Leistung oder Energie. Was Laser können.
BLOG: Quantenwelt
“Im Labor wird warme Materie durch Laser mit extremen Maximalleistungen oder Energiedichten kurzzeitig erzeugt.” so endete mein letzer Beitrag zu warmer, dichter Materie. Wir werden also Hochleitungs-Laser und Hochenergie-Laser benutzen. Aber was genau ist der Unterschied und warum geben wir uns nicht mit eines oder einem Kompromiss aus beidem zufrieden.
Zunächst einmal möchte ich das Verhältnis von Leistung zu Energie in Erinnerung rufen. Energie ist die Fähigkeit, Arbeit zu verrichten. Energie ist eine Erhaltungsgröße. Mit ihr lässt sich Materie erwärmen und in Bewegung versetzen oder Ladungen lassen sich gegen elektrische Kräfte trennen. Leistung ist Energie pro Zeit. Die Spitzenleistung eines Prozesses gibt an, wie viel Energie im äußersten Fall fließt. Leistung ist Änderung von Energie.
Hochenergie-Laser
Ein Hochenergie-Laser überträgt in einem einzelnen Impuls maximale Energie. Dabei darf der Impuls nicht beliebig lang sein, denn die Energie soll Materie lokal erwärmen. Die Energie sollte schneller deponiert werden als sich wärme im Material verteilt.
Der Hochenergie-Laser, der bei uns in der Experimentierhalle zum Einsatz kommen wird, wird so etwa 100 Joule in zwei bis zwanzig Nanosekunden langen Impulsen aufbringen. Das klingt zunächst nicht so viel.
100 Joule sind 24 Kalorien, also etwa die Energie, die benötigt wird um 1 Gramm Wasser um 24 Grad aufzuheizen. Ein Gramm Wasser ist ein Kubikzentimeter. Nun wird aber so ein Laser nicht auf einen Quadratzentimeter fokussiert, sondern auf Bruchteilen von Millimetern. Bei einem Fokuspunkt von 0,1 mal 0,1 Millimetern, eine Größenordnung, die leicht erreicht werden kann, haben wir es mit einem Zehntausendstel Quandratzentimeter zu tun. Bei einer Eindringtiefe unter einem Millimeter erwärmen wir schon um hunderttausende Grad.
Nanosekunden sind Milliardstel Sekunden. Das ist die Zeitspanne, in denen sich Gasatome im Millimeter-Bereich fortbewegen. Eine Explosion kommt also in einer Nanosekunde nicht weit. Einige Nanosekunden sind somit genau die richtige Zeit, einem submillimeter kleinen Materieklumpen so richtig einzuheizen.
Hochenergielaser basieren auf Glas- oder Kristallscheiben, die mit der Seltenen Erde Ytterbium1 versetzt (dotiert) sind. Ein Lichtimpuls wird zunächst in einem Laserresonator erzeugt und durch Cavity Dumping extrahiert. Die Ytterbium-Ionen in den Kristallscheiben werden rechtzeitig angeregt und der Laserimpuls wird kohärent verstärkt. Dabei heizen sich die Scheiben an die Grenze ihrer Belastbarkeit auf. Die Rate, mit der solch ein Laser feuern kann, ist im Wesentlichen durch die Zeit begrenzt, die es braucht, die Scheiben wieder abzukühlen. Bei uns wird mindestens ein Impuls pro Sekunde, besser zehn anvisiert. Zehn Impulse pro Sekunde ist die Rate, mit der unser Beschleuniger-basierter Röntgenlaser getaktet ist.
Hochintensitäts-Laser
Hochleistungs- oder Hochintensitäts-Laser erreicht man, indem man die Impulse viel kürzer macht. Leistung ist schließlich Energie pro Zeit. Mit etwa 30 Femtosekunden sind solche Laserimpulse eine Millionen mal kürzer als die der Hochenergie-Laser. Dafür enthalten sie nur ein fünfundzwanzigstel der Energie: 4 Joule.
Wie ich einmal zeigte, ist die Wellenlänge optischer Laser viel größer als die Ausdehnung von Atomen. Licht wirkt hauptsächlich als schwingendes elektrisches Feld. Wie ein Kahn auf dem Wasser, schwingen die Elektronen im Feld mit. In den meisten Fällen ist das elektrische Feld einer Lichtquelle nur eine winzige Schwankung im elektrischen Gesamtfeld. Wechselwirkungen sind meist Resonanzen. Bei Hochintensitäts-Lasern ist das anders: Hier reicht das elektrische Feld aus, um den Atomen ganz direkt Elektronen zu entreißen.
