Energie – Eine Landkarte der Unterschiede

BLOG: Quantensprung

Versuch einer Aufklärung
Quantensprung

Wir haben gemeinsame Ländergrenzen, sind Nachbarn. Wir treffen uns auf Konferenzen und diskutieren dort Themen wie Energieverbrauch und Klimawandel. Aber in der jeweiligen politischen Entscheidung über die Energiestrategie könnten die Unterschiede der Länder nicht größer sein.

Mit 58 Kernkraftwerken führt Frankreich die Liste der Atomkraftnutzung in Europa an. 85 Prozent der gesamten primären Energieproduktion des Landes stammten im Jahr 2011 aus diesen Anlagen (Eurostat).
In Deutschland zählte die European Nuclear Society im Januar 2013 neun Kernkraftwerke, die im Betrieb waren. Bis 2022 sollen diese sukzessive abgeschaltet werden.

In Polen steht kein einziges Kernkraftwerk. Polen ist Kohleland. 66 Prozent der primären Energieproduktion werden mit Kohle abgedeckt.

Österreich dagegen mit seinen vielen Wasserwerken in den Bergen und anderem ist vorbildliches Land der erneuerbaren Energie, mit der 73 Prozent macht deren Anteil bei der primären Energieproduktion im Land aus (im Verbrauch rutschen die Erneuerbaren aber auf 31 Prozent zurück!).

Und in Rumänien haben wir ein wenig von allem: 11 Prozent aus der Kernkraft, 24 Prozent Braunkohle, 16 Prozent Öl, 31 Prozent Gas und 18 Prozent erneuerbare Energiequellen.

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Kernkraftwerke, die im Januar 2013 in Betrieb waren – nach Ländern. Erhoben durch die European Nuclear Society

 

Genug der Zahlen. Wir könnten diese Länderspiele rund um den Globus betreiben. Ich wollte nur veranschaulichen, dass das Thema Energie sehr individuell iat. Jedes Land hat einen anderen historischen und kulturellen Hintergrund und natürlich andere Ressourcen. Sich dies zu vergegenwärtigen halte ich für wichtig, auch für Dialogformate wie den kommenden Nobel Week Dialogue am Montag 9.12. in Götheburg.


Quellen

Alles zur Nutzung von Kernenergie stammt von der European Nuclear Society, Januar 2013

Daten zum gesamten Energiemix stammen aus der jüngsten Erhebung von Eurostat bezogen auf das Jahr 2011.

 


NWD_V_cmyk Dieser Beitrag stammt aus dem offiziellen Nobel Week Dialogue Blog (dort in en)

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Veröffentlicht von

Beatrice Lugger ist Diplom-Chemikerin mit Schwerpunkt Ökologische Chemie. Neugierde und die Freude daran, Wissen zu vermitteln, machten aus ihr eine Wissenschaftsjournalistin. Sie absolvierte Praktika bei der ,Süddeutschen Zeitung' und ,Natur', volontierte bei der ,Politischen Ökologie' und blieb dort ein paar Jahre als Redakteurin. Seither ist sie freie Wissenschaftsjournalistin und schreibt für diverse deutsche Medien. Sie war am Aufbau von netdoktor.de beteiligt, hat die deutschen ScienceBlogs.de als Managing Editor gestartet und war viele Jahre Associated Social Media Manager der Lindauer Nobelpreisträgertagung, des Nobel Week Dialogue in 2012/2013 und seit 2013 berät sie das Heidelberg Laureate Forum. Kommunikation über Wissenschaft, deren neue Erkenntnisse, Wert und Rolle in der Gesellschaft, kann aus ihrer Sicht über viele Wege gefördert werden, von Open Access bis hin zu Dialogen von Forschern mit Bürgern auf Augenhöhe. Seit 2012 ist sie am Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation, NaWik - und seit 2015 dessen Wissenschaftliche Direktorin. Sie twittert als @BLugger.

13 Kommentare

  1. Frankreich 85 % Kernergie? Das dürfte unmöglich sein. Es sind bestenfalls 40 %. Ist eventuell der Stromverbrauch gemeint?

