Glauben führt zu Wissen
BLOG: Quantenwelt
In meinem letzten Artikel, in dem es um Falsifizierbarkeit als überragendes Kriterium für Wissenschaft ging, habe ich recht abstrakt über wissenschaftliche Theorien als ganzes geschrieben und die Relativitätstheorie als Beispiel hergenommen. Heute möchte ich die Perspektive wechseln und die Sicht der einzelnen Forscherin, des einzelnen Forschers einnehmen. Wenn wir wissenschaftlich arbeiten, schadet es gar nicht, unüberprüfbare Glaubenssätze als Prämisse zu nehmen. Glauben kann recht nützlich sein.
Wissenschaftstheorien beschreiben den Wissenschaftsbetrieb als Ganzes. Sie erklären, wie es die Wissenschaft1 erreicht, relativ sicheres Wissen zu schaffen, obwohl wir aus dem Jahrtausende alten Streit zwischen Rationalisten, Empirikern und Skeptikern wissen, dass nichts unumstößlich sicher sein kann. Die Wissenschaftstheoretischen Feinheiten sind aber nicht Problem einzelner Personen im Wissenschaftsbetrieb. Von einzelnen Forscherinnen und Forschern wird erwartet, dass sie im Kleinen ihre Arbeit machen. Sie müssen sich nicht beim Rechnen mit einer Theorie oder bei der Veröffentlichung von Daten um die wissenschaftstheoretische Rechtfertigung ihres Tuns kümmern. Wenn es heißt, dass Glauben nichts mit Wissenschaft zu schaffen hat, dann gilt das für die Menge der wissenschaftlichen Theorien als ganzes, nicht für einzelne Personen.
Glauben hat in der deutschen Sprache mindestens zwei Bedeutungen. Trivial ist, dass sich Wissenschaftler/innen nicht immer ganz sicher sind. “Ich glaube, das sind jetzt genügend Daten, aber die Auswertung wird’s zeigen.” Von diesem Glauben rede ich hier nicht, es geht um den Glauben der Religiösen, um das unbedingte Für-Wahr-halten einer Aussage, die man nicht beweisen kann. Eine klare Vorstellung davon zu haben, wie die Welt sein muss, kann eine starke Motivation bei der Lösung physikalischer Fragestellungen sein.
Die Physikgeschichte ist voll von Persönlichkeiten, die sich von einem starken Glauben an ein bestimmtes Weltsystem führen ließen. Kopernikus wollte mit seinem Sonnen-zentrierten Weltbild zurück zu einer Harmonie der Naturgesetze, die er in der Ptolemäischen Auffassung nicht mehr erkennen konnte. Einsteins allgemeine Relativitätstheorie basiert auf dem Machschen Prinzip, das die Existenz eines absoluten Raums kategorisch ausschließt. Seine Überzeugung, dass die Welt einfachen Strukturen folgen müsse, war ein starker Ansporn, die mathematisch Anspruchsvolle aber elegante allgemeine Relativitätstheorie zu entwerfen. Sein Glaube am Realismus, also daran, dass jedes Objekt der Wissenschaft zu jeder Zeit eindeutige Eigenschaften haben sollte, führte dazu, dass er die Quantenmechanik für unvollständig hielt und so wegweisende Gedankenexperimente wie das EPR-Paradoxon zur Debatte beitrug.
In dem Artikel Was ist Real im Juliheft von Spektrum der Wissenschaft (Michael Blume berichtete) plädierte der Philosoph Meinard Kuhlmann für mehr Mut zur Metaphysik. Da hat recht: Wer eine klare metaphysische Vorstellung davon hat, wie die Welt sein müsse, der oder dem fällt es leichter, neue Wege in der Physik zu beschreiten.
Es gibt wohl beides: Theorien, die aus einem Glauben an eine bestimmte Struktur der Natur herauswachsen und sich als richtig herausstellen und Theorien, die aus der Beschäftigung mit einem Problem entstehen und die im Widerspruch zum Weltbild des Theoretikers sind, der das Problem anging.
Ein Beispiel für das zweite könnte Plancks Strahlungsformel für schwarze Körper sein, mit der er die Grundlage für die Quantenphysik legte. Dabei musste Planck vorgefasste Urteile überwinden:
Mit der aus seiner Arbeit hervorgegangen Quantentheorie scheint er sich nie ganz angefreundet zu haben wie man in der Wikipedia liest:
Hier zeigt sich auch, dass sich aus einer falschen Weltsicht – dem Versuch die klassische Physik aufrechtzuerhalten – aber auch scheinbare Widersprüche ergeben, wie eine Energie in einem scheinbar energielosen Zustand (die Nullpunktsenergie), die sich als äusserst fruchtbar erweisen. Ähnlich verhält es sich ja auch mit der Oppostion Einsteins zur Quantentheorie. Einstein erfand mit dem Einstein-Podolsky-Rosen-Paradox eine Konsequenz der Quantentheorie, die auf eine kontraintuitive Quantenrealität hinauslief. Später zeigte sich dass es dieses kontrainuitive Verhalten der Natur tatsächlich gibt.
Letztlich spannt fast jede genügend allgemeingültige Theorie eine Sicht auf die Welt auf, denn die Theorie ist ja ein System von interdependenten Aussagen. Sie stellt also einen Zusammenhang dar und gibt den Phänomenen einen Sinn. Oft startet der Theoretiker schon mit einer Sicht und versucht dann die Phänomene in dieser Sicht zu platzieren. Nicht immer gelingt das aber und die gefundene Lösung eröffnet dann eine ganz andere Sicht. Diesen Überraschungseffekt umschreibt man auch mit dem Begriff der Serendipität. Allerdings meint Serendipität meist überraschende Beobachtungen und Entdeckungen wie die zufällige Entdeckung der Röngtenstrahlung, der Nylonstrümpfe und des LSD, und nicht die überraschende Entdeckung einer Theorie. Doch Theoretiker wie Dirac und Heisenberg haben über Entdeckungserlebnisse berichtet, die durchaus vergleichbar sind mit der Entdeckung eines realen Phänomens. So fand beispielsweise Dirac seine Gleichung folgendermassen:
Kann Dir da nur völlig zustimmen, @Joachim. Ich arbeite mich gerade in Einsteins Haltung ein, da ich das Zitat von ihm “Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft blind.” im Kontext verstehen wollte. Sehr spannend, ein großer, faszinierender und ein Leben lang lernender Denker!
herr blume, bitte erlauben sie mir zu bemerken, dass ich ihren artikel ausgesprochen schwach fand und ihn nicht zu ende gelesen habe, was ich bei physikalischen themen noch nie getan habe. da dies nicht das thema dieses artikels ist, verzichte ich auf eine begründung, die ich aber auf wunsch gerne nachreiche. ich wollte jedoch die gelegenheit nutzen es ihnen persönlich zu sagen, da dies ja sonst eher schwierig ist.
Oh, krass… sehr persönlich. …! Man kann das aber dem Blume wohl verzeihen. Der ist Politikwissenschaftler und das Andere da noch, worum es im weitesten “hier” ja auch geht – aber nie deutlich zueinander fand.
Im Beitrag (ihren) sei aber zu kritisieren, dass es “nicht” um den einschlägigen religiösen Glauben geht. Es geht um den Glauben an die Sache und deren Realität – Fetisch, Wunsch, Traum, Liebe, Neurose, …. Damit ist der Gottesfunktion (und somit “Gott”) genüge getan, so sich dessen Inhalte ähneln, sodass sie erfolgreich verfolgt werden können. Nicht nötig ist ein traditioneller Gottesglaube. Wenn sie ein Leben lang an einen Porsche glauben (träumen – umgangssprachlich), so wird der wahr werden – einestages. Vorrausgesetzt, sie glauben mit der Welt übereinstimmend auch an das Geld (und seine legalen oder akzeptierten (auch illegalen) Beschaffungsstrategien…sic) und folgen denen ebenso gläubg (siehe Broker und allerhand anderer erfolgreiche Finanzmarktakteure oder Mafiabosse, welche freilich nie solche wären, wenn sie nicht einen Glaubenssinn darin sähen).
Nach dieser Version ist es sogar möglich, dass sie davon träumen, einmal “Gott” selbst zu sein und es müsste sich bei entsprechender Redlichkeit und einmal sich ergebenen Bedingungen erfüllen können.
Daran gemessen sei aber wohl ziemlich klar, dass in solcher Situation und Zielsetzung es den freien Willen nicht mehr gibt. Aus einem Traum heraus das Ziel zu verfolgen heisst, sich der vermeindlichen Systematik vollends zu unterwerfen und sich leiten lassen und eben nicht konsequent Entscheidungen aus besserem Wissen heraus zu tätigen, die zuweilen als Ausdruck des freien Willens bezeichnet werden. Die Entscheidungen trifft die Systematik aus intrinsisch besserem Wissen, was sich in der Notwendigkeit äußert. Frei ist hier nur die Anfangsentscheidung: ich will Porsche haben (etwa) “Gott sein”, Mount Everest besteigen…einen Rentenanspruch, König von Deutschland sein…bis ans Ende meiner Tage in der Nase popeln. Und noch nicht einmal diese ist glaubhaft “frei”.
Hallo Chris,
ich finde, wenn einer seine Meinung in einer Zeitschrift publiziert, nichts unredlich daran seine Meinung zu kritisieren. Du hast sicher auch schon den ein oder anderen Artikel für schlecht befunden, oder etwa nicht?
Du hast wohl recht, dass es hier nur vordergründig um Physik geht. Dem Rest Deiner Gedanken konnte ich nicht folgen: Was hat der Traum vom Porsche oder Gott mit der Überzeugung, dass das Lokalitätsprinzip richtig ist zu tun? Vielleicht hast Du ja die Güte das nochmals zu präzisieren.
Oh, Lokalitätsprinzip ist genau das Thema eines meiner nächsten Blogartikel. Bleiben Sie dran.
Sicher hab ich schon Beiträge schlecht gefunden. Wobei es meist nur falsche Details darin gewesen waren oder Widersprüche. Irritiert hat mich ihr Ziel, nicht perönlich angreifen zu wollen – auch noch in der Öffentlichkeit! Das ist natürlich ein Angriff – allerdings eben einer, den man aushalten und hinnehmen sollte (können).
Vom Lokalitätsprinzip war ja im Artikel keine Rede. Das mögen sie meinen, dass sei nicht nötig, weil es sich aus dem Inhalt selbst ergibt und eh Prämisse jeder Wissenschaftlichkeit sei.
Wenn ich nicht diese Vision und die Affinität zu etwas habe, wird aus diesem Traum daher schon nichts, weil ich selbst dann keinerlei Anstalten unternehme, dass daraus was werden könnte. Ob das nun ein Porsche sei oder Nasepopeln, ist ja gleich.
Woran ich nicht denke (was der Tagtraum ja sei: ein Gedanke) existiert subjektiv nicht ud wird subjektiv nicht “wahr” werden.
Das Lokalitätsprinzip ist aber nicht alle Wahrheit über diese und angrenzende Realität. Es gibt Ausnahmen, die dieses Prinzip widerlegen. Dieses “Lokalitätsprinzip ist m.E. schlicht eine selbsterfüllende Prophezeiung – um die Existenz der Menschheit in Hochkultur kontrollierbar zu gestalten. Unter den Umständen des Glaubens an Glaubenskonstrukten kann der Glaube zur Realität werden. Und zwar aus dem selben Prinzip, wie das Lokalitätsprinzip wirken tut: Glaubenskonstrukt, welches sich u.U. wegen des Glaubens daran erfüllen kann. Und dann kommen (vermeindlich) stichhaltige “Belege” (wissenschaftliche Studien und Versuchsreihen) und darauf folgende Ideologie hinzu (universitäre Lehre etwa) und ein aus List und Herrsch- und Kontrollsucht ausgedachtes Prinzip wird zur Realität.
Aber auch diese Aussage ist möglicherweise nicht uneingeschränkt “wahr”. Ob und wo es Grenzen hat, ist unklar. Ich ziehe sie mindestens zwischen dem Geist und der physis. Also zwischen Lebendigkeit und Leblosigkeit (Mensch, Tier, Pflanze vs. Fels, Wasser… – gar zwischen Baum und Holz und je immer im Zusammenhang mit der Umwelt).
Da der Geist den Körper des Menschen steuert, hat das Auswirkungen auf dieses Lokalitätsprinzip. Allerdings könnte der materialistische Wissenschaftler auch meinen, dass sich diese beiden “Prinzipien” gar nicht berühren? Die unangenehme, weil derzeit unbeantwortbare Frage bezüglich des Dualismusses.
Als Hinweis auf mögliche Probleme einer strengen Trennung von Geist und Materie sei das fMRT-Bild genommen. Der Mensch “denkt” etwas und das Gehirn erzeugt daraufhin Aktivität auf physikalischer Ebene. Ich würde sagen, dass ist unleugbar der “Übergriff” des Geistes auf grundlegende physikalische Begebenheiten. Im Einzelnen aber wäre noch zu klären, was da eigentlich im Gehirn vorgeht. Das etwas vorgeht, wird niemand leugnen wollen.
Mein Kommentar oben aber bezieht sich auf die intrinsische Motivation, die ein Glaube darstellt. Das ist unabhängig vom Lokalitätsprinzip. Betrifft eher die Affirmation und damit verbundener Selbstzuspruch.
Als ich noch “klein” war, hatte ich keinerlei eigene intrinsische Motivationsstrukturen – keine Tagträume mit Zukunftsvisionen deren Inhalte irgendetwas mit einer möglichen Zukunft zu tun hatten. Was meinen sie, was aus mir wurde? Etwa Erfolgreich in irgenteiner Weise der Alltagswelt (eben Porsche und andere monetär ansruchsvollen Gegen- und Umstände?)
Ich habe übrigens noch immer nicht besonders produktive persönliche Visionen, die irgendwie anerkannt Gesellschaftsfähig wären.
Na, Prima. Klar bleiben “wir” dran.
Hallo Chris,
vielen Dank für die Erläuterung. Offensichtlich haben wir ein unterschiedliches Verständnis davon was ein persönlicher Angriff ist. Wenn schlechte Arbeit kritisiert wird, dann ist das Kritik an der Arbeit also sachbezogen und nicht persönlich. Ich finde zudem das die Kritik am bestem an den Verantwortlichen adressiert werden sollte. Wer denn sonst? Persönliche Kritik ist für mich eine Abwertung der Person ohne Sachbezug.
Naja, eigendlich finde ich M. Blume neuerdings ja auch doof. …!
Hat aber nur mittelbar mit seinen Artikeln zu tun.
Nene, ad personam/hominem ist mir geläufig.
Ich habe doch tatsächlich den albert und den Schulz als einen gehalten – im Eifer des Kommentierens.
Von Wegen Lokalitätsprinzip.
Wissen führt zu Glauben
Der Quantenmystizismus zeigt, dass Wissen auch zu Glauben führen kann. Allerdings im Falle des Quantenmystizismus zu einem Glauben und einer Spiritualiät, die eher in die Richtung der Esoterik geht, einer Glaubensrichtung, die selbst von den meisten Religionen abgelehnt wird.
Doch man darf sich nicht täuschen. Selbst hochverdiente Physiker haben sich im Zusammenhang mit Quantenphysik und Realität mystisch geäussert.
Auf der oben verlinkten Seite vernimmt man:
– David Bohm was deeply influenced by Jiddu Krishnamurti, crediting him as a source for understanding the worldview he proposed in his interpretation of Quantum Mechanics that he put forth in Wholeness and the Implicate Order
– The Harvard ThD student[18] Miguel Marin noted also the ““lucid mysticism,” a synthesis between rationality and religion” favored by Wolfgang Pauli, that Pauli “speculated that quantum theory could unify the psychological/scientific and philosophical/mystical approaches to consciousness”.
– Physicist Roger Penrose wrote in the Shadows of the Mind that consciousness may be a quantum phenomenon.
– Fritjof Capra [wrote the popularly] successful book The Tao of Physics
Fazit: Für religiöses und spirituelles Denken sind auch (einige) Physiker empfänglich. Eine Inspirationsquelle können dabei sogar die Resultate der Physik sein.
Also ich glaube ja, das Herr Holzherr eine Benachrichtigungsfunktion im Hirn hat implemtiert, die ihm die Fähigkeit verleiht, oftest möglich der erste Kommentator im hiesigen Blogportal zu sein.
Dieser Glaube entstand tatsächlich aus Wissen. Und zwar aus dem Wissen, das Herr Holzherr mir so oft als erster Kommentator begegnet, das aus diesem Wissen gewisse Schlüsse gezogen werden müssen. Die Benachrichtigungsfunktion im Hirn sei eine davon – welche aber noch nicht ausreicht, weil man sich ja immer noch Zeit für den Kommentar nehmen muß. Wie er das macht, ist mir noch schleierhaft…
Aber weitermachen, wenns schön macht. War nur eine Parodie auf die Situation und dem Kommentarinhalt oben.
Meine Kommentare sind Reaktionen. Aber auch die Kommentare der meisten anderen sind Reaktionen. Viele meinen allerdings, sie hätten nachgedacht. Doch das ist äusserst selten wirklich der Fall.
hm, … ja. Unbestreitbar allermeist. Fühlte mich auch zur Reaktion auf diese Antwort genötigt. Es hinkt aber sichtlich bei mir – wegen Sprachlosigkeit.
Wer zu wissen glaubt, wie der Hase läuft oder meint im Besitze der Wahrheit zu sein, glaubt nicht im selben Sinne wie ein religiöser Mensch. Dies zu:
Der religiöse Glaube bezieht sich nämlich im Kern nicht auf die Beschaffenheit der Welt (die Schöpfungsgeschichte gehört nicht zum Kern einer Religion), sondern auf die (verborgene) Bedeutung der Welt für den Menschen. “das unbedingte Für-Wahr-halten einer Aussage”, das kennen fast alle, auch Nicht-Wissenschaftler – und vieles davon gehört in den Bereich des Vorurteils (Frauen können nicht Autofahren, Deutschlands Erfolg beruht auf Wertarbeit, Fleiss und Realitätssinn). In der Wissenschaft steckt hinter starken Überzeugungen aber oft eine Kombination von Plausibilität, Erfahrung und Generalisierung. Das Lokalitätsprinzip beispielsweise war schon für Newton plausibel und er hat sich etwas geschämt dafür, dass sein Gravitationsgesetz dagegen verstiess und Fernwirkungen in Anspruch nahm. Einstein hat das dann korrigiert und fand prompt, dass die Quantentheorie gegen das Lokalitätsprinzip verstösst und sich damit (vermeintlich) selber disqualifiziere.
Es ist aber schon so, kein Mensch kommt ohne vorgefasste Urteile (inklusive Vorurteile), und Arbeitshypothesen und -modelle aus. Und Hypothesen für die Erklärung neuer Phänomene basieren meist und sinnvollerweise auf dem Wissen, das man sich schon angeeignet hat. Wissenschaft wird aber gerade dann spannend, wenn es nicht klappt und die Realität nicht ins vorgefasste Bild passt – wie es sich nun bei der Supersymmetrie, ohne die es angeblich nicht geht, wieder zeigt.
»Der religiöse Glaube bezieht sich nämlich im Kern nicht auf die Beschaffenheit der Welt (die Schöpfungsgeschichte gehört nicht zum Kern einer Religion), sondern auf die (verborgene) Bedeutung der Welt für den Menschen.«
Damit scheint mir Martin Holzherr einen wesentlichen Aspekt anzusprechen. Bei Religionen und religiösem Glauben handelt es sich um sozio-kulturelle Praktiken, wo durch Herausbildung von Normen, Werten, und Ritualen eine Überwindung individueller Ungewissheiten in einer Gemeinschaft erlangt wird oder werden soll. Im Kern zielt Religion stets auf das Normative, wohingegen etwa eine philosophische Position wie die von Ernst Mach, die sicherlich auch Einsteins Denken nachhaltig geprägt hat, ausschliesslich die Kategorie des Deskriptiven betrifft.
Nun, ich schrieb ja nicht über Religion als Ganzes sondern über religiösen Glauben. Also über das, was Vertreter von Religionen für Wahr halten. Sicher bestehen Religionen aus mehr als ihre Ontologie. Geprägt sind sie durch Rituale, sozio-kulturelle Praktiken. Aber hinter diesen Praktiken steckt oft eben auch eine Ontologie. Das Vertrauen, dass die Welt hierarchisch aufgebaut sei, hat viele Generationen von Wissenschaftlern geprägt. Sogar die Evolution wurde oft und wird noch heute manchmal als Höherentwicklung zu einem Ziel beschrieben.
Vom Christentum beeinflusste Physiker suchen in der Natur nach anderen Ordnungsprinzipien als vom Buddhismus/Hinduismus beeinflusste?
Das könnte schon sein. Zum Glück kümmert sich die Natur nicht um die Menschen, sondern die Menschen mussen sich bemühen, die Natur zu verstehen und akzeptieren wie sie letztlich ist.
Die drei japanischen Physiker, die den Nobelpreis “for the discovery of the origin of the broken symmetry which predicts the existence of at least three families of quarks in nature” erhalten haben würden ins Bild der kulturabhängingen Erwartungen an die Ordnungsprinzipien in der Natur passen. Die japanische Kultur hat eine stark visuelle und graphische Seite und eine Tendenz zur Reduktion und Perfektion, was schnell einmal zur Beschäftigung mit Symmetrien und Symmetrienbrüche führt. Und dafür haben Yoichiro Nambu, Makoto Kobayashi und Toshihide Maskawa ja den Nobelpreis für Physik im Jahre 2008 erhalten.
@Joachim
Da sind zweifellos Berührungspunkte zwischen wissenschaftl. und religiösen Motiven, und speziell wird die Frage, woher das Leben, das Universum, und überhaupt alles kommt, seit den Anfängen menschlicher Kulturgeschichte ja immer wieder erneut thematisiert. Es liegt aber auch im metaphysischen Wesen dieser Fragestellung, dass jede Antwort, die jemals darauf gegeben werden kann, irgendwie äquivalent ist zu “42”. Meiner Auffassung nach erweist sich die Angelegenheit im Lichte der Sprachphilosophie als eine Scheinfrage, mit der sich letzlich kein Sinn verbinden lässt, sodass darauf auch bestenfalls nur Scheinsätze als Antwort möglich sind, die dann von irgendwem wieder für unbefriedigend gehalten werden. Das führt meines Erachtens jedenfalls nicht zu dem, was man berechtigterweise Wissen nennen kann.
Meinard Kuhlmann (Meinard übrigens wirklich ohne ‘h’!) stellt zwar in dem Spektrum-Artikel einen ontischen Strukturenrealismus in den Vordergrund, aber ist dabei das “ontisch” wirklich essentiell dafür, um möglicherweise neue Sichtweisen und Ideen erschliessen zu können? Ich denke eher nein, ein epistemischer Strukturenrealismus leistet in dieser Hinsicht dasselbe. Die Betonung von Ontologie mag eine persönliche Vorliebe von Kuhlmann sein, vielleicht will er so auch einfach einen akzentuierten Gegensatz zur überkommenen “Punktteilchen-Ontologie” betonen, die vermutlich vielen im Kopf herumschwirrt, die diesen Aufsatz lesen.
“Glauben schafft Wissen”. Und eine stimmige Formulierung dessen, dass “Falsifikation nicht alles” ist.
Wow! So eine deutliche Aussage auf einem Wissenschaftsblog zu lesen, hätte ich nicht gedacht. Danke dafür Herr Schulz. (Die anderen kürzlich veröffentlichten Blogbeiträge, bilden wohl die Vorgeschichte dazu).
Ich fand die Wissenschaftsgeschichte schon immer interessant. Angesichts bis heute begrenzten “Wissens” war “glauben” (im Sinne von “vertrauen” in “das Ganze” von Systemen und deren, der Ratio bis dato noch nicht nachvollziehbaren, Ordnungsmuster und Zusammenhänge) im Grunde nie wirklich ein Problem, Gegensatz oder Hinderungsgrund um Wissen zu generieren.
Im Gegenteil schafft eine ergebnisoffene, erkenntnisoffene und neugierige Haltung ein Klima, in welchem Wissenszuwächse (und daraus Fortschritt) erst möglich wird. M.E. wird sich daran auch künftig nichts ändern.
“Glauben heißt nicht Wissen”. Mit dieser (als Abwertung verwendeten) Formulierung und trivialisierten Reduktion von “Glauben” (als “Feind des Wissens” anstelle eines “intuitives Wissen um den Raum des Nichtwissens) fällt man letztlich “auf der andere Seite vom Pferd”.
Wenn versucht wird eine unüberbrückbare Kluft und “garstigen Graben” zwischen rationalem Wissen (Empirie-Wissen) und Intuition (als Quelle allen prä- und transrationalen “Wissens”) zu schaffen, geht m.E. solch ein Dualismus letztlich auch auf Kosten der Weiterentwicklung unseres rationalen Vorstellungs- und Denkvermögens.
In der Geschichte der “Wissenschaft”, war den Koryphäen klar, dass mit jedem eroberten Raum “neuen Wissens” sich zugleich auch der Raum des Nichtwissens erweiterte. Für mich bedeutet dies, dass eine “Wissenschaftsgläubigkeit” als Ideologie, letztlich das Klima, welches nötig ist, zur Schaffung neues Wissens konterkariert.
Im Bild gesprochen: Wenn die Mehrung des Wissens wie die Luft ist, welches einen Luftballon erweitert und die inhärente Dichte zunimmt, wächst zugleich auch die Außenfläche als Grenze zum Nichtwissen.
Wissen steht und stand m.E. nie wirklich in Konkurrenz zu einem offenen und entwicklungsfähigen “Glauben”, sondern baut vielmehr darauf auf. Damit dies so bleibt, darf im Umkehrschluss “Glaube” keine Denkverbote aufstellen bzw. sich selbst “absolut” setzen. Andernfalls wird aus glauben (vertrauen) eine Substantivierung (Verdinglichung) und entwertende Ideologie, welche Wissenschaftsfeindlichkeit propagiert.
Man kann an Thesen, Menschen oder Handlungsmöglichkeiten glauben.
Man kann an (vermeintliche) Fakten oder aber an Werturteile (gut oder schlecht/böse) glauben.
Glaube meint manchmal unsicheres Wissen oder eine vorläufige, unbestätigte Meinung.
Dann wieder meint Glaube Vertrauen in eine andere Person und deren Glaubwürdigkeit.
Philosophisch bezeichnet Glaube die Verbindung zwischen einer Aussage und der Person: wenn die Person eine Aussage nicht nur kennt oder zitiert, sondern sie auch glaubt, dann ist sie eben von dieser Aussage überzeugt; Glaube verbindet eine Aussage positiv mit der Person.
Bei faktenbezogenen Thesen (z.B. in Fragen der Physik oder Biologie oder Psychologie) macht Glaube im Sinne des Bekenntnisses zu einer unsicheren oder unbeweisbaren These m.E. keinen Sinn. Vernünftig wäre in diesen Fällen allein die nüchterne Feststellung: wir wissen es (noch) nicht. Man darf dann zwar raten oder Sympathie für die eine oder andere Sicht bekunden – aber “Glaube” wäre m.E. immer eher abträglich. Man kann vielleicht sogar sagen, dass die wissenschaftliche Methode exakt im Ausklammern von Glaube im obigen philosophischen Sinne besteht: ich verbinde mich gerade nicht persönlich mit den fraglichen Thesen, sondern stelle sie mit Distanz zur sachlichen Diskussion. (Für den gesamten “weltanschaulichen” Teil behaupte ich also, dass religiöser Glaube prinzipiell unverträglich ist mit Wissenschaft: sie vertragen sich auf der Mentalitäts- und Methodenebene nicht.)
Glaube wird allerdings unausweichlich im Hinblick auf handlungsleitende Werturteile. Schon Wissenschaft zu betreiben, unterliegt dem lebensweltlichen Urteil, dass die Erkenntnis der Wirklichkeit – der Natur, der Geschichte – gut sei. Das lässt sich aber nicht mit Experimenten beweisen (“gut / schlecht” ist keine wissenschaftliche Kategorie) – sondern dieses Urteil liegt unserer wissenschaftlichen Aktivität notwendigerweise zugrunde und voraus.
Die Rationalität von Werturteilen – und Glauben in diesem Sinne – folgt aber einer völlig anderen Logik als die Rationalität ontologisch-wissenschaftlicher Aussagen.
Noch einmal mehr gilt das im individuellen Falle: was soll ich persönlich mit meinem Leben machen? wofür gehe ich? welches Projekt gehe ich an? Kein Physiklehrbuch der Welt und kein Experiment wird einem Schüler die Frage beantworten können, ob es für ihn richtig ist, Physiker zu werden. Wir alle wählen aus zahllosen Möglichkeiten, die sich uns anbieten – meist irreversibel. Wir entscheiden auf Möglichkeiten in der Zukunft hin – auf der Basis von Wissen und niemals gegen unser Wissen, aber doch mit einer gehörigen Portion Unsicherheit. Und das ist der eigentliche Anwendungsfall von Glaube.
Auch Entscheidungen kann man bis zu einem gewissen Punkt rational/vernünftig gestalten – überschreitet dabei aber bei weitem die Möglichkeiten naturwissenschaftlicher Erkenntnis. Das gilt auch für Projektentscheidungen bei der Forschungsarbeit selbst.
Glaube in diesem Sinne ist nur dann unvernünftig, wenn das positive Werturteil bzgl. des angestrebten Ziels argumentativ absolut unhaltbar ist oder wenn wir zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits sicher wissen können, dass es unmöglich ist, das anvisierte Ziel zu erreichen.
In Theologenkreisen trifft man immer wieder auf das Diktum, dass es keinen Sinn und nichts wirklich Gutes geben kann, wenn die Welt im Ganzen sinnlos bzw. nicht gut bzw. zu nichts gut wäre. Der theologische Schöpfungsdiskurs ist wesentlich ein “Wertediskurs” über die Möglichkeit von wirklichem Sinn und wirklich Gutem in dieser Welt – der die naturwissenschaftlich erkannten Fakten immer voraussetzen muss, sich aber darin nicht erschöpfen wird.
Ein Wissenschaftler glaubt an die Erfolgsaussichten eines Projekts – ohne Garantie, aber mit guten Gründen. Entsprechend richtet er seien Ressourcen auf dessen Realisierung aus. Das Mögliche ist noch nicht wirklich – nur wenn wir wissen können, dass es unmöglich ist, wäre der Glaube daran unvernünftig. Ansonsten ist Glaube ein umfassendes Denken, welches Fakten und Urteile umfasst, und es ist ein Denken auf Zukunft und Handlung hin. Glaube ist daher unvermeidlich und höchstvernünftig bzw. teil der allgemein-menschlichen Vernunftausstattung; mit Religion hat das gar nichts zu tun.
Ich akzeptierte es nicht, dass sich die Religionen diesen Begriff unter den Nagel gerissen und für sich vereinnahmt haben.
Hallo Christian Hoppe,
Wenn ich deinen Kommentar in der Gesamtschau betrachte, scheinen wir nicht weit auseinander zu liegen. Allerdings stolpere ich über folgendes Zitat aus deinem ausführlichen Kommentar: “ich verbinde mich gerade nicht persönlich mit den fraglichen Thesen, sondern stelle sie mit Distanz zur sachlichen Diskussion”
Mein Studium der Physikgeschichte scheint nahezulegen, dass gerade die erfolgreichsten Protagonisten sich sehr stark persönlich mit ihrer Theorie verbunden haben und sehr überzeugt für ihr Weltbild gestritten haben. Viele haben dabei geirrt, so sind z.B. die Bahnen der Planeten nicht die Kreisbahnen, von denen Kopernikus überzeugt war. Dennoch hat sein Insistieren auf die höhere Symmetrie die Wissenschaft deutlich vorangebracht. Sicher braucht es auch sachliche Diskussionen. Ein Glaubenskrieg bringt die Wissenschaft nicht voran. Aber das Forschende Individuum kann durchaus leidenschaftlich (und somit unsachlich) für eine Idee einstehen.
Wir sind uns aber dennoch einig, dass “Bekenntnisse”, “Bekenntnisschriften” oder gar Märtyrer-Tode, Selbstmord-Attentate und Heilige Kriege eher nicht adäquat wären, um seinen naturwissenschaftlichen Vorlieben Ausdruck zu verleihen – und dass man als Wissenschaftler im Grunde immer bereit bleiben sollte, seine Präferenzen aufzugeben, wenn neue Daten oder Modelle dies nahelegen bzw. erzwingen.
Letztlich haben wir keine Aktien in den naturwissenschaftlichen Thesen, die wir vertreten – aber ohne Leidenschaft würden wir uns gar nicht abmühen, irgendwelche Thesen zu prüfen. Überall also schlagen lebensweltlich geprägte persönliche Urteile in die wissenschaftliche Praxis durch. Und zwar ohne damit notwendigerweise deren Rationalität zu unterminieren – ganz im Gegenteil.
@joachim, ich finde, dass die von dir beschrieben haltung viel treffender mit “überzeugung”, als mit “glauben”beschrieben ist. newton und einstein waren von der lokalität überzeugt. einstein war von der äquivalenz aller gleichförmig bewegten bezugssysteme überzeugt.
das könnte man nun für ein wortspiel halten, aber es ist es nicht. das prinzip der lokalität oder äquivalenz hatte bereits nachweislich in vielen anderen situation bestand und wurde in diesem zusammenhang bereits verifiziert. dies war grundlage für die überzeugung, dass es auch in anderen szenarien quasi als generelles prinzip gelten muss. eine glaube im popperschen sinn ist eine nicht verifizierbare behauptung. sie hat sich noch nie bewährt. das ist meines erachtens etwas ganz anderes als eine überzeugung.
