Die Sonne halten
BLOG: Quantenwelt
Mitte April hatte ich Gelegenheit, das Plasma-Experiment Wendelstein 7-X in Greifswald zu besuchen und mir von dort arbeitenden Wissenschaftlern erklären zu lassen. Anlass genug, hier kurz über Plasmen, Stellaratoren und Wendelstein 7-X zu berichten.
Ein Plasma ist in der Physik1 der vierte Aggregatzustand neben Feststoffen, Flüssigkeiten und Gasen. In Feststoffen sind die Atome so stark aneinander gebunden, dass sie sich nicht von der Stelle bewegen. In Flüssigkeiten reicht ihre Bewegungsenergie aus um aneinander vorbei zu gleiten. Die Materie kann fließen, ihre Atome verlieren aber nie den direkten Kontakt zueinander. In Gasen reicht die Energie schon aus, dass sich Atome oder Moleküle frei voneinander bewegen können. Gase breiten sich aus und nehmen den gesamten zur Verfügung stehenden Platz ein. Wird die Bewegungsenergie der Teilchen noch größer, so sind nicht mehr die Atome die kleinsten intakten Bausteine: Atomkerne2 und Elektronen können sich frei voneinander bewegen. Das ist dann ein Plasma.
Plasmen kommen in Natur und Technik nicht selten vor. Plasma-Bildschirme und so genannte Energiesparlampen nutzen Plasmen als Lichtquellen. Auch in Flammen und Blitzen fallen sie als Leuchterscheinung auf. Das Licht entsteht dabei durch Rekombination, also wenn Atomkern und Elektronen aufeinander treffen und bis zum nächsten Stoß wieder ein Atom bilden.
Ein Plasma ist ein Gas aus geladenen Teilchen. Während sich aber ein ideales Gas dadurch auszeichnet, dass sich die Gaspartikel zwischen zwei Stößen frei ausbreiten, gibt es in einem Plasma ständige Wechselwirkungen zwischen den geladenen Partikeln.
Die negativ geladenen Elektronen und die positiv geladenen Atomkerne bewegen sich stets in elektrischen und magnetischen Felder mit großer Reichweite. Jede Beschleunigung oder Abbremsung dieser Teilchen verändert die Felder durch Induktion. Soll ein Plasma berechnet werden, braucht es also mehr als nur Teilchendichte, Druck und Temperatur. Teilchen und Felder wechselwirken unentwegt miteinander und beeinflussen sich gegenseitig. Die komplizierten Vorgänge in Plasmen machen es notwendig, theoretische Vorhersagen mit experimentellen Messungen zu vergleichen.
Wendelstein 7-X ist eine Maschine, in der es möglich sein wird, Plasmen langfristig zu speichern und ihre Eigenschaften genau zu vermessen. Dazu werden die Plasmen in einem starken Magnetfeld eingeschlossen. Wendelstein 7-X ist ein Stellarator in dem das Magnetfeld im Vergleich zu dem größeren Tokamak ITER recht kompliziert aufgebaut ist: Während die Feldlinien eines Tokamaks einen einfachen Torus3 bilden, sind sie in einem Stellerator ineinander verwunden. Nur so ist es möglich, das Plasma langfristig festzuhalten. Die einfacher aufgebauten Tokamaks können Plasmen nur kurzfristig speichern.
Wendelstein 7-X wird voraussichtlich in diesem Jahr seinen Forschungsbetrieb aufnehmen. Neben den Studien an Plasmen selbst wird sich dabei auch zeigen, ob das Konzept des Stellarators gegenüber den weiter entwickelten Tokamaks konkurrenzfähig ist.
Plasmen sind nicht zuletzt notwendig, wenn Kernfusion als Energiequelle erschlossen werden soll. Zur Kernfusion ist Wendelstein 7-X allerdings nicht ausgelegt. Eine Anlage, die mehr Energie durch Fusion erzeugt als sie zur Aufrechterhaltung des Plasmas braucht, müsste etwa fünf mal größer sein als die Forschungsanlage Wendelstein 7-X. Das ergibt sich einfach aus dem Verhältnis von Volumen zu Oberfläche. Die Energieproduktion geschieht überall im Volumen der Maschine, während die Energieverluste fast ausschließlich über die Oberfläche auftreten. Da das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen mit der Größe fällt, werden Fusionskraftwerke groß sein müssen.
Wendelstein 7-X wird zeigen, ob das Stellarator-Konzept geeignet ist, große Plasmamengen langfristig zu halten. Es wird auch dazu beitragen, Plasmaphysik besser zu verstehen und theoretische Plasmamodelle zu überprüfen. Ob die Forschung in Greifswald langfristig zur Energieversorgung beitragen wird, ist dann eine politische Entscheidung.
