Vernünftige Angst und Umgang mit Risiken

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Gedanken eines Experimentalphysikers
Quantenwelt

In meinem letzten Artikel zur Angst vor Technik habe ich diese Angst als irrational dargestellt. Das wurde in den Kommentaren zurecht kritisiert. Ich möchte deshalb ein paar Zeilen zur Vernunft der Angst schreiben. Nicht nur evolutionär ist Angst in Form von angeborenen Fluchtreaktionen vorteilhaft. Es kann auch nach längerem Nachdenken vernünftig erscheinen der Angst nachzugeben. Doch wie gehen wir damit um, wenn der berechtigten Angst ein Nutzen entgegensteht? Wie bewerten wir Technik, bei der Nutzen und Schaden nicht dieselben Menschen treffen?

Zunächst ein Wort der Selbstkritik: Ich habe mehrmals in meinem Artikel von “irrationaler Angst” geschrieben. Auch wenn im Zusammenhang klar sein dürfte, was hier gemeint war, ist das Wortpaar rational/irrational nicht geeignet, eine sachliche Diskussion anzustoßen. Es grenzt ab. Hier die rationalen Wissenschaftler, die ihr Leben im Griff haben und sich nicht an unsicheren Glauben hängen, dort das uninformierte zur Esoterik neigende Volk mit seinen irrationalen Ängsten und Entscheidungen. Das ist nicht mein Weltbild. Ich bin mir bewusst, dass ich vieles nicht selbst beurteilen kann und in diesen Gebieten Entscheidungen auf Vertrauen oder Bauchgefühl gründen muss. Auch ich treffe irrationale Entscheidungen. Manchmal ganz bewusst.

Obwohl ich mit Radioaktivität und ihren Auswirkungen gut vertraut bin und weiß, wann es ungefährlich ist, gehe ich dem Umgang mit radioaktiven Quellen grundsätzlich aus dem Weg. Dass mir bei Kontakt mit radioaktiven Quellen ein bisschen mulmig ist, ist sicher nicht rational. Solange ich sicher sein kann, keine gefährliche Dosis abzubekommen, könnte ich doch sorglos sein. Jedoch schreibt auch die Strahlenschutzverordnung vor: Jeder ist verpflichtet, “jede Strahlenexposition oder Kontamination von Mensch und Umwelt [..] auch unterhalb der Grenzwerte so gering wir möglich zu halten”.

Auch die Grenzwerte sind nicht kühl kalkuliert und so hoch angelegt wie rational gerade noch vertretbar. Sie sind absichtlich sehr niedrig gewählt. Für Einzelpersonen der Bevölkerung liegen sie bei 1 Millisievert pro Kalenderjahr1 und für beruflich strahlenexponierte Personen bei 20 Millisievert im Arbeitsjahr2. Diese Personen müssen medizinisch überwacht werden, obwohl die Dosis von 20 Millisievert ist so niedrig gewählt ist, dass keine medizinischen Folgen zu erwarten sind. Rein rechnerisch nimmt unter Annahme des LNT-Modells das Krebsrisikos um 0,1% zu, wenn jemand mit 20 Millisievert bestrahlt wurde. Das liegt weit unterhalb der Schwankungsbreite, ist also nicht messbar. Die 1 Millisievert für Privatpersonen liegen sogar ein gutes Stück niedriger als die natürliche Strahlenbelastung, der wir alle ausgesetzt sind.3 Grenzwerte stellen ein Art überzogene Angst dar. Je weniger desto besser. Lieber kein Risiko eingehen. Und weil es nur wenige Fälle gibt wo diese Grenzwerte ein Problem darstellen, ist das auch gut so.

Risiko und Chance

Im Strahlenschutz sind niedrige Grenzwerte recht unstrittig, weil der Kontamination der Umwelt oder der Bestrahlung von Mitarbeitern kein direkter Nutzen entgegensteht. Mit vertretbarem Aufwand können wir physikalische Experimente oder Kernkraftwerke betreiben ohne die Belegschaft oder gar die Allgemeinheit einer hohen Belastung auszusetzen. Das ist bei medizinischen Anwendungen der Radioaktivität grundlegend anders.