Verehrter Herr Schulz,
Sie schreiben: „Eine klare Vorstellung davon zu haben, wie die Welt sein muss, kann eine starke Motivation bei der Lösung physikalischer Fragestellungen sein.“ Nun, dass der persönliche Glaube, bei der Suche nach Erkenntnis und Wissen auf dem richtigen Weg zu sein, ein starker Antrieb ist, gilt nicht nur für naturwissenschaftlich Arbeitende, sondern generell. Das ist eigentlich eine Alltagserfahrung, die jeder von uns hat. Was sollte daran so besonders sein, dass Sie uns dies in einem gesonderten Beitrag näherbringen wollen.
Was meinen Sie, wenn Sie schreiben: „…schadet es gar nicht, unüberprüfbare Glaubenssätze als Prämisse zu nehmen.“ Das versteh ich nicht. Unüberprüfbare Prämissen sind axiomatische Setzungen. Sie werden nicht geglaubt, sondern gesetzt, um den Rahmen der Aussagen und möglicher Erkenntnis gezielt einzuschränken. Mit Glauben haben „unüberprüfbare Prämissen“ gar nichts zu tun.
Sie plädieren „für mehr Mut zur Metaphysik.“ Den Mut zur Metaphysik muss man Physikern nicht absprechen. Jeder Physiker, der die Welt seiner Modelle verlässt und die Welt erklärt, wie sie ist, betreibt Metaphysik. Das findet massenhaft statt.
Was ist Ihr Anliegen ? Sollen wir Naturwissenschaftler mehr glauben, und nicht so auf die Nachprüfbarkeit unserer Aussagen herumreiten ? Das der Glaube an eine Sache das Engagement erhöht ist doch trivial. Das kann es doch nicht sein. Oder plädieren Sie dafür, der Glaube an Hokuspokus, zum Beispiel Homöopathie, Esoterik und Paraphysik, doch irgend etwas Nützliches hervorbringen könnte ? Wenn dies so ist, dann sagen Sie dies klar und deutlich. Wenn nicht, ja wie muss der rechte Glaube dann beschaffen sein, damit man diese Irrwege nicht geht ?
Vielleicht wollen Sie ja Ihren Kollegen nur gut zureden, die wissenschaftliche Methode nicht so bierernst zu nehmen, und auch mal einfach was zu glauben.
Ich frage ganz im Ernst und wohlgesonnen: was genau haben Sie ich überlegt und was genau wollen Sie uns sagen ?
Grüsse
Fossilium
Fossilium,
Homöopathie, Esoterik und Parawissenschaft haben in der Physik und auch allgemeiner in der Wissenschaft keinen Platz. Es geht hier vielmehr um grundlegende physikalische Theorieansätze wie Supersymmetrie, Stringtheorien, Loop-Quantengravitation und einige Interpretationen der Quantenmechanik. Ich mache ja keinen Hehl daraus, dass ich einige dieser Ansätze auch für wenig Erfolgversprechend halte, aber sie haben ihre Verfechter.
Guten Morgen fossilium,
ich teile Ihre Ansichten ganz und gar, würde allerdings folgende Aussage
*Unüberprüfbare Prämissen sind axiomatische Setzungen. Sie werden nicht geglaubt, sondern gesetzt, um den Rahmen der Aussagen und möglicher Erkenntnis gezielt einzuschränken.*
etwas anders begründen. Axiome sind Grundannahmen, wie beispielsweise Kraft ist Masse mal Beschleunigung, Maxwell-Gleichungen, etc., die sich unter Umständen einer direkten Überprüfung entziehen. Aber aus Ihnen ergeben sich durch korrektes Schließen/Rechnen überprüfbare Konsequenzen. Werden diese falsifiziert folgt daraus unmittelbar, dass die Axiome falsch sind. Als auch hier haben Axiome/Prämissen nichts mit Glauben zu tun.
Herr Schulz, ich bin etwas verwirrt. Im Beitrag heißt es:
Zunächst ist vom Glauben der Religiösen die Rede, dann von einem Glauben an ein bestimmtes Weltsystem. Muss man religiös sein, um an ein bestimmtes Weltsystem glauben zu können? Oder anders herum: Ist der Glaube an ein bestimmtes Weltsystem etwas Religiöses?
Das mit der Motivation ist mir auch nicht so ganz klar. Wenn ich etwas Bestimmtes bereits für wahr halte, warum sollte ich dann noch versuchen, das mit wissenschaftlichen Methoden zu beweisen? Um andere ebenfalls zu überzeugen? Oder um den eigenen Zweifel zu besänftigen? Ich meine, im Grunde ist es schon so, dass Wissenschaft versucht, aus Glauben Wissen zu machen. Aber die Rolle des (religiösen?) Glaubens bei dieser Unternehmung als treibende Kraft erscheint mir da doch sehr zweifelhaft.
In einem Kommentar schreiben Sie:
»Es geht hier vielmehr um grundlegende physikalische Theorieansätze wie Supersymmetrie, Stringtheorien, Loop-Quantengravitation und einige Interpretationen der Quantenmechanik.«
Worin besteht das Religiöse bei diesen Theorien? Ich vermute mal, weil man etwas für wahr hält, was nicht falsifiziert oder verifiziert werden kann. Das wäre in meinen Augen aber eine sehr weitgehende Definition von Religiosität. Da scheint mir die in (Teilen) der Religionswissenschaft gebrauchte Definition deutlich sinnvoller zu sein.
Ich denke, dass die Physik in dieser Beziehung (wissenschaftlich fruchtbarer Glaube) schon etwas Besonderes ist. In den anderen Naturwissenschaften sowie in den Kulturwissenschaften steht der Glaube der wissenschaftlichen Erkenntnis wohl eher im Wege, nämlich dann, wenn etwas Bestimmtes geglaubt wird und man in der Folge nur solche empirischen Befunde gelten lässt, die den Glauben zu untermauern scheinen. Ganz drastisch lässt sich das z. B. beim Intelligent Design beobachten, aber auch bereits bei der Figur eines Homo religiosus als (geplantes?) Produkt der Evolution scheint mir der Glaube die treibende Kraft dafür zu sein, die evolutionsbiologischen Befunde so zu selektieren und zu deuten, dass am Ende der Glaube bestätigt wird.
Und wie ist es mit der Chemie? Kann es sein, dass es ohne den Glauben, aus Blei Gold machen zu können, diese Wissenschaftsdisziplin gar nicht gäbe?
Ja, ich glaube tatsächlich, dass Einsteins Vertrauen in eine reale, lokale, mit Mathematik beschreibare Welt etwas ähnliches ist, wie das Vertrauen eines Christen in die Existenz eines persönlichen Schöpfergottes. Und weiter glaube ich tatsächlich, dass viele Menschen eine Befriedigung darin sehen, andere von ihren Vorstellungen überzeugen zu können. Dass das einen gewissen Antrieb geben kann. Der unterschied besteht im Wesentlichen darin, dass ein Weltbild mit wissenschaftlichem Anspruch nach anderen Bestätigungen sucht als eines mit spirituellem Anspruch. Als Wissenschafter versuche ich mein Weltbild in überprüfbare Theorien zu münzen und stelle diese der wissenschaftlichen Community zur Diskussion. Bibeltreue Christen berufen sich dagegen auf die Autorität der Schrift und charismatische auf spirituelle Erfahrungen.
“Das wäre in meinen Augen aber eine sehr weitgehende Definition von Religiosität.”
Ich habe doch gar keine Definition von Religiosität, sondern zwei grobe Definitionen des Verbs “glauben” gegeben, nämlich erstens “für möglich halten” und zweitens “fest überzeugt sein von”. Die zweitere habe ich Religiösen in die Schuhe geschoben und behauptet, dass auch Wissenschaftler solche festen Überzeugungen haben dürfen.
@Joachim
Wie Einstein die Sache selbst eingeschätzt hat, dazu hat er sich ja geäussert:
Vgl. http://en.wikiquote.org/wiki/Albert_Einstein
Der Grad an subjektiver Überzeugung besagt alleine eigentlich noch nichts. Denn typischerweise sind auch diejenigen, die an Paraskevidekatriaphobie leiden, subjektiv sehr überzeugt.
Auch die famose Bernadette Soubirous, die nolens volens den Wallfahrtszirkus von Lourdes ausgelöst hat, war sicherlich felsenfest davon überzeugt, dass ihr die heilige Maria tatsächlich erschienen ist. Das ist dann meines Erachtens aber keine Imagination im Sinne des Zitats, sondern vielmehr Halluzination oder Vision. Und wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen, wie bekanntlich Helmut Schmidt völlig zutreffend konstatiert hat.
@ Chrys
das hätte ich von Ihnen ja nun nicht gedacht, dass Sie sich solchen Allgemeinplätzen hingeben. Von der Materie null Ahnung, aber ein Urteil abgeben.
“Auch die famose Bernadette Soubirous, die nolens volens den Wallfahrtszirkus von Lourdes ausgelöst hat, …..”
Da haben die Wissenschaften mal gerade ein bisschen Ahnung von den Aktivitäten unserer Neuronen und schon bilden einige sich ein, solche Art Eingriffe aus einer höheren oder umfänglicheren Realität den sterblichen kleinen Grauen im Zellenhimmel unter unserer Schädeldecke unterordnen zu können. Ich würde das als menschliche Arroganz hoch drei bezeichnen. Sie mögen zweifeln und offen lassen, ob in der Vision nun wirklich die heilige Maria zu Bernadette sprach, aber die Indizien, dass hier ein außergewöhnlicher Eingriff aus anderen Dimensionen stattgefunden hat, sind nicht aus der Welt zu schaffen, auch dann nicht wenn Sie sich – wahrscheinlich sogar aus dem Zusammenhang gegriffen – auf Politiker berufen, die mitunter einem, sich in einer Sackgasse bewegenden und von daher allzu lauten Zeitgeist zur Beruhigung mit einer Nebenbemerkung ein wenig Tribut zollen und das nicht selten auf Kosten besseren Wissens aber in der Zuversicht dass der gesunde Zeitgeist stabil genug ist und das aushält.
Warum überhaupt bringen Sie dieses Beispiel? Joachim Schulz wird solche Visionen sicher nicht gemeint haben, wenngleich dennoch nicht auszuschließen ist, dass einem Menschen auf ähnlichem Wege mathematische Lösungen in den Sinn kommen können.
Martin Holzherrs obiges Zitat von Dirac, zeigt ja doch auch deutlich, dass es eine Art Vision in Gestalt einer Eingebung war, die ihm die Gleichung eingab und dass dies nicht einfach zufällige Verschaltungen seiner Neuronen bewerkstelligt haben. Die machen die Wahrnehmung der Eingebung auf materieller, leiblicher Ebene natürlich möglich, aber sie produzieren deren Inhalte nicht. Allein die Tatsache, dass Dirac plötzlich wusste, dass dies die Lösung ist, ist ein Indiz für den visionären Charakter der Erkenntnis.
Es ist unglaublich, wie sich heute mache Wissenschaftler und ganze Wissenschaftszweige selber den Zugang zu ganzheitlicher Erkenntnis riskant versperren, um nicht zu sagen, sich selbstzerstörerisch verbieten.
“war sicherlich felsenfest davon überzeugt, dass ihr die heilige Maria tatsächlich erschienen ist. Das ist dann meines Erachtens aber keine Imagination im Sinne des Zitats, sondern vielmehr Halluzination oder Vision. “
“Und wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen, wie bekanntlich Helmut Schmidt völlig zutreffend konstatiert hat.”
Dass Politiker
“”
@Eli Schalom / Wer glaubt was und warum?
»… aber die Indizien, dass hier [in Lourdes] ein außergewöhnlicher Eingriff aus anderen Dimensionen stattgefunden hat, sind nicht aus der Welt zu schaffen, …«
Es braucht allerdings ein aussergewöhnliches Wunder, damit Bernadette Soubirous, die zeitlebens weder Schreiben noch Lesen gelernt hatte, in schriftlicher Form darlegen konnte, was ihr die heilige Maria in (merkwürdig fehlerhaftem) Französisch mitgeteilt hat, zumal Bernadette gar kein Französisch verstand, sondern nur einen lokalen okzitanischen Dialekt beherrschte. Die ganze Affaire hätte gewiss dennoch keine nennenswerte Beachtung gefunden, wäre da nicht ein gewisser Dr. Dozous gewesen, ein durchtriebener Arzt und Scharlatan, der seit 1853 recht erfolglos versucht hatte, Heilwässer zu verkaufen, und dann die Gunst der Stunde zu nutzen wusste, um richtig gross ins Geschäft zu kommen.
Die ganze Lordes-Story ist ein echter Thriller, mindestens so spannend wie Dan Brown. Und so kriminell geht es immer noch weiter. Da wird auf einer kath. Webseite das Wunderwasser gepriesen: [Wissenschaft stützt den Glauben! Eine Biologin entziffert Geheimnisse]. Diese Biologin heisst Dr. Enza Maria Ciccolo. Leider hat sich die Dottoressa inzwischen einige Probleme mit der italienischen Staatsanwaltschaft eingehandelt. Sie hatte in bandenmässig organisierter Form Leitungswasser in kleine Fläschli abfüllen und diese dann zum Stückpreis von ca. EUR 200 als Wunderwasser höchst profitabel absetzen lassen. Ihr Fehler war vermutlich, dass sie versäumt hat, die richtigen Leute am Gewinn zu beteiligen.
@ Chrys
Und jetzt glauben Sie mit Ihren Geschichten – von denen in der Regel naturgemäß etliche rund um ein Wunder sprießen – belegen zu können, dass sie von der Materie Ahnung haben?
…. und das auch noch ohne bestätigende Links, die Sie ja sonst recht hilfreich liefern? Aber im Internet lassen sich selbt diese ja prima erfinden. Sie demonstrieren aber auch ohne das zu genüge, dass Sie von der ‘Materie’ keine Ahnung haben.
@Eli Schalom
Stattdessen kann ich auch gleich eine katholische Lourdes-Apologetik verlinken [Click], anderes wäre von Ihnen schliesslich auch nicht zu erwarten.
So gewissenhaft kann die Überprüfung allerdings nicht gewesen sein, wenn dabei nicht einmal entdeckt wurde, dass der angeblich unverweste Leichnam der Bernadette Soubirous eine Wachsfigur ist. Woher ich nun dies wiederum haben könnte, ist für allfällig Interessierte ziemlich leicht recherchierbar, Namen und Schlagworte sind eigentlich hinreichend gegeben.
Im übrigen will ich hier weder ein off-topic Nebenthema pflegen, noch überhaupt unterstellen, es gehe dabei vorrangig um christliche Glaubensinhalte. Protestantische Christen haben immerhin mit der Wunderwelt von Lourdes auch nichts zu schaffen. Zwischen Glauben und Wissen muss gar kein Konflikt bestehen, aber es ist eben auch nicht zu leugnen, dass die institutionalisierte Religion in Gestalt der kath. Kirche seit jeher immer wieder eigene Interessen verfolgt hat, Wissen zu verhindern.
@Joachim Schulz
»Ja, ich glaube tatsächlich, dass Einsteins Vertrauen in eine reale, lokale, mit Mathematik beschreibare Welt etwas ähnliches ist, wie das Vertrauen eines Christen in die Existenz eines persönlichen Schöpfergottes.«
Bei aller Ähnlichkeit gibt es da aber doch den entscheidenden Unterschied, dass das eine Vertrauen zu Wissen führen kann, das andere Vertrauen aber Wissen verhindern kann. Und Sie sprachen doch explizit vom Vertrauen bzw. Glauben der Religiösen, zu denen z. B. Einstein nur dann gerechnet werden kann, wenn man Religiosität entsprechend weit definiert, so weit, dass der Begriff nahezu inhaltsleer wird.
@Balanus @Chrys
Natürlich gibt es diesen Unterschied. Ich verorte ihn aber nicht im Glauben (Vertrauen, Überzeugung), sondern in der Art und Weise, wie eine Überzeugung in den verschiedenen Erkenntnissystemen überprüft und ggf. von anderen übernommen wird.
Es ist ja nicht so, dass Religiöse ungeprüft alles glauben. Hätte Bernadette Soubirous statt von einer Marienerscheinung von Einhörnern berichtet, wäre aus Lourdes kein katholischer Wallfahrtsort geworden. Höchstens einer von esoterischen Elfengläubigen. Denn was in die katholische Mythologie Eingang findet, entscheidet sich danach, wie es in die Überlieferungen passt.
Das ist übrigens der Grund, warum ich Intelligent Design nicht in der Wissenschaft verorte. Es gehört eher in das Glaubenssystem evangelikaler Christen, die ihre Erkenntnisse daran prüfen, ob sie zur “wörtlichen” Auslegung der biblischen Schöpfungsmythologie passen.
Um in die Wissenschaft übernommen zu werden, müssen Überzeugungen andere Ansprüche erfüllen. Unter anderem müssen sie Potential haben Beobachtungen zu erklären, sie müssen zu den übrigen etablierten Theorien passen und es hilft, wenn sie falsifizierbar sind. Das sind aber meines Erachtens methodische Unterschiede. Sie liegen nicht darin begründet, dass Wissenschaftler irgendwie weniger stark oder anders an ihren Überzeugungen glauben.
@ Balanus
“Bei aller Ähnlichkeit gibt es da aber doch den entscheidenden Unterschied, dass das eine Vertrauen zu Wissen führen kann, das andere Vertrauen aber Wissen verhindern kann.”
…und auch das ist mal wieder unglaublich, wie geschickt Sie die Ähnlichkeit, um nicht zu sagen Gleichheit, der beiden Arten des Vertrauens schon allein mit dem Wortspiel in einen scheinbaren Unterschied verdrehen. Sie schreiben in beiden Fällen “kann”, also kann in beiden Fällen auch die andere Variante gegeben sein. Womit sich der angeblich “entscheidende” Unterschied in Wohlgefallen auflöst. Gleichwohl wird der Unterschied stärker in den Köpfen der Leser hängen bleiben. Und die Manipulation ist perfekt.
Um die umgekehrte Variante zu nennen:
auch “Einsteins Vertrauen in eine reale, lokale, mit Mathematik beschreibare Welt” kann Wissen verhindern, so wie das” Vertrauen eines Christen in die Existenz eines persönlichen Schöpfergottes.” zu mehr Wissen führen kann.
Sie haben also die von Joachim Schulz behauptete Ähnlichkeit manipulativ zu einem Unterschied gemacht.
Hallo Eli Shalom,
ich meine, dass eben Sie und Herr Joachim Schulz begriffliche Ähnlichkeiten dazu nutzen, um Parallelen aufzuzeigen, die es nicht gibt. Der religiöse Glaube entzieht sich ganz prinzipiell einer Überprüfung: Man glaubt an Gott oder ein Wunder, aber es ist prinzipiell unmöglich dies oder etwaige Konsequenzen zu überprüfen. Genau das ist der Unterschied. Die Wissenschaftler sind von der Richtigkeit bestimmter Annahmen überzeugt und daran schließt sich unmittelbar deren Überprüfung, also Verifikation und Falsifikation an. Scheitert dies lassen sie ihre Überzeugung fallen. Das kann bei einem originär religiösen Glauben nie passieren.
albert, du schreibst: “Die Wissenschaftler sind von der Richtigkeit bestimmter Annahmen überzeugt und daran schließt sich unmittelbar deren Überprüfung, also Verifikation und Falsifikation an. Scheitert dies lassen sie ihre Überzeugung fallen.”
Nein, das tun sie eben nicht. Gute Beispiele dafür sind die Stringtheorien, an die trotz nicht erfolgter Bestätigung immer noch viele festhalten. Aber auch die Bohr-Einstein-Debatte zeigt es deutlich oder der Gegenwind, den die Relativitätstheorie von viele Experimentalphysikern bekam.
Wissenschaftler geben ihre Überzeugungen nicht so schnell auf. Aus gutem Grund.
Hallo Joachim,
dann bleiben wir beim Du, was mir auch sympatischer ist. Ich halte fest, dass Du nun von Überzeugung und nicht mehr von Glauben sprichst. Und hinsichtlich der Zeitskala magst Du recht haben, dass ein gewisses Beharrungsvermögen dienlich ist. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass eine Überprüfung gesucht und gewünscht ist, was beim religiösen Glauben prinzipiell unmöglich ist. Die Stringtheoretiker, Loop-Quantentheortetiker etc. suchen ja verzweifelt nach falsifizierbaren Aussagen und die letzen Experimente im CERN haben gezeigt, dass es für SUSY eng wird und bestimmte Theorien AUSGESCHLOSSEN werden können. An diese ausgeschlossenen Theorien glaubt nun kein seriöser Naturwissenschaftler mehr. Sie haben Ihre Überzeugung wegen überprüfbarer Tatsachen aufgegeben. Das kann einem religiös Gläubigen nie passieren.
Ich wage es die Behauptung aufzustellen, dass wenn Einstein um die Bellsche Ungleichung und damit verbundene experimentelle Ergebnisse gewusst hätte, er seine Aussage “Gott würfelt nicht.” in Frage gestellt hätte, da er erkannt hätte, dass die Natur sich eben doch nicht so verhält, wie es seiner Überzeugung entspricht.
@ albert
ach,….. wieso kann das einem religiös Gläubigen nie passieren?
… weil es dich um glaube handelt, eli shalom. niemamd kann beweisen das es gott gibt und ebenso kann niemand beweisen das es ihn nicht gibt. das ist die essenz des glaubens. karl popper hat das sehr schoen dargelegt, eli shalom. genau das ist der unterschied zwischen wissenschaft und religion. die ersten muessen pruefen koennen, die letzteren glauben.
@ albert
…sorry albert, aber Sie Schlaumeier: Ist der Glaube Ihres Nichtglaubens überprüfbar?
Aber auf dieser absoluten Ebene hatten Sie ja gar nicht argumentiert. Es ging Ihnen ums Falsifizieren und verifizieren einer im Glauben getroffenen Annahme. Und darin läuft das für einen Glaubenden und vor allem für eine Glaubensgemeinschaft – zumindest im Christentum – nicht anders. Der große Unterschied mag sein, dass dieser Prozess in Bezug auf einen menschheitlichen Gottesglauben wesentlich länger dauern wird, als etwa die Verifizierung, dass 1 + 1 = 2 sind. (Etwas mehr dazu noch in meiner Antwort an @Balanus)
um es mal im vornehmen Stil von Dr. Webbaer abzuschließen:
MfG
Eli Schalom (_die_ gelegentlich eine Linkliste ihrer bisherigen zahlreichen Antworten zugänglich macht, da sie im Moment einfach nicht mehr die Zeit hat, jedem Neuling zu wiederholen, was sie schon mehrmals auf Scilogs geschrieben hat. :-). und in ihrem werdenden Buch/Blog noch viel besser darauf antworten kann, OK? )
hallo eli shalom,
ich fass den schlaumeier mal als kompliment auf und freue mich, dass ich dir etwas beibringen konnte. leider habe ich den eindruck, dass sie es noch nicht verstanden haben. ich versuch es mal mit analogien und beispielen, indem ich naturwissenschaften (nw), religion und genda, was ihnen am herzen liegen duerfte, gegenueberstelle:
alle drei bereiche haben grundannahmen/axiome: maxwell gleichungen, gott ist allguetig, geschlecht ist sozial konstruiert. nun wird bei allen gefolgert
nw: eine wechselstrom verursacht eine elektromagnetische welle.
religion: du wirst im himmel fuer deine guten taten belohnt.
genda: das soziale geschlecht ist wandelbar.
jetzt kommt der unterschied:
nw: die aussage wird durch vergleich mit der natur im detail geprueft.
religion: die aussage laesst sich nicht ueberpruefen.
genda: verbittet sich eine ueberpruefung oder stellt ueberpruefung als methode in frage.
religion ist da viel ehrlicher als genda, glaube es oder lass es bleiben. wohingegen genda aussagen ableitet, sich aber deren ueberpruefung verbittet!
@albert
..von mir aus Kompliment. Auf die Schlaumeierfrage bist du allerdings nicht eingegangen. Und die Gegenüberstellung bringt’s auch nicht. Das hat alles mit meiner ursprünglichen Frage nichts zu tun.
Wie aber kommst du darauf, dass mir genda ein Herzensanliegen sei??? Im ersten Moment wusste ich gar nicht, was du meinst, bis mir im zweiten Abschnitt dämmerte, worauf du anspielst. Oder meintest du nur die Vergleichsmöglichkeit?
…aber lassen wir’s. Ich kann mich, wie gesagt, jetzt nicht näher darauf einlassen.
… du willst wissen, ob der glaube meines nichtglaubens falsifizierbar ist, eli shalom? das ist doch keine theorie, sondern eine persoenliche ansicht. ein luegendetektor oder rechtspsychologisches gutachten waeren vielleicht geeignete mittel 😉
was ist deine eigentliche frage? warum glaube nicht falsifizierbar ist und ob sich das nicht doch aendern koennte. ja, kann es. es gab antike philosophen die an “atome” geglaubt haben. damals war es glaube, heute ist es wissen. das koennte auch mit gott passieren, wenn es beispielsweise regelmaessig talk-shows mit ihm gaebe oder reality shows im himmel und der hoelle spielen wuerden. aber dann waere es wissen und nicht mehr glaube.
@ Eli :
Sehr gut angemerkt, wie Ihr Kommentatorenfreund findet, er weiß es zu goutieren und sieht seine kommenta(to)rische Arbeit nun nicht mehr als vergebens.
Eli, das Wesen der Scientia ist so, dass sie postuliert (“theoretisiert”) und bei Anzeichen der empirischen Inadäquatheit umzudenken (neu zu “theoretisieren”) weiß, gerne zeitnah, sich aber auch kritisch des Wesens der Datenerhebung oder des Versuchs bewusst ist; das Wesen des Glaubens sollte ähnlich sein, der Katholizismus fordert bspw. den bewussten Glaubensentscheid, Papst Benedikt, der XVI. , hat darauf sozusagen äußersten Wert gelegt, um nicht die Vernunft auszuschließen, die Römische Kirche ist theozentrisch und anthropozentrisch.
Insofern muss der wissenschaftlich Vorgehende wie auch der im oben beschriebenen Sinne Glaubende in der Lage sein umzudenken, wenn sich die erhobene Datenlage nachhaltig ändert, bspw. wenn ein zusätzlicher und bisher als außerempirisch angenommene theistischer Akteur emergiert.
Der Konstruktivist hält für diese Fälle sozusagen den Gebetsteppich immer bereit, der wie oben beschriebene Glaubende könnte dies auch tun, im besonderen Bedarfsfall sozusagen, potentiell in der Folge andere Gebetsteppiche nutzend.
tl;dr :
Der Nichtglauben [1] ist explizit als falsifizierbar angelegt.
MFG + schönen Tag des Herrn schon einmal,
Dr. W
[1] die moderne zur Falsifikation neigende wissenschaftliche Methode, die skeptizistische
@Balanus
“Bei aller Ähnlichkeit gibt es da aber doch den entscheidenden Unterschied, …”
In dem Artikel geht es u.a. um eine Klassifikation. So wie in der Biologie ja auch Wal und Affe zu den Säugetieren gezählt werden, kann nach Joachim Schulz sowohl “wissenschaftliches Vertrauen” als auch “religiöses Vertrauen” zu “metaphysischem Vertrauen” gezählt werden. Damit wird beides doch keinesfalls gleichgesetzt. Es erschließt sich mir nicht, warum Du in diesem Zusammenhang so großen Wert darauf legst, den Unterschied zwischen Wal und Affe zu betonen. Der ist (fast) allen klar. Wale können nicht klettern, Affen können aber schwimmen und tauchen lernen. [1]
Nicht so offensichtlich, und gerade deswegen wichtig, darauf aufmerksam zu machen, ist die zugrundeliegende Gemeinsamkeit. Mit deiner Betonung des Unterschiedlichen, hinterlässt Du bei mir den Eindruck, Du würdest von dieser Gemeinsamkeit ablenken wollen, sie zumindest marginalisieren oder sogar am liebsten ganz abstreiten wollen. Aber, egal ob Religiöse und/oder Wissenschaftler, ob Wal und/oder Affe, letztlich sind wir alle am Schwimmen.
@ Manipulierbare
“[Es gibt den] Unterschied, dass das eine Vertrauen zu Wissen führen kann, das andere Vertrauen aber Wissen verhindern kann.” (@Balanus)
@Eli Schaloms Analyse, “… also kann in beiden Fällen auch die andere Variante gegeben sein.”, ist im Ansatz richtig. Die andere logisch ableitbare Variante wäre allerdings: “Das eine Vertrauen (des Wissenschaftlers) muss nicht zu Wissen führen, das andere Vertrauen (des Religiösen) muss nicht Wissen verhindern.”
Die Möglichkeit, die sie sieht, die beiden Arten des Vertrauens zu vertauschen, lässt sich nicht logisch ableiten.
Da @Eli Schalom aber bekanntermaßen die meisten Begriffe anders verwendet als üblich, insbesondere auch die Begriffe Wissen, Logik und Religion, ergeben sich bei ihr sicher andere Möglichkeiten der Analyse und damit andere “Wahrheiten” und andere “Manipulationen”.
[1]
http://www.spiegel.de/video/affen-koennen-schwimmen-und-tauchen-lernen-video-1289890.html
@Joker
»Es erschließt sich mir nicht, warum Du in diesem Zusammenhang so großen Wert darauf legst, den Unterschied zwischen Wal und Affe zu betonen.«
Weil dieser Unterschied entscheidend für die Tierhaltung ist. Das Wissen, dass es sich jeweils um Säugetiere handelt, ist wohl nur in Bezug auf das jeweilige Tier von Bedeutung.
Dass eigentlich alle Menschen bestimmte metaphysische Grundüberzeugungen haben (müssen), ist ja nicht das Spannende, sondern das, was darüber hinaus im Einzelnen geglaubt wird.
»…kann nach Joachim Schulz sowohl “wissenschaftliches Vertrauen” als auch “religiöses Vertrauen” zu “metaphysischem Vertrauen” gezählt werden. Damit wird beides doch keinesfalls gleichgesetzt.«
Das habe ich in Joachims Antwort an @Chrys und mich aber anders verstanden: Das Vertrauen ist immer das Gleiche, egal, worauf es sich richtet, nur die Konsequenzen des jeweiligen Vertrauens sind verschieden.
Ich finde, das ist wie mit der Evolution, da kennt man die biologische und die kulturelle Evolution. Da ist es ganz klar, dass der Begriff „Evolution“ jeweils etwas es völlig anderes bedeutet. Genauso verhält es sich, meine ich, mit den Begriffen Glaube und Vertrauen.
@ Balanus
“Dass eigentlich alle Menschen bestimmte metaphysische Grundüberzeugungen haben (müssen), ist ja nicht das Spannende […]”
So wie lange Zeit nicht klar war, dass Wale ähnliche Wurzeln haben wie Affen (man sie daher gemeinsam zu den Säugetieren zählen kann), so ist vielen nicht klar, dass auch Physiker ebenso metaphysische Grundüberzeugungen benötigen für ihre physikalischen (!) Theorien, wie Gläubige für ihre unterschiedlichsten Religionen.
Nehmen wir nur den Kommentar von @albert
“Die Wissenschaftler sind von der Richtigkeit bestimmter Annahmen überzeugt und daran schließt sich unmittelbar deren Überprüfung, also Verifikation und Falsifikation an. Scheitert dies lassen sie ihre Überzeugung fallen. Das kann bei einem originär religiösen Glauben nie passieren.”
Er vergleicht hier Äpfel mit Birnen.
Zum einen haben, wie Du ja selbst sagst, alle Menschen, also auch Physiker, bestimmte metaphysische Grundüberzeugungen, die sich eben nicht falsifizieren lassen. Physiker haben hier häufig einen blinden Fleck. Sie erkennen nicht, dass auch schon zur Bestimmung dessen, was überhaupt eine Falsifikation sein könnte, wiederum Annahmen bestehen müssen, die allgemein akzeptiert wurden. Sollten diese nicht metaphysischer Art sein, müssten sie sich selbst auch wieder falsifizieren lassen, was zu einem unendlichen Regress führen würde.
Und zum anderen hat Joachim Schulz ja schon gesagt, dass auch Religiöse nicht alles glauben, nur andere Methoden verwenden, um Aussagen zu falsifizieren.
Um Äpfel mit Äpfeln zu vergleichen, kann man versuchen, die eventuell versteckten metaphysischen Annahmen der Physiker offenzulegen.
Annahmen, die die Physik vorangebracht haben, wie die, dass alles eine Ursache hat, dass die Welt indeterminiert abläuft oder dass sich für alle Vorgänge mathematische Gesetze formulieren ließen, sind Dogmen – wie könnte man sie wiederlegen? Auf dieser Ebene sehe ich keinen Unterschied zum Dogma der Existenz eines die Welt (und sich selbst) erschaffenden Demiurgs. Deswegen wäre auch eine begriffliche Unterscheidung an dieser Stelle nur verfälschend und verschleiernd.
Mir scheint, Du möchtest einen Euphemismus kreieren. Auf der wissenschaftlichen Seite gäbe es dann unvermeidliche und hilfreiche Überzeugungen, “Glaube an ein bestimmtes Weltsystem”. Auf der anderen Seite gäbe es nur zweifelhaftes Vertrauen (in überempirische Wesen), den minderwertigen religiösen Glauben, der “Wissen verhindern kann”.
Da schließe ich mich lieber Joachim Schulz an. Im Kern ist das dasselbe, daher sollte es unter den gleichen Begriff fallen, nenn es Glaube, Überzeugung oder Vertrauen. Eine auf der untersten Ebene getroffene – oder einem widerfahrene ? – basale Entscheidung, ist weder religiös noch wissenschaftlich, auch wenn sie sofort in das ein oder andere Weltsystem verzweigt.