  2. Genau so ist es. Und Energieerzeugung wird oft als Aspekt der nationalen Sicherheit gesehen, weshalb die Auslandsabhängigkeit nicht zu gross sein dürfe. Dabei übersehen die Länder häufig, dass sie zwar vielleicht die Stromproduktion relativ autonom sicherstellen können, aber Brenn-und Treibstoffe für die Autos und das Heizen auf Importe angewiesen sind. Erdgas für Deutschland kommt aus Russland und Erdöl für Autos wird ebenfalls nicht in Deutschland gefördert.

    Dieses Autarkiedenken vor allem in der Stromversorgung ist ein grosses Hindernis für den weiteren Ausbau der neuen Erneuerbaren Energien Wind und Sonne. Denn die kostengünstigste Art und Weise um Produktionsschwankungen auszugleichen ist über ein möglichst grossräumiges Stromnetz, das im Falle Europas ganz Europa mit einem Supergrid abdecken sollte. Studien zeigen, dass die Alternative zum Stromtransport, nämlich das lokale Speichern von Stromüberschüssen beispielsweise mittels PowerToGas-Technologie bis zu 10 Mal teurer ist als der Stromtransport. Überhaupt ist das nationale, ja sogar regionale Denken im Energiebereich eines der grössten Hindernisse für tiefgreifende Änderungen in der Energieversorgung.

    • Überhaupt ist das nationale, ja sogar regionale Denken im Energiebereich eines der grössten Hindernisse für tiefgreifende Änderungen in der Energieversorgung.

      Wobei die Nationalstaatlichkeit, auch um bspw. nicht bestimmte Machthabende als ‘lupenreine Demokraten’ bezeichnen zu müssen, doch dazu anleiten könnte die Energieversorgung staatlich weitgehend abgesichert zu verwalten. Über Flüssiggastanker & Öltanker und über Eigengeräte die Elektrizität betreffend,
      Würde man vielleicht so meinen wollen…

      MFG
      Dr. W

  3. Diese Datenlage ist vielleicht von Interesse:
    -> http://en.wikipedia.org/wiki/Nuclear_power_by_country#Overview (gerne auch nach ‘Nuclear share of electricity production absteigend sortieren lassen (Atomenergie produziert typischerweise elektrische Energie))

    Die Unterschiede sind interessant und man mag den wegen des Tōhoku-Erdbebens, das primär in D als “Nuklearkatastrophe von Fukushima” medial transportiert worden ist, womöglich desorientierten und verängstlichten Bundesdeutschen nur die Daumen drücken…

    MFG
    Dr. W

  4. Gibt es überhaupt eine “Energiewende”? Verfolgt man diese Seite hier, dann kommen mir Zweifel

    http://www.transparency.eex.com/de/

    Wegen dem Orkantief ist die Windenergieeinspeisung momentan recht hoch, normal kommt da einstellig. Photovoltaik geht im Sommer bis 25GW, in den Wintermonaten natürlich nicht. Fragt sich, was das überhaupt alles soll. Ist die reinste Geldverschwendung. Besser wären in unseren Breitengraden Atomkraftwerke.

  5. @Wendehals:
    Da gleichzeitig keine Sonne scheinen und kein Wind blasen kann braucht es genügend konventionelle Energie um ohne beide auszukommen. Deshalb sind auch weitere 6 Gigawatt an Kohlekraftwerken in Deutschland geplant. Die ersetzen die vorzeitig abgestellten AKW’s. Gleichzeitig sind die konventionellen Kraftwerke nur noch selten voll ausgelastet, denn normalerweise bläst etwas Wind oder/und scheint die Sonne. Weil die konventionellen Kraftwerke nun nicht mehr auf die nötigen Betriebsstunden kommen, müssen sie ebenfalls subventioniert werden (Kapazitätsmarkt).
    Wenn man schon auf Wind- und Sonnenstrom setzt müsste man die Produktionsschwankungen mittels eines gesamteuropäischen Supergrids ausgleichen. Einfach ein paar Windturbinen und Solarpanels hinstellen genügt in der Tat nicht.