Die Hauptwirkung solch eines Lasers ist also nicht die Erwärmung von Materie sondern direkte Wechselwirkung mit den Elektronen. Dabei können die Elektronen so schnell werden, dass sie bei Rückkehr zum Atom kurze Röntgenblitze erzeugen oder sogar Protonen aus dem Kern herausschlagen können.
Die Kenngröße für hohe Intensität ist Leistung pro Fläche: Watt pro Quadratzentimeter (W/cm²). Der 4 Joule, 30 Femtosekunden Laser kann, auf einige Mikrometer fokussiert, Flächen-Leistungsdichten von über 1020 W/cm² erreichen2. Die Ionisationsschwelle, also die nötige Leistungsdichte um Elektronen gerade so aus dem Material herauszulösen, liegt bei 1012 W/cm² für Metalle und 1013 W/cm² für Nichtleiter.
Zur Erzeugung hoher Intensitäten und kurzer Pulse ist ein Laser mit Modenkopplung über einen großen Wellenlängenbereich nötig. Zum Einsatz kommen hier Titan-dotierte Saphir-Kristalle. Titan-Saphir-Laser erzeugten Licht um 800 Nanometer Wellenlänge, also im infraroten Spektralbereich, mit einer großen Bandbreite zwischen 670 und 1070 Nanometern. Das macht diese Laser über einen weiten Wellenlängenbereich abstimmbar oder es lassen sich besonders kurze Impulse erzeugen. Die große Bandbreite hat außerdem den Vorteil, dass sich die Laserimpulse mit Beugungsgittern zeitlich strecken und komprimieren lassen. Es kann ein relativ langer Impuls verstärkt werden, um die maximale Leistungsdichte im Kristall zu reduzieren und so Schäden im Kristall zu vermeiden. Der verstärke Impuls wird dann wieder auf wenige Femtosekunden komprimiert, um maximale Spitzenleistung zu erreichen.
Was nun besser ist, ein Nanosekunden-Laser mit 100 Joule oder ein Femtosekunden-Laser mit 4 Joule, hängt vom Experiment ab. Von der Fragestellung, die es zu beantworten gilt. Wenn beides zur Verfügung steht, können wir Materie mit hohen Energien oder unter Einfluss hoher Felder studierten.
Es scheint inzwischen ein ganzes Spektrum von Hochenergielasern zu geben mit Impulslängen im Bereich Nano- bis Attosekunden (also weniger als eine Femtosekunde). Auch die genauen Prinzipien nach denen sie arbeiten, varieren stark. Einige scheinen nur im Vakuum zu funktionieren wie etwa folgender: 275 W average output power from a femtosecond thin disk oscillator operated in a vacuum environment
Mich erstaunt in der Physik immer wieder, dass Entdeckungen, die Jahrzehnte zurückliegen – wie der Laser (1960 erstmals gebaut aber von Einstein schon vorausgesagt) – in ihrer technischen Umsetzung auch heute noch in Entwicklung sind. Laser werden auch heute noch von Jahr zu Jahr nicht nur verbessert sondern quasi neu erfunden und ein Ende ist nicht abzusehen. Ähnlich geht es mit der technischen Umsetzung der bereits in den 1920er Jahren ausformulierten Quantentheorie. Geräte und Computer die mit Quantenprinzipien arbeiten befinden sich heute und wohl auch noch in 20 Jahren in Entwicklung und man weiss heute nicht was in 20 Jahren sein wird. Man ahnt nur, dass noch Dinge herauskommen, die einen überraschen werden.
Ein physikalisches Prinzip hat also oft ein langes Leben, wenn man mit Leben meint, dass keine Routine einkehrt sondern sich im Gebiet, das auf dem Prinzip aufbaut, auch weiterhin immer wieder neues und überraschendes entwickelt. Viele physikalische Erkenntnisse und Entdeckungen wie etwa die Superleitung begleiten die Menschheit für viele Jahrzehnte und lassen immer neue Blüten spriessen.
Hallo Herr Schulz,
Sie schreiben: Leistung ist Änderung von Energie.
Das sehe ich nicht so. Leistung ist übertragene Energiemenge pro Zeiteinheit.
Eine “Änderung von Energie” ist wieder Energie – sonst nichts.
Ein Schreibfehler ?
LG
Fossilium
Hallo Fossilium,
Vielen Dank. Sie haben recht: Der physikalische Vorgang ist als Energieübertragung besser und korrekt beschrieben. Ich habe hier “Änderung”geschrieben um die mathematische Definition der Leistung als Ableitung der Energie über die Zeit zu beschreiben. Eine Ableitung ist für mich die Änderung des Funktionswertes.
