Warum ich Chemie studierte
BLOG: Quantensprung

“Ihhhh Chemie, das konnte ich nie!” – mit größtmöglichem Abscheu schleuder(te)n mir beständig Freunde, Bekannte und sogar Verwandte ihr komplettes Unverständnis entgegen. “Wie kannst/konntest Du das nur studieren?” Ganz ehrlich, während des Studiums und danach habe ich mich das selbst oft gefragt, aber wohl aus ganz anderen Gründen.
Warum ich das gerade jetzt erzähle und mal so off-topic aus dem Nähkästchen plaudere? Nun, wie gestern bereits gebloggt, gibt es da diese unerwartet erfolgreiche #IamScience-Serie mit inzwischen 400+ teilnehmenden (Ex-)Forschern (hier der neue tumblr-blog von Kevin dazu), bei der ich hiermit mitmache.
Warum also habe ich Chemie studiert, …
Meine grundsätzliche naturwissenschaftliche Begeisterung wurde, denke ich, insbesondere von zwei Faktoren gefördert. 1. Mein Vater vermisste wohl einen Jungen und hat mir als jüngster von vier Mädchen sägen, bohren, schrauben, schreinern, entwerfen, basteln etc. beigebracht und mich für’s Segelfliegen mitsamt dessen Theorie begeistert. 2. Ich ging auf ein Mädchengymnasium und dort gab es eine begeisternde Mathelehrerin, die ab und an Alumnis, die etwas Naturwissenschaftliches studiert hatten, einlud. Das hat animiert (danke Frau Böhmer!).
Eigentlich wollte ich Physik studieren, aber aus irgendeinem Grund, habe ich mich das nicht getraut. Stattdessen habe ich mich für die Chemie entschieden. Experimentieren, richtig im Labor forschen, das wollte ich.
…wie war das…
Tatsächlich wurde es mir mit dem Experimentieren während des Studiums dann oft zu viel (wir haben aber auch höllisch viel gekocht), Anorganik und Organik waren bis auf die spannende Spektroskopie unglaubliche Auswendiglernfächer und das Fach, das mir wirklich richtig Spaß gemacht hat, war die Physikalische Chemie. Ich hätte also doch besser Physik studiert. Beim vielen Kochen – ja so nennen Chemiker ihre Suppenküche im Labor – drängte sich zunehmend der Gedanke an die Umwelt auf. Zumal im alten Chemie-Gebäude der Ludwig-Maximilians-Universität in München viele Abzüge nicht richtig funktionierten, es schon mal ominös von der Decke tropfte (‘Gang vorübergehend nicht benutzen’-Schilder wurden dann aufgehängt), mir einmal beim fachgerechten Entsorgen in den speziellen Sondermülleimer dieser explodierend entgegenflog, sodass ich eine der wenigen Chemiker bin, die schon mal in den Genuss der Notdusche im Labor kam.
Zwei Kommilitoninnen und ich waren schließlich die ersten LMUler, die an der Technischen Universität München ‘Ökologische Chemie’ als viertes Fach und Schwerpunkt noch unter dem deutschen Ökochemie-Pionier Professor Friedhelm Korte studierten.
Eine schwere Vergiftung nach einem eigentlich eher unspektakulären Chemieunfall im Labor (mein Körper hatte das Zeug, Tricycloheptan, durch die Handschuhe hindurch über die Hände aufgenommen) hat mir sehr zu Denken gegeben. Fortan wachte ich mit Argusaugen in jedem Labor: Wehe, wenn jemand etwas offen stehen lies oder falsch entsorgte!
…und warum bin ich heute keine Chemikerin?
Der Entschluss, es mit der Chemie bleiben zu lassen, ist zunehmend gereift. Ich habe lieber Philosophie-Vorlesungen oder die Sonderreihe zur Geschichte der Chemie gehört und mit dem Schreiben begonnen. Besonders die 6 Monate Diplomarbeitszeit haben mir gezeigt, dass ich für die Forschung eher ungeeignet bin. Nicht, dass ich keine guten Ergebnisse gehabt hätte. Ich hatte untersucht wie ein bestimmtes Pestizid in verschiedenen Bodenarten abgebaut wird. Aber die Langatmigkeit des Ganzen, die Wochenenden im Labor mit endlosen Messreihen, die Ungewissheit, ob die Methode so funktioniert… Ich fand es nicht aufregend, sondern anstrengend. Ich konnte mir nicht vorstellen mich für eine Promotion drei oder mehr Jahre auf ein Thema zu fokussieren.
Mit dem Diplom war also Schluss mit meiner wissenschaftlichen Karriere als Chemikerin. Aber keineswegs mit meinem Interesse für die Forschung. Ich wurde Journalistin und genieße es sehr, klugen Wissenschaftlern meine neugierigen Fragen zu stellen. Ich bin nach wie vor an Wissenschaft äußerst interessiert und befördere sie heute, indem ich darüber kommuniziere oder Forscher animiere, selbst mehr zu kommunizieren. Und selbstverständlich habe ich insbesondere vor Chemikern den größten Respekt.
Zum Abschluss eine kleine Randnotiz: Letztes Jahr fühlte ich mich in der Wired-Redaktion wie zurückgebeamt. Der Condé-Nast-Verlag hat heute seinen Sitz in München genau dort, wo früher das chemische Institut der LMU war. Insbesondere der Eingangsbereich gleicht mit seinen Treppenaufgängen und Blickwinkeln nach draußen sehr dem damaligen – Back to the roots.
Die Laborbilder stammen von Katrina Badiola. Danke!
*bedauerndes-kopfschüttel*
Tja, hättest Du besser mal was Richtiges studiert. Obwohl…Eigentlich warst Du ja nah an der Physik, denn Chemie ist ja ohnehin nur die Physik der Elektronenhülle… ;-P
Ciao,
Andreas
(Füsikor und sowasvonstolzdarauf)
Füsikör
Das ist fies, der Herr!
Wehr Dich halt!
:c)