Guten Morgen, Sonnenschein (I)

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Das menschliche Miteinander auf der Couch
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Schlafen wie ein Baby. Davon träumen cirka 15 Prozent der deutschen Bevölkerung, wie eine Studie mit 4115 Teilnehmern ergab. Ein Tagtraum, denn nachts zerwühlen sie hellwach und verzweifelt ihre Bettlaken. Ereilt sie am Morgen das erbarmungslose Schrillen des Weckers, haben sie das Gefühl kein Auge zugetan zu haben.

Früh aufstehen bereitet vor allem den so genannten Eulen Alpträume, deren Biorhythmus beim ersten Hahnenschrei noch tief schlummert. Viele Uhrenhersteller bieten als Alternative zum klassischen Weckerklingeln auch sanfte Aufwachgeräusche wie zum Beispiel Vögelgezwitscher oder Grillenzirpen an.

Aber das ist noch gar nichts gegen die Uhrensensation aus Österreich: ein Schlafphasenwecker. Dieser misst über Körperbewegungen, in welcher Schlafphase man sich gerade befindet. „Der einzigartige Algorithmus bestimmt den optimalen Weckzeitpunkt und entscheidet, wann Sie geweckt werden.“ Das hört sich gut an. Weiter. Der maximale Weckzeitbereich betrage 30 Minuten. Da kann man nur hoffen, innerhalb der festgelegten halben Stunde auch im REM Schlaf oder in dem zweiten Schlafstadium zu verweilen. In dem anderen Fall wird das Können dieser gut aussehenden Uhr empfindlich in die Schranken gewiesen, glaubt man den durchweg signifikanten Untersuchungen der Siesta Group Schlafanalyse GmbH.

„Es konnte nachgewiesen werden, dass im Durchschnitt die im Aktigrafen gemessene Bewegungsstärke mit dem Schlafstadium korreliert.“ Die zweite Studie konnte daraufhin zeigen, dass sich Versuchspersonen tatsächlich erholter und wacher fühlten, wenn sie aus der Schlafphase II und dem REM Stadium geweckt wurden im Vergleich mit den anderen drei Stadien. Es gibt also einen signifikanten Zusammenhang „zwischen der jeweiligen Befindlichkeit und dem Stadium, aus dem eine Person aufwacht oder geweckt wird“. Den Product Design Award 2007 haben sie zu Recht erhalten, aber wie steht es tatsächlich mit dem Wahrheitsgehalt des Slogans „geweckt werden wie von selbst aufgewacht?“. Das Ergebnis der Abschlussuntersuchung bestätigt dann erwartungsgemäß die Wirksamkeit des Schlafphasenweckers. Kann dieser Wecker seine Versprechung erfüllen?

Glaubt man den Berichten aus meinem persönlichen Umfeld, funktioniert er wunderbar. Doch seine Wirksamkeit könnte auch in einem psychologischen Trick liegen, anstatt in der sensationellen Feinfühligkeit für unseren Biorhythmus. Da der Wecker in den besagten 30 Minuten die beste aller Schlafphasen für den Weckvorgang wählt, muss der Schläfer dann auch tatsächlich aufstehen. Die Funktionsweise des Weckers lässt eine Snoozel-Funktion nicht zu. Ignoriert der Schläfer seinen individualisierten Hahnenschrei, wird er verschlafen. Diese harte Konsequenz wird ihn lehren, seinem Wecker Folge zu leisten. Und der stolze Preis und das elegante Gewand werden ihn von mutwilliger Zerstörung abhalten. Und so ergibt sich die Chance für konditioniertes Lernen.

Wer sich selbst unter diesen Bedinungen nicht über den Weg traut und mit härteren Methoden aus dem Traumland verwiesen werden muss, sollte andere Weckvarianten in Erwägung ziehen, die statt moderner Technologie auf die bewährten Hausmittel setzen. Ziel dieser Weckergeneration ist, den Schläfer über Außenreize von der horizontalen in die vertikale Lage zu befördern. Diese Wecker beginnen klassisch mit der ihrer Art eigentümlichen Herumlärmerei und fliegen oder rennen weg, wenn der Morgenmuffel dem ein Ende setzen will. Dem Lärm kann in diesem Fall nur über beherztes Aufstehen Einhalt geboten werden, was sehr zuverlässig wach macht.

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Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

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