Urlaubsgeschichten

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Das menschliche Miteinander auf der Couch
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Don't tell Mum

Kleine Kinder, kleine Sorgen. Große Kinder, große Sorgen.

Reisen erweitern den Horizont.
Das wissen auch die Eltern und lassen ihren Nachwuchs schweren Herzens und voller Sorge weit entfernte und unbekannte Länder erkunden. Jede Nachricht ihrer Kinder bedeutet ein Lebenszeichen und so sitzen die Eltern mit klopfendem Herzen vor dem Bildschirm …

Doch manchmal ist die Perspektivübernahme und das Einfühlungsvermögen ihrer Schützlinge nicht sehr ausgeprägt. Die folgenden Emails stammen von ausgeflogenen Langzeiturlaubern und sind authentisch:

Tja, bin schon wieder ausgeraubt worden, als ich im strömenden Regen versucht habe, die achtspurige Strasse zwischen Cinelandia und dem Museum für moderne Kunst zu überqueren. Der Typ hatte ein Messer, war aber nicht wirklich bedrohlich. Ich musste mein Portmonnaie öffnen und ihm alle Scheine geben. Das war immer noch besser, als alles zu nehmen, was echt schlimm gewesen wäre. Ist aber schon okay, ich bin ja mittlerweile dran gewöhnt. Junger Mann aus Rio de Janeiro, Brasilien

 

Wir sind in diesem absolut fantastischen Hotel abgestiegen mit En-Suite-Badezimmern, hohen Decken, Balkon. Haben geschlafen wie Babys und wurden nur einmal aus dem Schlummer gerissen, als das Erdbeben einsetzte. Keine Panik, Mama, nach dem anfänglichen Durcheinander bin ich sofort wieder eingeschlafen und am nächsten Morgen gesund und munter aufgewacht. Mal abgesehen von den klaffenden Rissen in den Wänden und auf dem Boden. Junge Frau auf Trekkingtrip durch Peru

Hey Mama, muss es kurz machen, weil ich in Eile bin. Wollte dich nur warnen, habe gestern Nacht diese großartigen Australier kennengelernt, die nächste Woche nach London reisen. Ich habe ihnen gesagt, dass sie bei dir wohnen können, um Geld zu sparen. Habe ihnen deine Nummer gegeben, hoffe das macht dir nichts aus, die sind echt lieb. Kann mich nicht an ihre Namen erinnern, aber alle (insgesamt vier) sind sehr lustig. Küsschen. Hab dich lieb. Junge Frau aus dem Urlaub in Kenia

Hab versucht einen Büffel zu retten. Denke mal, wir holen lieber 'nen Tierarzt, um ihn zu beruhigen. Ich erweitere hier auf jeden Fall meinen Horizont. Heute Abend gehe ich üprigens mit so ein paar Deutschen essen, Baroness von irgendwas und ihr dritter Ehemann. Die sind aus Argentinien rausgeflogen, weil sie jemandem die Kehle aufgeschlitzt haben oder so. Hab ich zumindest gehört. Email aus einer ländlichen Region in Afrika

Es wird euch sicher freuen, dass ich so gut wie gar nicht mehr rauche, weil ich nämlich so klug war, meine Handschuhe zu verlieren. So sehr ich auch Bock auf eine Zigarette habe, ich seh's echt nicht ein, dafür einen meiner Finger zu opfern. Zum Glück habe ich für Momente, in denen mich das Bedürfnis nach Luft überkommt, die nicht höllisch eisig ist, ein einzigartiges System entwickelt: Ich halte die Zigarette mit einer Pinzette fest, meine Hand steckt in einer Socke. Es hat ein bisschen gedauert, das System zu perfektionieren. Anfangs habe ich entweder immer die Socke angekokelt, oder mir ist die Pinzette am Mund festgefroren. Mittlerweile habe ich den Dreh aber raus. Jetzt kann ich meine Lunge entfrosten und dabei richtig cool aussehen. Junge Frau aus ihrem einjährigen Sprachkurs in Russland

Quelle: S. Hoggart & E. Monk "Don't tell Mum", Atlantic Books via Neon, März 2007

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Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

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