  6. @Martin Holzherr Ganz so ist es natürlich nicht. Es kann schon gleichzeitig die Sonne scheinen und der Wind wehen. Nur ist Deutschland de facto nicht das Sonnenland. Das stimmt. Desertec und andere Projekte hängen vor allem an der Speicherung und Übertragung von Energie. Das sind zumindest aus meiner Sicht die Kernfragen der Forschung aktuell. Politisch ist das nochmals ein ganz anderes Pflaster.

    • Vieles Kann. Doch vieles, was passieren könnte, darf nicht passieren. So darf es in Deutschland keinen Stomausfall geben, denn ein einziger Tag mit Zusammenbruch des Stromnetzes würde mehr als 50 Milliarden Euro kosten. In Deutschland kann das heute nicht passieren, aber nicht weil Sonne und Wind zuverlässiger sind als ich denke, sondern weil Deutschland den Strom bei Bedarf zu 100% konventionell, also mit Kohle- und Erdgaskraftwerken abdecken kann. Deutschland benötigt also seine Kohlekraftwerke weiterhin – egal wieviele Windräder montiert werden.
      Es stimmt auch nicht, dass nur Desertec an der Speicherung und Übertragung von Energie hängt. In Wirklichkeit hängt heute jedes EE-Projekt von Speicherung und Übertragung ab, wenn es auf fossilen Backup verzichten will. Ich empfehle Ihnen sich mit dem EU-Projekt roadmap 2050 auseinanderzusetzen. Im Zentrum diese Projekts steht ein gesamteuropäisches Supergrid und es wird deutlich gemacht, dass EE für Europa umso teurer wird, je weniger Übertaragungsleitungen es gibt.

  7. Das roadmap 2050 Dokument Power Perspectives 2030 Executive Summary führt als ersten Punkt der abschliessenden 7-Punkte Liste folgendes auf:

    Building new and improved transmission grid infrastructure is essential to balance a decarbonised power system cost-effectively and to integrate energy markets. Beyond 2020, the lowest cost solution calls for twice as much additional grid capacity as compared to the planned expansion in the current decade. Lower levels of grid expansion are also feasible but involve trade-offs with higher levels of capital investment, greater price
    volatility and higher diverse RES curtailment.

    Auf gut Deutsch: Das Supergrid ist für EU-weite EE essentiell und zwischen 2020 und 2030 müssen doppelt soviel Übertragungsleitungen gebaut werden wie für dieses Jahrzehnt geplant. Falls das nicht passiert, wird EE teurer und mehr überschüssiger EE-Strom muss verworfen werden.

    In Punkt 5 liest man:

    Demand-side resources such as energy efficiency and demand response (including distributed energy storage options and distributed production) represent an attractive means to reduce the amount of transmission and large-scale generation investments required.

    Auf gut Deutsch: Weniger Strom verbrauchen spart Übertragunslinien und Kraftwerke ein, was das Gesamtsystem billiger macht.

    Fazit: Das EU-Projekt roadmap 2050, will die EU bis 2050 zu 80%-95% relativ zu 1990 dekarbonisieren. Dabei wird nichtfossil erzeugter Strom andere fossile Energiequellen verdrängen müssen. Das kann kostengünstig nur mit einem Supergrid – einem Übetragunsnetz für Strom sehr hoher Kapazität und mit geringen Übertragungsverlusten – erreicht werden.

  8. Das EU-Projekt roadmap 2050, will die EU bis 2050 zu 80%-95% relativ zu 1990 dekarbonisieren.

    Aber nur die Stromversorgung, also rund 20 % der Gesamtenergie.

    • Jein. In der Einleitung zu Power Perspectives 2030 Executive Summary steht ausdrücklich, dass der Stromsektor bis 2050 zu 100% dekarbonisiert und die Wirtschaft insgesamt zu 80% dekarbonisiert werden soll:

      In October 2009, the European Council set an economy-wide greenhouse gas (GHG) abatement objective of 80–95% below 1990 levels by 2050. In support of this objective, the European Climate Foundation (ECF) initiated a study to establish a fact base for achieving this goal and to derive the implications for European industry and in particular for the power sector. The result was Roadmap 2050: a practical guide to a prosperous, low carbon Europe,
      published in April 2010. It showed that the transition to a fully reliable, fully decarbonised power sector by 2050 is a pre-condition for achieving the 80% economy-wide emissions reduction target. The study also established that full power sector decarbonisation is technically feasible and economically affordable.