Dass Religion groben Unfug produziert, ist offensichtlich. Dass man das nicht beweisen kann, sondern nur glauben, ist wissenschaftlich gesehen absolut spannend.
@Joker et al.
Eine kategorielle Unterscheidung zwischen Glauben und Glauben, wie sie Balanus bedeutsam zu sein scheint, lässt sich durchaus auch bei Immanuel Kant finden.
Siehe Glaube in: R. Eisler, Kant-Lexikon (1930).
hallo joker,
eine falsifikation oder auch verifikation ist ein vergleich der voraussagen der theorie mit der REALITAEAT. sprich, licht wird von der massen/sonne abgelenkt, hoch ernergtische photonen sind langsamer (lqg). dazu bedarf es keiner annahmen. man muss sich lediglich darueber einigen was links und rechts ist oder vorher und nachher ist. zweifelst du daran, dann ist es noch einfacher dich zu widerlegen. es ist schlicht und ergreifend falsch.
deine behauptung, dass gewisse annahmen der naturwissentschenschaftler nicht falsifiziebar sind, ist quatsch. genau das gegenteil ist wahr, joker. nenn mir ein beispiel.
@ Chrys
“[E]s geht […] um das unbedingte Für-Wahr-halten einer Aussage, die man nicht beweisen kann.” (Joachim Schulz)
Alle Aussagen, die man nicht beweisen kann, bilden eine eigene Kategorie. Unabhängig davon, ob es Unterkategorien gibt, “Eine kategorielle Unterscheidung zwischen Glauben und Glauben”, haben sie etwas gemeinsam.
Es ist sehr schön, wenn Kant und @Balanus (in chronologischer Reihe) uns über Unterkategorien, deren Bedeutung und Relevanz belehren, aber es ist nicht das Thema.
Es geht auch nicht darum, ob aus anfangs nur Geglaubtem oder Gemeintem irgendwann Wissen entsteht, “Der praktische “moralische Vernunftglaube” […] kann sich nie zum Wissen erheben”, “Meinen kann zu einem Wissen werden”. Die hier verhandelten Aussagen werden selbst am Ende aller Erkenntnisprozesse nicht gewusst, sondern immer noch (nur): für wahr gehalten. Ansonsten wären sie nicht in dieser Kategorie. Sie dienen maximal als Steigbügelhalter, zu mehr taugen sie nicht.
Joachim Schulz sagt, solche Steigbügelhalter sind hilfreich, sie können einen Physiker motivieren oder es ihm erleichtern, neue Wege zu (besch)reiten. Nach meinem Für-Wahr-Halten sind sie sogar notwendig, aber beweisen kann ich das nicht.
@ albert
“deine behauptung, dass gewisse annahmen der naturwissentschenschaftler nicht falsifiziebar sind, ist quatsch. genau das gegenteil ist wahr, joker. nenn mir ein beispiel.”
Nehmen wir an Du wärst Naturwissenschaftler und würdest folgendes behaupten:
“eine falsifikation oder auch verifikation ist ein vergleich der voraussagen der theorie mit der REALITAEAT”
Da müsstest Du zunächst die Existenz einer Realität nachweisen.
Wenn Dir das gelungen ist, müsstest Du noch nachweisen – nicht voraussetzen ! -, dass Messungen und Realität in geeigneter Art und Weise korrelieren, damit Vergleiche zu Theorien überhaupt zielführend sind.
Oder anders gesagt: “Die Axiome einer physikalischen Theorie sind weder formal beweisbar noch, so die inzwischen übliche Sichtweise, direkt und insgesamt durch Beobachtungen verifizierbar oder falsifizierbar.” ( http://de.wikipedia.org/wiki/Axiom#Verh.C3.A4ltnis_von_Experiment_und_Theorie )
@ albert
Noch eine Ergänzung.
Ein fundamentales unlösbares Problem der Physik ist die Induktion. Was versichert einem, dass das was heute gilt, auch morgen gilt? Nichts. Man setzt das einfach voraus, ohne es je beweisen zu können.
Hallo Joker,
jetzt stellst Du also die Realität in Frage:
*Da müsstest Du zunächst die Existenz einer Realität nachweisen.*
und Messungen an sich auch gleich:
*dass Messungen und Realität in geeigneter Art und Weise korrelieren,*
Ich gebe zu, dass mich etwas vereinfacht ausgedrückt habe. Tatsächlich prüft man mit Messungen die Konsistenz einer Theorie. Tatsächlich hat noch niemand elektrische Felder gesehen und ein Quantenfeldtheoretiker würde wahrscheinlich behaupten, dass es sie nicht gibt. Aber es gibt eine klare Messvorschrift, wie ein elektrisches Feld an einem Punkt zu messen ist (Probeladung hinstellen und Kraft messen) und jetzt vergleicht man die mit Hilfe der Theorie berechnete Kraft, mit der im Experiment gemessenen. Wenn es stimmt ist gut, sonst ist die Theorie falsch.
Hierzu muss man keine Annahmen über die Realität machen, man muss auch nichts voraussetzen und schon gar nichts korrelieren. Dies war lediglich ein Beispiel, aber die Methode hat in den Naturwissenschaften universelle Gültigkeit. Die Experimentalphysiker machen das die ganze Zeit.
Naturwissenschaftler sind sich bewusst, dass sie sich lediglich ein Bild/Modell von der Realität machen, sagen der Einfachheit halber, das die Realität so ist. Dagegen spricht aber auch nichts, weil man ja keine Abweichungen feststellt. Stellt man sie fest, muss man die Theorie/das Bild anpassen, so lange bis es stimmt/in sich konsistent ist.
Ist das nicht erstaunlich simple und doch raffiniert, Joker?
Hallo Joker,
Du schreibst:
*Ein fundamentales unlösbares Problem der Physik ist die Induktion. Was versichert einem, dass das was heute gilt, auch morgen gilt? Nichts. Man setzt das einfach voraus, ohne es je beweisen zu können.*
und ich erlaube mir Dich zu korrigieren, da Du hier einige Konzepte vermengst:
1. Naturwissenschaftler beweisen nichts. Das machen Mathematiker.
2. Naturwissenschaftler leiten ab und vergleichen mit der Natur indem sie messen. Das machen wiederum Mathematiker nicht.
3. Was Du beschreibst ist nicht Induktion, sondern Invarianz gegenüber Zeittranslationen.
Und es ist genau anders rum. Die Theorie (klassische Mechanik) sagt die Invarianz voraus, nun wird gemessen und bisher hat noch niemand eine Abweichung festgestellt. Deswegen sind die meisten überzeugt, dass die Invarianz gilt. Aber halt nur so lange bis einer misst und feststellt, dass es nicht stimmt. Dann gibt man die Überzeugung auf. Es gibt nichts zu beweisen.
Übrigens war hierzu vor kurzem ein interessanter Artikel im Spektrum: da sich das Universum ausdehnt, ist es nicht invariant gegenüber zeitlichen Verschiebungen und deshalb die Energie ist nicht konstant (Emmy Noether Theorem).
Du darfst nicht alles glauben was feministisch bewegte Wissenschaftskritiker so von sich geben, Joker.
Danke für diesen Hinweis, Joker:
“Die Axiome einer physikalischen Theorie sind weder formal beweisbar noch, so die inzwischen übliche Sichtweise, direkt und insgesamt durch Beobachtungen verifizierbar oder falsifizierbar.”
Es steht wirklich so ein Quatsch in der wikipedia? Meiner Ansicht nach erfüllt dies den Straftatbestand der Volksverdummung 😉
@Joker
»Alle Aussagen, die man nicht beweisen kann, bilden eine eigene Kategorie.«
Aha. Und alle Aussagen, die man nicht verstehen kann, bilden dann auch eine eigene Kategorie. A verstehen wir nicht, B verstehen wir auch nicht, dann muss also zwischen A und B ein kategorieller Zusammenhang vorliegen. Welch schnödes Attentat auf den Kategorienbegriff!
Das Problem mit Joachims bzw. Deiner Formulierung ist m.E. doch wie folgt. Eine Gewissheit über bestimmte (deskriptive) Sachverhalte kann subjektiv ebenso stark sein wie seine Gewissheit über die (normative) Richtigkeit gewisser eigentlicher Glaubenssätze. Ein Fehler passiert jedoch, wenn aus dem Umstand, dass aus ersterem ein Wissen entstehen kann, irgendwie nahegelegt wird, dass dies auch für letzteres gelten könne. Es ist das kategorielle Wesensmerkmal des eigentlichen Glaubens, dass daraus niemals Wissen entstehen kann. Deswegen wird in der Religion auch immer nur geglaubt und nicht gewusst. Hier ist der Glaube eben nicht der Weg, sondern das Ziel, ganz im Gegensatz zu allen Bereichen des Wissens.
@ albert
“… und bisher hat noch niemand eine Abweichung festgestellt.”
Sehr lustig. Noch nie hat jemand exakt die Vorhersage gemessen. Kleinere Abweichungen von der Theorie werden von den Physikern toleriert, bei größeren geht man von Messfehlern, defekten Geräten oder Ähnlichem, aus. (Du erinnerst dich vielleicht an die Messung von Neutrinos, die mit Überlichtgeschwindigkeit unterwegs waren?)
Bevor Du daran gehst und den Eintrag in der Wikipedia in deinem Sinne korrigierst, empfehle ich, mal einige Bücher über Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie zu Rate zu ziehen. Wenn Du es lustig magst, sollte Feyerabend unter den Autoren vertreten sein.
Hallo Joker,
ich halte fest, dass Du keine sachlichen Argumente anführen kannst, die meine Argumentation widerlegen, sondern auf (feministische?) Literatur verweisen musst, aus der Du noch nicht mal zitieren kannst, geschweige denn zu argumentieren.
*Sehr lustig. Noch nie hat jemand exakt die Vorhersage gemessen.*
Vielleicht fändest Du es nicht mehr ganz so komisch, wenn Du zur Kenntnis nehmen würdest, dass jede seriöse Messung mit Fehlern behaftet ist und diese auch explizit angegeben werden (–> wikipedia Messfehler/Fehlerbalken). Innerhalb dieser Fehler, die man stetig zu verringern sucht, gibt es nun Mal keine Abweichungen. Das g-Moment des Elektrons ist mit einer Genauigkeit gemessen worden, die einer Messung der Strecke New York – Paris auf Haaresbreite entspricht. Und es stimmt mit der Theorie überein! Noch Fragen, Joker?
Physiker tolerieren keine Abweichungen. Bei den Neutrinos war ein Stecker defekt. Der Fehler wurde erkannt, behoben, es wurde nochmal gemessen und es gab keine Abweichung. Bitte nimm zur Kenntnis, dass Dir internationaler Ruhm sicher ist, wenn Du eine signifikante Abweichung (Fehlerbalken nicht vergessen) feststellst. Hör doch auf unbelegte Behauptung aufzustellen.
Im Gegensatz zu bestimmten (feministischen?) Kreisen betreibe ich keine Edit-Wars in der wikipedia. Es genügt mir völlig meine Argumente sachlich vorzutragen und sachlich darüber zu diskutieren. Da sind wir wohl nun wohl am Ende unserer Diskussion angelangt, Joker, oder fällt Dir noch etwas sachliches ein?
@Chrys
“Und alle Aussagen, die man nicht verstehen kann, bilden dann auch eine eigene Kategorie.”
Ja tatsächlich, etwas weitläufig analoges zum Deppen-Syllogismus meine ich.
“Deppen-Syllogismus: Ich verstehe nichts von der Seele und ich verstehe nichts von Quantenmechanik, also müssen beide was miteinander zu tun haben.” (Lars Fischer)
Dabei möchte ich weder bestreiten, dass Seele und Quantenmechanik nur wenig miteinander zu tun haben, noch, dass es kategoriale Unterschiede zwischen Gewissheit über (deskriptive) Sachverhalte und (normative) Richtigkeit gibt. Aber wie teilst Du Aussagen in die ein oder andere Kategorie, richtest Du Dich dabei nach Sachverhalten oder gehst Du normativ vor? Mir kommt das immer so vor, als wenn sich hier jemand am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen könnte.
“Gott hat die Welt erschaffen”, ist das ein deskriptiver Sachverhalt, der zu Wissen werden kann? Oder kann man die Aussage, weil sie auf Gott verweist, von den potentiellen Sachverhalten ausschließen und eigentlichem Glauben zuordnen?
Es scheint auch wissenschaftsnähere Aussagen zu geben, die von vorneherein in keine der aufgeführten Kategorien gehören, wie “Alles hat eine Ursache”. Diese kann selbst nicht zu Wissen werden, kann daher nicht in die erste Kategorie fallen, und eine Norm scheint sie auch nicht zu setzen. Sie liefert höchstens einen Hintergrund, um andere Aussagen, wie z.B. , der Konsum von Alkohol ist die Ursache für Rauschzustände, als Wissen deklarieren zu können – natürlich erst nach einigen Falsifikationsversuchen.
So denke ich, es gibt etwas basaleres, auf dem das alles beruht. Und auch wenn ich keinen geeigneten Begriff dafür habe, “metaphysisch” ist immerhin eine gute Näherung, so ist dies etwas, was wissenschaftliche und religiöse Glaubenssätze gemeinsam haben. Dies ist das Kategorienstiftende.
Das ist ein Satz mit einem unbestimmten Subjekt. Deshalb liegt eine Deskription [1] nicht vor.
auf wen “verweist” die Aussage?
Ist das überhaupt eine Aussage? Und ist das überhaupt eine (in Zahlen: 1) Aussage?
@ albert
“ich halte fest, dass Du keine sachlichen Argumente anführen kannst, die meine Argumentation widerlegen”
Du widerlegst dich doch schon selbst: Du nennst “Abweichungen” “keine Abweichungen”.
“jetzt stellst Du also die Realität in Frage” (weiter oben)
Nein, das tue ich nicht. Ich erkenne sie nur als nicht beweisbare Setzung an. Wenn jemand an ihr zweifelt, kann ich das nicht ändern.
Und das hat Parallelen zu einem Gläubigen, der mir die Existenz Gottes, die ich bezweifle, nicht beweisen kann.
Solche Dogmen scheinen für Dich transparent zu sein, sie sind so alltäglich und selbstverständlich für Dich, dass Du sie nicht wahrnimmst oder nicht wahrnehmen möchtest.
“Bei den Neutrinos war ein Stecker defekt”
Woher stammt denn diese Gewissheit? Weil jetzt die Theorie nicht nachgebessert werden muss? Vielleicht war das der erste und einzige Stecker, der nicht defekt war.
Und auch hier bezweifle ich nicht wirklich, dass der Stecker kaputt war. Aber ich muss doch anerkennen, dass meine zu diesem Fall gewonnenen Überzeugungen alles andere als voraussetzungslos sind.
hallo joker,
wo habe ich denn behauptet das eine abweichung keine abweichung ist? das ist einfach falsch.
es war mein eindruck, dass du die realitaet in frage stellst und das habe ich festgehalten. sollte ich dir unrecht getan haben, nehme ich die aussage zurueck, denn sie hat keine bedeutung. im anschluss habe ich dargelegt, dass man zum messen, keine annahmen ueber die realitaet und irgendwelche korrelationen braucht. ich erspare mir die passage zu kopieren.
das mit dem stecker kannst du googlen.
genda ich hoer dir trapsen: voraussetzungslos, etc. nochmal es gibt eine konkrete vorschrift wie gemessen werden soll: probeladung, kraft. mach das einfach. dahinter verbergen sich keine annahmen. es ist lediglich eine beschreibung. dann guckst du aufs messgeraet und liest die zahl ab, diese vergleichst du mit der theoretisch vorhergesagten. ende gelaende.
zur religion ist festzuhalten, dass es religionen im allgemeinen vermeiden ueberpruefbare aussagen/vorhersagen zu machen, denn wenn die ueberpruefung scheitern wuerde, waere der glaube in frage gestellt. wenn du es nicht glaubst, dann nenn mir eine ueberpruefbare voraussage in einer religion deiner wahl. und naturwissenschaften machen genau das gegenteil. sie duersten nach ueberpruefbaren aussagen: die lichgeschwindigkeit ist konstant.
@Joker
Dein Satz “Ich erkenne sie [die Realität] nur als nicht beweisbare Setzung an.” mutet seltsam an. Setzungen sind Definitionen. Definitionen sind aber keine Aussagen, daher auch nicht beweis- oder widerlegbar. Ich verstehe unter der Realität die Klasse aller Dinge, die nicht verschwinden, obwohl ich sie ignoriere. Ich könnte diese Definition ignorieren, das würde aber auch nicht bewirken, dass rote Ampeln verschwinden. Rote Ampeln liegen nicht gemeinsam mit dem Osterhasen in der Klasse “Die Realität”.
Solange man mit denen, mit denen man kommuniziert, hinsichtlich dieser Voraussetzungen einig ist, sehe ich kein Problem bei der Bewertung der Situation.
@ Ano Nym
Nur um ein gemeinsames Verständnis zu erleichtern, bevor ich versuche ihre Fragen zu beantworten, erlauben Sie mir zunächst einige Gegenfragen. Ist bei dem Satz, “Das Higgs-Teilchen verleiht allen anderen Teilchen ihre Masse.”, das Subjekt bestimmt, liegt hier Deskription vor, ist das überhaupt eine Aussage und ist das eine (in Zahlen 1) Aussage?
Wenn’s der Wahrheitsfindung dient.
Der Satz ist mehrdeutig, steht also für mehr als eine (1) Aussage. Die Mehrdeutigkeit kommt vermutlich aus dem Bestreben, es publikumstauglich zu kommunizieren. Ich persönlich bin der Meinung, dass man sich doch bitte erst an die Öffentlichkeit wenden sollte, wenn die Bombe gezündet werden kann.
Wie der Satz gemeint ist, könnte man einfach bei seinem Autor erfragen – eine Vorgehensweise die sich bei bestimmten religiösen Texten verbietet, entweder weil die Autoren bereits verschieden sind oder aber weil sie ihre Autorenschaft leugnen. Unter solchen Bedingungen ist eine wahrhaftige Kommunikation kaum möglich.
@Joker
Das mit dem Deppen-Syllogismus gefällt mir. Nach einigem Grübeln, von einem (im erweiterten Sinne) kategoriellen Unterschied zu reden erscheint mir dort angebracht, wo eine semantische Verschiedenheit gegenüber einer formalen Ähnlichkeit oder Gleichheit hervorzuheben ist. (Mit Kants Verständnis von Kategorien bin ich nicht so trittsicher, deshalb will ich da lieber auch nicht weiter theoretisieren.) Bei Wörtern wie “Glauben” oder auch, wie ich kürzlich gelernt habe, “Religiosität”, die erst durch einen Kontextbezug eine Bedeutung erhalten, besteht die die Gefahr von Kategorienfehlern, wo übersehen wird, dass mit dem Wechsel des Kontexts auch ein Wechsel der Bedeutung einhergeht.
Bei Kant wird zwischen den Bereichen der reinen und der praktischen Vernunft unterschieden, und somit Epistemologie von Ethik systematisch separiert. Nur in bezug auf Epistemologie lässt sich in sinnvoller Weise von Wissen reden, während das Wort Glauben in beiden Bereichen bedeutsam sein kann. Im epistemologischen Kntext kann dann Glauben durchaus in Verbindung zu Wissen stehen, doch es ist nicht so, dass diese Verbindung noch irgendwie von Belang wäre, wenn das Wort im ethischen Kontext auftritt. Und alle Formen religiösen Glaubens gehören ganz klar und endgültig nicht zur Epistemologie und damit nicht zum Wissen (auch wenn das hier noch irgendwer bestreiten sollte).
Wenn Christian Hoppe schreibt (25. August 2014 12:57), “Der theologische Schöpfungsdiskurs ist wesentlich ein “Wertediskurs” über die Möglichkeit von wirklichem Sinn und wirklich Gutem in dieser Welt – der die naturwissenschaftlich erkannten Fakten immer voraussetzen muss, sich aber darin nicht erschöpfen wird,“, dann nehme ich das einmal als ein Indiz dafür, dass eine aufgeklärte Theologie die Rolle von Religion ebenfalls prinzipiell dem Bereich der praktischen Vernunft zuordnet. Ganz im Gegensatz etwa zum Kreationismus, der aus der Bibel ein vermeintliches Wissen über eine “Erschaffung der Welt” beanspruchen will.
»“Gott hat die Welt erschaffen”, ist das ein deskriptiver Sachverhalt, der zu Wissen werden kann? Oder kann man die Aussage, weil sie auf Gott verweist, von den potentiellen Sachverhalten ausschließen und eigentlichem Glauben zuordnen?«
Vor dem Hintergrund der Vorrede kann ich das nur dem eigentlichen Glauben zuweisen. Die Bedeutung der Aussage für die Theologie liegt dann m.E. allenfalls im Glauben an einen Schöpfergott als einem Sinnstifter für das von den Menschen erlebte Weltgeschehen. Die biblische Genesis hat zwei zueinander inkompatible Schöpfungsgeschichten, und im Johannes-Evangelium kommt anscheinend noch eine weitere Variante hinzu (Goethe: Geschrieben steht: “Im Anfang war das Wort!”/ Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?) Zeigt das nicht bereits, dass das “Handwerkliche” beim biblischen Schöpfungsakt letztlich ausgesprochen wenig interessiert? (Und lässt sich damit nicht Kreationismus sogar schon aufgrund der Bibel ad absurdum führen?)
@ Ano Nym
“Wenn’s der Wahrheitsfindung dient.”
Ich fürchte, zur Wahrheit wird es nicht reichen, es dient nur der Verständigung.
A) Gott hat die Welt erschaffen.
B) Das Higgs-Teilchen verleiht allen anderen Teilchen ihre Masse.
Beide Sätze scheinen mir mehrdeutig zu sein, die Verwendung von Synekdochen kann nicht ausgeschlossen werden.
Wenn B) deskriptiv sein kann (unter geeigneten Annahmen das Subjekt bestimmt ist), dann kann A) das auch sein (unter zwar anderen, aber analogen Annahmen).
Zur Erläuterung:
Es ist eine spannende Frage beim Satz B), auf wen oder was mit dem Higgs-Teilchen verwiesen wird, bzw. ob überhaupt auf etwas.
Physiker behaupten, das Gottes-Teilchen könnten Menschen nicht direkt erkennen, nur indirekt. Gläubige behaupten dasselbe über Gott.
C) Alles hat eine Ursache.
“Ist das überhaupt eine Aussage? Und ist das überhaupt eine (in Zahlen: 1) Aussage?”
Der Satz ist sicher wieder mehrdeutig, welcher ist das nicht? Nehmen wir an (o.B.d.A.), die Bedeutung ließe sich ermitteln. Dann gilt für diese Bedeutung: Ja, das ist eine Aussage, und in Zahlen: 1. Dank der Erfindung von Quantoren lässt sich Ähnliches übrigens auch in Logiken formulieren, in deren Kalkülen sich aus einem solchen Satz dann viele weitere Sätze ableiten lassen.
“Solange man mit denen, mit denen man kommuniziert, hinsichtlich dieser Voraussetzungen einig ist, sehe ich kein Problem bei der Bewertung der Situation.”
Ich habe noch mit niemandem kommuniziert, mit dem ich mich über alle Voraussetzungen, bei der Bewertung auch nur einer einzigen Situation, einigen konnte. – Seufz. Danke für deinen Versuch.
Hallo Joker,
Bitte sieh es mir nach, dass ich mich schon wieder einmische, um ein paar Dinge zu berichtigen.
Die originäre Sprache der Physik ist die Mathematik. Wenn man sie verwendet sind Missverständnisse so gut wie ausgeschlossen. Probier es mal aus, dann kommst du auch in den Genuss In der Bewertung so vieler Situationen mit Millionen von Menschen übereinzustimmen 😉
Fachleuten gelingt dies auch unter Verzicht auf Mathematik mit präzisem Ausdruck und Sachkenntnis. Der Higgs-Mechanismus beruht auf spontaner symmetriebrechung und ist im Detail wirklich nicht einfach. Die Aussage B ist eine Vereinfachung, die den Kern allgemein verständlich darzustellen versucht. Das musst du nicht überwerten. Daran ist nichts spannend. Der Ausdruck Gott-Teilchen ist lediglich eine werbemassnahme, um Schlagzeilen zu produzieren. Du wirst ihn nicht in Fachartikeln finden.
Die parallele zwischen der Tatsache, dass sich das higgs-Teilchen nicht direkt erkennen lässt und Gott, ist haarsträubend. Higgs hat 1964 den mechanismus vorgeschlagen und die Existenz eines Teilchens mit bestimmten Eigenschaften vorausgesagt. 50 Jahre später wurde es gefunden und die Voraussage bestätigt. Welch ein Triumph. Niemand hat damit gerechnet, dass man es in der selber Art und weise erkennen kann wie einen Apfel oder eine Orange. Du etwa? Wo genau siehst du nun die parallele zur Aussage, das Gott die Welt erschaffen hat? Welche überprüfbaren Konsequenzen hat diese Aussage. Lass sie uns überprüfen, @joker!
Was hältst du eigentlich von der Idee den von dir zitierten Quatsch in Wikipedia zu berichtigen. Ich versorge dich mit Texten und du fichtst den edit-war aus. Die Welt wäre anschließend ein bisschen besser. Wie wär’s, @joker?
@ Albert :
Ohne diesem kleinen Disput näher gefolgt zu sein, zumal mit ‘Joker’ und ‘Chrys’ bekanntermaßen als solid geltende Kräfte am Start waren (die zumindest gelegentlich den Hang haben zu zitieren, wenn dies nicht unbedingt erforderlich ist), also bei der Mathematik oder Kunst des Lernens, die erkenntnissubjektabhängig stattfindet, ist natürlich die Natur oder Physik eine Herausforderung, die Theoretisierung und Anwendung betreffend:
‘Missverständnisse’ sind zwingend angelegt, wenn mathematische Modelle auf naturwissenschaftliche Modelle angelegt werden, es findet ja eine Art Mapping statt, ein Schichtensprung oder Sprung zwischen den Welten der Erkenntnissubjekte (die nicht eindeutig geteilt werden, sozial) und dem, was ist.
MFG
Dr. W
Guten tag Herr dr. Webbaer,
Ich kann ihren Einwand nicht nachvollziehen. Die Mathematik hat im Gegensatz zu allen Naturwissenschaften nicht den Anspruch die Natur zu beschreiben. Nehmen wir als beispiel die maxwellschen Gleichungen. Sie sind in der Sprache der Mathematik formuliert und die Physiker benutzen diese Sprache, um Antennen, Sender, etc. Zu berechnen. Nun werden die Rechnungen mit Messungen verglichen und bis dato stimmt es immer. Wo soll es hierbei zu Missverständnissen kommen, Herr dr. Webbaer?
Selbst bei spekulativen Theorien, wie der stringtheorie oder Loop quantengravitation kann ich kein Potential für Missverständnisse erkennen. Sicher, man kann wohl bis dato nicht entscheiden ob und welche Theorie richtig ist, aber das ist kein Missverständnis.
@ Chrys
“[V}on einem (im erweiterten Sinne) kategoriellen Unterschied zu reden erscheint mir dort angebracht, wo eine semantische Verschiedenheit gegenüber einer formalen Ähnlichkeit oder Gleichheit hervorzuheben ist”
Beim Für-Wahr-Halten von nie beweisbaren deskriptiven Aussagen, seien dies naturwissenschaftliche oder religiöse, handelt es sich nicht nur um eine formale Ähnlichkeit oder Gleichheit. Das Für-Wahr-Halten hat ein und dieselbe Bedeutung. Selbst wenn das, was für wahr gehalten wird, in andere Kategorien fallen mag.
Beim Glauben an die Naturwissenschaft und dem Glauben an einen Glauben, taucht der Begriff Glauben in zwei Varianten auf. Es sollte heißen: Beim b-Glauben an die Naturwissenschaft und dem b-Glauben an einen r-Glauben … (b für basal; r für religiös)
Dieser b-Glaube ist nicht wissenschaftlich, obwohl er auch auf Empirie beruht, und nichts religiös, obwohl er auch irrational ist. Mit dieser Einteilung kann ich mich gegen den Hohn der Religiösen wehren, auch mein Denken wäre im Glauben verankert und Naturwissenschaft wäre nur eine Religion neben anderen. Die Basis ist aber eben nur quasi-religiös (so wie sie auch quasi-wissenschaftlich ist).
Diese Basis ist das wackelige Fundament für verschiedenste Aussagen. Bei allen semantischen Unterschieden gibt es eben doch auch semantische Gemeinsamkeiten, die dazu berechtigen, einige wissenschaftliche und einige religiöse Glaubenssätze unter eine Kategorie zu subsumieren. (Wissenschaftlicher Glaubenssatz sollte nicht als Oxymoron gelesen werden. Ein hier gemeinter Satz enthält keine wissenschaftliche, falsifizierbare Aussage, sondern ist ein Satz mit Bezug zu wissenschaftlichen Themen.)
“… das Wort [Wissen] im ethischen Kontext …”
Da ich kein Werterealist bin, halte ich schon das Für-Wahr-Halten normativer Aussagen für kategorischen Unsinn.
basal-Glaube
@Joker
Wenn dieser b-Glaube weder naturwissenschaftlich noch religiös ist, dann ist doch wie ein leeres Gefäß, das mit einem beliebigen Inhalt gefüllt werden kann, bzw., das sich mit der Zeit mit einem bestimmten Inhalt füllt.
Ich würde da von einem grundlegenden Vermögen, etwas für wahr halten zu können, sprechen. Aber nicht von einem basalen Fürwahrhalten.
@ Albert
Was sind das denn für Argumente: Geh Du doch in die Kirche, “dann kommst du auch in den Genuss In der Bewertung so vieler Situationen mit Millionen von Menschen übereinzustimmen” !?
Niemand hat damit gerechnet, dass man Gott in derselben Art und Weise erkennen kann, wie einen Apfel oder eine Orange. Du etwa? Wo genau siehst du nun den Unterschied zum Gottes-Teilchen?
Wenn Du nicht glaubst, dass Gottes Existenz bereits nachgewiesen wurde und von jedem zumindest indirekt erfahrbar ist, wendest Du Dich am besten direkt an @Eli Shalom. (Sie kämpft allerdings, zugegebenermaßen, noch etwas um ihre Reputation)
“Ich versorge dich mit Texten”
Gerne.
Bis ich mich anhand der Texte davon überzeugen konnte, dass Du recht hast, bleibt in der Wikipedia erstmal stehen: “so die inzwischen – außer z.B. bei Albert – übliche Sichtweise”
Mein Wort zum Sonntag:
Es ist für mich immer wieder erschreckend, wie scheinbar aufgeschlossene, neugierige Menschen es vorziehen ihr ganzes Leben, im Gewöhnlichen, an der Oberfläche des Seins, an Bord des vermeintlich Sicheren zu verbringen, anstatt einmal zu riskieren, in die dunklen Tiefen des philosophischen Ozeans abzutauchen. Neben dem gefährlichen Solipsismus, dem schwarzen Loch der Philosophen, könnten sie dort auch die bunte, korallenartige Vielfalt unterschiedlichster Weltsichten bestaunen. Ja, sie würden eigene neue Perspektiven entwickeln. Es würde reichen, hin und wieder zum Luftholen aufzutauchen, vielleicht dort auch zur Erholung mal länger zu verweilen. Wer allerdings bis zu seinen Lebensabend die Unterseite seines Bootes nicht gesehen hat, hat etwas verpasst. Und wer dessen Planken immer für festen Grund gehalten hat, ist einer fundamentalen Täuschung aufgesessen.
Von unten betrachtet sieht das Boot “Naturwissenschaft” übrigens deb religiösen Booten ganz ähnlich. – Alle sind versenkbar!
@Joker
Vergleichbar ist in allen Fällen der Grad an subjektiver Gewissheit, die sich auf alles beziehen kann, was man so glaubt, meint, unterstellt, annimmt, vermutet, weiss, o.ä. In Eislers Kant-Lexikon heisst es da: “Der Glaube hat seine eigene (subjektive) Gewißheit, die ebenso stark sein kann wie die Gewißheit des Wissens.” Ich hege die Vermutung, dass Dein “Für-Wahr-Halten” dasselbe meint wie meine “Gewissheit”.
Dazu noch ein illustrierendes Beispiel aus dem wirklichen Leben, wo ich beabsichtigt einmal unkenntlich mache, um wen es hier wohl geht.
Trifft es das, was Dir vorschwebt? Doch was heisst das dann hinsichtlich “Glauben führt zu Wissen”?
»Da ich kein Werterealist bin, halte ich schon das Für-Wahr-Halten normativer Aussagen für kategorischen Unsinn.«
Stimmt, Normen sind nicht wahrheitsfähig. Deshalb sprechen die Ethiker bei Normen statt von “Wahrheit” dann auch von “Richtigkeit”. Dass dies die Regel ist, wüsste ich zwar aus dem Stand nicht genauer zu belegen, aber Ludwig Trepl ist in dieser Hinsicht wesentlich belesener und hatte bestätigt, dass die so reden. Und ich glaub’ ihm das einfach mal.
