Mrs Right und Mr Perfect – in guten wie in schlechten Zeiten

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Das menschliche Miteinander auf der Couch
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… Der Prinz machte das Mädchen zu seiner Prinzessin und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

 

Eine klassische Metapher für die Liebe ist Platons Mythos von den Kugelmenschen, die, einst von den Göttern entzweit, nun ewig auf der Suche nach ihrer passenden Hälfte sind. Wer kennt diese Sehnsucht nach seiner passenden Hälfte nicht? Wir durchkämmen akribisch alle Warenhäuser nach dem passenden Deckel. Wir warten geduldig auf die Begegnung mit unserem Prinzen samt weißem Pferd. Wir durchsuchen jeden hohen Burgturm und jedes Burgschloss nach unserer Traumprinzessin. Manche von uns finden ihren Prinzen oder ihre Prinzessin, um dann festzustellen, dass er oder sie sich über kurz oder lang in einen Frosch verwandelt. In Deutschland wird jede dritte Ehe geschieden, Trennungen nichtehelicher Lebensgemeinschaften nicht eingerechnet, und die Scheidungsrate steigt weiter an. Diese Menschen dachten, sie oder ihn gesucht und gefunden zu haben. Doch anscheinend hatten sie sich geirrt und mussten enttäuscht feststellen: es war die/der Falsche.

Der Psychologe und Paartherapeut Arnold Retzer singt ein „Lob der Vernunftehe“ und erklärt diese Verwandlung so: „Der falsche Partner kann (…) nur im Rahmen der eigenen Vorstellungen zum falschen Partner werden.“[i] Je höher die Ansprüche an den Partner, je exakter unsere Vorstellungen von ihm sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er den Anforderungen nicht gerecht werden kann. Jeder Mensch hat individuelle Erwartungen, Vorstellungen und Hoffnungen in Bezug auf seinen Wunschpartner. Studien und Umfragen zeigen, dass die Ansprüche an eine Paarbeziehung in den letzten Jahrzehnten gestiegen sind. Einerseits soll sie die Basis für Romantik, sexuelle Leidenschaft und Kuscheln auf der Couch bieten, und andererseits soll sie Sicherheit und ein Stück Verantwortung für das eigene zufriedene Leben gewährleisten. Und der ganze Alltag soll auch noch harmonisch bewältigt werden. Heimlich hoffen wir, unser Glück in der Beziehung mit dem richtigen Menschen zu finden, der uns begehrt und liebt, der uns versteht und unterstützt, ergänzt und ins Gleichgewicht bringt. Obwohl wir wissen, dass unser Bild der immerwährenden romantisch-leidenschaftlichen Beziehung von Liebesfilmen und -büchern stark beeinflusst ist, bleiben die hohen Erwartungen und festen Vorstellungen bestehen. Im Rausch der Verliebtheit glauben wir denjenigen gefunden zu haben, mit dem wir glücklich sein können. Allerdings ist Verliebtheit kein Dauer-, sondern ein Ausnahmezustand. Sieht ein verliebter Mensch das Objekt seiner Begierde, werden vermehrt Neurotransmitter, etwa Dopamin, und Hormone, wie beispielsweise Adrenalin und Oxytocin, ausgeschüttet. Es kribbelt im Bauch, Puls und Atem beschleunigen sich und die Handflächen beginnen zu schwitzen. Ein mit Frühlingsgefühlen einhergehender Mangel an Serotonin führt dazu, dass Verliebte an nichts anderes außer ihren Liebsten denken können. Laut Retzer ist Verliebtheit somit nichts weiter als „ein psychiatrisches Durchgangssymptom mit der Betonung auf Durchgang”.