Radioaktive Bestrahlung eines Tumors kann Krebs heilen, weil die Strahlung in ausreichenden Dosen Krebszellen töten kann. Zugleich schadet die Strahlung benachbarte gesunde Zellen und Hautzellen, durch die sie hindurch muss. Wirkung und Nebenwirkung stehen einander gegenüber. Radiologie und Medizinphysik stehen vor einem Dilemma: Mit steigender Strahlendosis steigt sowohl die Chance den Krebs zu heilen als auch das Risiko einer gefährlichen Nebenwirkung. Wenn wir es mit einem bösartigen Tumor zu tun haben, steht an beiden seiten der Tod. Keine Behandlung wäre ebenso tödlich wie eine viel zu hohe Dosis. Dazwischen gibt es ein Optimum, bei dem die Chance auf Heilung ohne Komplikation maximal ist. Das ist die medizinisch richtige Dosis4 für die Behandlung.

Im Gegensatz zum Strahlenschutz, wo mögliche Wirkungen von Bestrahlung und Kontamination grob überschätzt werden können, ohne dass es zu einem Problem wird, ist im medizinischen Einsatz von Strahlung eine realistische Einschätzung der Nebenwirkung wichtig um nicht systematisch zu niedrige Dosen zu wählen.

Wo Risiko zur Gefahr wird

Risiken einzugehen um daraus einen Nutzen zu ziehen gehört zum täglichen Leben. Wir machen das, wenn wir uns trotz Unfallrisiko entscheiden, mit dem Auto in den Urlaub zu fahren. Das Auto statt der Bahn zu nehmen erhöht die Wahrscheinlichkeit für einen Unfall. Dafür gewinnen wir Mobilität am Zielort. Wir wägen, wie oben beschrieben, auch in der Medizin zwischen Heilungschancen und möglichen Nebenwirkungen ab. Auf größerer Skala geht der Staat mit der Betriebsgenehmigung für Atomkraftwerke Risiken ein. Dafür tragen sie zur Energieversorgung bei.

Im Buch über Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme ist mir eine nützliche Unterscheidung zwischen Gefahr und Risiko begegnet. Luhmann nennt es eine Gefahr, wenn Schäden auf Schicksal oder Unglück zurückgeführt werden, wenn also keine Person durch ihre Entscheidung dafür verantwortlich zeichnet. Führen wir einen Schaden dagegen auf eine menschliche Entscheidung zurück, so handelt es sich um ein Risiko. Da heute kaum noch Götter oder das Schicksal für Schäden verantwortlich gemacht werden, spricht Luhmann von einer Risikogesellschaft. Selbst bei Naturereignissen wie einem Tsunami oder einer Flut fragen wir oft, wer versäumt hat für den entstandenen Schaden Vorsorge zu treffen. Wer das Risiko verantwortet hat.

Eine wichtige Feststellung ist, dass das Risiko des einen eine Gefahr für andere sein kann. Gehe ich das Risiko einer Autofahrt ein, so werde ich für andere zu einer Gefahr. Betreibe ich mein Handy in einem Zug, so kann das von anderen Menschen als Gefahr wahrgenommen werden. Bürgerinnen und Bürger, die sich gegen Atomkraft aussprechen, nehmen die Bedrohung durch ein Atomkraftwerk nicht als selbst eingegangenes Risiko wahr, sondern als eine Gefahr, die durch dritte verursacht wird. Politisch sind Fälle problematisch, in denen die Gruppe der Profitierenden von denen der Geschädigten abweichen. Setzten wir die Grenzwerte so strikt wie wir können um der Angst zu begegnen oder überwiegt der Nutzen derer, die die Technologie einsetzen. Wer darf wen wie stark gefährden? Auch wenn Menschen nicht selbst entscheiden können ein Risiko einzugehen, weil sie von anderen (den Mächtigen) einer Gefahr ausgesetzt werden, ist die Abwägung heikel. Welche Risiken darf eine Demokratie im Namen ihrer Bürgerinnen und Bürger eingehen?