@Joker
»“… das Wort [Wissen] im ethischen Kontext …”«
Von mir intendiert war übrigens das Wort Glauben im ethischen Kontext. Falls das missverständlich gewesen sein sollte, bitte ich um Nachsicht und Vergebung … wie auch für meine anderweitigen Typos.
hallo joker,
ich habe mich wohl missverstaendlich ausgedrueckt. du hast es ja bedauert, dass du es noch nie erlebt haettest, ein und dieselbe situation von unterschiedlichen personen gleich bewertet wird. eine sehr persoenliche erfahrung, die sich ganz und gar nicht verallgemeinern laesst: dein kirchenbeispiel, warum fällt der apfel zur erde, wieso dreht sich die sonne um die erde, etc. die gegenbeispiele sind legion. allerdings erlaubt diese aussage ruecckschluesse ueber die art von situationen ueber die du bewertest und vielleicht sogar wie du bewertest. aber das ist ein anderes thema.
namen sind schall und rauch, @joker. an ihren eigenschaften, sprich in diesem fall dem higgs-mechanismus und den damit verbundenen konsequenzen, soll du sie erkennen. mir ist der name higgs-boson viel symphatischer als gottes-teilchen, aber es ist halt dasselbe.
es wird dir meines erachtens weder gelingen den glauben an einen schoepfer zu versenken, noch die naturwissenschaften, denn die glaeubigen werden es tunlichst vermeiden, aussagen zu treffen, die widerlegbar sind und die naturwissenschaft, verstanden als streben danach sich ein möglichst umfassendes und korrektes model der natur zu verschaffen, ebenfalls nicht, da uns diese wissbegierde über tiere erhebt, uns als menschen auszeichnet. dein wort zum sonntag dient nur dazu dich selbst zu verwirren, sonst nichts.
an sich habe ich die wesentlichen argumente dargelegt. du hast keinem widersprochen. welches gefällt dir denn nicht? wo siehst du eine lücke oder fehler in der argumentatio, @joker?
@Eli Schalom
Schon wieder dieser Manipulationsvorwurf…
»Sie haben also die von Joachim Schulz behauptete Ähnlichkeit manipulativ zu einem Unterschied gemacht.«
Joachim Schulz schreibt dazu:
»Natürlich gibt es diesen Unterschied. Ich verorte ihn aber nicht im Glauben…«
Wenn Sie nun behaupten sollten, ich hätte Joachim Schulz eben erfolgreich manipuliert, dann glaube ich das einfach nicht, Herr Schulz lässt sich nicht so leicht manipulieren, und von einem wie mir schon gar nicht.
Sie schreiben weiterhin:
»Sie schreiben in beiden Fällen “kann”, also kann in beiden Fällen auch die andere Variante gegeben sein.«
In untypischen Ausnahmefällen sicherlich. Gemeint war aber vor allem, dass der Glaube, oder die Grundüberzeugung, dass sich alle Naturphänomene wissenschaftlich erklären lassen, nur dann zu Wissen führt, wenn entsprechend geforscht wird, oder eben geforscht werden kann. Vielfach fehlen einfach die Mittel, um ein bestimmtes Naturphänomen zu erforschen. Dann bleibt Wissen eben aus. Deshalb kann „Glauben“ nur dann zu Wissen führen, wenn (a) an die prinzipielle Erklärbarkeit der Natur „geglaubt“ und (b) die entsprechende Forschung betrieben wird.
Und mir scheint es offensichtlich, dass z. B. der „Glaube“ an die Erklärbarkeit der Natur etwas völlig anderes ist als der Glaube an eine göttliche Offenbarung.
Aber ich denke, damit sind wir schon nicht mehr bei dem, was uns Joachim Schulz mit seinem Beitrag sagen wollte, da geht es eher um den „Glauben“ an die Richtigkeit einer wissenschaftlichen These oder Theorie, der, wenn es gut geht, zu Wissen führen kann.
Der Streit geht ja nur darum ob eben dieser „Glaube“ wirklich das spiegelbildliche Gegenstück zum Glauben der Religiösen ist.
@ Balanus @ Chrys, @ Joker @ all
“Schon wieder dieser Manipulationsvorwurf…”
und Sie tun’s mit folgendem Satz…..
“Wenn Sie nun behaupten sollten, ich hätte Joachim Schulz eben erfolgreich manipuliert…..,”
…..im gleichen Atemzug ja sofort schon wieder. Denn davon war nicht die Rede, ich schrieb vielmehr deutlich: ” Gleichwohl wird der Unterschied stärker in den Köpfen der Leser hängen bleiben. Und die Manipulation ist perfekt.”
Es ging um die Leser, zumal die flüchtigen Leser. So könnte ich mich dranhalten, Sie zu korrigieren. Ich erlebe das mit Ihnen ja jetzt schon ein wenig länger. Für Sie kann das ja durchaus eine spannende, zielgerichtete Beschäftigung sein: Sie scheinen sich darauf getrimmt zu haben, allein durch das passende Wortspiel und treffliche inhaltliche oder sprachliche Verdrehungen mit ansonsten klugen, menschenfreundlich erscheinenden Fragen und Überlegungen bestimmte Eindrücke gekonnt in den Vordergrund zu schieben, auf dass sie sich in den Neuronen der Leserhirne verankern können. Dass sie Joachim Schulz als Blogautor nicht manipulieren wollen und wohl auch gar nicht können, ist so gesehen doch ziemlich nebensächlich.
Da Sie das fast nur zu Themen und in Blogs tun, in denen es um weltanschauliche Fragestellungen geht und Ihre Manipulationen eine deutliche Tendenz gegen all die Aussagen aufweisen, die dem mechanistisch, materiealistischen Naturalismus quer liegen und eben den Gottesglauben und alles Spirituelle betreffen, erweckt das in mir den Eindruck, dass Sie hier – natürlich auch zu Ihrem Diskussionsvergnügen – aber doch vorrangig zu diesem Zweck schreiben, um im Leser bestimmte, gegen den Glauben gerichtete Eindrücke zu hinterlassen, ohne als ihr Verursacher auffallen zu müssen. Sie treten quasi ‘nur’ als scheinbar sachlich Diskutierender in Erscheinung. Und dabei haben Sie offenkundig Chrys und Joker als Helfer, die sich vielleicht in etwas anderen Methoden üben (oder eben Ihre Schüler sind). Angesichts meiner ursprünglichen Gutgläubigkeit Ihnen gegenüber haben Sie mir mit Ihrer Truppe schon viel Zeit gestohlen…..allerdings auch sich selber, denn in diesem Sinne drehen Sie sich ja im Kreis und verlieren selber kostbare Lebenszeit.
Vielleicht sympathisieren Chrys und Joker ja auch wieder nur mit dieser Ihrer Fähigkeit, die vielleicht auch Ihnen gar nicht mehr bewusst ist, weil irgendwie schon so ganz in Fleisch und Blut übergegangen, sprich in den DNA verankert. Was da einmal sitzt, ist jedenfalls nur mühsam wieder rückgängig zu machen. Da es sich in meinen Augen dabei um Missbrauch des zwischenmenschlichen Geistes handelt, ist solche Diskussion keine Grundlage für fruchtbaren, Erkenntnis und Zusammenhalt fördernden Dialog.
Wenn ich deshalb im Folgekommentar doch zu den inhaltlichen Punkten was schreibe, dann sicher nicht in der Illusion, dass ich Sie dadurch von Ihrer Methode abbringe. Ich tue es für die Leser, denen es um die Sache geht.
@ Balanus @ all
Jochim Schulz schrieb :
“Ja, ich glaube tatsächlich, dass Einsteins Vertrauen in eine reale, lokale, mit Mathematik beschreibare Welt etwas ähnliches ist, wie das Vertrauen eines Christen in die Existenz eines persönlichen Schöpfergottes. “
Diese Ähnlichkeit im Glauben machen Sie zu einem Unterschied. Darauf antwortet Joachim Schulz:
“Natürlich gibt es diesen Unterschied. Ich verorte ihn aber nicht im Glauben (Vertrauen, Überzeugung), sondern in der Art und Weise, wie eine Überzeugung in den verschiedenen Erkenntnissystemen überprüft und ggf. von anderen übernommen wird. – Es ist ja nicht so, dass Religiöse ungeprüft alles glauben.”
Sie schreiben dazu, aber in Antwort auf meinen Post:
“In untypischen Ausnahmefällen [gibt es Ähnlichkeit] sicherlich. Gemeint war aber vor allem, dass der Glaube, oder die Grundüberzeugung, dass sich alle Naturphänomene wissenschaftlich erklären lassen, nur dann zu Wissen führt, wenn entsprechend geforscht wird, oder eben geforscht werden kann. Vielfach fehlen einfach die Mittel, um ein bestimmtes Naturphänomen zu erforschen. Dann bleibt Wissen eben aus. Deshalb kann „Glauben“ nur dann zu Wissen führen, wenn (a) an die prinzipielle Erklärbarkeit der Natur „geglaubt“ und (b) die entsprechende Forschung betrieben wird.”
Eben hier liegt Ihr Haken.
Die Gotteserfahrung ist auf der Seite des Menschen, speziell in seiner materiellen, leibhaftigen Existenz, sehr wohl ein Naturphänom und nicht nur irgendeins, sondern DAS Phänomen seines Lebens überhaupt und kann folglich erforscht werden, ja muss es ebenso wie alle anderen, was aber auch seit Urzeiten geschieht.
Dabei ist klar, dass wir nicht Gott selber erforschen können, jedenfalls nicht so wie die meschlichen Naturphänomene, aber seine Manifestationen im Menschen können und müssen wir erforschen. Wer das ausklammert, läßt ein existentielles Naturphänomen unberücksichtigt und tritt mithin nicht nur einfach auf der Stelle, sondern er tritt logischerweise selbstzerstörerisch und tödlich auf der Stelle.
Im Grunde erforschen die Menschen ihr Naturphänomen des Gottesglaubens schon seit Urzeiten, nämlich durch die Empirie der täglichen Erfahrung mir diesem Glauben an Gott. Es dürfte klar sein, dass, wer so nicht konkret glaubt und lebt, diesbezüglich keine Empirie betreibt. Ein solcher kann dann aber auch nicht mitreden.
Damit aus dieser Empirie echte Forschung werden kann, müssen die Erfahrungen natürlich reflektiert und für jedermann wiederholbar werden. Das geschieht innerhalb der Gemeinschaften derer, die glauben, mannigfach. Allerdings so bewusst, dass man es Forschung nennen könnte, geschah das bislang eher nicht. Aber es lässt sich, wie man nun sieht, inzwischen feststellen, dass der Gottesglaube trotz all der Jahrtausende währenden Fehldeutungen vieler Phänomene doch erstaunlichen evolutionären Bestand entwickelt hat.
Dass man Glaubensleben bislang nicht als Forschung betrachtet hat, ist ja nicht verwunderlich. Der Mensch will leben, was lange Zeit vor allem Überleben hieß. Dabei kann man das Leben nicht auch noch zu einer einzigen mühsamen Forschung machen, wenngleich der Überlebenstrieb ja schon in sich Forschung forciert.
Inzwischen sind wir aber so weit, dass auch das möglich ist.
In nicht geringem Maße hat z.B. das Christentum im Verbund mit der Aufklärung – die beide nicht voneinander zu trennen sind – durch die dann einsetzende Jahrhunderte währende Trennung von Naturwissenschaft und Glaube dazu beigetragen. Ja, wohlgemerkt, dazu beigetragen, denn diese war ein entscheidender Schritt in genau diese Richtung der Erforschung der Manifestationen Gottes im Menschen aus der Perspektive des Naturphänomens.
Warum?
Wie schon verschiedentlich angemerkt wurde, war der Glaube der Urvölker an einen Gott mangels Naturwissenschaften zwangsläufig lange Zeit zu stark mit Aberglauben vermischt. Das war unvermeidbar. In dem Maße, wie man aber auch schon in Urzeiten Naturwissenschaft betrieb, konnte der Glaube sozusagen gesunden, frei werden von Aberglauben. Wie hoch das Maß dabei schon in Urzeiten war, darüber sollten wir uns heute kein leichtfertiges Urteil erlauben.
Heute aber mit den weit fortgeschrittenen Naturwissenschaften wären wir eigentlich immer besser in der Lage, wirklich zu glauben. D.h. jetzt erst können wir Aberglauben und Gottesglauben wirklich trennen und folglich das Naturphänomen des Gottesglaubens, also die Manifestationen Gottes im Menschen und in der Natur wirklich erst erforschen. Denn die äußern sich ja, ähnlich wie beim Licht, das wir nur wahrnehmen, wo es reflektiert wird, auch nur, wo sie sich in unserem leibhaftigen Leben manifestieren. Eben das, die Weise wie das geschieht, müssen wir vom Aberglauben zu unterscheiden lernen. Nie könnten wir es besser als heute. Aber der mit den fortschreitenden Naturwissenschaften einhergehende Wohlstand macht leider mitunter geistig zu sehr träge.
Sie schreiben dann weiter:
“Und mir scheint es offensichtlich, dass z. B. der „Glaube“ an die Erklärbarkeit der Natur etwas völlig anderes ist als der Glaube an eine göttliche Offenbarung.”
Eben nicht. Was ist denn, wenn, wie es speziell das Christentum glaubt, Gott die Liebe ist, alle, dem Menschen eingegebene, göttliche Offenbarung,?
Doch im Kern weniger ein Wissen um Gott, als vielmehr ein von Gott dem Menschen eingegebenes ganzheitliches Wissen um die Welt, also ein Weltbild. Mithin im weitesten Sinn ‘Naturwissenschaft’ aus der Perspektive Gottes, mit der die Menschheit das wahre Ziel ihres Lebens in den Blick bekommen und erreichen kann. Da aber, was ja nicht zu übersehen ist, der einzelne Mensch in diesem Leben erkenntnismässig je bei Punkt Null beginnt, folglich in eine gemeinsame, sprich gesamtmenschheitliche Sicht überhaupt erst hineinwachsen muss, erklärt sich, warum es so langsam geht, bis wir Welt und Menschheit so in den Blick bekommen können, wie sie in Wahrheit sind und warum der Anteil menschlich blinder Projektion auf ein von Gott offenbartes Welt- und somit auch Gottesbild für lange Zeit unvermeidlich dominant war und die wahre Sicht immer wieder überschattete.
“Ganz drastisch lässt sich das z. B. beim Intelligent Design beobachten,”
Ich halte Intelligent Design nicht für eine wissenschaftliche Theorie. Wissenschaft darf eben nicht “nur solche empirischen Befunde gelten lässt, die den Glauben zu untermauern scheinen”. Sie muss es sich gefallen lassen, widerlegt zu werden. Aber auch Wissenschaftler geben ihre Überzeugung nicht sofort auf, wenn erste Experimente dagegen zu sprechen scheinen. Sie versuchen ihren Standpunkt zu verteidigen und dieses Beharren hat sich in der Vergangenheit oft bewährt.
Die dritte Bedeutung des Glaubens, die areligiös gehaltene, aber durchaus der religiösen gar nicht so unähnliche, dürfte ebenfalls der Scientia genutzt haben, vielleicht genau so deutlich oder noch stärker als die im Artikel behandelte.
MFG
Dr. W (der im Abgang für einen weiteren soliden Artikel dankt)
Gerade weil diese von Ihnen als dritte gezählte Bedeutung der von mir zweitgenannten nicht unähnlich ist, habe ich mir erlaubt, in diesem Beitrag beide zusammenzufassen.
Lieber Herr Schulz,
ich versuche Sie mal zu verstehen. Der Glaube hat in der der Physik ja durchaus eine Bedeutung, zunächst in dieser Hinsicht:
Wenn ein Messergebnis von einem Physiker interpretiert wird, werden in der Regel stillschweigend Prämissen zugrundegelegt (zum Beispiel was unter „Realität“ verstanden wird, dass das Kausalitätsprinzip oder das Lokalitätsprinzip gültig ist, dass die Aristotelische Logik bei der Beschreibung anzuwenden ist, und vieles mehr).
Physik wird – philosophisch gesehen – auf einer äusserst voraussetzungsvollen Grundlage betrieben. Wenn die gemachten Prämissen in Frage gestellt werden, ist die Interpretation eines Messergebnisses leicht zu Fall zu bringen. Wer seine Interpretation dann verteidigt, verteidigt auch seine Prämissen, aber letzteres ist nur metaphysisch möglich (Metaphysik = „über die Physik hinausgehend“). Wer aber verteidigt, was sich empirisch nicht beweisen lässt, der glaubt, und glauben ist unwissenschaftlich. So geht jedenfalls die spontane Argumentation. Möglicherweise sind Ihnen Zweifel gekommen, ob diese gängige Abqualifizierung erkenntnisfördernd ist. Sie müssten dann aber schreiben: stellt die Prämissen in Frage. Aber auch die methodischen Prämissen – z.B. dass in der Physik nur das empirisch Erfassbare zum Gegenstand hat ? Soweit vielleicht nicht ? Kommen Sie nicht in ein Dilemma mit dieser Forderung ?
Auch in anderer Hinsicht gibt es einen Glauben in der Physik: nämlich der, das die Welt so beschaffen ist, wie sie von den physikalischen Modellen vorhergesagt wird. Wenn Sie feststellen, dasss ein mit Modellobjekten ausgedachtes Experiment das gleiche Ergebnis hat, wie ein tatsächlich durchgeführtes, dann führt dies schnell zum Glauben, die wirkliche Welt müsse so beschaffen sein, wie die modellhafte (z. B. Licht würde aus Lichtquanten bestehen). Ich glaube auch, dass sie ungefähr so sein könnte, aber ich bekenne mich zu der klaren Aussage, dass dies ein Glaube (ein Nichtwissen) ist, und wir nicht einmal wissen, wieviel wir darüber wissen. Sie bezeichnen dies mit „relativ sicherem“ Wissen, sodass Sie möglicherweise in meine Richtung tendieren, aber noch unsicher sind. Es gibt einen nachdenklichen Physiker in diesem Forum, der das Wort „relativ“ in diesem Zusammenhang ganz klar weggelassen hat. Wieso ist der seiner Sache sicher. Oder glaubt der auch, nur fester ?
Grüsse
Fossilium
@ Joachim Schulz
Ja, ich finde gut, danke dafür, dass Sie das mal heraus stellen und somit eine gesunde Gleichwertigkeit der Forschungszweige vertreten:
“Als Wissenschaftler versuche ich mein Weltbild in überprüfbare Theorien zu münzen und stelle diese der wissenschaftlichen Community zur Diskussion. Bibeltreue Christen berufen sich dagegen auf die Autorität der Schrift und charismatische auf spirituelle Erfahrungen.”
Ich würde es aber
a) etwas anders formulieren und
b) fehlt mir da allgemein eine Kategorie.
zu a) der Versuch einer anderen Formulierung:
Ein Wissenschafter versucht sein Weltbild in überprüfbare Theorien zu münzen und stellt diese der wissenschaftlichen Community zur Diskussion. Christliche Wissenschaftler bemühen sich das von Gott in der Bibel offenbarte, sprich dem Menschen eingegebene Welt- und Gottesbild von menschlichen Projektionen zu befreien und mit fortschreitendem naturwissenschaftlichem Wissen abzugleichen, in Kohärenz zu bringen, was heute natürlich auch der Allgemeinheit zur Diskussion zur Verfügung steht.. (dazu s. auch zweite Hälfte meines Kommentars an Balanus etc.)
zu b)
Ich frage mich schon länger, wie man benennen kann, was demgegenüber ich mit meiner Forschung schon seit geraumer Zeit im stillen Kämmerlein betreibe. Sie schreiben:
“Der Unterschied besteht im Wesentlichen darin, dass ein Weltbild mit wissenschaftlichem Anspruch nach anderen Bestätigungen sucht als eines mit spirituellem Anspruch.”
Grundsätzlich denke ich, dass unsere Welt eine ist und wir zu einem gemeinsamen Weltbild hinfinden müssen. Das wir uns diesem aber von verschiedenen Perspektiven aus nähern. Aber sind deren Zielsetzungen, also das Wie der Annäherung, tatsächlich unterschiedlich? Im Grunde suchen doch beide Seiten ihrer Perspektive gemäß nach Bestätigung und haben dafür ihre je eigenen Methoden entwickelt. In Bezug auf die eigene Position ist dann das Wie also doch nicht anders. Wenn Sie so wollen, jeder nach seiner Fasson. Wir leben aber doch in EINER Welt (zumindest EINER materiellen Welt). Also müssen wir bezüglich des Weltbildes doch gelegentlich beizeiten zueinander finden.
Ein Unterschied entstünde m.E. erst, wenn der Naturwissenschaftler auch nach spiritueller Bestätigung suchen würde und der Spirituelle auch nach naturwissenschaftlicher Bestätigung. Zumindest würden beide Zweige dadurch eine Sensibilität für die je andere Methode entwickeln.
Die Wissenschaftstheorie scheint das in philosophischer Hinsicht ja zu versuchen. Aber die philosophische Herangehensweise kann die spirituelle nicht ersetzen. An genau der Stelle stagnieren die Wissenschaften zurzeit. Aber nur so könnte m.E. erst wahre ganzheitliche Forschung beginnen.
Die Falsifizierung und Verifizierung aus der je eigenen Forschungsperspektive wäre zwar immer der notwendige Anfang, der nicht vernachlässigt werden dürfte. Jetzt aber müssen beide Perpsektiven ganz neu und diesmal eben nicht mehr nur fehlerhaft weil intuitiv, sondern bewusst und differenziert wieder zusammenfinden.
Ich jedenfalls habe , – zwar im bescheidenen kleinen Rahmen aber unvermeidbar -, ab einem bestimmten Zeitpunkt völlig unbeabsichtigt und ahnunglos schon damit begonnen eine in diesem Sinne kombinierte Forschung zu betreiben. Es blieb mir angesichts der überraschenden Entdeckungen gar nichts anderes übrig. Begriffen, was ich da tue, habe ich erst viel später. Und ich denke mittlerweile, so etwas kann fast nur Künstlern passieren, die nicht in einem wissenschaftlichen Korsett stecken. Auf meinem Blog werde ich diese überraschende Geschichte etwas näher erzählen.
Vorab vereinfacht würde ich es so formulieren:
die Naturwissenschaften rücken jetzt dem Geheimnis des Glaubens so nah, dass die beiden sich nicht mehr aus dem Weg gehen können. Zumindest ist das bei meinen Forschungsergebnissen so.
Ich hatte schon mehrfach in Kommentaren darauf hingewiesen, dass Glaube in spiritueller Hinsicht mehr ist, als das, was man bislang allgemein darunter versteht. Dieses Mehr ist in Bezug auf den Punkt, den Sie vermutlich ansprechen wollen, entscheidend. Er macht das eigentlich Schöpferische der Forschung aus. Bei dem, was demgegenüber z.B. Christian Hoppe oben über den Glauben aufzählt, fehlt auch genau das.
Der Glaube ist ein Vollzug und zwar ein Prozess des autarken menschlichen Geistes im Inneren des leibhaftigen Menschen, der sich aber nur durch das konkrete äußere Tun im individuellen Leib und im ‘Leib’ der menschlichen Gemeinschaft manifestieren kann, somit aber erfassbar und folglich auch erforschbar werden kann.
Für dieses Mehr, das den Glaubensprozess als Handlung des Geistes ausmacht, gibt es ein – wie soll man es nennen?.. es gibt dafür sicher ein passendes Fremdwort, das mir jetzt nicht bekannt ist oder einfällt… ich sag ‘ s mal so: – naturwissenschaftliches Pendant. Pendant deshalb, weil es sich um eine Art Hybridprozess handelt, eine Art permanenten Seinssprung, vielleicht analog vergleichbar mit Sportarten wie Synchronspringen oder mit den Interferenzen von Wellen. Die naturwissenschaftlich erfassbare Seite verweist auf die nicht erfassbare geistige Seite. Aber eben sie verweist deutlich, was dem Fortschritt der Naturwissenschaften zu verdanken ist.
Angesichts unserer Freiheit bleibt der Verweis zwar anzweifelbar und seine Akzeptanz der Entscheidung des Einzelnen anheim gegeben, doch bewegt sich der Verweis auf naturwissenschaftlich aktuellem Niveau und kann somit eine neue Entscheidungshilfe werden.
Ich habe noch nicht alle neuen Kommentare gelesen, werde mich aber auch wieder ausklinken müssen. Wollte nur wie @Ingo Damith kundtun, dass ich den Artikel mutig und gut finde und habe, dadurch angeregt, auch für meine Arbeit neu formuliert.
Manipulatives
@Eli Schalom, 29. August 2014 15:16
»Da Sie das [das Manipulieren] fast nur zu Themen und in Blogs tun, in denen es um weltanschauliche Fragestellungen geht und Ihre Manipulationen eine deutliche Tendenz gegen all die Aussagen aufweisen, die dem mechanistisch, materiealistischen Naturalismus quer liegen und eben den Gottesglauben und alles Spirituelle betreffen, erweckt das in mir den Eindruck, dass Sie hier – natürlich auch zu Ihrem Diskussionsvergnügen – aber doch vorrangig zu diesem Zweck schreiben, um im Leser bestimmte, gegen den Glauben gerichtete Eindrücke zu hinterlassen, ohne als ihr Verursacher auffallen zu müssen.«
Ich fürchte, jetzt werden Sie inkonsequent. Hier in Joachims Beitrag geht es doch um die Ähnlichkeit des Glaubens der Religiösen mit dem „Glauben“ der nichtgläubigen Naturwissenschaftler, und da Sie haben doch weitgehend Zustimmung signalisiert, wenn ich nicht irre.
Warum also betonen Sie jetzt die Unterschiede zwischen Ihrem und meinem Glauben, statt sich über deren Gemeinsamkeiten zu freuen?
»Sie treten quasi ‘nur’ als scheinbar sachlich Diskutierender in Erscheinung. […] Angesichts meiner ursprünglichen Gutgläubigkeit Ihnen gegenüber haben Sie mir mit Ihrer Truppe [@Chrys und @Joker, :-)] schon viel Zeit gestohlen…. «
Das kommt mir irgendwie vertraut vor… Sie können Herrn Schulz ja bitten, es Herrn Blume gleichzutun und gegen mich den Bannfluch auszusprechen.
(Wobei Sie aber bitte beachten mögen, dass ich alle Kommentare ehrenamtlich in meiner knapp bemessenen Freizeit lese und schreibe…)
@ Bal :
Würde Ihr Kommentatorenfreund gerne nicht so sehen wollen: Es ging im WebLog-Artikel wohl um den Antrieb, den persönlichen oder privaten, der wissenschaftlichen Nutzen bringen kann. Es mag die bewusste Entscheidungsfindung für einen Glauben oder eine Methodologie betreffend Ähnlichkeiten geben, was aber nicht zu umgehen scheint.
Das wäre dann aber ein Mops, Sie bleiben natürlich kommentatorisch wohlgelitten.
MFG
Dr. W
@ Balanus
Um nur das kurz richtig zu stellen:
“Das kommt mir irgendwie vertraut vor… Sie können Herrn Schulz ja bitten, es Herrn Blume gleichzutun und gegen mich den Bannfluch auszusprechen.“
…auf Herrn Blumes Blogadministration habe ich – falls Sie darauf anspielen – keinerlei Einfluss, weder inhaltlich noch administrativ. Aber selbst wenn ich ihn hätte, dann hätte ich darum sicher nicht gebeten. Im Grunde habe ich mich darüber geärgert, weil er es zu meiner Überraschung just in dem Moment tat, als ich gerade einen langen Kommentar an Sie gepostet hatte, auf den Sie dadurch nicht mehr reagieren konnten. Aber angesichts seines Gesamtpensums kann ich Michael Blumes Vorgehen verstehen.
Sie hätten es ja doch prima in der Hand, das Problem wesentlich leichter zu beheben, indem Sie einfach nur Ihrerseits diesen manipulativen Kreislauf unterlassen. Jetzt hier in den beiden Kommentaren in Reaktion auf meine, tun Sie es ja schon wieder mehrfach, sodass es einfach zu viel Mühe macht, (und für mich auch unangenehm ist) jedes Mal erst Ihre verdrehte Wiedergabe meiner Aussagen richtig zu stellen. Bei Ihrer Intelligenz dürfte eine korrekte Formulierung doch kein Problem sein.
…aber lassen wir’ s gut sein. Danke für alles, was gut und hilfreich war.
@Balanus (27. August 2014 11:37): »Bei aller Ähnlichkeit gibt es da aber doch den entscheidenden Unterschied, dass das eine Vertrauen zu Wissen führen kann, das andere Vertrauen aber Wissen verhindern kann.«
Darauf Joachim Schulz (27. August 2014 13:01): »Natürlich gibt es diesen Unterschied.«
Offenbar zum Entsetzen von @Eli Schalom (27. August 2014 23:43): »Sie [@Balanus] haben also die von Joachim Schulz behauptete Ähnlichkeit manipulativ zu einem Unterschied gemacht.«
Ich frage mich jetzt besorgt, welche Voodoo-Kräfte @Balanus hier eingesetzt haben könnte, um seine Worte mit einer (mir nicht erkennbaren) manipulativen Magie auszustatten.
@Eli Schalom
»Um nur das kurz richtig zu stellen: […] …auf Herrn Blumes Blogadministration habe ich – falls Sie darauf anspielen – keinerlei Einfluss, weder inhaltlich noch administrativ.«
Aber das weiß ich doch, erstens sowieso, und zweitens habe ich ja auch noch Ihren an mich adressierten Kommentar gesehen. Irritierend fand ich allerdings Ihr Verständnis für Herrn Blumes Vorgehen. Und es klingt ja auch hier wieder an. Wenn ein Blogger meint, wöchentlich einen Beitrag ins Netz stellen zu müssen und deshalb keine Zeit findet, auf jeden Kommentar zu reagieren, dann kann er das Antworten auf Kommentare, die er als daneben empfindet, ja einfach bleiben lassen.
Nach meiner Einschätzung liegt das Problem darin, dass es Michael Blume schwer fällt, einen kritischen Kommentar unbeantwortet zu lassen, zumal, wenn er von mir kommt. Das hat eine längere Geschichte. Deshalb hat er für sich diese radikale Notbremse gezogen, obwohl ein normales Ausbremsen es auch getan hätte.
Im Übrigen ist das Ganze gar nicht so sehr Off-topic, wie man meinen könnte, denn der Anlass für das Redeverbot war ein wissenschaftlicher Disput, oder zumindest ein Disput von Wissenschaftlern zu einem wissenschaftlichen Thema. Es ging im Grunde um die Frage, welche Aussagen wissenschaftlich noch vertretbar sind, und implizit auch darum, wie vorgefasste Meinungen („Glauben“) die Interpretation von Daten beeinflussen können. Davor ist niemand gefeit. Da Sie ja offenbar nebenbei wissenschaftlich arbeiten und ebenfalls durch einen Glauben motiviert sind, dürften derartige Auseinandersetzungen für Sie von Interesse sein. Die Latte für wissenschaftlich valide Aussagen liegt ganz schön hoch. Um da drüber zu kommen bedarf es gewisser Anstrengungen. Wichtig ist zum Beispiel, dass man seine Ergebnisse diskutiert, d.h., alles aufführt, was an der Arbeit problematisch ist und welche anderen Schlussfolgerungen auch gezogen werden könnten. Der schärfste Kritiker einer wissenschaftlichen Arbeit sollte eigentlich der Forscher selber sein.
@ Bal :
Es gibt im Web grundsätzlich die Problematik, dass Inhalteträger nicht zur Ignoranz fähig sind, die kommentarische Feedback-Gebung soz. als untergeordnet und betreuungsbedürftig verstehen, was ein Fehler ist.
Die genannte Kraft ist hier kein Einzelfall, der Schreiber dieser Zeilen hat dies auch in explizit liberalen Kreisen erlebt, wobei der jeweilige Inhalteträger sogar vglw. publik oder populär geworden ist.
Was schwierig zu bearbeiten bleibt, aus Sicht des unvergütet Kommentierenden/Vortragenden, der ja in der Regel, sofern er kein Störer ist [1] seine Kraft und Zeit investiert, sozial ist sozusagen.
Hier kann nur geworben werden, für’s Web, für sein Wesen und für dem netzwerkbasierten Austausch generell.
MFG
Dr. W
[1] ‘Störer’, vs. ‘Trolle’, gibt es im Web sehr selten, sie sind zu moderieren.
* und für den netzwerkbasierten Austausch (heißt es wohl d-sprachig)
Keine Sorge, die Gefahr, das ich ausgerechnet Sie/dich hier bannen werde, besteht nicht.
“Der schärfste Kritiker einer wissenschaftlichen Arbeit sollte eigentlich der Forscher selber sein.”
Das ist ein Ideal, das oft gezeichnet wird aber oft eben nicht zutrifft. Was an dieser Diskussion meines Erachtens übersehen wird ist, dass ich ausdrücklich nicht das System “Wissenschaft” sondern die Person des einzelnen Wissenschaftlers, der einzelnen WIssenschaftlerin betrachte. Diese kann eben auf außerwissenschaftlich motiviert sein und dennoch etwas wesentliches zur Wissenschaft beitragen. Die kritische Betrachtung muss dann halt wer anderes erledigen.
Vielleicht könnte man so sagen: Glauben ist nicht Teil der Wissenschaft, aber er kann Teil von Wissenschaft betreibenden Personen sein und dabei recht produktiv wirken.
Ich gebe mir mühe, alle Kommentare zu verfolgen, werde mich aber jetzt raushalten. Eventuell fasse ich das für mich gelernte in einem Folgebeitrag zusammen.
Genau so hatte ich den überschaubaren Inhalt ihres Blogbeitrages verstanden und wer will dem widersprechen? Das Banale an dem Satz ist, dass Sie für “Glauben” auch “Träumen”, “Musikhören”, “Entspannen” usw. einsetzen können. Ja sogar “Hanfrauchen” oder “Katzenquälen” könnte regelrechte Produktivitätsschübe auslösen.
Aber was soll daraus folgen?
