen, weil er sich ja gar nicht in der rationalen Welt aufhält.
Zwar sind die meisten Leurte nicht fest aboniiert auf rationale Argumente allein. Die Skeptiker der 2. Art von denen hier die Rede ist, sind aber sogar gegen rationale Argumenten immunisiert wie viele Gläubige für die der Glauben wichtiger als Wissen und Denken ist. Meiner Meinung nach gibt es einen fliessenden Übergang zwischen fanatischen Gläubigen und Geisteskrankheit. Man erkennt es am Rest von Humor, der fanatischen Gläuigen noch bleibt: Haben sie jeden Humor verloren, sind sie nicht mehr zur Selbstironie fähig, dann haben sie den Rubikon überschritten.
Die Wissenschaft im Sinne der Puristen hat faschistische Züge. Genauso die Lehre der meisten Welterklärer.
Fasci = Bündel
Die Welt muss und wird nicht erklärt, die Welt ist und bleibt eine interessante Frage.
Diese ist an alle interessierten gerichtet.
Manche meinen besonders gut auf sie vorbereitet zu sein.
In Wirklichkeit ist der Wissensvorsprung der Wenigen (wie groß auch immer) angesichts der bloßen Tiefe dieser Frage bedeutungslos.
Ich liebe Euch ihr Suchenden
also, über Einstein kann man sagen was man will:
möglicherweise ist die Lichtgeschwindigkeit nicht immer < c
die Relativitätstheorie führt in gewissen Fällen zu Lösungern mit
Singularitäten – führte wohl später zur Postulierung von Schwarzen Löchern
E.Cartan: sie berücksichtigt nicht die Existenz von Wirbeln – hätte zur Postulierung
von weißen Löchern führen können
die Relativitätstheorie stammt in Wirklichkeit von seiner Frau
usw., was ja alles stimmen mag – aber eines kann man ihm,
ähnlich wie bei Lichtenberg, nicht ab nehmen, nämlich seine
Sprüche:
Albert Einstein – Zitate:
Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft ist blind.
Wenn die Menschen nur über das sprächen, was sie begreifen, dann würde es sehr still auf der Welt sein.
Jedes Denken wird dadurch gefördert, daß es in einem bestimmten Augenblick sich nicht mehr mit Erdachtem abgeben darf, sondern durch die Wirklichkeit hindurch muß.
Als das eigentlich Wertvolle im menschlichen Getriebe empfinde ich nicht den Staat, sondern das schöpferische und fühlende Individuum, die Persönlichkeit: sie allein schafft das Edle und Sublime.
Man hat den Eindruck, daß die moderne Physik auf Annahmen beruht, die irgendwie dem Lächeln einer Katze gleichen, die gar nicht da ist.
Je weiter die spirituelle Evolution der Menschheit fortschreitet, desto sicher scheint mir, daß der Weg zu wahrer Religion nicht in der Angst vor dem Leben, in der Angst vor dem Tod oder in blindem Vertrauen liegt, sonderm in Streben nach rationalem Wissen.
Der Horizont vieler Menschen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nennen sie dann ihren Standpunkt.
Einen innerlich freien und gewissenhaften Menschen kann man zwar vernichten, aber nicht zum Sklaven oder zum blinden Werkzeug machen.
Okay, den wichtigsten und sicher auch für die meisten ärgerlichsten Spruch muß
ich aus meiner Erinnerung zitieren: Ein Problem kann nicht auf der Bewußtseinsebene
gelöst werden, auf der es entstanden ist.
Gruß
…..entdecke gerade erst diesen Artikel….
@ Martin Holzherr schreibt oben 14. Mai 2014 10:15
“Tatsächlich würde es mich gar nicht verwundern, wenn wichtige physikalische Phänomene auf zwei völlig verschiedene Arten, mit zwei völlig verschiedenen Modellen erklärt werden könnten und diese Modelle zu zwei völlig verschiedenen Sichten auf die Welt gehören würden. Wahrheit muss nicht Eindeutigkeit sein.”
Das kommt einer Überlegung nahe, die ich im Zusammenhang mit der, aus meiner Forschung hervorgehenden Weltsicht seit geraumer Zeit favorisiere und für sehr realistisch halte, über deren physikalische Seite ich aber noch nicht nachgedacht habe. Das wollte ich demnächst den Physikern überlassen, die das sicher besser können als ich.