Die eigene Machtlosigkeit ist ein wichtiger Aspekt in der Einschätzung von Gefahren. Flugangst mag zu einem großen Teil deshalb verbreiteter sein als die Angst in einem Auto mitzufahren, weil die Entscheiderin, die Pilotin im Cockpit nicht greifbar ist. Wir fühlen uns ihren Entscheidungen stärker ausgeliefert als wenn wir mit dem Autofahrer zusammensitzen. Vielen Menschen hilft es die Flugangst zu überwinden, wenn sie sich vorstellen, dass die Pilotin auch sicher landen und zu ihrer Familie zurück will. Ein anderer Trost gegen Angst scheint es zu sein, wenn niemand verantwortlich gemacht werden kann. Vor natürlicher Radioaktivität hat kaum jemand Angst. Menschen meiden die Nähe von Atomkraftwerken nicht aber den Urlaub im Harz5. Auch gegen Infektionskrankheiten können wir nicht wirklich etwas tun. Vielleicht ist das ein Aspekt der Antwort auf Lars Fischers Frage Warum habt ihr keine Angst? Weil wir Keime als Teil der Natur wahrnehmen, sind sie eine natürliche, durch niemanden verursachte Gefahr und kein selbst eingegangenes Risiko.

Anmerkungen:
1. Das Kalenderjahr umfasst so etwa 9000 Stunden, im Strahlenschutz runden wir großzügig zur sicheren Seite.
2. Ein Arbeitsjahr umfasst für Strahlenschützer über den Daumen 50 Wochen mit je 40 Arbeitsstunden, also 2000 Stunden.
3. In meinem Landkreis liegt die direkte Ortsdosisleisung bei 60nSv/h, das sind im Jahr 0,5 Millisievert. In Schierke im Harz ist sie etwa doppelt so hoch. Den bundesweiten Durchschnitt gibt das Bundesamt für Strahlenschutz mit 0,7 Millisievert an. Hinzu kommen die natürliche Belastung der Atemluft (1,1 Milllisievert) und der Nahrung (0,3 Millisievert).
4. Die juristisch richtige Dosis liegt etwas niedriger, weil Mediziner für Nebenwirkungen belangt werden können, für Wiederauftreten der Erkrankung dagegen nicht.
5. Das wäre auch dumm, weil die Erholung und die frische Luft mehr nützen als die zusätzliche radioaktive Dosis schaden kann.
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Joachim Schulz ist Gruppenleiter für Probenumgebung an der European XFEL GmbH in Schenefeld bei Hamburg. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann in der Quantenoptik, in der er die Wechselwirkung einzelner Atome mit Laserfeldern untersucht hat. Sie führte ihn unter anderem zur Atomphysik mit Synchrotronstrahlung und Clusterphysik mit Freie-Elektronen Lasern. Vier Jahre hat er am Centre for Free-Electron Laser Science (CFEL) in Hamburg Experimente zur kohärenten Röntgenbeugung an Biomolekülen geplant, aufgebaut und durchgeführt. In seiner Freizeit schreibt er zum Beispiel hier im Blog oder an seiner Homepage "Joachims Quantenwelt".