Laienfragen zu diesem Artikel:
http://www.spektrum.de/news/auf-850-zeptosekunden-genau/1429131
Hier steht von einem ultrakurzen ultravioletten Anregungslaserpuls von wenigen Attosekunden Dauer (10 hoch minus 18 Sekunden).
Nun hat aber ultraviolette Strahlung eine Schwingungsdauer in der Größenordnung von 10 hoch minus 16 Sekunden.
Ist das möglich? Wie ist das möglich? Wie sieht die Schwingungskurve aus?
Iczh werde mir den Artikel mal genauer ansehen und etwas dazu schreiben. Dann aber in einem neuen Artikel zu Attosekunden-Lasern.
Ist das nur bei mir so, nach “Ytterbium ^2” ist ein Formatierungsfehler, fehlt Text.
In Anmerkungen steht ein “1.”, aber nichts dahinter, soll oben bestimmt “^1” sein.
Vielen Dank. Das war ein Tippfehler in den Fußnoten-Tags und ist jetzt korrigiert.
Zitat:
In der englischsprachigen Wikipedia zum Eintrag Mode-locking findet sich folgende schöne Animation, welche die Überlagerung von 30 Moden in einem Laser zeigt. Die Moden (um feste Phasendifferenzen verschobene Resonanz-Wellen im Laserhohlraum ) sind so arrangiert, dass sie sich zu einem kurzen, spitzen Puls addieren.
Es gibt natürlich auch You-Tube Videos dazu. Wenn aber ein einzelnes GIF schon ausreicht um die Idee zu vermitteln finde ich das besser, weil zeitsparender.
Sie haben natürlich recht. Vielen Dank
Zitat:
Es müsste wohl heissen (Korrekturvorschlag):
. Denn es ging ja um warme (also ultraheisse) Materie und wie man sie untersuchen kann. Ohne das eingefügte Wort warme könnte der Satz nämlich bedeuten, dass man mit Lasern Materie aus dem Nichts (ex nihilo) erzeugt, was übrigens möglich ist: Licht kann in Materie umgewandelt werden: Ein Lichtteilchen genügend hoher Energie kann sich spontan in ein Positron/Elektron-Paar umwandeln, ein Prozess, der bereits von Irène Curie (Tochter von Marie Curie) beobachtet wurde. Doch der Satz
meint wohl nicht diese Paarerzeugung, sondern vielmehr sollte (denke ich mir) der Satz heissen:
Möchte den Artikel nicht kommentieren, habe aber dafür folgende Frage:
Was passiert, wenn man 3 Laserstrahlen so gegeneinander richtet, dass
sie an einem Punkt aufeinander treffen und zwar aus einem Umkreis mit
einem Winkelabstand von 120 Grad.
Bin zwar diesbezüglich ein Laie, aber neugierig.
M. f. G.
Es kommt ganz darauf, was sich im Zentralpunkt befindet, also worauf die Laser gerichtet werden. Befindet sich dort Materie, die Laserstrahlung absorbiert, so kann man ein Plasma erzeugen, das keinen Netto-Impuls hat. Materie kann erhitzt und zugleich komprimiert werden. Es gibt Hoffnungen, auf diese Weise Fusion zu erzeugen. Also, dass man Fusion erzeugen kann, ist eigentlich klar. Fraglich ist, ob sich so nutzbare Energie erzeugen lässt.
Befindet sich im Zentrum nichts, so durchdringen sich die elektrischen Felder einfach ohne miteinander zu interagieren.
Herzlichen Dank für Ihre ausführliche Nachricht!
Meine Überlegung ging schon etwas weiter:
Man könnte evtl. einem weiteren Laser-Strahl – senkrecht zur Ebene –
(mit den 3 vorhandenen, etwas versetzten Laserstrahlen)
irgendwie einen Eigendrehimpuls verpassen, zwecks eine Art
pulsierten Gravitationsantriebes.
Der Fantasie sind ja keine Grenzen gesetzt.
Mit besten Dank und
freundliche Grüße
W. B.
Der Phantasie nicht. Oft jedoch setzt uns die Physik gewisse Grenzen.
Der Hochleistungslaser soll ja nicht nur warme, sondern warme und dichte Materie erzeugen. Also Materie wie es sie im Innern von Jupiter oder in einem stark komprimierten und erhitzten Brennstoffkügelchen für die nukleare Fusion existiert.
Heisst das, dass der hier beschriebene Laser die Materie nicht nur erhitzt, sondern sie auch komprimiert?
Ja, die Kompression erfolgt aufgrund der Trägheit des Materials. Die Erhitzung führt zur Ausdehnung des Materials, der aber von der noch nicht erhitzen Materie dahinter Widerstand entgegengebracht wird. Daraus ergibt sich eine Schockwelle hoher Dichte und Temperatur.