Wasser Marsch für den Sommer des Wissens

Mit einem Sommer des Wissens auf dem Rathausmarkt hat die Hamburger Universität dieses Jahr ihr hundertjähriges Bestehen gefeiert. Vier Tage lang haben meine Kolleg_innen und ich auf dieser Veranstaltung haarfeine Wasserstrahlen für den Röntgenlaser präsentiert.

Durch ein Stereo-Mikroskop und über die angeschlossene Hochgeschwindigkeitskamera konnten unsere Gäste die haarfeinen Wasserstrahlen mit 0,03 Millimeter Durchmesser betrachten.

Unser Röntgenlaser produziert bis zu 27.000 Röntgenblitze pro Sekunde.

Die Röntgenblitze sind dabei nur etwa 25 Femtosekunden kurz. Eine Femtosekunde ist ein Milliardstel einer Millionstel Sekunde und so kurz, dass Licht in dieser Zeit nicht sehr weit kommt. So ein Röntgenblitz ist deshalb nur 7,5 Mikrometer lang. Der unfokussierte Röntgenblitz ist damit also kein Laserstrahl, sondern eher eine Laserscheibe mit 2 Millimeter Durchmesser und nur 0,0075 Millimeter dicke.

Der Flüssigkeits-Strahl als Proben-Fließband

In der Regel werden die Röntgenblitze aber auf wenige Mikrometer fokussiert und sind dann so intensiv, dass sie jede Probe instantan verdampfen. Damit haben wir das Problem, dass wir 27.000 mal in der Sekunde eine neue Probe nachliefern müssen.

Und dann kommen die Röntgenblitze nicht einmal gleichmäßig. Sie werden in Pulszügen erzeugt, die nur 600 Mikrosekunden lang sind und sich zehn mal pro Sekunde wiederholen. 2.700 Röntgenblitze kommen in nur 600 Mikrosekunden an und zwischen ihnen sind etwas mehr als 0,2 Mikrosekunden Zeit, die Probe auszuwechseln.

Wir haben den Wasserstrahl mit rotem Licht angestrahlt. Zum einen, weil eine Hochgeschwindigkeitskamera viel Licht braucht und im roten Bereich am empfindlichsten ist, zum anderen, weil es cool aussieht.

Wir nehmen an, das zwei Proben mindestens 10 Mikrometer Abstand voneinander haben sollten, damit ein Treffer auf der ersten Probe nicht die zweite gleich mit zerstört. Dann ergibt sich bei 0,2 Mikrosekunden Blitzabstand, dass die Proben mit mindestens 50 Meter pro Sekunde, das sind 180 km/h unterwegs sein sollten.

Mit irgendwelchen Feststoffen ist das im Vakuum kaum zu machen. Eine Vakuumkammer bietet nicht genug Platz zum Beschleunigen und Abbremsen. Mit Flüssigkeitsstrahlen dagegen kriegen wir das hin.

Die auf dem Rathausmarkt ausgestellten Flüssigkeitsstrahlen waren nur etwa 2 Meter pro Sekunde schnell und bestanden aus reinem Wasser. Das ist ungefährlich und leicht zu handhaben. Am Röntgenlaser können die Strahlen aus organischen Lösungsmitteln mit Komplexverbindungen bestehen, deren chemische Reaktionen untersucht werden. Oder es handelt sich um eine Emulsion von Proteinkristallen, deren Struktur bestimmt werden soll.

Auf hundert Meter pro Sekunde beschleunigen wie die Strahlen, indem wir sie mit einem äußeren Heliumstrom auf 4-5 Mikrometer zusammenpressen. Oder wir geben einfach mehr Druck auf die Düse.

Oberflächenspannung

Der Wasserstrahl wird mit einer Hochgeschwindigkeitskamera abgebildet. Das unscharfe Objekt rechts im Hintergrund ist ein menschliches Haar.

Die Hochgeschwindigkeitskamera haben wir übrigens eingesetzt, um sichtbar zu machen, dass der Wasserstrahl schon nach wenigen Millimetern in Tropfen zerfällt.

Das ist unvermeidlich, weil die Oberflächenspannung einen zylindrischen Wasserstrahl instabil macht. Kugelförmige Tropfen minimieren die Oberfläche im Verhältnis zum Volumen. Gerade bei mikroskopisch kleinen Wasserstrahlen erzeugt das eine nicht zu unterschätzende Kraft, die den homogenen Wasserstrahl zerreißt.

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Veröffentlicht von

www.quantenwelt.de/

Joachim Schulz ist Gruppenleiter für Probenumgebung an der European XFEL GmbH in Schenefeld bei Hamburg. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann in der Quantenoptik, in der er die Wechselwirkung einzelner Atome mit Laserfeldern untersucht hat. Sie führte ihn unter anderem zur Atomphysik mit Synchrotronstrahlung und Clusterphysik mit Freie-Elektronen Lasern. Vier Jahre hat er am Centre for Free-Electron Laser Science (CFEL) in Hamburg Experimente zur kohärenten Röntgenbeugung an Biomolekülen geplant, aufgebaut und durchgeführt. In seiner Freizeit schreibt er zum Beispiel hier im Blog oder an seiner Homepage "Joachims Quantenwelt".