Es geht um die Inversion. Könnte die nicht genau dieses Phänomen bedeuten? Es gibt ja viele verschiedene Arten von Inversionen. Vielleicht könnte man es mal anhand eines Originalfotos und seines Negativs zeigen. Die beiden haben ja wie alle Inversionen einen starken Bezug zueinander. Kann es sein, dass, wie @Martin Holzherr schreibt, ein : “physikalische Phänomene auf zwei völlig verschiedene Arten, mit zwei völlig verschiedenen Modellen erklärt werden könnten” eben einmal mit dem Modell des Originals und dann mit dem der Inversion, die aber eben beide auf ein und derselben Formel basieren?
@ Martin Holzherr
zu Ihren Kommentaren oben und weiter unten:
….ich finde, dass Sie in dieser Hinsicht mitunter einen Schritt zu weit gehen. Das ist schade angesichts Ihrer recht guten übrigen Äußerungen.
15. Mai 2014 11:25” Wer an Engel und anderes überirdisches Zeug oder gar an selbstgesponnenen Mist glaubt, dem ist von vornherein mit rationalen Argumenten schwer beizukommen, weil er sich ja gar nicht in der rationalen Welt aufhält.”
Das können Sie doch nicht generalisieren. Womit wollen sie denn begründen, dass das “überirdische Zeug” nicht rational sei? Das hängt doch sehr stark von der Befindlichkeit/Bewusstseinsgrad der Person ab, die daran glaubt und eben nicht von der Realität, die mit den Metaphern “Engel” etc. gemeint sind. Sie scheinen außerdem zu vergessen, dass diese Metaphern für Realitäten stehen, denen wir mit heutigen Kenntnissen auch auf rationalem Wege näher kommen können. Das Kind mit dem Bade ausschütten war noch nie gut.
14. Mai 2014 6:04“Überhaupt ist die Stossrichtung ihres Kommentars so 20. Jahrhundert, dass man meinen könnte die Menschheit, mindestens einige Exemplare unter Ihnen, sei überhaupt nicht gescheiter geworden und sie vermisse die Ideologien und falschen Heilslehren der Vergangenheit”
Falsche “Heilslehren” gibt es heute und gab es in der Vergangenheit. Die sollte man nicht mit denen in einen Topf werfen, die damals wie heute schwer fassbare Realitäten reflektieren, die wir mit fortschreitendem Wissen immer mehr auch rational werden erfassen können.
Wenn Sie persönlich sich mit einem zu kurz greifenden Glauben an eine Heilslehre mal eine ‘blutige Nase’ geholt haben, so ist das doch kein Indiz dafür, dass sie grundsätzlich falsch ist.
Dass die namenhaften Physiker in einen Topf mit Esoterikern und Dilettanten als Welträtsellöser geschmissen werden, ist nicht nur für die Wissenschaftler, sondern auch für das Nobelpreis-Komitee beleidigend.
Sonst hat Frau Wazeck zu gut verstanden, wie man eine wissenschaftliche Blitzkarriere macht.
Übrigens habe ich den Eindruck, dass es für Sie alles nur die Vergangenheit sei und heutzutage gib es so was gar nicht. Zitat:
“Wer waren all diese Personen, die in solch vehemter Weise gegen Einsteins Theorie protestierten? Was forderte sie heraus, eine der wichtigsten physikalischen Theorie des 20. Jahrhunderts für eine der größten Bedrohungen ihrer Zeit zu halten?”
Nun, Wazecks Buch handelt von den 1920er Jahren. Da ist die Vergangenheitsform durchaus grammatisch korrekt.
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Hallo Herr Schulz,
“Für die wissenschaftliche Arbeit spielt der Wahrheitsbegriff jedoch keine Rolle.”
Ja das stimmt – leider nur theoretisch. Wissenschaftstheoretisch.
Der Praxis verfahren Sie aber anders: Sie erklären die Welt, wie sie ist: ein Magnet ist von einem Magnetfeld umgeben, ein Probekörper in diesem Feld wird vom Eisen angezogen. Da ist ein Magnet. Da ist ein Feld. Sieht man doch. Ist doch so.
Soll das etwa nicht wahr sein ?
Nur ich sehe da nichts von einem Feld.
Wer glaubt hier im Besitz der Wahrheit zu sein ?