  9. Die nationalen Unterschiede in der Energielandschaft sind auch eng verknüpft mit Glaubensbekenntnissen, die sich auf die “richtige” Form der Energie beziehen. Polen als Paria, das während der Klimakonferenz einen “Kohlegipfel” abhält: Abscheulich werde da viele sagen. Frankreich, das auf seinen Nuklearkraftwerken besteht und von seinen deutschsprachigen Nachbarn die rote Karte vorgestreckt erhält, Deutschland, das die Kosten der Energiewende einseitig den Privaten und dem Dienstleistungssektor sowie Kleinfirmen aufbürdet und deswegen- wegen der Enlastung der exportorientierten Firmen also – von der EU-Kommission (die hier vielleicht wegen den neidischen Nachbarb aktiv wird) wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts unter die Lupe genommen wird. Es ist ein einziger grosser Hahnenkampf. Genau dieser Hahnenkampf zwischen den europäischen Nationen macht eine europäische Energiepolitik zur Farce.
    Doch braucht es eine europäische Energiepolitik überhaupt? Und falls ja, sollte die EU die Energieform vorschreiben, die von den Mitgliedsstaaten benutzt werden soll?

    Wenn die EU tatsächlich ein Dekarbonisierungsziel hat, den Ausstoss an Treibhausgasen also reduzieren will, dann braucht es sie, die europäische Klima- und Energiepolitik. Denn Dekarbonisierung bedeutet ein Verzicht auf Kohlenwasserstoffe als Energiequellen und betrifft damit vor allem die Nationen, die einen hohen Anteil von Kohle und Erdgas an ihren Energiequellen haben. Diese europäischen Nationen haben den höchsten Anpassungsbedarf, sollten aber von der EU nicht einfach zu Reduktionen verdonnert werden ohne dass sie eine Gegenleistung erhalten. Die Nuklearenergie wiederum erzeugt kaum Treibhausgasemissionen. Vom Klimastandpunkt aus ist nicht einzusehen, warum die EU sich gegen AKW’s aussprechen soll. Dennoch bleiben die Erneuerbaren Energien und hier vor allem Wind und Sonne, die am schnellsten ausbaubaren Energien und damit die wichtigsten Energien um die Treibhausgasemissionen einzuschränken. Sie sind aber wegen ihren Produktionsschwankungen zugleich ein Problem. Die Lösung Deutschlands für dieses Problem, nämlich die 100%- ige Abdeckung mit fossilen Schattenkraftwerken kann nur eine temporäre Lösung sein. Wesentlich besser sowohl bezüglich Treibhausgasemissionen als auch bezüglich Kosten ist die Integration der Erneuerbaren Energien in ein möglichst grossräumiges Stromnetz, ein Stromnetz hoher Übertragungskapazität, das sich mindestens über ganz Europa erstreckt und in dem Strom für Verbrauchshotspots von beliebig weit enfernten Stromerzeugern kommen kann. Solch ein Grossraum braucht nur noch wenig fossilen Backup und ebenfalls nur noch wenig Stromspeicher. Stromspeicher sind heute und wohl auch in Zukunft teuer. Ein Europa, dass im Energiebereich zusammenarbeitet stellt seinen Mitgliedern kostengünstigeren Strom zur Verfügung als ein Europa der Energienationalisten. Ein stärker zusammenarbeitendes Europa wäre auch in den Forschungsbereichen erfolgreicher, wo es nicht ohne grossen Kapitaleimsatz und zentrale Infrastruktur geht. Also z.B. In der Raumforschung oder der Fusionsforschung (womit wir wieder bei der Energie wären). Europa hat seine Nationalismen noch nicht überwunden. Es gibt für mich aber keinen Zweifel, dass sich die Betonung der nationalen Souveränität in einigen wichtigen Bereichen negativ auswirkt. Der Energiebereich gehört zu diesen Bereichen.

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