9 Kommentare

    • Zur Fokussierung verwenden wir zwei unterschiedliche Methoden: Elliptische Spiegel und Beryllium-Linsen.

      Die Spiegel sind bis zu einem Meter lang und müssen extrem genau poliert sein. Wir haben die weltweit glattesten Spiegel mit Oberflächen-Rauhigkeit im atomaren Bereich. Einige der Spiegel werden für einen Soll-Fokus hergestellt uns lassen sich um diesen herum ein wenig verbiegen. Elliptisch sind die Spiegel, damit sie einen Brennpunkt (die Entstehung der Strahlung) auf einen anderen (die Probe) abbilden.

      Die Linsen sind sogenannte Compound Refractive Lenses. Das überraschende ist, dass Sammellinsen für Röntgenstrahlung konkav sein müssen, weil der Brechungsindex kleiner als 1 ist.

  1. Die Wellenlängen lieben bei unseren Instrumenten für harte Röntgenstrahlung zwischen 0,05 und 0,4 Nanometer. Das sind Photon-Energien zwischen 3 und 25 keV.
    Bei den Instrumenten für weiche Röntgenstrahung liegen wir zwischen 260 eV und 3 keV. Das sind Wellenlängen zwischen 0,4 und 4,7 Nanometer.

    Bei der harten Röntgenstrahlung ist es wichtig, atomare Auflösung erreichen zu können, deshalb brauchen wir Wellenlängen unter 0,1 Nanometer. Bei der weichen Röntgenstrahlung geht es viel um Spektroskopie. Zwischen 260 und 1000 eV erreicht man wichtige Resonanzen in den Übergangsmetallen und bei Kohlenstoff und Sauerstoff.

  2. Wassertropfen (und Becher) bringen mich gerade auf eine interessante Idee.
    Wassertropfen seien die Frequenz von Sendern und Becher die Messperioden von Empfängern. Der Abstand der Wassertropfen (absolut) bewegter Sender sei größer und ebenso die Becher (absolut) bewegter Empfänger.
    Kürzere Abstände der Wassertropfen eines ruhenden Senders füllen größere Becher eines bewegten Empfängers in der selben Zeit, wie längere Abstände bewegter Sender die kleineren Becher eines ruhenden Empfängers füllen.
    Erschließt sich hier zufällig auch für Sie eine Parallele zum relativistischen Doppler-Effekt?
    (Nur mal so am Rande gefragt)

  3. @Joachim Schulz:

    Die Wellenlängen lieben bei unseren Instrumenten für harte Röntgenstrahlung zwischen 0,05 und 0,4 Nanometer.

    Muss das nicht
    Die Wellenlängen lieben sich bei unseren Instrumenten bei harter Röntgenstrahlung zwischen 0,05 und 0,4 Nanometer.
    heissen? 😀
    (ist das nu Satire, Sarkasmus oder Ironie?)

  4. Sehr geehrter Herr Schulz,
    auf meine Frage im folgenden Artikel haben Sie bis heute nicht geantwortet,
    wo liegt da das Problem?
    Die materielle Seite der Längenkontraktion
    o @wi_bue2
    o 11.09.2019, 22:21 Uhr
    11.09.2019
    Sehr geehrter Herr Schulz,
    zum Werdegang eines Lichtquants habe ich im Artikel
    http://www.4-e-inigkeit.info/EsN-Recherche.htm
    folgenden Satz eingefügt:
    Werden 2 Frequenzen (v) gleichzeitig zusammengeführt, entsteht eine neue,
    kürzere Wellenlänge – eine Art Längenkontraktion.
    Trifft diese Formulierung zu, oder muss etwas korrigiert werden?
    Für Ihre Antwort danke ich im Voraus.
    M f G
    W. Bülten
    = = =
    Als nächstes eine Frage zum Artikel:
    Wasser Marsch für den Sommer des Wissens
    Sie, Herr Schulz sind im Bereich der Lasertechnik aktiv!
    Kann man die Eigendrehung eines Elektrons oder Moleküls per Laser so
    beeinflussen, dass damit ein eigenes Gravitationsfeld entsteht, und zwar so:
    Im Winkel von 120 Grad werden kreisförmig 3 Laser-Generatoren installiert, welche
    nacheinander einen wachsenden Impuls auf das entsprechende Teilchen richten.
    > Ein Gedankenexperiment zum Gravitationsantrieb.
    MfG

    • Nein, die optische Frequenzmischung ist ein nicht-linearer Effekt in bestimmten Kristallen und hat nichts mit Längenkontraktion zu tun.

      Was das Drehmoment von Atomen mit Gravitation zu tun haben soll, verstehe ich nicht.

  5. Recht herzlichen Dank Herr Schulz für die postwendende Klarstellung.
    Bezüglich der Laseroperation handelt es sich, wie gesagt, um ein Gedankenexperiment.
    Eigentlich schade, ein Gravitationsantrieb wäre doch ideal und vielleicht auch irgendwann
    realisierbar.
    Einen erholsamen Abend wünscht Ihnen W. Bülten.

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