Ein Alltag im Ausnahmezustand kann nicht funktionieren. Nach und nach entdeckt man an seinem Partner oder seiner Partnerin Seiten, die man so gar nicht wertschätzen kann. Vielleicht ist er unzuverlässig und lässt den anderen wiederholt hängen. Oder sie spricht nur über sich und interessiert sich wenig für den anderen. Die ersten grauen Nebelschleier durchziehen das Rosarot. Wir stellen fest, dass zum Beispiel ein „Kuschelbär“, der uns anfänglich so viel Sicherheit gegeben hat, nicht so ein leidenschaftlicher Liebhaber ist, wie wir ihn uns wünschen würden, oder dass das Organisationstalent des Partners nicht nur den Alltag wunderbar plant, sondern auch jede Urlaubsreise minutiös regelt. Je näher wir einem anderen Menschen kommen, desto mehr Seiten entdecken wir an ihm, die wir mögen oder eben ablehnen. Und je näher wir einem anderen Menschen kommen, desto mehr kommt man sich ins Gehege. Wir streiten und schreien, jammern und klammern, nörgeln und kritisieren, beschimpfen und beleidigen, schweigen und ziehen uns zurück – und sind schockiert. So kennen wir uns gar nicht. Dieses Verhalten sieht uns doch nicht ähnlich. Unsere Partner bringen uns in Rage. Sie sind schuld, dass es uns so schlecht geht. Das Problem ist immer der andere. Probleme entstehen aufgrund von Bedeutungen und Bewertungen, die wir den Dingen, Personen und Handlungen zuschreiben. Und jede Wertung folgt bestimmten Erwartungen und Wertvorstellungen. Je fester unsere eigenen Erwartungen und Vorstellungen in uns verankert sind, umso schneller und häufiger werden wir möglicherweise enttäuscht. Wenn sie beispielsweise erwartet, zu ihrem Geburtstag mit ihren Lieblingsblumen und Frühstück am Bett überrascht zu werden, wird sie über seine Gratulation mit Umarmung und Küsschen enttäuscht sein. Über den Tag kann sich die Enttäuschung zu einem handfesten Zweifel an seinen Gefühlen für sie steigern. Und wenn er sie dann am Abend zum Essen ins schönste Restaurant der Stadt einlädt, kann sie sich kaum noch freuen.

Wer sich über die Subjektivität seiner Wahrnehmung bewusst ist, kann gelassener die Wahrnehmung des Partners annehmen. Paare, die über 25 Jahre zusammenleben, nennen die Fähigkeit, gemeinsam Probleme lösen zu können, als wichtigsten Faktor für ihre Zufriedenheit. Hierzu braucht es die Fähigkeit, seine Meinung zu äußern, ohne den anderen abzuwerten und zu verletzen. Das setzt Verständnis für den Partner voraus und das Wissen darüber, was ihn kränkt und verletzt.

Laut Retzer komme es aber gar nicht so sehr darauf an, „sich zu vertragen, das heißt Probleme zu lösen, sondern darauf, sich zu ertragen und mit Restriktionen zu leben“. Das bedeutet, die Lösung ist der Verzicht auf die Lösung, denn Probleme seien alltägliche Beschränkungen: „Sich einen dauerhaften Partner aussuchen heißt, sich ein paar dauerhafte Probleme auszusuchen.“ Die Journalistin Eva-Maria Zurhorst geht noch einen Schritt weiter, indem sie schreibt, dass es eigentlich egal sei mit wem wir zusammen seien, weil wir am Ende immer nur uns selbst begegnen würden: „Der andere ist immer nur die Leinwand, auf der Sie Ihre eigenen unerfüllten Bedürfnisse, Ihre eigene Fähigkeit zu lieben, Ihre eigenen Blockaden und Verletzungen, Ihre eigene Lebendigkeit, vor allem aber Ihre eigene tiefe, innere Spaltung zwischen Sehnsüchten und Ängsten betrachten können.“[ii] Kein Partner könne zu Wohlergehen verhelfen, noch könne er für Selbstachtung und Selbstvertrauen garantieren. Das liege in der Verantwortung von jedem Menschen selbst.