Nun, meiner Erfahrung nach ist Glauben etwas anderes als eine Freizeitbeschäftigung, die man ablegt, wenn man sich mit Naturwissenschaft beschäftigt. Viele Wissenschaftler haben sich von ihrem religiösen Glauben oder ihrer nicht religiösen metaphysischen Vorstellung in der Theorienfindung leiten lassen und sich durch scheinbare oder tatsächlich Widerlegungen nicht von ihrer Überzeugung abbringen lassen.
Ja und? Was soll da Ihrer Ansicht nach für wen oder was logisch folgen? Mir ist nicht genau klar, was eigentlich Ihre Botschaft ist!
Auch der Träumer legt seine Träumerei und der Musikalische seine Musikalität nicht ab, während er wissenschaftlich arbeitet. Der Träumer lässt sich von luziden Träumen leiten, während der musikalische beschwingt vorsichhinforscht usw. Aber das Forschungsergebnis “materialisiert” sich im Forscher als Erkenntnis nicht wegen des Glaubens, Träumens oder Musikalischseins sondern ganz unabhängig davon und zwar weil er forscht.
@ Ano Nym :
Dass eine Reflexion zum Verhältnis von Wissenschaft und Glaube (oder andersherum) vorliegt, die einige gelungen fanden, andere vielleicht weniger?!
SCNR
Dr. W
Sie formulieren damit den Anspruch, im Kommentarbereich eines Bloggers, publizieren zu dürfen. Dieser Anspruch entbehrt einer Grundlage. Wenn Sie maximal “herrschaftsfrei” diskutieren wollen, dann müssen dezentrale Systeme, etwa das Usenet, nutzen.
@ Balanus
“. Irritierend fand ich allerdings Ihr Verständnis für Herrn Blumes Vorgehen. Und es klingt ja auch hier wieder an.“
Er will m.E. ganz einfach nicht immer wieder denselben ‘Kreisverkehr’ rund um Ihren hartnäckigen Naturalismus fahren. Spätestens nach drei Malen mitfahren wird dieser einem bewusst und dann will man einfach nicht mehr auf der Stelle treten und damit kostbare Zeit vertun, bei aller Liebe und Freundlichkeit gegenüber einer Person. Er will konstruktiven, weiterführenden, ergebnisoffenen Dialog, wie er immer wieder betont. Mitunter tritt er auch mal mit oder selber auf der Stelle, aber im Großen und Ganzen strebt er und mit gutem Grund vorwärts nach breiter konsensfähiger Verständigung, was Sie ja erklärtermaßen nicht tun.
Sie streben m.E. auch nicht vorwärts, wenn ich das mal so offen sagen darf. Sie sind in wissenschaftlicher Hinsicht nicht wirklich schöpferisch. Sie analysieren gut, ja. Dabei betonen Sie aber mit zwar unglaublicher Redemannigfaltigkeit und Sprachtricks etc. gleichwohl immer nur den einen Punkt, nämlich den Ihren naturalistischen und treten somit stetig auf dieser Stelle. Sie gehen zwar immer in einem recht großzügigen Bogen scheinbar auf die anderen Standpunkte ein, aber dann kommt plötzlich ein kurzes klares Signal, das dann mal wieder Ihren Punkt eindeutig festzurrt. Vor lauter scheinbarer Einsicht in die Position des Anderen, merkt der gar nicht, wenn dieser Satz plötzlich felsenfest dasteht. Er registriert ihn kaum, selbst wenn darin Tödliches artikuliert wird.
Für neue Leser – die gibt es ja immer wieder in Abständen und die will Michael ja vermutlich auch erreichen – wirkt das natürlich nicht so. Meist sind sie schon wieder fort, ehe sie Ihren, sich kontinuierlich wiederholenden Kreislauf überhaupt wahrnehmen können, worin Michael ja offenkundig etwas längere Erfahrung hat und ich inzwischen auch. Aber in der Zeit haben Sie den neuen Lesern bereits gekonnt Ihre ‚naturalistischen Bedenken‘ aufgedrückt, währenddessen Michaels und anderer Leser Aufmerksamkeit gebunden und dabei neue Ideen in andere Richtungen verhindert. Einmal ist das kein Problem, denke ich. Aber Wiederholungen…..
Michael schreibt m.E. nur deshalb „wöchentlich“ einen Post, weil der Informationsbedarf bei diesem Thema so groß und das Repertoire so umfangreich ist. Er will ganz einfach seinen Job machen.
Wenn Sie dann Ihre Infragestellung seiner Arbeit wiederholt so praktizieren, erweckt das den Eindruck, dass Sie nicht minder jedoch unausgesprochen einen Job machen wollen, der klar dem seinen entgegen wirkt. Es ist sein gutes Recht, das in dieser persistierenden Form nicht zuzulassen. @Anonym schreibt diesbezüglich ganz richtig:
“Sie formulieren damit den Anspruch, im Kommentarbereich eines Bloggers, publizieren zu dürfen. Dieser Anspruch entbehrt einer Grundlage. Wenn Sie maximal “herrschaftsfrei” diskutieren wollen, dann müssen dezentrale Systeme, etwa das Usenet, nutzen“
Wenn ich das folgende Zitat richtig verstehe:
“ Im Übrigen ist das Ganze gar nicht so sehr Off-topic, wie man meinen könnte, denn der Anlass für das Redeverbot war ein wissenschaftlicher Disput, oder zumindest ein Disput von Wissenschaftlern zu einem wissenschaftlichen Thema. Es ging im Grunde um die Frage, welche Aussagen wissenschaftlich noch vertretbar sind, und implizit auch darum, wie vorgefasste Meinungen („Glauben“) die Interpretation von Daten beeinflussen können. Davor ist niemand gefeit.“
….. unterstellen Sie ihm, dass er die Deutung der demografischen Forschungsergebnisse durch seine vorgefasste Meinung, seinen christlichen „Glauben“ beeinflusst. Und Sie meinen vermutlich, wie so manche andere Kommentatoren hier, dass er dies über Gebühr, also auf unwissenschaftliche Weise tut, zumal für Sie Gottesglaube kein Wissen kreiert.
Wenn ich z.B. verschiedentlich behauptet habe, Glaube – und zwar ausschließlich Gottesglaube – sei höheres Wissen, dann meinte ich damit einen inneren Prozess, der, weil und wenn zu Gott hin offen, Wissen überhaupt erst ermöglicht. All unser Wissen entspringt letztlich dieser Quelle, auch Ihres, auch all das naturwissenschaftlich erarbeitete. In meinem Kommentar weiter oben schreibe ich in der zweiten Hälfte etwas mehr dazu. Forscher vollziehen diesen inneren Prozess im Grunde auch fast alle bis zu einem gewissen Grad, ohne dass ihnen bewusst sein muss, dass es dieser Glaube ist, der zu Gott hin offen ist. Er kann aber eben auch für Gott bewusst völlig verschlossen sein. Dann entsteht zwar auch ein Wissen, aber das bleibt innerhalb unseres innerweltlichen Systems und tritt entsprechend auf der Stelle.
Und – um auf Michael zurück zu kommen – aus solchem Wissen heraus ist man nicht in der Lage zu unterscheiden, woher es kommt, wenn etwa empirische Daten den Glauben eines glaubenden Forschers bestätigen und der sich auch noch obendrein recht sicher ist. Das darf dann für einen so nicht Glaubenden natürlich nicht sein. Wenn ein Glaubender durch Empirie nur schon unterstützt wird, für ihn kann das nicht sein. Nach seiner Meinung muss der Glaubende doch irgendwie manipuliert haben, sprich dann hat sein Glaube Fakten herbeigezaubert oder Deutungen in sie hineingelegt, die die Empirie nach Auffassung des Ungläubigen im Grunde nicht hergibt. So scheinen Sie von Michael Blume zu denken. Klar kann man so umfangreiche Forschungsergebnisse anzweifeln. Man kann ja alle Empirie anfechten. Die Frage ist warum.
Für mich hat Michael, (nach anfänglicher Skepsis, klar, ich kannte ihn noch gar nicht) seine Gewissheit aus genau diesem Hintergrund, der nur aus dem gelebten Prozess des Glaubens heraus möglich wird. Ich denke, Joachim Schulz meint auch diesen Glauben. Man muss sich dafür nicht explizit als Gläubiger verstehen, aber man muss diesen Prozess im Inneren leben. Und das geht nur, wenn er echt ist. Er muss nicht reflektiert sein, aber echt.
So manche Schreiber hier sind durch die, seit geraumer Zeit so einseitig manipulierte, öffentliche Meinung in Sachen angeblicher Wissenschaftlichkeit und in Fragen des speziell christlichen Glaubens so verkopft, dass sie von diesem inneren Prozess leider keine Ahnung haben. Das ist ein gefährliches Manko.
“Wenn ein Blogger meint, wöchentlich einen Beitrag ins Netz stellen zu müssen und deshalb keine Zeit findet, auf jeden Kommentar zu reagieren, dann kann er das Antworten auf Kommentare, die er als daneben empfindet, ja einfach bleiben lassen“
Das kann er eben nicht so ohne weiteres, wenn Sie durch Helfer wiederholt eine so geartete ganze Diskussion abwickeln, die in diesem Stil gegen seine begründeten Ziele arbeitet.
“ Da Sie ja offenbar nebenbei wissenschaftlich arbeiten und ebenfalls durch einen Glauben motiviert sind, dürften derartige Auseinandersetzungen für Sie von Interesse sein. Die Latte für wissenschaftlich valide Aussagen liegt ganz schön hoch. Um da drüber zu kommen bedarf es gewisser Anstrengungen.“
Nebenbei bemerkt, ich bin nicht durch Glauben motiviert, ich vollziehe den Prozess des Glaubens, der mir neue Horizonte öffnet.
“Die Latte für wissenschaftlich valide Aussagen“ mag ganz schön hoch liegen, sie greift aber ernsthaft nicht mehr weit genug. Sie wird m.E. von bestimmten Kreisen immer gefährlicher eingeengt. Allein schon dieser verrückte Begriff „überempirische“ oder auch „außerempirische“ Akteure zeugt von solcher Engstirnigkeit, die Ungläubige den Gläubigen scheinbar aufgezwungen haben oder umgekehrt die sich haben aufzwingen lassen. Es bedarf vielmehr vereinter Anstrengungen, um die wissenschaftlichen Methoden so erweitern zu können, damit vieles, was bisher wegen des Vorurteils der wissenschaftlichen Unerforschbarkeit und wegen fehlender Methoden von der Forschung ausgeschlossen wurde, nun auch vernünftig erforscht werden kann. Wenn das nicht geschieht, wird es uns einmal mehr übel überrollen.
Zu Ihrer Frage in Reaktion auf diesen obigen Kommentar von mir:
“ Ihre Begründung, warum die Erklärbarkeit der Natur nicht etwas völlig anderes ist als der Glaube an eine göttliche Offenbarung, habe ich leider nicht verstanden. Ich dachte bei meiner Einlassung an jene göttliche Offenbarung, die es nicht wenigen Christen so schwer macht, Darwins Evolutionslehre zu akzeptieren.“
Das ist auch wieder so ein typischer Verdreher. Denn ich schrieb:
“Diese Ähnlichkeit im Glauben machen Sie zu einem Unterschied. “
Es ging ja nicht um eine Ähnlichkeit der „Erklärbarkeit der Natur“ mit dem „Glauben an eine göttliche Offenbarung“. Es ging um die Ähnlichkeit im Glauben, die der naturwissenschaftliche Forscher genauso bei naturwissenschaftlicher Materie haben kann, wie der Theologe oder auch der einfache Gläubige z.B. in Bezug auf Gotteserkenntnis.
Vielleicht konnte ich Ihnen mit meinen obigen Äußerungen zum Glauben vorab ein wenig weiterhelfen. Der hier gemeinte Glaube ist auch eine wissenschaftlich erklärbare Art des Zugangs zu Wissen.
Aber lassen wir das bitte jetzt so stehen, ich kann vorerst und an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen.
@ Eli :
Bal ist schon ein zäher Knochen, er bewegt sich kaum, dennoch stellt sich die Frage, ob derartige Kommentatorik hierhin gehört.
LG + GN
Dr. W
Naturphänomene
@Eli Schalom, 29. August 2014 15:26
»Sie schreiben dazu, aber in Antwort auf meinen Post:
“In untypischen Ausnahmefällen [gibt es Ähnlichkeit] sicherlich….«
Da haben Sie wohl was missverstanden. Der Bezug war Ihr Satz: „Sie schreiben in beiden Fällen “kann”, also kann in beiden Fällen auch die andere Variante gegeben sein“. Ich habe also zugestanden, dass in Ausnahmefällen auch der religiöse Glaube bzw. Glaube der Religiösen zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn beitragen kann.
Im Übrigen verwendet auch @Joachim Schulz das Wörtchen „kann“, und zwar ganz in meinem Sinne (Hvm):
Dieses war eben bei Kopernikus und Einstein der Fall, nicht aber bei Bernadette Soubirous.
Ich würde im Falle Einsteins und Kopernikus‘ diese „klare Vorstellung“ nun nicht als einen religiösen Glauben bezeichnen, den der Bernadette Soubirous aber schon. Das war mein Punkt. Ist vielleicht aber auch nur eine Frage des Geschmacks.
»Die Gotteserfahrung ist auf der Seite des Menschen, speziell in seiner materiellen, leibhaftigen Existenz, sehr wohl ein Naturphänom und nicht nur irgendeins, sondern DAS Phänomen seines Lebens überhaupt und kann folglich erforscht werden, ja muss es ebenso wie alle anderen, was aber auch seit Urzeiten geschieht.«
Erstens habe ich nirgendwo bestritten, dass die Gotteserfahrung ein Naturphänomen ist. Allerdings sind der Erforschung dieses Phänomens mangels direkter Beobachtungsmöglichkeit enge Grenzen gesetzt. Was da Ihrer Meinung nach seit Urzeiten erforscht wird, ist wohl etwas anderes.
»Allerdings so bewusst, dass man es Forschung nennen könnte, geschah das bislang eher nicht.«
Eben, ganz meine Meinung.
»Aber es lässt sich, wie man nun sieht, inzwischen feststellen, dass der Gottesglaube trotz all der Jahrtausende währenden Fehldeutungen vieler Phänomene doch erstaunlichen evolutionären Bestand entwickelt hat.«
Wieso „evolutionär“? Warum nicht „kulturell“?
Ihre Begründung, warum die Erklärbarkeit der Natur nicht etwas völlig anderes ist als der Glaube an eine göttliche Offenbarung, habe ich leider nicht verstanden. Ich dachte bei meiner Einlassung an jene göttliche Offenbarung, die es nicht wenigen Christen so schwer macht, Darwins Evolutionslehre zu akzeptieren.
@ Balanus
um nur diese eine Verdrehung zu nennen, weil die Aussage grundlegend ist:
Ich habe das in keiner Weise so nicht formuliert:
“Erstens habe ich nirgendwo bestritten, dass die Gotteserfahrung ein Naturphänomen ist.
Dass Sie das – so formuliert – nicht bestreiten, weiß ich wohl, aber genau das habe ich gerade nicht gesagt.
*korrektur:
“Ich habe das in keiner Weise so formuliert”
Dogmen fürwahrhalten?
@Joker, 28. August 2014 17:55
»Mir scheint, Du möchtest einen Euphemismus kreieren. Auf der wissenschaftlichen Seite gäbe es dann unvermeidliche und hilfreiche Überzeugungen, “Glaube an ein bestimmtes Weltsystem”. Auf der anderen Seite gäbe es nur zweifelhaftes Vertrauen (in überempirische Wesen), den minderwertigen religiösen Glauben, der “Wissen verhindern kann”.«
Ich möchte lediglich die verschiedenen Formen des Fürwahrhaltens nicht alle über einen Kamm scheren. Mir scheinen die Folgen, die mit einem bestimmten Fürwahrhalten verbunden sind, bedeutsamer als die Tatsache, dass in allen Fällen von „Fürwahrhalten“ die Rede ist.
»Eine auf der untersten Ebene getroffene – oder einem widerfahrene ? – basale Entscheidung, ist weder religiös noch wissenschaftlich,…«
Denkst Du hier an einem neurokognitiven Vorgang?
»…auch wenn sie sofort in das ein oder andere Weltsystem verzweigt.«
Mit anderen Worten: Ich kann mich für Rot oder Blau entscheiden, aber die basale Entscheidung, oder das basale Entscheiden, ist weder Rot noch Blau. So in etwa?
»Annahmen, die die Physik vorangebracht haben, wie die, dass alles eine Ursache hat, dass die Welt indeterminiert abläuft oder dass sich für alle Vorgänge mathematische Gesetze formulieren ließen, sind Dogmen – wie könnte man sie wiederlegen?«
Meines Wissens kennen die Naturwissenschaften nur ein Dogma, und das lautet (sinngemäß): Es gibt keine Dogmen in der Naturwissenschaft außer dem hier genannten.
Wenn z. B. eine Kugel ursachenlos von selbst losrollt (das soll es ja geben), dann hat schon mal nicht „alles“ eine Ursache. Ob die Welt insgesamt deterministisch oder indeterministisch regiert wird, dürfte Physikern ziemlich egal sein (es sei denn, sie sind philosophisch interessiert). Ich könnte mir auch vorstellen, dass es Physikern egal ist, ob tatsächlich „alle“ natürlichen Vorgänge mathematisch beschrieben werden können. Und so weiter und so fort, weit und breit kein Dogma in Sicht.
@ Balanus
“dieser b-Glaube […] ist doch wie ein leeres Gefäß” (hoffentlich korrekt, sinnerhaltend gekürzt)
Der Glaube ist nicht das Gefäß, und das Gefäß ist nicht leer, der Glaube strukturiert den Inhalt. Aus der amorphen Masse an bekannten Sätzen und bereits Erlebtem verfestigt sich ein verzweigtes Gebilde (oder auch mehrere, nicht unbedingt verbundene) mit stärkeren und schwächeren Gliedern.
Der b-Glaube bildet die ersten stabilen Kristallisationspunkte. Je nachdem was da anfangs ausgeflockt wird, werden sich nur noch selektiv andere Sätze anlagern, mittels des r-Glaubens eben solche aus bestimmten Büchern und Überlieferungen, bei einem wissenschaftlichen Kern hingegen die empirisch überprüften Sätze.
“Ich möchte lediglich die verschiedenen Formen des Fürwahrhaltens nicht alle über einen Kamm scheren.”
Du hinterlässt bei mir den Eindruck, dass du jede (!) Gemeinsamkeit zwischen wissenschaftlichen und religiösen Überzeugungen von vorneherein verneinst. Du investierst viel in die Terminologie, um dann begrifflich schon auszuschließen, was faktisch aber vielleicht doch der Fall ist. Es wirkt auf mich so, als wenn du darauf bestehen würdest, die Venus, wenn sie aus wissenschaftlichem Blickwinkel erscheint, Morgenstern zu nennen (oder wissenschaftliche Venus) und aus religiösem Blickwinkel, Abendstern (oder religiöse Venus), nur um dann fortsetzen zu können, schon daran ließe sich erkennen, dass das nicht dasselbe ist.
Wenn du nicht weißt, was ich mit meiner Unterstellung meine, was ich nicht unbedingt vermute, ersetze Venus durch Glaube oder Führ-Wahr-Halten, und ich nehme an, Du erkennst gewiss meine Überzeugung.
(Ich denke, alle wichtigen Vokabeln sind verarbeitet.)
Dass die Inhalte des Glaubens verschieden sind, ist unbestritten. Du müsstest aber zunächst zeigen, dass es tatsächlich “verschiedene Formen des Fürwahrhaltens” sind. Und dazu reicht es eben nicht – wieder in der Metapher gesprochen – darauf hinzuweisen, dass das Leuchten von Morgen- und Abendstern ja zu verschiedenen Zeitpunkten, unter jeweils ganz anderen Winkeln erscheint.
“Wenn z. B. eine Kugel ursachenlos von selbst losrollt (das soll es ja geben)”
Wer´s glaubt, wird selig.
Wie könnte man überprüfen (zeigen, beweisen), dass die dahinterstehenden mathematischen Überlegungen (die mir bekannt sind), die Welt, so wie sie ist, zutreffend beschreibt?
“Es gibt keine Dogmen in der Naturwissenschaft”
Die von mir angeführten Dogmen tauchen ganz sicher im Wissenschaftsbetrieb auf. Ich habe weder behauptet, dass diese grundlegend für Wissenschaft seien noch dass sie von allen Wissenschaftler akzeptiert würden. Sie können aber ebenso, wie die Beispiele, die Joachim Schulz im Artikel genannt hat, Motivation gewesen sein, um die Physik voranzutreiben. (Das Dogma des Indeterminsmus könnte zum Teil auch das Gegenteil bewirkt haben, wissenschaftlichen Fortschritt verhindert haben, ähnlich dem demotivierenden, “Gottes Wege sind unergründlich”.)
@Joker
»Du hinterlässt bei mir den Eindruck, dass du jede (!) Gemeinsamkeit zwischen wissenschaftlichen und religiösen Überzeugungen von vorneherein verneinst.«
Hm, das hätte nicht passieren dürfen, dass dieser Eindruck entsteht. Wenn es da Gemeinsamkeiten gibt, oder sagen wir so, was es da an Gemeinsamkeiten gibt (zum Beispiel die „Überzeugung“), wird von mir natürlich nicht bestritten.
»Du investierst viel in die Terminologie, um dann begrifflich schon auszuschließen, was faktisch aber vielleicht doch der Fall ist.«
Es ist doch in der Tat so, dass es gerade deshalb unterschiedliche Begriffe gibt, weil es Unterschiede in der Sache gibt. Meinen, Glauben und Wissen sind unterschiedliche Formen des Fürwahrhaltens (siehe Kant). Manche Begriffe, wie z. B. Glauben, haben zudem unterschiedliche, kontextabhängige Bedeutungen, was die Sache nicht einfacher macht.
Ich komme auf Joachims Beitrag zurück. Er schreibt (Hvm):
Auf der Gegenseite könnte es nun heißen:
»Eine klare Vorstellung davon zu haben, wie das Jenseits sein muss, kann eine starke Motivation bei der Lösung metaphysischer Fragestellungen sein.«
Das Gemeinsame hier ist klarerweise die unspezifische „klare Vorstellung“. Aber auf was es hier alleine ankommt, finde ich, ist der Gegenstand der Vorstellung, denn nur davon hängt es ab, ob nachfolgend physikalisches Wissen generiert werden kann oder nicht.
»Der b-Glaube bildet die ersten stabilen Kristallisationspunkte.«
Na bitte, sag ich doch: Von Anfang an werden die Weichen gestellt, da gibt es keinen Glauben, der nicht bereits in eine bestimmte Richtung weist. Ich würde hier allerdings die neurokognitive Sprechweise bevorzugen und eher von bestimmten, relativ stabilen Verschaltungen reden, die darüber entscheiden, ob Religiöses überhaupt geglaubt werden kann oder nicht.
»Ich habe weder behauptet, dass diese [aufgeführten Dogmen] grundlegend für Wissenschaft seien noch dass sie von allen Wissenschaftler akzeptiert würden.«
Zum Wesen eines Dogmas gehört aber doch der unumstößliche Wahrheitsanspruch. Und so etwas ist den Wissenschaften wesensfremd.
Auch die Annahme, dass das Universum physikalisch geschlossen ist, gilt nur solange, bis sich eine echte physikalische Lücke zeigt.
@ Balanus
“Es ist doch in der Tat so, dass es gerade deshalb unterschiedliche Begriffe gibt, weil es Unterschiede in der Sache gibt”
Abgesehen von Eigennamen oder starren Designatoren werden viele abstrakte Begriffe erfunden, wie sie z.B. bei der Schaffung von Klassifikationssystemen verwendet werden. Dabei muss man von individuellen Unterschieden abstrahieren, Gemeinsamkeiten gesucht, gefunden und benannt werden.
War es nicht gerade Darwins herausragende Leistung, über die offensichtlichen Unterschiede hinaus, die Gemeinsamkeiten zu erkennen. Wo andere auf die leicht erkennbaren Unterschiede pochten, z.B. die zwischen Mensch und Tier, hat er gemeinsame Wurzeln entdeckt und beschrieben. Was wäre geworden, hätte er nur die zusätzlich entdeckten Detailunterschiede stets betont und als wesentlich betrachtet?
Es ist meine Überzeugung, bei vorurteilsfreier Betrachtung könnten noch viele weitere Gemeinsamkeiten wissenschaftlichen und religiösen Glaubens und Denkens entdeckt werden.
»Der b-Glaube bildet die ersten stabilen Kristallisationspunkte.« (@Joker)
“Ich würde hier allerdings die neurokognitive Sprechweise bevorzugen” (@Balanus)
Ja, meine Sprechweise trägt nicht weit. Wir sollten vielleicht die Entwicklungsgeschichte eines Menschen anschauen. Wie zimmern Kinder ihr Weltbild zusammen? Wie groß ist der Anteil an Empirie, wie groß der Anteil von sprachlichen Überlieferungen, welche Rolle spielt Vertrauen?
Noch konkreter, von der Psychologie weg, hin zur “neurokognitiven Sprechweise”: Welche hirnphysiologischen Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit ein Kind nicht an den Weihnachtsmann glauben kann?
Das Identifizieren der “bestimmten, relativ stabilen Verschaltungen […], die darüber entscheiden, ob Religiöses überhaupt geglaubt werden kann” wird letztlich auch helfen, die Grundlagen der Physik und naturwissenschaftlichen Denkens besser zu verstehen.
@Joker
»War es nicht gerade Darwins herausragende Leistung, über die offensichtlichen Unterschiede hinaus, die Gemeinsamkeiten zu erkennen.«
Und umgekehrt hat er über das offensichtlich Gemeinsame hinaus die Unterschiede herausgearbeitet. Es gehört eben beides zusammen, das Gemeinsame und das Unterschiedliche.
Worum es hier in Joachims Artikel aber geht, ist doch, ob ein bestimmter Effekt (Wissen) primär mit den Gemeinsamkeiten oder durch die Unterschiede hinsichtlich der Glaubensüberzeugungen erklärt werden kann.
Anders gefragt: Liegt es an den Gemeinsamkeiten, dass im Falle von Glaube A oft Wissen folgt, im Falle von Glaube B aber fast nie? Oder müssen wir hier doch die Unterschiede in den Blick nehmen.
@Joachim scheint für diese unterschiedlichen Ergebnisse vor allem die jeweilige methodische Vorgehensweise verantwortlich zu machen, die der jeweilige Glaube nach sich zieht. Ich habe da meine Zweifel.
Stehen z. B. die Theorien des Intelligent Design tatsächlich außerhalb der Wissenschaft, wie Joachim meint? Es hängt zwar auch davon ab, wie weit oder eng man Wissenschaft definiert, aber wenn ein Mensch wie Michael J. Behe („Darwin’s Black Box“; „The Edge of Evolution“) vorrechnet, dass bestimmte biologische Dinge nicht (allein) durch Evolutionsprozesse erklärt werden können, dann mag das alles fehlerhaft sein, aber rein methodisch könnte das durchaus noch unter den Begriff Wissenschaft fallen. Es wäre dann eben bloß schlechte Wissenschaft.
@ Balanus
Wie soll ich deinen letzten Absatz verstehen? Du meinst auf das Nachrechnen verzichten zu können? Du weißt, dass Behes Berechnungen fehlerhaft sind, weil sie ausgehend von religiösen Überzeugungen durchgeführt wurden, von denen Du weißt, dass daraus nie etwas zu Wissen werden kann?
Nehmen wir an, Behes Berechnungen würden stimmen. Wäre das nicht Motivation genug, um verfeinerte Modelle der Evolution zu entwickeln? Wenn auch dies gelingen würde, wäre es nicht einfach ein weiteres Beispiel dafür, wie “das unbedingte Für-Wahr-halten einer Aussage, die man nicht beweisen kann” zu Wissen führen kann.
Zur Beruhigung, bedenke, auch die im Text aufgeführten metaphysischen (*) Annahmen, die “Harmonie der Naturgesetze”, “die Welt [folgt] einfachen Strukturen”, wurden nicht bewiesen, eher sogar falsifiziert.
Das Intelligent Design selbst nicht, aber die zu dessen Untermauerung entwickelten Rechnungen könnten durchaus ihren festen Platz in den Wissenschaft finden.
(*)
Die weiter oben von Dir im Fettdruck vorgenommene Assoziation – Welt / physikalisch , Jenseits / metaphysisch – ist etwas irreführend. Auch wenn man über das Jenseits wohl kaum physikalische Theorien aufstellen kann, sind viele metaphysische Vorstellungen auf die Welt bezogen. Auch die wenigsten religiösen Überzeugungen beziehen sich auf das Jenseits, die meisten auf die Welt.
Beipflichten möchte ich Dir zu dem ebenfalls dort oben geäußerten: “[A]uf was es hier alleine ankommt […], ist der Gegenstand der Vorstellung”. (Bei Behe eben die Evolution.)
PS. Wenn Behes Berechnungen stimmen würden, aber auch keine modifizierte Evolutionstheorie dies erklären könnte, wäre das eine “echte physikalische Lücke”?
Gerade ist mir klar geworden, wie ich die Frage zum letzten Absatz wohl besser formuliert hätte.
Das Kriterium, das Joachim Schulz für Wissenschaftlichkeit angibt (die verwendeten Methoden), schließt möglicherweise Intelligent Design nicht aus, während Dein Kriterium (Wissenschaft kann nicht von religiösem Glauben ausgehen) das gewünschte Resultat liefern würde – sogar unabhängig davon, ob Behes Berechnungen stimmen oder nicht. Deswegen hältst Du Dein Kriterium für das geeignetere.
Wolltest Du uns das sagen?
@Joker
»Das Kriterium, das Joachim Schulz für Wissenschaftlichkeit angibt (die verwendeten Methoden), schließt möglicherweise Intelligent Design nicht aus, während Dein Kriterium (Wissenschaft kann nicht von religiösem Glauben ausgehen) das gewünschte Resultat liefern würde – sogar unabhängig davon, ob Behes Berechnungen stimmen oder nicht. Deswegen hältst Du Dein Kriterium für das geeignetere.
Wolltest Du uns das sagen? «
Ich wollte sagen: Wissenschaftlichkeit resultiert aus den angewendeten Methoden. Das sehe ich wie Joachim Schulz. Und genau deshalb könnte es eben sein, dass ein IDler wie M. J. Behe Wissenschaft betreibt, auch wenn sie offensichtlich schlecht ist (falsche Annahmen, falsche Schlussfolgerungen, etc.).
Nehmen wir z. B. Charles Darwin. Angenommen, es wäre so gewesen, dass er motiviert durch seinen religiösen Glauben an die göttliche Schöpfungsgeschichte seine wissenschaftlichen Forschungen begonnen hätte. Dann hätte der Glaube eines (anfangs) Religiösen zu Wissen geführt.
Mit M. J. Behe wäre das im Prinzip genauso möglich. Wenn seine Forschungen valide wären, hätten die Evolutionsbiologen ein Problem. Sie würden dann natürlich nach einer natürlichen Erklärung suchen. Aber wenn es definitiv keine gäbe, hätte Behe praktisch bewiesen, dass außerempirische Mächte direkt in das Evolutionsgeschehen eingegriffen haben. Was vermutlich auch massive Konsequenzen für die Quantenphysik hätte. Die Welt wäre nicht mehr physikalisch geschlossen.
@ Balanus
“Wissenschaftlichkeit resultiert aus den angewendeten Methoden” und es besteht die Möglichkeit, dass “der Glaube eines Religiösen zu Wissen” führt.
Dann sind wir uns einig. Ich kann es nicht glauben.
@ Balanus
“wenn es definitiv keine [wissenschaftliche Erklärung für ein bestimmtes Phänomen] gäbe”
Wie könnten Wissenschaftler mit ihren Methoden herausfinden, ob dieses “definitiv” zutrifft?
@Joker
»Wie könnten Wissenschaftler mit ihren Methoden herausfinden, ob dieses “definitiv” zutrifft?«
Gar nicht. Mein „definitiv“ war eher metaphysisch gemeint, oder synonym zu „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“.
Ich habe mich auch schon gefragt, wie lange man in einem solchen Fall in den Naturwissenschaften sagen würde: Wir haben die natürliche Erklärung bislang nur noch nicht gefunden.
@ Balanus 2.September 2014 12.00
“Na bitte, sag ich doch: Von Anfang an werden die Weichen gestellt, da gibt es keinen Glauben, der nicht bereits in eine bestimmte Richtung weist.“
…doch gibt es
“ Ich würde hier allerdings die neurokognitive Sprechweise bevorzugen und eher von bestimmten, relativ stabilen Verschaltungen reden, die darüber entscheiden, ob Religiöses überhaupt geglaubt werden kann oder nicht.“
Das ist nicht einfach nur eine Sprechweise, die “relativ stabilen Verschaltungen“ tun dies gerade nicht. Sie sind lediglich das Instrument dafür. Das kann natürlich für die Umsetzung mehr oder weniger gut sein.
…sorry, konnte es nicht lassen, so kurze Statements werden Ihnen sicher nicht weiterhelfen….. muss mich leider dennoch ausklinken.
Das hast Du richtig erkannt, @Joker
*Du hinterlässt bei mir den Eindruck, dass du jede (!) Gemeinsamkeit zwischen wissenschaftlichen und religiösen Überzeugungen von vorneherein verneinst.*
und er tut es aus guten, mehrfach dargelegten Gründen, die Du anscheinend nicht zur Kenntnis nehmen willst:
*Wie könnte man überprüfen (zeigen, beweisen), dass die dahinterstehenden mathematischen Überlegungen (die mir bekannt sind), die Welt, so wie sie ist, zutreffend beschreibt?*
In dem man die ERGEBNISSE (Grundannahmen + Mathematik) mit dem EXPERIMENT (Kochrezept) vergleicht, @Joker. Das machen Leute tatsächlich. Frage doch einfach mal unseren Blogbetreiber, Herrn Joachim Schulz.