15 Kommentare

  1. Beruflich exponierte müssen eine höhere Strahlendosis akeptieren als die Normalbevölkerung. Diese pragmatische Differenzierung sollte meiner Ansicht nach auf andere Gebiete ausgedehnt werden, denn Grenzwerte sollten die Exposition der Gesamtbevölkerung möglichst tief halten aber Technologien nicht verhindern oder unnötig verteuern. Das dahinterstehende Prinzip ist das des möglichst grossen Nutzen für möglichst breite Bevölkerungskreise, so optimiert, dass der Nutzen mit einem vertretbaren Risiko erreicht wird. Gestufe Grenzwerte könnte es beispielsweise auch beim Lärmschutz (oder beim Schutz vor Beleuchtung in der Nacht) geben, indem die Lärmobergrenzen um Flughäfen in Zonen festlegt. Vorteil: Wer in einer Zone mit einer bestimmten Lärmobergrenze zieht, weiss, dass diese Obergrenze auch in Zukunft nicht überschritten wird. Gleichzeitig akzeptiert er aber auch einen höheren Lärmpegel als jemand der weitab vom Flughafen wohnt. Der Markt würde wohl darauf mit niedrigeren Miet-und Kaufpreise für Immobilien in lärmigeren Zonen reagieren. Die Investitionssicherheit wäre jedoch hoch, wenn Umzonungen nicht erlaubt wären.
    Ähnlich könnte man die Grenzwerte für Radioaktivität, die für beruflich strahlenexponierte Personen gelten auch in der Nähe eines Kernkraftwerks als Grenzwerte gelten lassen, allerdings nur anwendbar im Falle eines Unfalls mit Freisetzung von Radioaktivität. Das würde bei Unfällen weniger Evakuationen notwendig machen und hätte insgesamt positive Auswirkungen, denn es würde die Betroffenen nicht unnötig verunsichern und entwurzeln.

    • “Ähnlich könnte man die Grenzwerte für Radioaktivität, die für beruflich strahlenexponierte Personen gelten auch in der Nähe eines Kernkraftwerks als Grenzwerte gelten lassen, allerdings nur anwendbar im Falle eines Unfalls mit Freisetzung von Radioaktivität. Das würde bei Unfällen weniger Evakuationen notwendig machen und hätte insgesamt positive Auswirkungen, denn es würde die Betroffenen nicht unnötig verunsichern und entwurzeln.”

      Man kann doch für Menschen, die in der Nähe eines Kernkraftwerks leben, nicht einfach die Grenzwerte erhöhen. Normalerweise stehen beruflich strahlenexponierte Personen unter ständiger Aufsicht und werden von besonders geschulten Ärzten regelmäßig untersucht. Kommt es doch zu einer anerkannten Berufskrankheit, wie einem durch Strahlung verursachten Krebs, dann können die betroffenen Personen über ihre Berufsgenossenschaft eine Berufskrankheit geltend machen und eine krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeitsrente beantragen. Das ist allerdings nicht leicht, denn auch wenn der Jahresgrenzwert überschritten wurde müssen die Leute beweisen, dass sie die Schutzrichtlinien eingehalten haben und keine zusätzlichen privaten Flugreisen unternommen haben.
      http://www.bfs.de/de/ion/anthropg/flugpassagiere.html

      • “Das ist allerdings nicht leicht, denn auch wenn der Jahresgrenzwert überschritten wurde müssen die Leute beweisen, dass sie die Schutzrichtlinien eingehalten haben und keine zusätzlichen privaten Flugreisen unternommen haben.”

        Woher haben Sie diese Informationen. Ich habe im Strahlenschutzkurs (ich bin stellvertretender Strahlenschutzbeauftragter) gelernt, dass private Risiken dem Betrieb nichts angehen. Der Arbeitgeber muss private Flugreisen weder auf die Dosis anrechnen, noch darf er seinen Angestellten solche Reisen verbieten. Wäre Ihre Information richtig, dann wäre das ein ziemlicher Skandal. Gibt es dazu einen Gerichtsbeschluss?

        • Dem Arbeitgeber gehen private Flugreisen nichts an, da er ja nur für die Einhaltung der Richtlinien in seinem Betrieb verantwortlich ist. Anders schaut es im Falle einer Erkrankung aus, wenn jemand meint seine Krankheit sei durch den Beruf verursacht worden (Berufskrankheit) und er Geld von der Berufsgenossenschaft möchte. Beruflich exponierte Personen müssen in diesem Fall detaillierte Angaben über die Einhaltung der Richtlinien, aber auch über außerberufliche krebserzeugende Noxen machen, da diese als wesentliche Ursache für eine anerkannte Berufskrankheit auszuschließen seien.