Die Sonne aufblitzen lassen ist wohl erfolgsversprechender als die Sonne zu halten.
Der Fusionsforschungsreaktor Wendelstein 7-X versucht die Sonne, also sonnenhähnliche Verhältnisse in seinem Plasmagefäss zu halten, müsste aber 5 Mal grösser sein, um Strom fürs elektrische Netz erzeugen zu können. Solche Reaktoren, 5 Mal grösser als Wendelstein 7-X wären richtiggehende Monster, denn Wendelstein 7-X ist mit Abmessungen von 5.5 Metern Radius und einem Volumen des Plasmagefässes von 50 Kubikmetern (darin hätten 50 Tonnen Wasser Platz) schon kein Zwerg mehr.
Es gibt ja auch schon Berechnungen wie teuer der Strom aus einem Tokomak oder Stellarator wäre. Leider wird das kein billiger Strom.
Die Alternative, nämlich Die Sonne aufblitzen lassen, bedeutet, dass man das Plasma, in dem die Fusion stattfindet, in dem das Sternenfeuer zündet, nur für Bruchteile einer Sekunde erzeugt. Dazu komprimiert man ein Brennstoffkügelchen so stark, dass es 1000 Mal dichter wird als im Ruhezustand. Das so entstehende Plasma ist bis zu einer Milliarde Mal dichter als das Plasma im Wendelstein 7X-Reaktor, wo sich in einem Volumen von 50 Kubikmetern nur gerade 30 Milligramm Plasma befinden. Ja man liest richtig: In 50 Kubikmetern befinden sich gerade einmal 30 Tausendstel Gramm Plasma, also Materie, die in einer Fusionsreaktion gezündet werden soll.
Die Sonne halten bringt den Begriff Plasma und die Bedeutung von Plasmen für unseren Alltag und für Fusionsreaktoren sehr gut herüber. Man erkennt in den Quantenwelt-Blogartikeln zunehmend die Absicht wichtige Konzepte aus der Physik und der Wissenschaftstheorie herauszuarbeiten und zu verdeutlichen. Das gefällt mir.
http://www.mpg.de/4699559/zoom.jpg
Wie man zu diesen modularen 3-dimensionalen Spulen kommt:
http://www.ipf.uni-stuttgart.de/lehre/plasmaphys/p80_07.html
Verehrter Herr Schulz,
wenn ich die Sache richtig verstehe, ist der Wendelstein 7-X (interessanter Name, gewendeltes Plasma) eine Maschine, um Vorgänge zu prüfen, die bei einer kontrollierte Kernfusion zur Energieerzeugung ablaufen könnten. Also ein Apparat zum Testen.
Wir müssen nach neuen Energiequellen suchen. Aber müssen wir dazu den Kern von Atomen anpacken ? Ich habe dabei ein ziemlich mulmiges Gefühl. Und Gefühle sprechen meistens die Wahrheit.
In einem Kern wirken Kräfte anderer Art als in der Hülle von Atomen. In der Hülle von Atomen wirken leichte, sanfte Kräfte, da können wir mit unseren menschlichen Unvollkommenheiten, insbesondere der Kombination von Neugier, Unvorsichtigkeit und Überheblichkeit, noch beherrschbaren Schaden anrichten. Aber wenn wir uns an Kernkräfte heranmachen – da drin steckt eine andere Energie, 1000 mal grösser als in der Hülle, das ist wie wenn kleine Buben mit echten Blindgängern spielen.
Ich stelle mir hier die Frage nach der Verantwortlichkeit von Wissenschaft und Forschung. Ich bin überzeugt, dass alle am Wendelstein arbeitenden Physiker verantwortliche Leute sind, die auch Kinder haben, und denen eine heile Welt hinterlassen wollen. Die sind nicht gemeint. Gemeint sind die, die Forschung organisieren und finanzieren (weltweit, mit ethischem Anspruch).
Ich meine, man muss mit Kernkräften mehr als vorsichtig sein, das sind nicht nur gigantische Energien, die da gefesselt sind, da drin steckt das Höllenfeuer selbst. Ist die menschliche Natur so beschaffen, dass sie sich an ALLES heranmachen muss ? Es kommt mir vor als wollten wir immer wieder den Turm von Babel bauen, und immer wieder vom Baum der Erkenntnis fressen, auch wenn wir das Risiko eingehen, dass wir das Paradies, in dem wir leben, in die Hölle verwandeln.
Es grüsst Sie
Fossilium
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