Es gibt keine Dogmen in den Naturwissenschaften, @Joker. Solltest Du anderer Meinung sein, nenne doch möglichst präzise nur ein einziges.
Der Rest “amorphen Masse … verfestigt sich ein verzweigtes Gebilde … stärkeren und schwächeren Gliedern … b-Glaube … stabilen Kristallisationspunkte … anfangs ausgeflockt … selektiv andere Sätze anlagern … mittels des r-Glaubens” ist bestenfalls Dein Glaubensbekenntnis.
@ albert
“Das hast Du richtig erkannt”
Wenn ich das richtig erkannt hätte, dass @Balanus die diskutierte Gemeinsamkeit “von vorn[]herein” verneint, dann würde er dogmatisch vorgehen.
“In dem man die ERGEBNISSE … mit dem EXPERIMENT …vergleicht”
Damit Du leichter nachvollziehen kannst über was wir reden, der Versuchsaufbau ist in etwa hier beschrieben: “Causation as Folk Science”; John D. Norton;
http://www.pitt.edu/~jdnorton/papers/003004.pdf
“Frage doch einfach mal unseren Blogbetreiber”
Da brauche ich Joachim Schulz nicht zu belästigen. Einen Versuch so zu gestalten, dass ein Ball von allen potentiellen Ursachen abgeschirmt ist, die ihn in Bewegung versetzten könnten, inclusive aller molekularen Eigenbewegungen, das wird knifflig. (Bedenke auch, schon eine Fehlertoleranz nur einer einzigen möglichen Ursache würde es unmöglich machen, das, was falsifiziert werden soll, zu falsifizieren.)
“nenne doch möglichst präzise nur ein einziges [Dogma in den Naturwissenschaften]”
Ein Dogma: Die physikalische Welt ist abgeschlossen.
guten abend joker,
wenn es dir um’s rechthaben geht, sind diskussionen sinnlos. es hat doch ganz und gar nichts mit dogmatik zu tun, wenn jemand wohl begruendet eine andere meinung hat – die betonung liegt auf “wohl begruendet” – die gruende nennt und zur diskussion stellt.
ich interpretiere dein argument so, dass du das prinzip “vergleich mit dem experiment”, um theorien zu verifizieren oder falsifizieren, nicht an sich in frage stellst, sondern lediglich bezweifelst, dass es in jedem fall umsetzbar ist. als gruende fuehrst du eigenbewegungen und messfehler an. richtig, @joker?
was soll das bedeuten, die physikalische welt ist abgeschlossen? das es nichts mehr unbekanntes zu entdecken gäbe?
@ albert
“richtig, @joker?”
Es ist ganz sicher, dass Experimente nicht bei jedem interessanten Streitfall durchgeführt und zur Klärung hinzugezogen werden können, aus den unterschiedlichsten Gründen.
“was soll das bedeuten, die physikalische welt ist abgeschlossen? das es nichts mehr unbekanntes zu entdecken gäbe?”
Nein, sondern dass Physiker immer nur nach physikalischen Lösungen suchen. Wenn sie eine zunehmende Expansionsgeschwindigkeit des Universum feststellen, werden Sie den Teufel tun, das göttlicher Magie zuzuschreiben.
guten abend joker,
“nicht jeder interessante streitfall” ist ja doch recht wage. sei versichert, dass wenn man eine aussage ueber die natur taetigt, man immer gut beraten ist diese aussage mit der wirklichkeit zu vergleichen. bevor man also glaubt, dass doppelt so schwere koerper doppelt so schnell fallen, weil sie die doppelt kraft spueren, sollte man sie fallen lassen. das gilt genauso fuer folgerungen, die sich aus scheinbar evidenten annahmen ergeben. ob es einem nun heute schon gelingt, oder morgen ist dabei nicht wichtig.
es gibt leute die glauben, dass kalorien kleine gemeine undichtbare tierchen sind, die jeden abend die kleidung enger naehen. andere glauben das es etwas mit dem brennwert der nahrung zu tun hat. erstmal koennten beide recht haben, wenn es nun den letzteren gelingt mit ihrer brennwerttheorie noch viele andere phaenomene zu erklaeren, kann man zwar immer noch nicht widerlegen, dass es die tierchen nicht gibt, aber irgendwann steht man halt mit seinem glauben alleine da. das nennt man glaube. kaemen der tierchenglaeubige auf die idee weitere voraussagen zu machen, dann muesste er sich deren ueberpruefung gefallen lassen. wuerde sie scheitern, haette er ein problem mit seinem glauben. so einfach ist das.
die physiker koennen die beschleunigte nicht konstante expansion nicht erklaeren, aber sie arbeiten daran. sie sind ueberzeugt, dass sie nicht durch gott verursacht ist. es steht dir frei sie vom gegenteil zu ueberzeugen, allerdings wollen sie von dir eine ganze theorie haben, die du nicht liefern kannst. sobald einer eine theorie dazu liefert, die dieses phaenomen und alle/viele andere beschreibt wird sie akzeptiert. sonst eben nicht. es ist genauso wie mit den kalorientierchen.
nun magst du denken, dass es in den naturwissenschaften das dogma gaebe jede aussage mit der natur zu vergleichen. das ist aber kein dogma sondern eine notwenigkeit, die sich aus dem erklaerten ziel ergibt die natur zu beschreiben und dazu muss ich nun mal durch vergleich pruefen ob die beschreibung richtig ist.
ich wuerde die diskussion nun gerne beenden, da wir meines erachtens nicht weiterkommen.
dein von dir zitierter philosophie professor macht uebrigens den selben fehler wie du. er argumentiert, dass es kausalitaet nicht geben kann. anders wird ein schuh draus. ich rechne mit kausalitaet und vergleiche, da es stimmt muss meine annahme der kausalitaet richtig sein. seine einzige chance bestuende darin, nicht kausal zu schliessen und eine voraussage zu treffen, die nicht mit der heutigen theorie uebereinstimmt, denn diese stimmt bei den von ihm betrachteten kugeln immer. hat er nicht gemacht und deshalb setzen, sechs.
summa summarum bin ich der festen ueberzeugung, dass man vergleichen muss, wenn man ueber die natur spricht und du hast mit keinem deiner argumente auch nur den hauch eines zweifels geweckt.
@ Chrys
(zu 31. August 2014 17:23; https://scilogs.spektrum.de/quantenwelt/glauben-fuehrt-zu-wissen/#comment-7075)
“Ich hege die Vermutung, dass Dein “Für-Wahr-Halten” dasselbe meint wie meine “Gewissheit””
Könnte sein, aber nur wenn deine Gewissheit nicht eine der (mindestens) zwei Gewissheiten des Kant-Lexikons ist. Dort wird ja behauptet, der Glaube hätte “seine eigene (subjektive) Gewißheit”.
“Trifft [das Beispiel aus dem richtigen Leben] das, was Dir vorschwebt?”
Ja, das ist der psychologische Teil der Angelegenheit, bzw. es entspricht dem dazugehörigen “neurokognitiven Vorgang” (@Balanus).
“Doch was heisst das dann hinsichtlich “Glauben führt zu Wissen”?”
anything goes
@Joker
Wer »das Für-Wahr-Halten normativer Aussagen für kategorischen Unsinn« hält, legt eine Verwendung von “Für-Wahr-Halten” fest und trifft damit eine Unterscheidung, ob nun gewollt oder nicht. Es braucht dann mindestens noch eine Art des “Für-Richtig-Haltens” von Normen. Das ist auch nicht anders als bei der “Gewissheit” à la Kant.
Die heilige Maria der Bernadette Soubirous und die supernatural beings jenes Mathematikers (hast Du ihn erkannt?) haben ziemlich sicher eine Gemeinsamkeit, die gemeinhin als psychische Störung bezeichnet wird. Solche Störungen können auch zum Erleben unbedingter Gewissheit führen und gehören dann ebenfalls zur Frage nach dem Glauben. Das sollten wir berücksichtigen.
Dem Wort ‘Glauben’ unterliegt so gar kein einheitliches Muster, das man herausdestillieren könnte. Vielmehr ist es gekennzeichnet durch das, was Wittgenstein Familienähnlichkeiten genannt hat. In seinen Philosoph. Untersuchungen, die Dir geläufig sein dürften, exemplifiziert er dies folgendermassen für ‘Spiele’:
Das passt aus meiner Sicht hervorragend, wenn ich da ‘Spiele’ sinngemäss durch ‘Glauben’ ersetze.
@ Chrys
“Es braucht dann mindestens noch eine Art des “Für-Richtig-Haltens” von Normen.”
Das halte ich für richtig und wahr.
Allerdings hielte ich es für fatal, wolle man für jede Differenz, jede unterschiedliche Instanziierung der Valenzen X und Y in dem Satz “X hält Y für wahr” eine neue Art des Für-Wahr-Haltens postulieren. Wenn Y ein deskriptiver Satz ist, halte ich eine weitere Unterteilung zunächst nicht für hilfreich.
Auch wenn ich diese Unterscheidung, deskriptiv /präskriptiv, für wichtig erachte und deswegen denen folge, die sich dafür auf zwei diesbezügliche Halte-Begriffe, Für-Wahr / Für-Richtig, verständigt haben, so schließe ich damit keinesfalls aus, dass es neben der Differenz auch weiterhin wesentliche Gemeinsamkeiten gibt.
Im Übrigen wird ein Werterealist immer noch einige Normen für wahr halten, wobei dessen Für-Wahr-Halten genau dem meinigen entspricht. Ich streite mich mit ihm doch nicht über die Bedeutung des Für-Wahr-Haltens, sondern über den ontologischen Status von Werten.
“hast Du ihn erkannt?”
Den Film “Beautiful Mind” habe ich gesehen, konnte mich sogar dunkel an das Zitat erinnern, aber letztlich musste ich ihn ergoogeln.
“Die heilige Maria …”
Abgesehen davon, dass in erster Linie nicht die heilige Maria und die supernatural beings eine psychische Störung haben, gilt, dass viele, denen die Existenz überempirischer Wesen gewiss ist, gemeinhin nicht als psychisch gestört zu betrachten sind. Auch das sollten wir berücksichtigen.
“Dem Wort ‘Glauben’ unterliegt so gar kein einheitliches Muster
Ja, es gibt keinen Königsweg, wie man zu Wissen über den Glauben kommt – oder über Glauben zu Wissen – glaube ich, zu wissen.
@Joker
Anzumerken wäre dazu vielleicht noch, dass die Familienähnlichkeit nicht nur ‘Glauben’ im allgemeinen, sondern auch ‘religiösen Glauben’ und ‘Religiosität’ im besonderen betrifft. Und das gilt selbst dann, wenn man sich nur auf die empirischen Aspekte von Religiosität beschränkt. Wie der Religionspädagoge Manfred Pirner unter Berufung auf weitere Quellen bemerkt, “[ist] Religiosität immer diskursiv und kontextuell zu bestimmen” (vgl. M. Pirner, Religiosität als Gegenstand empirischer Forschung [PDF]).
Kurzum, von so etwas wie einem ‘religiösen Glauben’ schlechthin, aufgefasst als ein idiosynkratisches Feature, das sich auf diese oder jene Weise manifestiert und als vielgestaltige Ausprägung ein- und desselben Gegenstandes betrachten liesse, kann gar keine Rede sein. Hingegen ist das, was dann als ‘Religosität’ bezeichet wird, stets diskurs- und kontextabhängig konstruiert.
N.B. Was Pirner schreibt, wirft natürlich einige Fragen auf hinsichtlich der schlichten “NdG-Formel” (Religiosität als Glaube an überempirische Agenten). Diese Formel definiert zudem kein empirisch, geschweige denn demographisch feststellbares Merkmal. In seinem finalen NdG-Kommentar war das auch von @Balanus als Kategorienfehler so angesprochen worden, woraufhin bekanntlich postwendend seine Aussperrung erfolgte.
@Chrys
»N.B. Was Pirner schreibt, wirft natürlich einige Fragen auf hinsichtlich der schlichten “NdG-Formel” (Religiosität als Glaube an überempirische Agenten).«
Ich finde diese Formel an sich gar nicht schlecht, gerade weil sie schlicht ist. Aber man muss dann natürlich auch die Implikationen, die eine solche Formel mit sich bringt, beachten.
An was hat wohl @Joachim gedacht, als er im Beitrag vom „Glauben der Religiösen“ schrieb? An diese schlichte “NdG-Formel” sicher nicht.
((Die Wendung „finale[r] NdG-Kommentar“ gefällt mir… Ich finde, ich habe mir da nichts vorzuwerfen und werde mein Schicksal als verbannter Wissenschaftler aufrecht und mit Würde zu tragen wissen))
@Balanus
»Ich finde diese Formel an sich gar nicht schlecht, gerade weil sie schlicht ist.«
Die Probleme mit einer solchen Definitionsformel werden auch von Pirner thematisiert.
Die Formel ist demnach jedenfalls nicht geeignet, Religiosität als einen Gegenstand empirischer Forschung zu erfassen. Andererseits strebt Michael Blume mit der Formel gerade an, Religiosität in den empirischen Kontext Darwinscher Evolution zu stellen. Und dass genau da der Hund begraben liegt, wurde im “finalen Kommentar” zur Sprache gebracht (»Mein Argument oder meine Behauptung ist, dass Religiosität (= Glaube an überempirische Mächte) kategorial verschieden ist von biologischen, erblichen Merkmalen.«). Vor dem Hintergrund von Pirners Essay ist anzunehmen, dess jemand wie er solche Einwände ebenfalls geltend machen würde.
»An was hat wohl @Joachim gedacht, als er im Beitrag vom „Glauben der Religiösen“ schrieb? An diese schlichte “NdG-Formel” sicher nicht.«
Joachim kam es wohl in erster Linie darauf an, exemplarisch einen Gegenpol zu einer auf Wissen beruhenden Gewissheit zu nennen. Alternativ hätte er dazu auch die Gewissheit über die Richtigkeit und Rechtmässigkeit der UN Deklaration der Menschenrechte anführen können. Das beruht schliesslich ebensowenig auf logisch-empirischem Wissen, aber auch nicht auf religiösem Glauben, sondern vielmehr auf dem, was bei Kant die praktische Vernunft heisst. In diesem Falle wäre die nachfolgende Diskussion sicherlich anders verlaufen. Mit Bezugnahme auf Religion öffnet man leicht eine “can of worms”, das ist stets zu bedenken.
Mir ist nur aktuell keine physikalische Theorie geläufig, die auf diese Gewissheit beruht.
@Chrys
»Die Probleme mit einer solchen Definitionsformel werden auch von Pirner thematisiert.«
Sorry, das verstehe ich jetzt nicht. In der zitierten Textstelle scheint es mir um andere Religiositätsdefinitionen, als wie Michael Blume sie für seine Zwecke verwendet. Diese (M.B.s) Religiosität lässt sich kaum direkt beobachten, man muss sie erfragen bzw. sprachliche Äußerungen als Indiz nehmen (inwieweit von bestimmten Ritualen sicher auf die so definierte Religiosität geschlossen werden kann, wäre im Einzelfall zu klären—hier spielt unser Vorwissen möglicherweise ein wichtige Rolle (als Störfaktor).
Wenn wir in Joachims Beitrag „Glauben der Religiösen“ ersetzen durch „Glaube an überempirische Agenten oder Akteure“, und das dann so verstehen, dass diese Akteure in das physikalische Geschehen eingreifen (was sonst, andernfalls wären es keine Akteure), dann würde die Headline „Glauben führt zu Wissen“ doch in einem etwas anderen Licht erscheinen, oder nicht?
Wenn der Akteur physikalisch eingreift, ist er nicht metaphysisch (“überempirisch”, übersinnlich) “unterwegs”. Wenn ich also Akteure vermute, die mir ab und an Socken stehlen, dann sind die ja gerade nicht überempirisch (übersinnlich). Auch eine Stimme, die mir eine Liste mit zehn Normen diktiert, ist nicht überempirisch, denn ich nehme sie ja sinnlich wahr.
Ich persönlich halte die Bezeichnung “überempirischer Akteuer” für einen leeren Begriff. Ich weiß auch gar nicht, wozu man die Bezeichnung braucht. Um den Gläubigen zu bezeichnen, reicht die Bezeichnung “Gläubiger”. Und wenn man wissen will, was der Gläubige glaubt, dann lässt man sich den Narrativ erzählen.
Wenn man aber Nachweisen möchte, dass Glauben eine feine Sache ist, dann geht man besser so vor: Man nehme aus der Menge der mit Religion/Religiosität korrelierenden Dinge, die guten heraus und publiziere die Korrelation in reichweiten Medien. Solches Berichterstattertum hat gegenüber dem wissenschaftlichen Arbeiten erstens den Vorteil, sich nicht der Narrative wegen dauernd fazialpalmieren zu müssen, und zweitens, dass man sich bei allen beliebt macht, die Frömmigkeit für nützlich halten, wenn sie auch selbst nicht von ihr befallen sind.
Den Begriff der Religion oder der speziellen Rückgebundenheit, typischerweise außerempirische (für Herrn Dr. Blume: ‘überempirische’) Akteure meinend oder einschließend, gibt es genau deshalb, weil einige oder viele fanden, dass es sich auf Basis einer geeigneten Systemgranularität (das Fachwort, wichtich zu verstehen, ansonsten muss nicht weiter debattiert werden zu Religionsfragen oder generell) [1] derart kommunikativ sinnhaft austauschen lässt.
Begriffe und Konzepte werden nicht von Einzelpersonen gebildet und durchgesetzt, sondern qua Menge. Was nicht immer sachnah sein muss, aber aus Sicht des Schreibers dieser Zeilen, der die sog. Schwarmintelligenz schätzt, sich nicht anders ergeben kann. Sofern nicht dem Elitismus und dem anti-freien Austausch gehuldigt werden soll, natürlich nur.
Es gibt also die Religion.
In etwa auch so wie es den Liberalismus, den Kollektivismus, den Islam, die GEZ-Abgabe und Nachbars Lumpi gibt, der nebenan bellt (und gelegentlich beißt), gibt.
Jeweils bestimmte Unschärfen berücksichtigend, Erkenntnissubjekte erfassen ausschnittsartig, näherungsweise und interessengebunden, selbst politisch und außerhalb der bekannten (Natur-)Wissenschaftlichkeit.
Sich belästigt fühlende Individuen, Religonen betreffend, machen also (erkenntnistheoretisch) zumindest nicht demzufolge etwas falsch, als dass sie nicht in der Lage sind Religionen zu erkennen, wie einige Elit(ar)isten meinen.
Der Agnostiker oder Atheist behandelt Religionen denn auch ganz bevorzugt als politische Systeme.
MFG
Dr. W
[1] “Es gibt nicht den, das oder die X” ist demzufolge ein in sich lauer Vortrag.
@Joachim
Dir ist mit Sicherheit auch keine physikalische Theorie geläufig, die auf der Gewissheit religiösen Glaubens beruht. Und wovon auch immer Einstein in bezug auf physikal. Sachverhalte überzeugt gewesen sein mag, ohne dass ihm ein nachvollziehbares Wissen darüber zur Hand war, so hat das mit dem Glauben im religiösen Sinne eigentlich nichts zu tun, sondern ist eher ein intuitives Erfassen logisch vorstellbarer Zusammenhänge, das zudem auf bereits vorhandenem Wissen aufbaut. In der Tat ist es wohl so, wie Christian Hoppe schreibt, »dass sich die Religionen diesen Begriff [Glauben] unter den Nagel gerissen und für sich vereinnahmt haben.« Und beipflichten würde ich ihm auch hier: »Für den gesamten “weltanschaulichen” Teil behaupte ich also, dass religiöser Glaube prinzipiell unverträglich ist mit Wissenschaft: sie vertragen sich auf der Mentalitäts- und Methodenebene nicht.
—
@Dr. Webbaer
»Es gibt also die Religion.«
Einmal abgesehen davon, dass dies ein Scheinsatz ist (ein Scheinsubjekt “es” tut da scheinbar irgend etwas), gibt es weder die Religion noch die Religiosität schlechthin. Übereinstimmend mit Pirner liesse sich dagegen einwenden, diese Behauptung “suggeriert eine Objektivierbarkeit von Wirklichkeit, die wir nicht zur Verfügung haben, und verkennt den konstruktiven Charakter der beiden Begriffe.”
—
@Balanus
»Diese (M.B.s) Religiosität lässt sich kaum direkt beobachten, man muss sie erfragen bzw. sprachliche Äußerungen als Indiz nehmen …«
Ja, und genau das sagt Pirner über jeden Definitionsversuch, demzufolge Religiosität “ein konstitutives subjektives Element des „Glaubens“, der „religiösen Erfahrung“ oder der „Authentizität“ beinhaltet.” Dieses konstitutive subjektive Element lässt sich im “Glauben an überempirische Akteure” zweifellos wiederfinden.
»Wenn wir in Joachims Beitrag „Glauben der Religiösen“ ersetzen durch „Glaube an überempirische Agenten oder Akteure“, und das dann so verstehen, dass diese Akteure in das physikalische Geschehen eingreifen (was sonst, andernfalls wären es keine Akteure), dann würde die Headline „Glauben führt zu Wissen“ doch in einem etwas anderen Licht erscheinen, oder nicht?«
Das scheint mir auch so.
Ich habe sogar eine genannt. Kopernikus’ Theorie, dass die Sonne im Mittelpunkt des Planetensystems steht, hat er selbst religiös begründet.
Mal unterstellt, es wäre so: Zuvor wurde ebenso religiös begründet, dass die Erde im Mittelpunkt der Welt steht. Wir haben also eine vorkopernikanische und eine widersprechende nachkopernikanische Ansicht und beide wurden religiös begründet. Merken Sie es auch? Man kann sich mit religiösen Begründungen nichts kaufen. Sie können nämlich – das ist das Kennzeichen richtiger Begründungen – die Richtigkeit des Begründeten nicht bewirken.
@Joachim
Die Idee zum heliozentrischen System ist Kopernikus nicht als religiöse Offenbarung gekommen, die hatten schon etliche andere vor ihm, was ihm durchaus bekannt war. Er hat auch keinen Anspruch auf Originalität für diese Idee erhoben (vgl. C. M. Linton, From Eudoxus to Einstein: A History of Mathematical Astronomy, CUP, 2004, p. 120f). Kopernikus’ Leistung liegt darin, als erster diese Idee mathematisch ausgearbeitet zu haben, sodass Vorhersagen für Observationen möglich wurden.
Im 16. Jhdt. war es allerdings angeraten, gelegentlich darauf hinzuweisen, dass alles mit dem rechten Glauben zugeht.
Ein anderer Fall, Georg Cantor hat bekanntlich irgendwann geglaubt, die Mengentheorie sei ihm offenbart worden. Aber das war erst nach seinem Zusammenbruch, wo er an psychischen Störungen litt, die nicht minder tragisch waren als bei John Nash. Cantors vermeintiche Offenbarungen wären also auch kein Beleg dafür, dass religiöser Glauben zu Wissen führen könnte.
Seit wann reden wir hier denn von Offenbarungen? Ich klinke mich hier jetzt aus. Alles wesentliche ist wohl besagt worden.
@Joachim
»Seit wann reden wir hier denn von Offenbarungen?«
Offenbarungen sind doch — zumindest nach theologischem Verständnis — ein Weg, auf dem religiöser Glauben zu Einsichten oder gar Wissen führt. Wenn nicht so, wie sonst hat es Kopernikus denn religiös begründet? Dass er andererseits auch ganz pragmatische Motive hatte, sich keinen Ärger mit der Inquisition einzuhandeln, halte ich allerdings für naheliegend.
Du erwähnst die Harmonie der Naturgesetze. Harmonie war insbesonere für Ptolemäos und später Kepler ein wichtiger Aspekt. Das mag auch für Kopernikus eine Rolle gespielt haben (dazu weiss ich jetzt keine Quelle, bei Linton habe ich bei diagonaler Durchsicht konkret nichts gesehen). In jedem Falle würde ich Harmonie aber doch zum Bereich der Aesthetik zählen, dazu braucht es keinen religiösen Glauben. Beispielsweise,
G. H. Hardy war Atheist.
@ Chrys :
Nicht, wenn wie oben erklärt worden ist, mit Begriffen hantiert wird. – Aussagen wie ‘Man wird nicht als Frau geboren’, ‘Es gibt nicht die Religion’, ‘Es gibt nicht den Islam’ etc. sind politisch, konkret: neomarxistisch angeleitet, der Neomarxismus hat den Konstruktivismus soz. teilweise verstanden.
HTH
Dr. W
PS, weil’s passt und so schön war:
‘Im Deutschen gibt es kein generisches Maskulinum und die „generische“ Verwendung maskuliner Formen bringt keinen praktischen Vorteil mit sich.’ (Quelle)
Überempirisches
@Chrys
»Ja, und genau das sagt Pirner über jeden Definitionsversuch, …«)
Abermals sorry, Pirner spricht bloß von den „meisten“ Definitionsversuchen.
Wenn ich jemanden frage, ob er/sie an das Wirken überempirischer Akteure/Agenten glaubt, und er/sie antwortet mit Ja oder Nein, dann ist die Sache genauso eindeutig, als wenn ich gefragt hätte, ob er/sie gerne das Wort zum Sonntag hört. Mit einem »konstitutive[n] subjektive[n] Element des „Glaubens“, der „religiösen Erfahrung“ oder der „Authentizität“ « (Pirner) scheint mir das rein gar nichts zu tun zu haben.
@Ano Nym
»Wenn der Akteur physikalisch eingreift, ist er nicht metaphysisch (“überempirisch”, übersinnlich) “unterwegs”.«
Indeterministische und zufallsbedingte Vorgänge ziehen überempirische Akteure magisch an. Hier können sie wirken, ohne aufzufallen. Woher wollen Sie wissen, dass bei den neuronalen Aktivitäten nicht hin und wieder ein bisschen nachgeholfen wird? Oder bei der Verteilung des genetischen Materials, bei Mutationen, bei der Entscheidung, welches Spermium das Rennen macht?
Noch zu Ihrem Tipp zum „herrschaftsfreien“ diskutieren:
Mein Anliegen auf NdG war aber gerade, den Blogger auf den Pfad der wissenschaftlichen Tugend zurückzuführen. Das war naiv, keine Frage, denn wie @Joachim völlig richtig anmerkt, lassen sich viele Wissenschaftler „durch scheinbare oder tatsächlich[e] Widerlegungen nicht von ihrer Überzeugung abbringen“.
(So langsam verliere ich den Überblick über die verschiedenen Diskussionsstränge…)
Wenn es stattfände, wäre es völlig natürlich. Diese Akteure wären dann notwendig teilweise oder zeitweise (zum Nachhelfen) in dieser Welt und damit Teil von ihr und gerade nicht übersinnlich.
@Ano Nym
„Übersinnlich“ bedeutet, dass die Akteure nicht mit den Sinnen wahrgenommen werden (können), d.h., sie befinden sich jenseits der sinnlichen Wahrnehmung. Das „Jenseits“ wäre insofern zwar Teil unserer Welt, aber empirisch nicht feststellbar.
Die Wahrnehmung von nicht vorhandenem – also von ´übersinnlichen´ ist völlig normal. Sie ergibt sich aus der Funktionsweise unseres Gedächtnisses und kann auch als ´Täuschung´ betrachtet werden.
So berichtet z.B. etwa die Hälfte der Witwen/Witwer, einen verstorbenen Partner nach dem Tod in der gemeinsamen Wohnung wieder lebensecht erlebt zu haben (siehe Wikipedia: Nachtodkontakt).
Der Grund dafür ist einfach: Erfahrungen werden zusammenhängend vom Gedächtnis reaktiviert. Und wenn in der Wohnung viele bekannte Reize reaktiviert werden, dann wird auch ein bereits verstorbener Partner – als Teil der Wohnung – wieder erinnert.
Das ist ein normaler Erinnerungsvorgang. Die Zuschreibung ´übersinnlich´ ist dann eine persönliche Neubewertung dieses Erlebnisses.
@KRichard
Es geht hier aber um reale, messbare Ereignisse in der Außenwelt bzw. im Körper. Wir täuschen uns lediglich die wahre, also überempirische Ursache dieser Vorgänge.
@Balanus: Dann soll die Gammastrahlung, die von zerfallenden Atomkernen ausgeht, oder etwa das von Joker genannte Higgs-Teilchen also übersinnlich sein?
[Es folgt eine Diskussionsextrapolation:]
Balanus: Nein, die können wir ja sichtbar machen.
Ano Nym: Ach so, Sie stellen auf soetwas wie eine prinzipielle sinnliche Nichtwahrnehmbarkeit ab?
[Ende der Extrapolation]
@KRichard:
Die Wahrnehmung von nicht vorhandenem – also von ´übersinnlichen´ ist völlig normal.
Wahrnehmungen von Nichtvorhandenem werden unter dem Namen “Wahrnehmungsstörung” gehandelt. Sie erkennen bereits am Wortbestandteil “störung”, dass die aus solchen Erlebnissen deduzierbaren Propositionen nicht das gleiche Bürgerrecht genießen (sollen) wie solche, die aus echten Wahrnehmungen gewonnen wurden.
@Ano Nym
»Dann soll die Gammastrahlung, die von zerfallenden Atomkernen ausgeht, oder etwa das von Joker genannte Higgs-Teilchen also übersinnlich sein?«
Implizieren meine Einlassungen tatsächlich diese Frage?
Was wir nicht zeigen oder erkennen können, ist, dass ein bestimmtes Quantenereignis im Moment seines Auftretens ganz von selbst aufgetreten ist. Es könnte ja der Finger Gottes einen kleinen Schubs gegeben haben.
(Tut mir leid, dass sich Ihre Diskussionsextrapolation nicht bestätigt hat…).
@Balaus:
Unterstellt, es wäre so: Stimmen Sie zu, dass der Schubs und zumindest auch der Finger im Moment des Schubsens Teil unserer Welt wären und dass der Zerfall dann Folge des Schubsens wäre?
Was unterscheidet das Schubsen erkenntnistheoretisch von anderen Mechanismen anderer beobachtbarer Lebenssachverhalte?
@Ano Nym
»Stimmen Sie zu, dass der Schubs und zumindest auch der Finger im Moment des Schubsens Teil unserer Welt wären und dass der Zerfall dann Folge des Schubsens wäre?«
Wie gesagt, das „Jenseitige“ ist allzeit Teil unserer Welt, und zwar in jeder Hinsicht (also auch Teil unserer Denkwelt).
»Was unterscheidet das Schubsen erkenntnistheoretisch von anderen Mechanismen anderer beobachtbarer Lebenssachverhalte?«
Ich bin mir nicht sicher, haben Sie eine Idee? (Erkenntnistheoretisch bin ich nicht so gut zu Fuß).
Ich denke halt, dass bei Zufallsereignissen immer gesagt werden kann: Das kann kein Zufall gewesen sein. Wie wollen Sie ausschließen, dass eine Glücksfee in der Lostrommel mitgemischt hat? Gegen einen solchen Glauben ist kein wissenschaftliches Kraut gewachsen, scheint mir.
›»Was unterscheidet das Schubsen erkenntnistheoretisch von anderen Mechanismen anderer beobachtbarer Lebenssachverhalte?«
Ich bin mir nicht sicher, haben Sie eine Idee?‹
Na! Es gibt keinen. Wenn bekannt ist, dass einer schubst, dann gehört das zur gleichen Erkenntnisklasse wie das Wissen, wie es mit der Befruchtung von Eizellen abläuft. Ich hatte nur rhetorisch gefragt.
»Ich denke halt, dass bei Zufallsereignissen immer gesagt werden kann: Das kann kein Zufall gewesen sein.«
Sie meinen es ja nicht so wie Sie es schreiben (denn gesagt weden kann alles, was sich auf das Phoneminventar modulieren lässt) und so wie Sie es schreiben ist es nicht richtig. Wenn es aussieht wie Zufall, dann ist es Zufall. Zufall heißt: Es ist keine Regel bekannt, die das Ergebnis in jedem Einzelfall vorauszusagen gestattet.
»Wie wollen Sie ausschließen, dass eine Glücksfee in der Lostrommel mitgemischt hat? Gegen einen solchen Glauben ist kein wissenschaftliches Kraut gewachsen, scheint mir.«
“Ausschließen” ist eine Verstandestätigkeit. Ich soll also tätig werden, weil ein anderer eine Eingebung hatte? Ausschließen kann man aber nur, was einem bewusst ist und da stellt sich mir doch die Frage, wie man darauf kommt, es könnte eine Person geben, die den Zufall beeinflussen kann. Ausschließen kann man wohl auch nicht, dass die Glücksfee auch mal zornig wird und den Spieler mit der Lostrommel bewirft, um ihn anschließend auf alle Ewigkeit in der Spielhölle schmoren zu lassen …
@ KRichard 5. September 2014 5:24
“Die Wahrnehmung von nicht vorhandenem – also von ´übersinnlichen´ ist völlig normal. Sie ergibt sich aus der Funktionsweise unseres Gedächtnisses und kann auch als ´Täuschung´ betrachtet werden.“
Damit sind Sie auf dem Holzweg in Bezug auf tatsächlich Übersinnliches. Was Sie mit ‘Täuschung’ ansprechen gibt es sicherlich auch und wird dann irrtümlich als Übersinnliches bezeichnet. Schließlich haben wir einen hervorragend konditionierten Leib, um alles mögliche wahrnehmen zu können.