          Hier als Beispiel die arbeitsmedizinische Beurteilung von Harnblasenkrebs als Berufskrankheit:
          http://www.ipa.ruhr-uni-bochum.de/pdf/IPA-Journal_1301_AM-Fall.pdf

          Raucher haben deshalb kaum eine Chance einen Lungenkrebs als Berufskrankheit anerkannt zu bekommen.
          http://www.juraforum.de/recht-gesetz/erschwerter-nachweis-einer-berufskrankheit-fuer-raucher-460011

          • Naja, wie ich im Artikel schon schrieb, ist das Risiko auch ohne berufliche Strahlenexposition an Krebs zu erkranken recht hoch. Deshalb ist es kaum gerechtfertigt, dass der Arbeitgeber (vertreten durch die Berufsgenossenschaft) für jede Erkrankung aufkommen muss.
            Für Lungenkrebs ist Rauchen nun einmal die bei weitem häufigste Ursache. Dass dieser durch eine Bestrahlung mit ionisierender Strahlung von außen verursacht wird, ist relativ unwahrscheinlich. Anders dürfte die Lage sein, wenn der Arbeitgeber es versäumt hat auf das Tragen von Atemmasken hinzuwirken und Staub eingeatmet wurde.

      • Beruflich Strahlenexponierte sind mindestens so gesund wie die Durchschnittsbevölkerung, ja sie sind sogar so gesund wie Menschen in derselben sozialen Klasse.Ein viel gewichtigeres Argument für die Unbedenklichkeit kleiner Strahlendosen sind aber die Gebiete auf der Erde mit stark erhöhter Hintergrundsstrahlung, wie Ramsar in Iran, Guarapari in Brasilien, Karunagappalli in Indien, Arkaroola in Süd-Afrika und Yangjiang in China. In Ramsar ist die durchschnittlich aufgenommene Strahlendosis 80 Mal höher als der Weltdurchschnitt bezüglich natürlicher Strahlenbelastung.
        Aus ihrer Argumentation hört man zudem eine inverse Logik, wie sie heute oft anzutreffen ist: Weil beruflich Strahlenbelastete so häufig kontrolliert werden muss die Strahlenbelastung gefährlich sein.

        Sie schreiben:

        Man kann doch für Menschen, die in der Nähe eines Kernkraftwerks leben, nicht einfach die Grenzwerte erhöhen.

        Das ist auch nicht nötig, es ist nur angezeigt im Falle eines Unfalls mit Freisetzung von radioaktiven Stoffen. Die Strahlenbelastung in der Nähe eines Kernkraftwerks ist nicht höher als die Hintergrundsstrahlung in diesem Gebiet. Es ist aber absolut klar, dass eine Evakuation wegen eines Unfalls die weit grössere Belastung darstellt als etwas erhöhte Strahlendosen. Die heutigen Worst-Case-Abschätzungen für die am meisten strahlenexponierten Personen, die vom radioaktiven Fallout von Fukushima betroffen waren, sehen ein erhöhtes Gesundheitsrisiko, das dem zusäztlichen Rauchen einer halben Zigarette pro Tag entspricht. Wegen diesem zusätzlichen Risiko ein Gebiet zu evakuieren ist absurd.

      • Mona schrieb: “Man kann doch für Menschen, die in der Nähe eines Kernkraftwerks leben, nicht einfach die Grenzwerte erhöhen.”

        Das stimmt. Allerdings sind die Grenzwerte ja nicht für den Schadensfall sondern für den Regelbetrieb bestimmt. Im Regelbetrieb darf die Bevölkerung nicht mehr als 1 mSv im Jahr ausgesetzt werden. Und das darf auch nicht absichtlich geschehen. So gering wir technisch machbar und unter 1 mSv schreibt das Gesetz zwingend vor.

        Aber was man sinnvollerweise bei einem Super-GAU macht, bei dem die Grenzwerte überschritten werden, ist keine Frage des betrieblichen Strahlenschutzes mehr. Hier müssen tatsächlich mögliche Schäden durch die Strahlung gegen Schäden durch die Evakuierung abgewogen werden. Es ist wichtig, die Menschen nicht allein zu lassen. Sie müssen vollständig und objektiv informiert werden und sie müssen ein Mitspracherecht haben um zu einer für alle tragbare Lösung zu kommen. Betrieblicher Strahlenschutz gibt dafür keine Antwort. Leider.