Wir können uns von Zeit zu Zeit auch fragen: Würde ich gerne selbst mit mir zusammenleben? Wir wünschen uns, von unserem Partner so akzeptiert und geliebt zu werden, wie wir sind. So durchschnittlich, mittelmäßig, wie wir sind, wollen wir doch als etwas ganz Besonderes und Liebenswertes wahrgenommen werden. Wir sind allesamt keine Traumprinzen oder Märchenprinzessinnen, sondern ganz normale Menschen mit Stärken und Schwächen, Ecken und Kanten, unangenehmen und liebenswerten Seiten.

 

Das ist ein Beitrag aus meinem Buch: „Das kleine Handbuch für mehr Gelassenheit im Alltag“, (2013), Freiburg im Breisgau: Kreuz Verlag.


[i] Retzer, A. (2009): „Lob der Vernunftehe. Eine Streitschrift für mehr Realismus in der Liebe“, Frankfurt/M.: S. Fischer Verlag, S. 68.

[ii] Zurhorst, E.-M. (18. Aufl., 2004): „Liebe dich selbst – und es ist egal, wen du heiratest“, München: Wilhelm Goldmann Verlag, S. 38.

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Veröffentlicht von

Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

3 Kommentare

  1. Ja, das ist schwer zu verkraften, wenn sich die Abgründe des anderen offenbaren und die eigenen ebenfalls offenbart werden. Da sucht man eigentlich ein Stück Himmel auf Erden und dann passiert einem so etwas. Das ist aber nur ein Faktor, warum es heute so schwierig geworden ist bzw. warum wir uns damit so schwer tun. Ob es früher leichter war, weiß ich nämlich nicht genau.

    Ich habe vor Jahren mal einen interessanten Vortrag gehört. Durch eine Ehe kann die Persönlichkeit reicher werden, wenn beide an sich arbeiten und voneinander lernen. Das hat aber erstmal nicht viel mit Romatik zu tun, sondern Arbeit. Aber ein Aufwand der sich lohnt.

    Schöner Beitrag von Dir. Nur der letzte Absatz gefällt mir nicht. Pauschal werden alle als nicht Traumprinzen abgetan. Nun, das stimmt schon so ungefähr, aber für mich kann das doch nicht gelten … 😉

  2. Hallo Martin, das ist ja nett, dass du hier meinen – zugegeben in den letzten Monaten etwas vernachlässigten – Blog besuchst. Habe mich sehr gefreut, zu entdecken, dass du nun auch selbst bloggst und war auch schon bei dir drüben. Eine schöne Idee.

  3. “In Deutschland wird jede dritte Ehe geschieden, …”

    – die URSACHE aller symptomatischen Probleme unseres “Zusammenlebens”, ist der die BEWUßTSEINSBETÄUBUNG pflegende Wettbewerb um … / Reproduktionstechniken und … – “freiheitlich” und im “gesunden” Konkurrenzdenken 😉

    “Diese Menschen dachten, sie oder ihn gesucht und gefunden zu haben. Doch anscheinend hatten sie sich geirrt und mussten enttäuscht feststellen: es war die/der Falsche.”

    – sie hasten einer gefühlsbetonten Emotionalität im geistigen Stillstand hinterher, lassen sich dabei systemrational zu Suppenkaspermentaltiät bilden und erliegen dem GLÜCKSSPIEL dieser illusionären Realität, egal ob sie dem systemrationalen Verstand von Vernunft folgend den / die Richtige(n) glauben gefunden zu haben, oder ebenso nicht. 🙂

    “wie im Himmel all so auf Erden” – SCHEINBAR unvorstellbare Möglichkeiten in geistig-heilendem Selbst- und Massenbewußtsein, anstatt teils LOGISCH brutal-egoisierendes “Individualbewußtsein” in GLEICHERMAßEN unverarbeiteter und somit leicht MANIPULIERBARER Glaubens- und Bewußtseinsschwäche 😉

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