Aber normale Wahrnehmung ist nicht übersinnlich und übersinnliche ist in dem Sinne nicht normale Wahrnehmung als sie das Übersinnliche natürlich nur in einer Art ‘Übersetzung’ aber eben mit unseren Kräften wahrnimmt und dabei sage ich mit Absicht Kräfte und nicht Sinne, weil der Begriff Sinne, wie üblich verstanden, dafür zu kurz greift.
“Der Grund dafür ist einfach: Erfahrungen werden zusammenhängend vom Gedächtnis reaktiviert. Und wenn in der Wohnung viele bekannte Reize reaktiviert werden, dann wird auch ein bereits verstorbener Partner – als Teil der Wohnung – wieder erinnert.“
Das gibt es sicherlich auch, aber es gibt auch tatsächliche Berührungen mit Verstorbenen aus ihrem Jenseits, die sich einer solchen Erklärung rundum entziehen. Und ich sag das nicht vom Hörensagen, sondern aus eigener erstaunter, wunderbar liebevoller Erfahrung. Dieses Jenseits ist schlauer, als wir es uns träumen lassen könnten.
“So berichtet z.B. etwa die Hälfte der Witwen/Witwer, einen verstorbenen Partner nach dem Tod in der gemeinsamen Wohnung wieder lebensecht erlebt zu haben (siehe Wikipedia: Nachtodkontakt)“
Das kann in Ihrem Sinne stimmen, aber es kann auch real sein.
“Das ist ein normaler Erinnerungsvorgang. Die Zuschreibung ´übersinnlich´ ist dann eine persönliche Neubewertung dieses Erlebnisses..“
Das ist nur Ihr Klimmzug, um zwei ganz verschiedene Tatsachen, von denen Sie nur die eine kennen, gewaltsam zu einer zu machen.
wünsche ein sonniges Wochenende.
@Balanus
Pirner spricht davon, “dass Religiosität in den meisten Definitionsversuchen ein konstitutives subjektives Element des „Glaubens“, der „religiösen Erfahrung“ oder der „Authentizität“ beinhaltet.” Logischerweise sind dann alle Definitionen von Religiosität, bei denen das Definendum konstitutiv in eine Abhängigkeit zu einem solchen subjektiven Element gesetzt wird, für empirische Zwecke methodisch wertlos. Denn es liegt doch auf der Hand, dass damit keine vom zu untersuchenden Subjekt unabhängige Möglichkeit der Beurteilung gegeben wäre, ob das in Betracht stehende Subjekt die Definition erfüllt.
Es gibt immer “gute Gründe” Begriffe abzulehnen und als ‘für empirische Zwecke’ wertlos zu erklären. Machen Sie sich mal locker, es sind doch nur Geisteswissenschaften.
@Chrys
Verdammt, Dr. W. hat offenbar verstanden, warum es keine wissenschaftstaugliche Definition der Religiostät geben kann. Ich hingegen stehe wohl (noch?) auf dem Schlauch. Also noch einmal nachgefragt: Wenn die meisten Definitionsversuche vergeblich sind, dann muss es doch einige wenige geben, bei denen das nicht der Fall ist. Welche sind das laut Pirner?
@ Bal :
Dr. W hat verstanden, dass es wissenschaftliche Definition von Religiösität geben kann und dass es, wie eigentlich immer, Gründe gibt die Begrifflichkeit abzulehnen. Was Pirner vorhat, kann ‘Chrys’ wissen, korrekt.
Ich hätte es begrüßt, wenn Dr. W. die (mutmaßliche) Schwachstelle in @Chryssens Argumentation aufgezeigt hätte.
@ Bal :
Es gibt keine, es geht letztlich um die wahlfrei, äh, zu wählende vernunftmäßige Systemgranularität (das Fachwort, wichtich zu verstehen).
Es gibt immer Zweifel an gewählter Sachlichkeit oder an der (allgemein erfolgenden) Wahl der theoretischen Entitäten. Die Religiösität müsste eine theoretische Entität sein. [1]
MFG
Dr. W (der hier anscheinend ganz bei Ihnen ist)
[1] >:-> , SCNR
@Balanus
Religionssoziologen und -psychologen benötigen naturgemäss für ihre jeweiligen Zwecke diskursiv-kontextuelle Konzeptualisierungen von Religiosität, die nicht konstitutiv von einer subjektiven Selbstbeurteilung ihrer Untersuchungsobjekte abhängen. Dazu auch nochmals Pirner:
Als in einem soziologischen Sinne religiös könnten dann etwa die gelten, die einer (per Konvention) als “religiös” etikettierten und soziologisch identifizierbaren Gemeinschaft zugehören. Also u.a. beispielsweise alle Amish (freilich mit Ausnahme der Electric Amish), wobei ich einfach mal unterstelle, dass “Amish” als soziologisches Merkmal durchgeht. Das Beispiel ist vielleicht etwas einfältig, aber besser weiss ich es auch nicht, und vielleicht hilft’s ja.
Wert gelegt, @Dr. W, sei aber noch auf die Feststellung, dass es hier um Sozial- und Kulturwissenschaften geht, nicht um Geisteswissenschaften. Letztere lassen sich u.a. daran erkennen, dass dort nicht empirisch, sondern historisch-hermeneutisch vorgegangen wird.
@ Chrys :
Es handelt sich jedenfalls um Mischfächer (“Interdiszisplinarität”):
… in denen es auch zu “Gequatsche” kommen kann:
MFG
Dr. W (der in diesem Zusammenhang vielleicht doch anregt, dass Sie sich pers. beizeiten auflösen, frei von Pseudonymität; der auch gerade bei Ihnen Hoffnung trägt)
@Chrys
Also, um das jetzt abzuschließen (Joachim Schulz hat sich ja bereits ausgeklinkt, wir sollten ebenfalls langsam zum Schluss kommen…):
Der Begriff Religiosität ist ja nun mal in der Welt, ganz unabhängig davon, wie er definiert wird. Jeder dürfte irgendeine diffuse Vorstellung davon haben, was mit diesem Begriff gemeint ist.
Wenn man nun die Anzahl der Leute bestimmen will, die man als religiös bezeichnen könnte, muss man sich eben überlegen, wer alles unter diesen Begriff fallen soll. Und da scheint mir die unkomplizierte Auskunft, ob an das Wirken überempirischer Wesenheiten geglaubt wird, eine praktikable Möglichkeit zu sein, weil eine verzerrende Selbsteinschätzung der Befragten weitestgehend vermieden wird. Ich finde, das passt auch zu dem, was Pirner in seinem Essay schreibt (das Zitierte ist gemeint).
Wer etwas Besseres weiß, soll sich melden… und kann es ja anders machen, Hauptsache er/sie geht wissenschaftlich vor.
@Balanus
Ehrlich gesagt, ich begreife nicht, was Du da bei Pirner nicht begreifst. Die definierende Formel
“Religiosität” := “Glaube an überempirische Agenten”
verlangt konstitutiv die subjektive Selbstbeurteilung eines Subjekts, von dem beurteilt werden soll, ob es im Sinne der Def. religiös ist, denn das lässt sich nur durch eine direkte Befragung dieses Subjektes klären. Transparenter wäre demnach
“selbstbekundete Religiosität” := “Glaube an überempirische Agenten”
Dies wäre insofern ein soziologisches Merkmal, als man ja eine entsprechende Befragung veranstalten und auswerten kann. Was man so aber keinesfalls herausfinden kann ist, wer von den Befragten an überempirische Agenten glaubt.
Wie man es auch dreht, ein “Glaube an überempirische Agenten” ist kein soziologisches Merkmal, allenfalls die Selbstbekundung eines solchen Glaubens ist es. Die Schwierigkeiten empirischer Forschung mit Definitionen, wo der Gegenstand der Forschung subjektiv selbst zu beurteilen hat, ob in seinem konkreten Fall die fragliche Definition zutrifft, scheinen mir doch sehr offensichtlich zu sein.
@ ‘Chrys’ :
Das würde z.B. bedeuten, dass auf bestimmte Art Religiöse, die explizit nicht zur ‘Selbstbekundung’ ihres Glaubens neigen, vielleicht aus taktisch-strategischen Gründen, manche Religiöse wollen ja wie der Brain, aus Pinky und der Brain bekannt, die Weltherrschaft erlangen, von Leuten wie Pirner und womöglich auch: von Ihnen nicht wissenschaftlich-empirisch bearbeitet werden können.
Oder im Wirtschaftlichen ließe sich soziologisch einiges nicht beforschen, das ohne ‘Selbstbekundung’ der Konsumenten auskommt?!
MFG
Dr. W
Was ich nicht begreife… /@Chrys
»Die definierende Formel
“Religiosität” := “Glaube an überempirische Agenten”
verlangt konstitutiv die subjektive Selbstbeurteilung eines Subjekts, von dem beurteilt werden soll, ob es im Sinne der Def. religiös ist, denn das lässt sich nur durch eine direkte Befragung dieses Subjektes klären.«
Mich stört hier die „subjektive Selbstbeurteilung“.
Nehmen wir mal an, es wäre um Rassismus gegangen. Dann hättest Du geschrieben (behaupte ich mal):
>>Die definierende Formel
„Rassismus“: = „Glaube an die unterschiedliche Wertigkeit der Menschenrassen“
verlangt konstitutiv die subjektive Selbstbeurteilung eines Subjekts, von dem beurteilt werden soll, ob es im Sinne der Def. rassistisch ist, denn das lässt sich nur durch eine direkte Befragung dieses Subjektes klären. <<
Bin ich bei der notwendigen Befragung wirklich auf die „subjektive Selbstbeurteilung“ des Individuums angewiesen, um ihn gemäß meiner Definition als (Nicht-)Rassisten einzugruppieren? Die Äußerung, dass Menschenrassen eine unterschiedliche Wertigkeit besitzen, ist nach meinem Verständnis keine subjektive Selbsteinschätzung, sondern eine Aussage über einen vermuteten oder vermeintlichen Sachverhalt.
Ganz ähnlich scheint es mir sich mit der Aussage zu verhalten, dass überempirische Agenten sich den Lauf der Dinge einmischen (können).
»Was man so aber keinesfalls herausfinden kann ist, wer von den Befragten an überempirische Agenten glaubt.«
Es gibt, glaube ich, gewisse Befragungstricks, mit denen mit hoher Treffergenauigkeit festgestellt werden kann, ob die Wahrheit gesagt wurde.
@ Bal :
Ist natürlich ein geradezu unglaublicher “Mops”, den bspw. der Schreiber dieser Zeilen nicht verantworten könnte. – KA, was ‘Chrys’ und Kollegen so genau treiben, Sie haben die Kritik aber schön auf den Punkt gebracht.
MFG
Dr. W
@Balanus
»Mich stört hier die „subjektive Selbstbeurteilung“.«
Tatsächlich nimmt ein Subjekt im Falle der Befragung nicht nur eine subjektive Selbstbeurteilung vor, sondern eine subjektive Beurteilung der gesamten Situation, in der es sich da gerade befindet. Werde ich von einer Person befragt, ob ich an den Klabautermann glaube, dann kann meine Antwort sehr davon abhängen, wie ich auf diese Person reagiere. Wie und ob überhaupt ich die Frage zu beantworten geneigt bin, hängt letztlich von einer Vielzahl begleitender Faktoren ab, die im Ergebnis gar nicht en détail einkalkulierbar sind.
Es ist schlichter Unsinn zu glauben, durch eine Befragung nach dem Glauben an überempirische Agenten liesse sich der Glauben der Befragten an überempirische Agenten zuverlässig herausfinden. So naiv sind die Soziologen aber nun auch nicht, dass sie empirisch mit solchen Definitionen und Methoden operieren müssten. Bei impliziter Religiosität würden Befragungen ohnehin praktisch gar nichts bringen, gleichwohl ist implizite Religiosität ein Gegenstand soziologischer Untersuchungen. Dieser Umstand allein besagt doch schon, dass die Soziologen methodisch so einspurig nicht sein können. Womit dann die Sorge von @Dr. Webbaer, dass die nicht zur Selbstbekundung Geneigten womöglich soziologisch nicht bearbeitet werden könnten, wohl auch hinfällig wäre.
Das Beispiel mit dem Rassismus passt da meines Erachtens nicht recht. Der Rassist glaubt nicht zu glauben, sondern er glaubt zu wissen. Rassisten berufen sich typischerweise auf verquere Pseudo-Theorien zur Rechtfertigung ihrer Überzeugungen, und vorgebliche Höher- oder Minderwertigkeit wird dabei auch nicht als Wertung, sondern als Tatsache dargestellt. Die Gewissheit des Rassisten ist die Gewissheit eines vermeintlichen Wissens, nicht die eines eigentlichen Glaubens.
@Chrys
»Tatsächlich nimmt ein Subjekt im Falle der Befragung nicht nur eine subjektive Selbstbeurteilung vor, sondern eine subjektive Beurteilung der gesamten Situation, in der es sich da gerade befindet.«
Die Frage war, inwiefern das Subjekt im Falle der Befragung, wenn es um Überempirisches geht, eine „subjektive Selbstbeurteilung“ vornimmt. Dass es die Fragesituation beurteilt, steht nicht zur Debatte. Und ebenfalls nicht zur Debatte steht die grundsätzliche Problematik sämtlicher Befragungen.
»Es ist schlichter Unsinn zu glauben, durch eine Befragung nach dem Glauben an überempirische Agenten liesse sich der Glauben der Befragten an überempirische Agenten zuverlässig herausfinden.«
Durch eine solche Befragung wird herausgefunden, wie viele der Befragten behaupten, sie glaubten an überempirische Agenten. So ist das immer bei Befragungen, man weiß anschließend nur, wie viele eine bestimmte Antwort gegeben haben.
So verhält es sich ja auch bei Einstein und Kopernikus. Wir kennen nur deren Handlungen und Äußerungen, ob sie aber wirklich in einem bestimmten Sinne „religiös“ oder nicht-religiös waren, was sie im tiefsten Inneren dachten, darüber können wir nur Vermutungen anstellen.
»Das Beispiel mit dem Rassismus passt da meines Erachtens nicht recht.«
Bei einem Rassisten haben wir es mit einer anderen Variante des Für-wahr-haltens zu tun als bei einem Religiösen, das sehe ich auch so. Aber es geht ja auch nur darum, ob seine Statements auf einer „subjektiven Selbstbeurteilung“ beruhen, wie es eben bei einem Religiösen der Fall sein soll.
@Balanus
Wir sollten vielleicht einmal die Verschiedenheit unserer Sichtweisen herausstellen, bevor gar keiner mehr durchblickt.
Wie ich es verstanden habe: Du deutest die NdG-Formel von Religiosität dahingehend, dass dort “Glaube” durch “Aussage über einen vermuteten oder vermeintlichen Sachverhalt” ersetzbar sei und hältst die Erwähnung von “überempirisch” für hinreichend, um diesen Glauben als “religiös” zu kennzeichnen.
Die Formel ist aus meiner Sicht jedoch nicht geeignet, um zwischen religiösem Glauben einerseits und Aberglauben oder Halluzinationen andererseits zu trennen. Auch der “Glaube” eines Seemanns an den Klabautermann oder der von John Nash an seine halluzinierten supernatural beings wären gemäss der Formel noch als religiös zu betrachten, wohingegen dies in Religionssoziologie und -psychologie vom Religiösen methodisch abgegrenzt wird.
Religiöser Glaube beruht (nach meinem Verständnis) auf der Überzeugung, dass dem Weltgeschehen ein tieferer Sinn zugrundeliegen muss, der zudem Antworten auf die sorgenvollen Fragen “Was soll ich tun?” und “Was darf ich hoffen?” bereithält. Da wohl den meisten Menschen Sinnhaftigkeit nur als von etwas Wesenhaftem intendiert vorstellbar ist, verwundert es nicht, dass fast alle Religionen dann auch auf (mindestens) einen personifizierten Sinnstifter angewiesen sind. Insbesondere geht es dabei zentral nicht um intersubjektiv nachvollziehbare Aussagen über vermutete Sachverhalte in der “erfahrbaren Welt”; dazu auch nochmals aus Eislers Kant-Lexikon:
So verstanden ist religiöser Glauben von einer immanent subjektiven Beschaffenheit, und das meint wohl Pirner, wo er von Glauben als einem subjektiven Element in einer versuchten Definition von Religiosität spricht. Bezieht sich umgekehrt eine Definition auf Glauben in einer anderen als dieser Bedeutung, dann sollte das, was so definiert wird, sinnvollerweise nicht mehr Religiosität genannt werden.
Der Unterschied zwischen Gläubigen und Rassisten besteht schon darin, dass sich erstere häufig selbst bezichtigen. Dass sich aber Menschen selbst als “Rassist” bezeichnen, ist mir noch nicht untergekommen.
Außerdem umfasst der Rassismusbegriff auch Phänomene, wo das Fürwahrgehaltene stimmt, aber der den Rassismus Vorwerfende nur das an das Phänomen anzuknüpfende Verhalten missbilligt, Beispiel: [1] und die Aussagen von Sarrazin zum Wohle des deutschen Staates eine Immigrantenrgruppe einer anderen vorziehen zu wollen.
[1] http://en.wikipedia.org/wiki/Ashkenazi_Jewish_intelligence
@Chrys
Sorry,Chrys, aber Sie verheddern sich immer mehr, weil Sie in Bezug auf dieses Thema eigentlich gar nicht mitreden können und schreiben allmählich nur noch Stuss, von wegen:
“Da wohl den meisten Menschen Sinnhaftigkeit nur als von etwas Wesenhaftem intendiert vorstellbar ist, verwundert es nicht, dass fast alle Religionen dann auch auf (mindestens) einen personifizierten Sinnstifter angewiesen sind. Insbesondere geht es dabei zentral nicht um intersubjektiv nachvollziehbare Aussagen über vermutete Sachverhalte in der “erfahrbaren Welt” ……. etc.
@ ‘Chrys’ :
Pirners “Mops”, dem Sie sich anzuschließen scheinen, beruht – ‘wie man es auch dreht [und wendet]’ (Ihr Zitat weiter oben) – auf der Sicht, dass sich Glaubende zu einem Mindestmaß reflektiert zu ihren Glauben stellen.
Was nicht der Fall sein muss und in praxi auch nicht der Fall ist, viele relig. Gläubige glauben zeitgenössisch in etwa so wie der Seemann an den ‘Klabautermann’ (Ihr Beispiel), dabei auch einen Glaubensvorrat pflegend, was mögliche Maßnahmen angeht.
D.h. es kann hier nur die Außensicht auf die Veranstaltung soziologisch (d.h. : wissenschaftlich) bestimmend sein, es wird von außen, mit soziologischem Fachvokabular hantierend (warum derart so, letztlich wahlfrei, zu erinnern wäre hier an das Fachwort der Systemgranularität, wurde weiter oben in dieser Kommentatorik versucht zu erklären) gearbeitet.
Die Alternative wäre höchst ‘mopsig’.
MFG
Dr. W (der natürlich den zurzeit noch bestimmenden kulturellen Zusammenhang kennt, den jüdisch-christlich-agnostisch-atheistischen, aber auch andere Religionen und Weltanschauungen betreffend, man will ja auch nett sein, np)
@Dr. W: Meinen Sie http://www.duden.de/rechtschreibung/Klops Variante 2. dort wo Sie “Mops” schreiben?
@ Herr Ano Nym :
‘Möglicher Klops’ = ‘Mops’, lautmalend oder lautmalerisch.
@ Webbaer
…..so,so ..“….man will ja doch nett sein”
Das folgende Statement ist aber gar nicht nett, um es aber meinerseits dagegen nett zu formulieren: das ist ja doch auch so ein Stuss, wie er sich bei Chrys und anderen zu diesem Thema zeigt:
“…., beruht (…)auf der Sicht, dass sich Glaubende zu einem Mindestmaß reflektiert zu ihren Glauben stellen. – Was nicht der Fall sein muss und in praxi auch nicht der Fall ist, viele relig. Gläubige glauben zeitgenössisch in etwa so wie der Seemann an den ‘Klabautermann’ (Ihr Beispiel), dabei auch einen Glaubensvorrat pflegend, was mögliche Maßnahmen angeht.”
Und was Sie (in dem Zusammenhang zwar richtig gemeint) Außenperspektive nennen, ist ja in Wirklichkeit eine sehr begrenzte, systeminterne Perspektive.
Es steht jedem frei, sich damit zu begnügen und die ihm gegebene Fähigkeit, über den systeminternen Horizont zu blicken, zu stutzen, bis sie ganz verschwindet. Er sollte dann aber doch nicht behaupten, es gäbe nur diese syteminterne Welt, weil ihm vor lauter stutzen der ihm mögliche Blick darüber hinaus abhanden gekommen ist und er alle, mit ihm verbundenen Phänomene dann verständlicherweise in sein konstruktivistisches oder sonstiges philosophisches Korsett zwängt.
Wer Relevantes über die Fähigkeit des Klavierspielens sagen können will, sollte denn doch selber spielen können. Meinen Sie nicht?
schönen Sonntagabend noch
MfG
ES
@Dr. Webbaer
Was ich Ihren Ausführungen entnehmen kann ist, dass Sie erstens eine Vorliebe für Möpse und zweitens das Vorurteil pflegen, im soziologischen Fachvokabular müsse eine Konzeptualisierung von “Religiosität” eine ebensolche von “Glauben” zur Voraussetzung haben.
Wenn Sie, anstatt herumzumopsen, Pirners Essay wenigstens einmal gelesen hätten, wäre Ihnen vielleicht aufgefallen, dass soziologisch mit dem Glauben womöglich nicht so hantiert wird, wie Sie glauben.
@Chrys
»Wie ich es verstanden habe: Du deutest die NdG-Formel von Religiosität dahingehend, dass dort “Glaube” durch “Aussage über einen vermuteten oder vermeintlichen Sachverhalt” ersetzbar sei…«
Glaube(n) kann durch den Oberbegriff „Für-wahr-halten“ ersetzt werden. Wenn der Gegenstand des Geglaubten überempirische Mächte/Wesenheiten/Agenten sind, wäre für mich das Kriterium für Religiosität erfüllt. Das schließt nicht aus, dass man die Sache noch verfeinern kann, etwa in Richtung Sinnstiftung oder pathologische Störung.
»…und hältst die Erwähnung von “überempirisch” für hinreichend, um diesen Glauben als “religiös” zu kennzeichnen.«
Nicht „diesen Glauben“, sondern dieses Glauben (= Für-wahr-halten).
Ich vermute, es gibt massenhaft Religiöse, die nicht abergläubisch sind, aber nur ganz wenige Abergläubische, die nicht zugleich als religiös (im üblichen Sinne) zu bezeichnen wären (sondern eben antireligiös, religionskritisch, skeptisch oder atheistisch).
»Religiöser Glaube beruht (nach meinem Verständnis) auf der Überzeugung, …«
Damit wäre ich soweit einverstanden, gebe aber zu bedenken, dass auch schlichte Ideologien sinnstiftend sein können. Zudem setze ich Religiosität nicht unbedingt gleich mit „religiösem Glauben“, wie Deine Ausführungen nahezulegen scheinen. Die Existenz überempirischer Agenten für wahr zu halten, kann, muss aber nicht mit bestimmten Glaubensinhalten einhergehen (wie z. B., dass diesen Agenten ganz bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden). „Religiöser Glaube“ riecht nach meinem Dafürhalten schon stark nach einer (definierten) „Religion“.
Pirners Aufsatz zeigt vor allem, wie schwer sich Soziologen und andere Kulturwissenschaftler mit dem schillernden Begriff „Religiosität“ tun. Einfacher hat man es m. E. mit der schlichten NdG-Formel, die wohl auf den Ethnologen Tylor (1871) (oder Charles Darwin?) zurückgeht. Laut Tatjana Schnell („Implizite Religiosität“) umschrieb Tylor Religiosität als ‚Glaube an übernatürliche Wesen’, was offenbar als ein „substantielles“ Verständnis von Religiosität gilt.
Insgesamt habe ich den Eindruck, dass man sich in der Religiositätsforschung noch nicht darüber im Klaren ist, ob Religiosität eine menschliche Eigenschaft ist wie etwa Musikalität oder Genialität, oder eben bloß eine bestimmte Haltung zu bestimmten Fragen, wie man sie analog auch bei Philosophen und/oder Ideologen finden kann. Außerdem drängt sich mir der Eindruck auf, dass manche Religiositätsforschung daran krankt, „Religiosität“ für etwas im Grunde Gutes und Positives zu halten.
Verstehe ich das richtig, dass die „subjektive Selbstbeurteilung“ im Zuge der Frage nach überempirischen Agenten jetzt von Tisch ist?
@Balanus
Und was ist für Sie dann der Unterschied zwischen Religiosität und „religiösem Glauben“, wenn Sie schreiben:
“Zudem setze ich Religiosität nicht unbedingt gleich mit „religiösem Glauben“
Denn da sind noch die folgenden drei Aussagen von Ihnen, die, je nach dem, was Sie meinen m.E. nicht so ohne weiteres widerspruchsfrei zusammenzubringen sind:
1) “ Glaube(n) kann durch den Oberbegriff „Für-wahr-halten“ ersetzt werden. “
2) “ das Kriterium für Religiosität“ ist für Sie erfüllt, wenn “ der Gegenstand des so Geglaubten überempirische Mächte/Wesenheiten/ Agenten sind,“
3) “ Außerdem drängt sich mir der Eindruck auf, dass manche Religiositätsforschung daran krankt, „Religiosität“ für etwas im Grunde Gutes und Positives zu halten.“
Wenn ich davon ausgehe, dass Sie mit dem unter 1) genannten Glauben nicht den „religiösen Glauben“ meinen, den Sie ja von Religiosität abgrenzen wollen, dann käme das eventuell hin. Denn in der Tat kann „religiöser Glauben“ nicht einfach nur mit einem theoretischen „Für-wahr-halten“ gleichgesetzt werden, wie Sie den unter 1) genannten Glauben aber definieren wollen. Sie meinen dann mit Religiosität also genau dieses: das unzulänglich theoretische „Für-wahr-halten“ der Existenz überempirischer Mächte/Wesenheiten/ Agenten im Sinne eines Aberglaubens. Also ein reines Gedankenkonstrukt, oder?
Das hieße, dieses theoretische „Für-wahr-halten“ der Existenz überempirischer Mächte/Wesenheiten/ Agenten, halten Sie außerdem gemäß Punkt 3) nicht für etwas Gutes oder Positives? Sehe ich das richtig?
Was dann ist für Sie im Gegensatz dazu „religiöser Glaube“? Wenden Sie sich mit diesem negativen Urteil ähnlich wie ich gegen den rein theoretischen, also konstruierten Glauben – und in dem Fall mit gutem Grund – oder gegen beides, den theoretischen Glauben und den von Ihnen so benannten „religiösen Glauben“, oder überhaupt gegen den Glauben an Gott und ein Leben nach dem Tod?
Grundsätzlich gilt allerdings: Ob Religion oder Religiosität gut oder schlecht, positiv oder negativ ist, ist wie bei allem, was der Mensch tut und sich einfallen lässt: Es hängt von dem Geist des Menschen ab, der sich im Wie und Warum und Wozu, eben in seinem Motiv und dem ihm entspringenden Tun äußert. Das kann, losgelöst vom sichtbaren Tun, und auch losgelöst von der äußerlich bekundeten Lebenshaltung, Religion/Weltanschauung immer beides sein: positiv und negativ. Die Quelle für diese beiden Varianten des Wollens liegt nicht außerhalb des Menschen und entzieht sich deshalb dem wissenschaftlichen Zugriff.
Der Begriff „subjektive Selbstbeurteilung“ ist das Konstrukt einer vermeintlichen Wissenschaftlichkeit, die aber im Grunde nur eine systemintern fixierte Weltanschauung ist, die jeden Blick über das System hinaus als Tabu ansieht und entsprechend das Wort Glauben im Sinne von Gottesglauben um jeden Preis vermeiden will. Ein an Gott glaubender Mensch wird Gott in der Frage der Echtheit des Glaubens nichts vormachen können. So gesehen ist der Begriff “subjektive Selbstbeurteilung” diesbezüglich unsinnig. Aber ich denke, Chrys meinte eben ganz richtig die menschliche Begrenztheit, beurteilen zu können, ob aktuell in einer konkreten Angelegenheit Glaube gegeben ist. Das gilt eben auch für eine Umfrage. Dass und ob dagegen eine offizielle – Webbaer würde wohl sagen politische – grundsätzliche Glaubensentscheidung stattgefunden hat, der man im Laufe des Lebens mehr oder weniger gerecht wird, wird demgegeüber ja in der Regel mit Ritualen etc. bekundet. Das kann aber in dem Sinne, wie Wissenschaft arbeiten will, keine wissenschaftliche Grundlage sein. Diese politisch überprüfbaren ‘Außenaufsichtsentscheide’ ermöglichen keine Empirie im Sinne von Wissenschaft. Was nicht heißen muss, dass es solche Wege nicht geben kann.
@Balanus
»Glaube(n) kann durch den Oberbegriff „Für-wahr-halten“ ersetzt werden.«
Schön, aber ich bin doch etwas ratlos, was diese Ersetzung für die empirische Forschung einbringen sollte. Das eine ist so begriffsunklar und subjektiv wie das andere, wenn danach befragt wird, und gerade den “Glauben” und seine semantische Vieldeutigkeit exemplarisch aufgreifend benennt Pirner das Problem:
Ein soziologisches Konzept von “Glauben” wird bei Pirner auch nirgendwo gefordert. “„Religiosität“ ist im Kontext der soziologischen und (sozial-)psychologischen empirischen Forschung als ein begriffliches Rahmen-Konstrukt bestimmbar,” schreibt Pirner, und speziell implizite Religiosität wird dabei naturgemáss nicht auf einem Konzept von Glauben aufbauend konstruiert. Implizite Religiosität wäre mir als Verbindung zu evolutions- und soziobiologischen Ansätzen durchaus plausibel, aber mit einem Glauben an überempirische Agenten hat das dann nichts mehr zu tun.
Was religiöser Glaube ist, kann methodisch nicht Gegenstand empirischer Forschung sein, und das wird in dem von Pirner angesprochenen Kontext offensichtlich auch gar nicht angestrebt. Was ich darunter näherungsweise verstehe, hatte ich ja skizziert, ohne Anspruch darauf, dass andere das genauso sehen sollen. Die Angelegenheit ist halt wesensbedingt subjektiv.
Aus meiner Sicht wäre damit eigentlich auch alles zu diesem Thema gesagt, einstweilen. Mehr als die Texte von Manfred Pirner und Hans-Ferdinand Angel (Was ist Religiosität?) sowie Pirners Referenz zu Monika Jakobs kenne ich übrigens dazu auch nicht. (Wen es interessiert, die Texte von Angel und Jakobs sind frei erhältlich bei http://www.theo-web.de).
@Eli Schalom
»Und was ist für Sie dann der Unterschied zwischen Religiosität und „religiösem Glauben“,… «
„Religiöser Glaube“ kann auch die Lehre einer tradierten Religion bedeuten (die man dann für wahr hält). Demgegenüber wäre Religiosität, entsprechend der schlichten NdG-Formel, die ich hier verteidige (was nicht einer gewissen Ironie entbehrt), eben nur eine bestimmte Vorstellung von der Beschaffenheit der Welt, ganz unabhängig von irgendwelchen Glaubenslehren.
»Das hieße, dieses theoretische „Für-wahr-halten“ der Existenz überempirischer Mächte/Wesenheiten/ Agenten, halten Sie außerdem gemäß Punkt 3) [Außerdem drängt sich mir der Eindruck auf, dass manche Religiositätsforschung daran krankt, „Religiosität“ für etwas im Grunde Gutes und Positives zu halten.] nicht für etwas Gutes oder Positives? Sehe ich das richtig? «
Nein, Religiosität als solche kann nach meinem Verständnis (und gemäß der NdG-Formel) weder schlecht noch gut sein, denn es handelt sich ja bloß um eine bestimmte Vorstellung.
Aber wenn Soziologen und Kulturwissenschaftler andere Definitionen für Religiosität verwenden, dann, so scheint mir, schwingt oft etwas Positives mit. Ein schönes und anschauliches Beispiel liefert aktuell auf dem Blog NdG die „Religiosität“ Albert Einsteins.
»Der Begriff „subjektive Selbstbeurteilung“ ist das Konstrukt einer vermeintlichen Wissenschaftlichkeit, …«
Das sehe ich anders. Einstein hat sich offenbar selbst als in einem bestimmten Sinne religiös bezeichnet. Das ist ein klassischer Fall von „subjektiver Selbstbeurteilung“. Ich vermute, dass genau das mit diesem Begriff gemeint ist, und genau das macht die empirische Religiositätsforschung so schwierig. Da haben Pirner und Chrys völlig Recht, scheint mir.
Anders verhält es sich meiner Meinung nach mit den Vorstellungen und Überzeugungen über die Beschaffenheit der Welt, die einer hat. Da beurteilt man sich nicht selbst, sondern fällt ein bestimmtes (wenn auch subjektives) Urteil über die Welt da draußen.
@Chrys
». . . . .»Glaube(n) kann durch den Oberbegriff „Für-wahr-halten“ ersetzt werden.«
Schön, aber ich bin doch etwas ratlos, was diese Ersetzung für die empirische Forschung einbringen sollte. «
Es ging darum, ob ich den Begriff „Glaube“ durch „Aussage über einen vermuteten oder vermeintlichen Sachverhalt“ ersetzen würde. Dem wollte ich so nicht zustimmen, das kam mir falsch vor.