  2. Interessanter Artikel , der einmal mehr aufzeigt , daß es keine einfachen Antworten gibt.

    Grundsätzlich sinnvoll scheint es mir zu sein , die subjektive Einschätzung des Einzelnen ernst zu nehmen , weil er immer noch derjenige ist , der am besten über sich Bescheid weiß und weil es unterschiedliche Empfindlichkeiten geben kann.
    Am deutlichsten wird das bei Allergien , dem Einen machts was aus , dem Andern gar nichts , im Einzelfall bis hin zur erheblichen Gesundheitsgefährdung.
    Da die Grenze zu ziehen zur Übertreibung , oder gar zur Phobie , wie im Beispiel der Frau , die nicht mehr Zug fahren kann (vorheriger Artikel) , ist nur im letzteren Fall einigermaßen einfach.

    Der Hinweis auf die zunehmende Teilung in Profiteure und durch die Profitfolgen Belastete ist leider gerade in unseren Tagen wichtig , die immer ungleicheren Machtverhältnisse sind letztlich eine Parallele zum alten Phänomen , daß man Kriege leicht anzetteln kann , wenn man nicht selber an die Front muß , will heißen , welcher Entscheidungsträger wohnt schon an einer lauten Straße oder in einer Einflugschneise?

    • PS und damit noch etwas Inhaltliches kommt:
      Das Risiko ist die andere Seite der Medaille, auf der ‘Nutzen’ steht, die Medaille selbst könnte ‘bewusste Handlung’ genannt werden.
      Im wirtschaftlichen Bereich gibt es denn auch das Risk-Management, das über einfache Risk-Reward-Überlegungen weit hinaus geht.
      Die Unterscheidung zwischen Risiko und Gefahr scheint fein gewählt, die Gefahr zu sterben lässt sich bspw. mit dem Wert 1 faktorisieren, sie spielt denn auch keine besondere politische Rolle.

      MFG
      Dr. W (der nochmals für die Nachricht dankt)

      • PPS und vielleicht noch etwas Störendes:
        Die Flugangst liegt bei einigen darin begründet, dass der GAU im Fluggerät regelmäßig längere Zeit dauert, auf diese Art des Ablebens haben manche explizit “kein Bock”.
        Der ‘Pilot’ meint begrifflich nicht den Sexus, sondern den Genus, der Pilot kann in etwa derart weiblich sein, wie die Fachkraft männlich; sprachtechnisch liegt mit dem ‘-in’ eine Markierung vor, die das Geschlecht markiert, die entsprechende Markierung ‘erich’ (‘Enterisch’ und so), die Männlichkeit meinend, wird im Deutschen sozusagen diskriminierend wenig genutzt.

  3. Unter US House passes low-dose radiation bill liest man, dass in der USA abgeklärt werden soll, inwieweit niedrige Dosen an Radioaktivät gefährlich sind, mit dem Ziel Grenzwerte für Strahlungsdosen besser zu begründen und sie so festzusetzen, dass sowohl Gesundheit als auch Ökonomie zu ihrem Recht kommen. Dabei geht es explizit darum, unnötig tiefe Grenzwerte zu vermeiden.

    “Although we know that our current radiation safety procedures are protective of public health and safety, we don’t fully know the societal and economic consequences of being overly conservative,” he [NEI’s chief health physicist] said.

  4. > Solange ich sicher sein kann, keine gefährliche Dosis abzubekommen, könnte ich doch sorglos sein. … Im Regelbetrieb darf die Bevölkerung nicht mehr als 1 mSv im Jahr ausgesetzt werden. … usw.

    Eine ziemlich blutleere Diskussion, das richtige Leben ist viel bunter: 30 ganze Sievert auf die hohle Hand sind da schon aufregender. Nach der zehnten Teilbestrahlung kann man schon ein bisschen was davon auf den Handflächen fühlen. Trotz zigtausendfacher Anwendung haben sich bisher keine großen Probleme ergeben: http://de.wikipedia.org/wiki/Morbus_Dupuytren

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