Stellen Sie sich mal vor, ich würde das bestreiten, das da ein Feld ist. Ich habe außerordentlich gute Argumente dagegen. Und ich bin der Letzte, der nach der letzten Wahrheit sucht – das ist übrigends Quatsch, viele Esoteriker sind nicht so blöd, auf so was zu beharren. Sie liegen da falsch. Welträtsellöser vermischen Diesseitiges mit Jenseitigem, Geistiges und Materielles, Subjektives und Objektives. Sie geben physikalischen Begriffen eine subjektive Bedeutung (z.B. Energie), sie argumentieren unwissenschaftlich, z.B. indem sie Nicht-Nachprüfbares als Gegebenheit behaupten, sie machen viele Fehler.
Physiker machen auch Fehler: sie vermischen Physikalisches und Metaphysisches.
Natürlich kann man sagen: statt nach der Wahrheit sucht die Wissenschaft auf “richtige”, d.h. nachprüfbare Weise, und mit Hilfe von erklärungstiefen Modellen, nach einer besseren Erklärung für das Phänomen.
Ich wette, daß Sie glauben, Sie hätten die bereits die beste Erklärung für das Phänomen, für den Magnetismus eine quantenfeldtehoretische Erklärung – das beste Konzept, es gibt schlichtweg nichts Besseres, und daß Sie damit genau auf gleicher unabdingbarer Weise Wahrheit für sich in Anspruch nehmen wie die Welträtsellöser – Sie nennen es nur nachprüfbares Wissen, ein anderes Wort, etwa nicht für die gleiche Sache ?
Aber es ist nun mal so, daß jede Prüfung der Existenz eines Magnetfeldes fehlschlägt. Eine äußerst seltsame Existenzform, ein Sein mit seltsamer Seinsform, eine in den Leerraum induzierte Form von Sein, um das sich die Menschen jahrhundertelang gestritten haben – und zu keinem Ergebnis gekommen sind, allen Nachprüfungen zum Trotz.
Mit diesem Konzept und mit dieser abgewandtelten Wahrheit, dem nachprüfbaren (daher sicherem) Wissen, ist es leider auch nicht sehr weit her: unbestimmtes Sein soll nachprüfbares Sein sein.
Bleiben Sie nicht auf der gleichen Stufe wie die Welträtsellöser ? Nur mit ein bißchen mehr Autorität, sozusagen Unangreifbarkeit von Amts wegen. Weil Ihre Form der Sicht auf die Welt die staatlich anerkannte ist – sozusagen die Lehrmeinung, der Mainstream der Wissenschafts- und Erkenntnistheorie ?
Auch die gängige Theorie von Wissenschaftlichkeit und die Frage, was ist eine Erkenntnis, und was ist Wissen, steht auf sehr wackeligen Beinen. Da darf man sich – was das bessere Wissen anbetrifft – nicht so aus dem Fenster lehnen.
Laß die Welträtsellöser doch die Rätsel der Welt lösen, die Weltverbesserer die Welt verbessern – ich vermag nicht zu erkennen, was diese Abgrenzungen sollen, außer festzustellen: wir sind die Besseren – was sich dann am Ende als Irrtum erweisen könnte.
Es gilt immer noch: jeder Jeck kann glauben was er will, solange er dem anderen nicht seine Sicht der Welt aufzwingt. Und aus dieser Vielfalt erst erwächst das Wissen.
Grüße Fossilium
Hi Balanus,
“Ich denke, letztlich sucht der Mensch auch dann die Wahrheit, wenn er rein naturwissenschaftlich arbeitet und den Wahrheitsbegriff aus guten Gründen meidet.”
Das meine ich auch. Treffender kann man es nicht sagen – nein, nicht.
Statt “Mensch” bitte “Physiker” einsetzen. Warum gibt es den Begriff des Realismus, warum die Realismusdebatte, warum einen wissenschaftlichen Realismus ? Weil wir uns alle eben doch nach der Wahrheit, nach dem was ist, beim Streben nach wissenschaftlicher Erkenntnis ausrichten.
Was ist ? Das ist die Frage aller Fragen.
Die Wissenschaftstheorie eiert um diese Frage herum. Wir wissen, daß wir sie nicht beantworten können. Also suchen wir nach einem Ersatz. Das ist die Annäherung an die Wahrheit. Aber wie weit wir dran sind, dafür haben wir keine Kriterium. Und was machen wir, wenn wir wissen, wir sind ganz ganz weit weg von der Wahrheit, aber auch wieder nicht, weil unsere konstruierten Wahrheiten, so wie es sein könnte, supergut funktionieren ?
Wir stellen die blöde Frage nicht mehr. Nein, wir wollen es nicht wissen.
Jou, so einfach läuft das. Wissenschaft genial.
Grüße Fossilum