Und was die semantische Vieldeutigkeit angeht, da ist die Wendung „Für wahr halten“ gegenüber „Glauben“ klar im Vorteil.
Wenn ich eine bestimmte Vorstellung von der Beschaffenheit der Welt bloß für wahr halte, dann hat das zunächst überhaupt nichts mit Glauben und Religiosität zu tun. Beim Begriff „Für-wahr-halten“ kommt man überhaupt nicht auf den Gedanken, das Wörtchen „religiös“ davor setzen zu wollen. Beim substantivierten „Glauben“ hingegen fragt man sich augenblicklich, ob es um einen religiösen Glauben geht oder nicht.
Ich kann zum Beispiel den Dualismus für wahr halten, aber es wäre absolut schräg, zu sagen, ich glaube den Dualismus, oder ich glaube an den Dualismus.
»Implizite Religiosität wäre mir als Verbindung zu evolutions- und soziobiologischen Ansätzen durchaus plausibel,… «
Das sehe ich auch so.
»… aber mit einem Glauben an überempirische Agenten hat das dann nichts mehr zu tun.«
Genau da liegt nach meinem Verständnis der Hase im Pfeffer.
Tatjana Schnell schreibt in Ihrer Dissertation (als Buch 2009):
Nun wäre noch zu klären, welche Definition Tatjana Schnell für „Religiosität“ verwendet. So auf die Schnelle habe ich da nichts Genaues gefunden. Die implizite Religiosität wird wohl so definiert:
Demnach läge Religiosität dann vor, wenn universalreligiöse Strukturen wie Mythen, Rituale und Transzendierungserlebnisse vorliegen. Und ob man da ohne überempirische Wesenheiten auskommt, wage ich zu bezweifeln.
Am Ende scheint es mir doch immer wieder auf eine substantielle Religiositätsdefinition hinauszulaufen. Dazu noch einmal Tatjana Schnell (ebd):
http://ubt.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2005/297/pdf/endversion_opus.pdf
»Aus meiner Sicht wäre damit eigentlich auch alles zu diesem Thema gesagt, einstweilen. «
Yep, einstweilen! 🙂
Dann danke ich Joachim Schulz, dass er uns hat debattieren lassen (ein vorbildliches Verhalten, zur Nachahmung empfohlen).
@Balanus
Den Begriff der impliziten Religiosität betreffend sei noch angemerkt, dass ich mich dabei primär an der Stelle bei Pirner orientiert hatte, wo es heisst:
Bemerkenswert fand ich besonders noch die Sache mit dem Fussballkult. Man denke an das Wunder von Bern und den Fussballgott (wobei mal dahingestellt sei, ob dieser als überempirischer Agent durchgeht). Auch in mesoamerikanischen Kulturen wurden bekanntlich Ballspiele mit kultisch-rituellem Hintergrund ausgetragen.
»Dann danke ich Joachim Schulz, dass er uns hat debattieren lassen (ein vorbildliches Verhalten, zur Nachahmung empfohlen).«
Dem möchte ich mich vorbehaltlos anschliessen.
@ Chrys, (@ Balanus)
….einstweilen, ja. Ich häng mich da aber noch mal dran, weil ich schön fände, wir könnten hier an dieser Stelle etwas später gelegentlich die Sache vertiefen. Ich jedenfalls konnte die Diskussion nicht rechtzeitig und vor allem nicht gründlich genug verfolgen. Habe z.B. den Aufsatz von Pirner noch nicht gelesen etc.
Wenn ich oben sage, dass Sie (@Chrys) sich verheddern, so hat das damit zu tun, weshalb man überhaupt über das Thema diskutiert. Aus der Perspektive eines Nichtglaubenden verheddern Sie sich ja nicht unbedingt, da liegen Sie für die meisten wohl ganz richtig. Das verheddern bezog sich auf Ihre Äußerungen zu der Perspektive eines Glaubenden, die Ihnen demnach abgeht. Wir diskutieren ja doch gerade, um diese Perspektiven abzugleichen und zusammen zu bringen.
“ Was religiöser Glaube ist, kann methodisch nicht Gegenstand empirischer Forschung sein, “
Das eben trifft es m.E. nicht. Denn ist es nicht auch etwa unter Mathematikern z.B. so, dass nur sie untereinander ihre komplizierten Formeln wirklich verstehen? Andere Wissenschaftszweige, die so nicht selber nachrechnen können, glauben ihnen das. Man setzt darauf, dass die Mathematiker untereinander Korrektur betreiben, wobei manche Wissenschaftsbereiche auch darin ineinander greifen und die Formeln müssen sich in der Anwendbarkeit, also der Empirie beweisen. Ähnlich ist es in allen Wissenschaftsbereichen.
Mit dem Glauben ist das nicht anders. Aber natürlich wird die korrekte Anwendbarkeit als Beweis ausgehend von den Naturwissenschaften in Richtung Geisteswissenschaften immer schwieriger. Aber für Glaubende untereinander ist Glaubensvollzug keineswegs nur subjektiv. Es fragt sich aber, ob die Theologie bisher tatsächlich den Glauben als solchen erforscht. Es geschieht sicherlich, aber als offizielle Disziplin? Es ist meine eigene, seinerzeit überraschende Erfahrung, die mich so fragen lässt. So war mir lange nicht bewusst, dass ich selber (seinerzeit mit meiner Kunst) im Grunde genau das machte: den Glaubensvollzug erforschen. Bis sich dann mal ein Theologe die Mühe machte, sich mit meinen Arbeiten zu befassen. Er kam zu dem Ergebnis: während man in der christlichen Kunst bislang die Glaubensinhalte darstellte, würde ich dagegen den Glaubensvollzug darzustellen versuchen. Und damit hatte er Recht. Das hat mir damals sehr geholfen, meine Art Forschung selber erst richtig zu begreifen. Der Theologe hat es aber leider seinerseits nicht weiter verfolgt. Für mich hat sich das dann später sogar durch die Naturwissenschaften bestätigt.
Auch die Theologie scheint bisher vorrangig die Glaubensinhalte zu erforschen und nicht den Glaubensvollzug, der in sich sehr wohl ein Gegenstand wissenschaftlicher Forschung sein kann. Glaubensinhalte können zwar auch Gegenstand wissenschaftlicher Forschung sein und waren es in dieser Hinsicht bislang ja immer, aber das sind sie eben vorrangig als – wie könnte man es nennen – vielleicht metaphorische Hinführung zum Glaubensvollzug, Krücken die ihn möglich machen. Wo es losgelöst vom Vollzug nur im die Glaubensinhalte geht, verwundert es nicht, wenn andere Wissenschaftszweige dies heute nicht mehr anerkennen wollen oder wenn Sie z.B. schreiben:
“Da wohl den meisten Menschen Sinnhaftigkeit nur als von etwas Wesenhaftem intendiert vorstellbar ist, verwundert es nicht, dass fast alle Religionen dann auch auf (mindestens) einen personifizierten Sinnstifter angewiesen sind”“ (Hervorhebung durch mich)
….als wäre Gott also eine im Hirn produzierte Vorstellung. Natürlich produzieren wir in unserem Hirn eine solche von Gott, aber wir haben diese Fähigkeit, um mit ihrer Hilfe Gottes so andere Realität in der Sprache und Vorstellungswelt der unseren erfassen zu können. Unsere Vorstellungen sind ein Instrument zur Erfassung der Realität, die wir sehr wohl erfahren aber nicht wie in der materiellen Welt üblich artikulieren können.
Und wenn Sie weiter schreiben: “ Insbesondere geht es dabei zentral nicht um intersubjektiv nachvollziehbare Aussagen über vermutete Sachverhalte in der “erfahrbaren Welt” ……. etc“ dann stimmt das auch nicht. So wie Mathematiker intersubjektiv nachvollziehbare Aussagen über Sachverhalte in ihrer mathematischen Welt machen, so auch Glaubende.
Wenn man die Mathematik, wie überhaupt die wissenschaftlichen Disziplinen, als einen Teilzugang zum Verständnis unserer einen gemeinsamen Wirklichkeit sieht, dann müsste es im interdisziplinären wissenschaftlichen Diskurs doch zuallererst darum gehen, sich über diese verschiedenen Zugänge zu verständigen. Man müsste zuvorderst lernen, auch aus der Perspektive der anderen Disziplinen auf die Dinge schauen zu können. Da wollen einige nun riskanter weise die Disziplin des Glaubens ausklammern. Joachim Schulz verweist deshalb m.E. mit Recht auf die Bedeutung dieser Disziplin für alle anderen, so wie auch alle anderen für die des Glaubens Bedeutung haben.
“ Was ich darunter näherungsweise verstehe, hatte ich ja skizziert, ohne Anspruch darauf, dass andere das genauso sehen solle “
Sie schrieben dazu:
“ Religiöser Glaube beruht (nach meinem Verständnis) auf der Überzeugung, dass dem Weltgeschehen ein tieferer Sinn zugrunde liegen muss, der zudem Antworten auf die sorgenvollen Fragen “Was soll ich tun?” und “Was darf ich hoffen?” bereithält.“
Ich glaube, da unterschätzen Sie die Menschen im Allgemeinen und speziell den Urmenschen. Eine Antwort auf diese „sorgenvollen Fragen“ ist natürlich wichtig, aber glauben Sie wirklich, dass der Mensch sich dafür einen Gott erfinden würde und für diese Fata Morgana gar sein Leben riskieren würde, wie unsere wohlstandsverwöhnten Hirne es den menschheitlichen Urahnen unterjubeln wollen?
Bedenken sollte man auch, dass ein freiheitliches Geschöpf – da niemand sich selber gemacht hat – natürlich so genial ausgerüstet sein muss, wie wir es sind, wenn es denn in der Lage sein soll, in einer Beziehung der Liebe mit seinem Schöpfer zu leben. Das muss eben so genial sein, dass der Mensch sich dem auch verweigern kann. Wie sonst wäre er frei. Aber nirgendwo steht geschrieben, dass er sich dieser Liebe verweigern soll oder gar muss.
“Die Angelegenheit ist halt wesensbedingt subjektiv.“
….ist sie nicht genauso subjektiv, wie eine neu entwickelte mathematische Formel, die zunächst nur der Mathematiker versteht?
@Eli Schalom
Da liegt, wie mir scheint, ein Missverständnis vor, das einer Klärung bedarf.
»Eine Antwort auf diese „sorgenvollen Fragen“ ist natürlich wichtig, aber glauben Sie wirklich, dass der Mensch sich dafür einen Gott erfinden würde und für diese Fata Morgana gar sein Leben riskieren würde, wie unsere wohlstandsverwöhnten Hirne es den menschheitlichen Urahnen unterjubeln wollen?«
Diese sorgenvollen Fragen waren von mir natürlich in der Formulierung von Kant gegeben, aber was damit angesprochen ist, lässt sich auf die eine oder andere Weise auch anderswo als das Eigentliche an religiösem Glauben erkennen. Worin liegt denn nach dem Alten Testament die Verbindung zu Gott, wenn nicht in den Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten, wo es darum geht, was man tun soll? Und wovon handelt die Bergpredigt? Doch nicht von der physischen Beschaffenheit der erfahrbaren Welt und was man darüber wissen kann, sondern wieder vom dem, was man tun soll! In der Bergpredigt, so hat mir das ein ev. Geistlicher einmal erklärt, findet sich der eigentliche Gehalt christlicher Glaubenslehre.
Und im sog. Vernunftglauben Kants ist das moralische Gesetz keinesfalls ein Hirngespinst, ganz im Gegenteil. Moralität ist für ihn Ausdruck einer Denknotwendigkeit, keiner Beliebigkeit, und sie resultiert nicht aus irgend einem logisch-empirisch fundierten Wissen. Auf der Moralität beruht Kants Gottesbegriff, jedoch ist hier das moralische Gesetz kein Regelwerk, in dem ein persönlicher Gott (oder jemand, der ihn zu verteten vorgibt) niedergelegt hätte, was das Richtige zu tun sei. Vielmehr ist es eine Art Meta-Regel, die ein absolutes Prinzip vorgibt, nach dem ein selbstbestimmt handelndes Wesen durch Prüfung der Vernunftmässigkeit herausfinden kann, was das Richtige zu tun ist.
Interessanterweise findet sich das Motiv der Vernunftprüfung auch ganz klar im folgenden, dem Gründer des Buddhismus zugeschriebenen Zitat:
Ausser im Buddhismus wird meines Wissens der Vernunft in keiner anderen Religion eine vergleichbare Bedeutung zugestanden. Aber mein Wissen über Religionen ist da auch nur sehr allgemein, andere wissen dazu vielleicht mehr.
@ Chrys
Ich antworte nochmal hier hinter dem endlos langen Thread, falls wir weitermachen und Joachim Schulz nichts dagegen hat, dann vielleicht unten neu anfangen, zumal es auch nicht mehr so ganz das Blogthema ist.
“Ausser im Buddhismus wird meines Wissens der Vernunft in keiner anderen Religion eine vergleichbare Bedeutung zugestanden. Aber mein Wissen über Religionen ist da auch nur sehr allgemein, andere wissen dazu vielleicht mehr.“
…mal im Ernst, @Chrys, Philosophen produzieren mitunter wahrlich künstliche Probleme. Muss man nicht im Grunde sagen: „hier und da und dort bezeichnet ein Baum ein Turm den Ort“?…… will heißen, nur selten, um nicht zu sagen gar nicht, befolgen Menschen Gebote ohne ihre Vernunft zu gebrauchen. Eben im Grunde nie, außer sie sind geistig krank. Ohne die Vernunft könnte der Mensch die Gebote doch gar nicht befolgen und eben auch nicht verneinen oder verdrehen oder ignorieren etc . In irgendeiner mehr oder weniger bewussten Form sagt der Mensch immer kraft seiner Vernunft ja oder nein zu einem Gebot. Und gerade wenn es um Gebote bezüglich menschlichen Verhaltens geht, wird der Mensch unvermeidlich seine Vernunft gebrauchen. Das muss man gar nicht extra sagen, das tut er aus seiner menschlichen Verfasstheit heraus.
Warum man mitunter dennoch ein paar Worte zu dem rechten Verhältnis im Gebrauch der Vernunft gegenüber dem Gebot sagen muss, ist dagegen in der unterschiedlichen Veranlagung der Menschen begründet, insbesondere der unterschiedlichen Willensstärke. In der Regel wollen Menschen sich wohl verhalten, wollen dass das Leben gelingt. Und das heißt ganz wesentlich, es muss im Miteinander gelingen, wo ja unsere Hauptprobleme liegen. Und dafür braucht es Regeln und Gebote. Willensschwache Menschen erfüllen Gebote, die ihnen von gemeinschaftlichen Normen oder willensstarken Menschen abverlangt werden schneller und unüberlegter – sprich unvernünftiger – als willensstarke (…womit sie manchmal wesentlich mehr Glück haben). Und umgekehrt sind es die willensstarken, die für den anderen gerne bestimmen wollen, wo es lang geht. (…womit sie manchmal schwer daneben liegen.)
Ihre Frage bezieht sich zwar auf sogenannte „göttliche“ Gebote. Doch mit denen ist es nicht anders. Der Mensch kann nicht anders, als in der Befolgung oder nicht Befolgung von Geboten sich seiner Vernunft zu bedienen. Auch die Befolgung wegen Angst vor Strafe, Benachteiligung, Diskriminierung, Verfolgung etc. wird letztlich von der Vernunft getätigt. Die allerdings ist während unseres ganzen Lebens im Lernen begriffen. Dabei lernt sie nicht selten auch von Fehlern, wie etwa die Vernunft von Fesseln der Angst zu befreien, von der man sich lange hat unterdrücken lassen.
“ Worin liegt denn nach dem Alten Testament die Verbindung zu Gott, wenn nicht in den Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten, wo es darum geht, was man tun soll? Und wovon handelt die Bergpredigt? Doch nicht von der physischen Beschaffenheit der erfahrbaren Welt und was man darüber wissen kann, sondern wieder vom dem, was man tun soll! In der Bergpredigt, so hat mir das ein ev. Geistlicher einmal erklärt, findet sich der eigentliche Gehalt christlicher Glaubenslehre.“
Mir ist im Moment nicht ganz klar, warum Sie bei unserer Fragestellung diese Gegenüberstellung betonen: die Zehn Gebote etc. handeln “…doch nicht von der physischen Beschaffenheit der erfahrbaren Welt und was man darüber wissen kann, sondern wieder vom dem, was man tun soll!“
Mit dem „Stuss“ zuvor bezog ich mich nicht so sehr auf die Frage nach der Wissenschaftlichkeit von Religion wie im Blogthema, sondern nur auf Ihre Aussage:
“Da wohl den meisten Menschen Sinnhaftigkeit nur als von etwas Wesenhaftem intendiert vorstellbar ist, verwundert es nicht, dass fast alle Religionen dann auch auf (mindestens) einen personifizierten Sinnstifter angewiesen sind“ (Hervorhebung durch mich)
und habe das mit den Worten beanstandet:
“….als wäre Gott also eine im Hirn produzierte Vorstellung. (..). Unsere Vorstellungen sind ein Instrument zur Erfassung“ aller Realitäten, die uns berühren und unser Leben beeinflussen. Und das sind ein paar mehr als nur unsere materielle Realität. Und es müsste doch gerade auf Grund des wissenschaftlichen Fortschritts inzwischen klar sein, dass das nicht nur Sichtbares ist.
Die Tatsache, dass der Mensch begreift, dass es Verhaltensnormen, Anweisungen gibt, die – um mit Kant zu sprechen – a priori gegeben sind, und die um mit den Religionen zu sprechen, von Gott gegeben sind, wie etwa in Gestalt der 10 Gebote, bedeutet aber doch nicht, wie zu Beginn schon angesprochen, den Ausschluss der Vernunft. Diese Gebote sind doch nicht als ein plumpes SOLL nach Herrscher- und Machtmenschmanier zu verstehen. Als würde hier ein Diktator seinen Untergebenen restriktive Gesetze als Machtausdruck zur Bedingung für eine Beziehung mit ihm auferlegen. Es geht doch ganz schlicht aber grundlegend immer nur um elementares Gelingen menschlichen Miteinanders, das eben nur in der Ausrichtung auf Gott oder um es mit Kant zu sagen, auf das, was a priori gegeben ist, gelingen kann. Im christlichen Glauben ist das die Liebe, die Jesus im ‘Neuen Gebot’, als sein Testament, nennt.
Und in Ergänzung noch zur Kritik an Ihrem ursprünglichen Zitat:
Natürlich versuchen Nichtglaubende angesichts ihres kognitiven Nichtzugangs zur Realität Gottes, weil es dafür ja einer persönlichen Entscheidung bedarf (…Näheres zu dem dafür erforderlichen Glauben schrieb ich hier im Thread schon in einem Kommentar und in vielen anderen), diesen Gott in das Vorstellungsvermögen unseres Hirns und seiner neuronalen Feuerungen zu verbannen. Diese hausgemachte menschliche Blindheit ändert aber nichts an seiner uns alle berührenden größeren Realität unabhängig vom Zellenhimmel unter unserer Schädeldecke. Ich verstehe Ihre Rede so, dass Sie auch Gott als Produkt unserer neuronalen Hirntätigkeit betrachten, wenn sie von Vorstellung sprechen. Oder?
“ So verstanden ist religiöser Glauben von einer immanent subjektiven Beschaffenheit,“
Das ist gerade nicht der Fall. Das sogenannte immanent Subjektive ist allen Menschen immanent und nur insofern subjektiv, als es einer subjektiven Entscheidung bedarf, sich dieser allen gleichermaßen gegebenen Fähigkeit zu bedienen. Musikalische oder mathematische Fähigkeiten hat nicht jeder, diese aber hat jeder. Sie ist im Prinzip wie ein Schlüssel für den Zugang zu einer größeren Realität, in der wir fähig werden, unsere leibbedingte, leidvolle Vereinzelung zu überwinden und immer mehr eine in Frieden lebensfähige Gemeinschaft aufzubauen.
Es stellt die Realität auf den Kopf, wenn wir sagen: Der religiöse Glaube sei von immanent subjektiver Beschaffenheit. Das wird ihm heutzutage aus der Außenperspektive eines Nichtglaubenden gerne übergestülpt. Das war er aber nie.
@ Chrys
PS: zu Ihrer naturalistischen Sicht (oder?), dass Gott eine im Hirn produzierte Vorstellung sei. Dazu hatte ich schon in Reaktion auf andere Scilogskommentare auf meinem im oben und hier verlinkten Blog unter dem Titel: “die Idee von der Idee” Näheres geschrieben.
Was die Wissenschaftlichkeit des religiösen Glaubens angeht, hatte ich Sie vielleicht dahingehend missverstanden, dass ich Ihre Formulierung “subjektive Selbstbeurteilung” und die zugehörigen Erklärungen auf die persönliche Glaubensentscheidung bezog, um die jeder nur von sich selber wirklich wissen kann. Aber wer sich entschieden hat, kann dies zusammen mit allen, die ebenso entschieden haben, wissen.
Wenn jemand von sich selber behauptet religiös zu sein, ohne sich bewusst für den Glauben an Gott entschieden zu haben, kann kein Zweiter was wissen und bleibt es auch für ihn selber von Augenblick zu Augenblick in der Schwebe. Ich halte solches Wechselspiel, wenn es auf Dauer angelegt ist, für sehr riskant.
@Eli Schalom
Nein, das ist gewiss keine naturalistische Sicht, die ich da vertrete. Vielleicht kann ich mich da nicht unbedingt sehr verständlich ausdrücken. Aber möglicherweise bemerken Sie, dass ich mit meinem Verständnis von religiösem Glauben inhaltlich in etlichen Punkten doch recht nahe bin bei dem, was Christian Hoppe hier kommentiert hatte [25. August 2014 12:57], und der ist immerhin studierter Theologe. (»Glaube wird allerdings unausweichlich im Hinblick auf handlungsleitende Werturteile. … In Theologenkreisen trifft man immer wieder auf das Diktum, dass es keinen Sinn und nichts wirklich Gutes geben kann, wenn die Welt im Ganzen sinnlos bzw. nicht gut bzw. zu nichts gut wäre. …«)
Dass im religiösen Glauben die mit einem Gottesbegriff verbundenen Vorstellungen erheblich variieren, lässt sich schwerlich übersehen. Kants “Vernunftglaube” bezieht sich nicht auf einen personifizierten Gott, im Buddhismus ist von Gott gar nicht die Rede. In einigen Religionen werden bildliche Gottesdarstellungen konsequent abgelehnt, während in anderen bildhafte Symbolik sehr ausgeprägt ist. Dass es den meisten Menschen leichter fällt, sich an einem sinnstiftenden Prinzip zu orientieren, wenn ihnen dieses in personifizierter und nicht nur abstrakter Form fassbar ist, halte ich für plausibel. Mehr wollte ich da nicht sagen, und das wäre vielleicht eine Frage an die Religionspsychologie. Aber ich habe jetzt nicht danach gesucht, was dort dazu gesagt wird.
Ansonsten wäre es mir sehr recht, wenn auch wir hier den einstweiligen Abschluss finden. Einerseits beansprucht mich momentan auch einiges andere, und ich brauche inzwischen einfach mal ‘ne Pause.
@ Chrys
“Ansonsten wäre es mir sehr recht, wenn auch wir hier den einstweiligen Abschluss finden.”
Ok, ganz meinerseits vorerst. Aber danke für die Antwort.
@Balanus, @Chrys, @Joker, @Webbaer @ all
Jetzt muss ich mich, nachdem ich Ihre Diskussion einmal in Ruhe gelesen habe, doch noch mal einklinken.
Wenn ich die richtig verstehe, geht es um die wissenschaftliche Beurteilung von Religiosität, bzw. Religion. Wobei gegen Ende des Diskurses @Balanus meint, dass dies möglich sein muss und @Chrys hält das – zwar in seiner verbal hochgestochenen, wissenschaftlichen Sprache 😉 – vereinfacht gesagt, nicht für möglich.
Ich würde sagen, Sie liegen auf je unterschiedliche Weise beide richtig.
@Chrys ist dabei näher an dem bestehenden wissenschaftlichen Stand der Dinge, während @Balanus den noch ausstehenden kommenden Stand fordert. Denn es ist die bisherige wissenschaftliche Methode die falsch liegt, oder richtiger gesagt, die der Anforderung noch nicht gerecht werden kann, d.h. kann vielleicht schon, sie tut es nur noch nicht und die, die es versuchen, werden ausgegrenzt, verpönt, als pseudowissenschaftlich abgestempelt….
Und da könnte @Webbaer mit seiner Überlegung, warum man es noch nicht tut, obwohl man vielleicht schon könnte, Recht haben. Auf den Gedanken bin ich noch gar nicht gekommen, aber das könnte tatsächlich ein aktuell entscheidendes Hindernis sein:
“Das würde z.B. bedeuten, dass auf bestimmte Art Religiöse, die explizit nicht zur ‘Selbstbekundung’ ihres Glaubens neigen,(…) vielleicht aus taktisch-strategischen Gründen, von Ihnen nicht wissenschaftlich-empirisch bearbeitet werden können [wollen]…“ . Nämlich wenn sie unausgesprochen Religion für menschliche Macht, etwa eine Weltregierung, missbrauchen wollen, was dann ja gerade mit Hilfe ganzheitlicher Wissenschaft, die Diesseits und Jenseits zu vereinen vermag, erkannt werden würde.
Mal abgesehen von diesem eventuellen – höchst wahrscheinlich tatsächlichen – Hindernis, meine ich, dass Sie alle unabhängig davon dieses spezielle Thema in der Art, wie Sie hier diskutieren, eben geradenicht wissenschaftlich angehen.
Warum?
Wenn Sie z.B. das lebendige Verhalten von Fischen untersuchen wollen, gehen Sie auch nicht hin und untersuchen die Fische, nachdem Sie sie geangelt und ihrem Lebenselement entzogen haben, auf dem Festland auf einem, was weiß ich, Experimentiertisch, oder so.
Genau das tun Sie aber hier.
Beispiele hinken in der Regel, aber nehmen wir mal an, Ihr wissenschaftlicher Kenntnisstand wäre dergestalt, dass Sie Fische als Festlandtiere einstufen. Sie werden sie also außerhalb ihres Lebenselements Wasser erforschen und eben mit Methoden, wie man Tiere auf dem Festland erforscht. Sie werden folglich immer nur tote Fische erforschen. Dabei entdeckt man natürlich auch schon einiges, was sie mit Festlandtieren gemeinsam haben, aber dem lebenden Fisch wird man nicht näher kommen. Seine Kiemen etwa wird man für überflüssig halten und nach Wegen suchen, sie wegzuoperieren, den Fisch quasi durch Eingriffe zu ‚optimieren‘ versuchen.
Wenn es also für den Menschen ein Jenseits gibt, dann ist dieses auf ähnliche Weise für ihn ein völlig anderes Lebenselement .
Ein Fisch kann aus seinem Element heraus nicht das Lebenselement eines Landtieres erforschen und umgekehrt ein Festlandtier nicht das eines Fisches. Bei einem solchen Wechsel sterben sie. Es macht also keinen Sinn, das Leben eines Fisches im Wasser mit Forschungsmethoden eines Tieres im Lebensraum Festland erkunden zu wollen.
Nun hinkt dieser Vergleich natürlich, denn so elementar verschieden, wie Diesseits und Jenseits sind Wasser und Land nicht. Wir Menschen müssen tatsächlich sterben, um von hüben nach drüben zu gelangen. Im Tierreich gibt es dagegen Amphibien, die in beiden Elementen leben können. Sie haben lediglich mehr Ausrüstung, um im jeweils anderen Lebenselemente den Sauerstoff für die Atmung aus der Umwelt zu gewinnen. D.h. beide leben von Sauerstoff. Das dürfte beim Wechsel vom Diesseits ins Jenseits sehr anders sein. Aber eben, es ist ja ein Vergleich aus der Elementperspektive des Fisches.
Um deshalb nochmal in dem Vergleich zu bleiben: vielleicht wissen wir nur noch nicht, dass wir ‚Amphibien‘ sind oder sein können, oder werden. Ein Leben aus dem Glauben wäre dann der Lebensraum, in dem wir das Amphibiendasein lernen, durch das wir dann im Tod nur scheinbar sterben und stattdessen lediglich die Lebenswirklichkeit wechseln.
Die Religionen wären so etwas wie mehr oder weniger gute, unterschiedliche ‚Werkstätten, Übungsstätten, Studienpläne‘ für die Umrüstung.
Dazu würde m.E. dann eben auch gehören, für die so völlig verschiedenen Lebenswirklichkeiten entsprechend andere, angemessene Methoden der Forschung zu entwickeln. Der Fisch erobert seinen Lebensraum mit den Kiemen, das Festlandtier mit der Lunge.
Ich würde sagen, der Glaube, so verstanden, wie von mir verschiedentlich angedeutet, ist der Schlüssel für die wissenschaftliche Methode zur Erforschung des Jenseits. Oder auch er ist diese Methode.
….aber das ist jetzt ein neues großes Kapitel…..
Wollte nur auf die Notwendigkeit noch nicht vorhandener unterschiedlich erforderlicher Forschungsmethoden hinweisen, um Religiosität wissenschaftlich behandeln zu können. Solange das nicht geht, wäre die Sicht von @Chrys die richtige. @Balanus müsste sich gedulden oder selber Hand anlegen, sprich, sich für den Glauben entscheiden, um die neuen Methoden entwickeln zu können. Die Ähnlichkeit, die bei den Amphibien mit dem gemeinsamen Sauerstoffbedarf gegeben ist, dürfte ähnlich auch zwischen Diesseits und Jenseitswirklichkeit gegeben sein. Sie zu suchen, müsste demnach bei der Jenseitsforschung entscheidend helfen können.
Ist das vielleicht der oben von mir so genannte zu Gott hin offene Prozess des Glaubens im Menschen? Ist es das, was Joachim Schulz meint?
Denn natürlich muss bei solcher ‚Amphibienforschung‘ auch wenigstens eine solche grundlegende Kompatibilität zwischen den Lebenswelten/Wirklichkeiten herauskommen.
@Joker
Die Erfordernis, zwischen Wahrheit und Richtigkeit zu unterscheiden, führt letztlich zurück auf das Is-Ought Problem von David Hume. Sofern es nicht aus dessen Treatise schon ersichtlich war, hat es jedenfalls Henri Poincaré in seinen Dernières Pensées klar formuliert, dass sich aus deskriptiven Voraussetzungen keine normativen Sätze schlussfolgern lassen. Jørgen Jørgensen hat das noch dahingehend verschärft, dass auch aus normativen Prämissen keine Normen folgen. Das ganze Schlamassel mit den Normen ist auch Jørgensens Dilemma bekannt. Die deontische Logik ist eine Form der Logik, die auch Normen umfasst, doch können diese dann nicht im selben Sinne gelten (“wahr sein”), wie die wahren Sätze dieser Logik.
»Abgesehen davon, dass in erster Linie nicht die heilige Maria und die supernatural beings eine psychische Störung haben, …
In der Tat, gut aufgepasst!
»… gilt, dass viele, denen die Existenz überempirischer Wesen gewiss ist, gemeinhin nicht als psychisch gestört zu betrachten sind. Auch das sollten wir berücksichtigen.«
Positiv. Doch wenn Religiosität als der Glaube an überempirische Wesen gilt, dann wäre John Nash genau für den Zeitraum seiner Störung als religiös anzusehen, und zwar nur wegen der Störung. Es trifft zu, der obige Dialog stammt aus A Beautiful Mind von Sylvia Nasar, und da steht sogar noch mehr zu religiösen Anwandlungen, die mit der Störung einhergingen. Beispielsweise auf p. 16:
Die Sache mit der Gretchenfrage scheint alles in allem doch erstaunlich verzwickt zu sein.
@AnoNym: Die Wahrnehmung von Nichtvorhandenem ist keine Wahrnehmungs-´störung´, im Sinne von ´Störung´. Sondern dies ist die normale Arbeitsweise unseres Gehirns.
Als Reaktion auf einen neuen Reiz, wird zunächst vorhandenes Wissen reaktiviert und somit Teil unseren aktuellen Erlebens. Dies bedeutet, dass auch nicht Vorhandenes (aus der Erinnerung stammendes) zu einem gefühlt realen Erlebnis wird.
Ich habe oben schon darauf hingewiesen, dass dadurch z.B. beim ´Nachtodkontakt´ eine bereits verstorbene Person wieder so erlebt werden kann, als ob sie real anwesend wäre.
In den letzten Jahren gibt es verstärkt berichte über das Phänomen ´Phantomklingeln´, wobei Menschen meinen, ihr Handy klingeln zu hören – obwohl dies nicht der Realität entspricht.
Es gibt zur Reizverarbeitung sogar aktuelle Experimente mit Affen (Makaken), welche zeigen, dass Neuronen welche einen neuen Reiz registrieren, inaktiv werden, während die Erinnerung eines Erlebnisses aus dem Gedächtnis abgerufen wird. Dabei scheint es, dass die Bereiche ´Reizverarbeitung´ und ´Erinnerungsabruf´ getrennt arbeiten, obwohl sie direkt nebeneinander liegen. (Siehe: DOI: 10.1038/nn.3785 Sharp emergence of feature-selective sustained activity along the dorsal visual pathway)
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Gleichgültig ob der Mensch nun tief in die Quantenphysik eintaucht oder sich in anderen notwendigen Lebensbereichen auskennt und in ihnen Tragfähiges schafft, der Mensch ist nicht nur darauf angelegt, sich die Welt durch Falsifizierbarkeit zu erschließen…das wäre eine zu dürftige Weltsicht