Mitgefühl für die Diven

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Das menschliche Miteinander auf der Couch
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Das Mekka der Diven

Hollywood: „Aus aller Welt kommen Niemande hierher, um Jemande zu werden; und mit jedem Tag, an dem sie es nicht geschafft haben, steigt die Angst. Keine Chance zu bekommen, nicht mal zum Scheitern. Wenn sie es aber schaffen, versiegt die Angst nicht etwa, sie steigt. Vor dem Versagen. Vor dem Altern. Vor Falten, Fett, Konkurrenz, Paparazzi, keinen Paparazzi, vor aufdringlichen Fans, vor dem Verlust von Freunden, des Vermögens, ach, der Seele.“ (View)

In der Traumfabrik wimmelt es von Diven: Menschen in einer außergewöhnlichen Situation, die mit einem Ausnahmetalent beglückt, vom Publikum vergöttert in den Olymph der Superstars gehoben werden. Ohne die Bewunderung und den Applaus der Zuschauer gäbe es keine Stars. Sie sind für den Betrachter eine Projektionsfläche eigener Wünsche, Träume und Fantasien. Ihr Leben wird beobachtet und jeder Schritt dokumentiert. Die Boulevardpresse wimmelt von Drogenexzessen, Kaufrausch, zerbrochenen Beziehungen, Rückzügen und Selbstmorden. Der „Cocktail aus Einsamkeit und Bewunderung“ scheint süchtig zu machen und entfaltet mitunter eine zerstörerische Wirkung.

Diven in den Chefetagen

Mit der Popularisierung des Top-Managements stolperte man in den letzten Jahren vermehrt über boulvardeske Berichterstattungen über die Skandale oder Herzensangelegenheiten von Spitzenkräften in großen Organisationen. Und es beschleicht einen das Gefühl, dass sowohl viele hohe Führungskräfte als auch Diven Probleme im Umgang mit ihrer Rolle haben. Das rechte Maß zwischen Größenwahn und Bodenhaftung scheint ein schwieriger Balanceakt.

Mei-Pochtler, Senior-Partner der Boston Consulting Group, beobachtete in den letzten zehn Jahren, dass Narzissmus und Autismus die Manager wie ein Virus befallen hätten. Ab 1996 stiegen die Vorstandsgehälter kontinuierlich:“2003 verdiente der Deutsche-Bank-Vorstand das 240-fache des durchschnittlichen deutschen Arbeitnehmers. Man muss kein Psychologe sein, um sich vorstellen zu können, was eine derart maßlose Gehaltserhöhung aus einem noch so begabten Angestellten macht.“ Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, begründet seine jährlichen Bezüge von fast 12 Millionen Euro im Jahr 2005 mit der Behauptung, „dass er eben ein Ausnahmetalent sei“.

Die Angst zu versagen muss in dieser Liga ernorm sein: die Angst vor Machtverlust, vor Abstieg, und vielleicht verliert man das große Ganze mitunter aus den Augen. Eine mögliche Ursache vermutet Christine Novakovic, Chefin der Citiband Deutschland:“Das Gehalt ist hoch – da kann man nicht ständig überlegen, ob man das auch verdient. Wenn man sich davon nicht abkoppelt und eine gewisse Gelassenheit entwickelt, wird man verrückt. (…)“ Ein weiterer Grund ist sicher ein Minimum an ehrlichem Feedback. Schmeichler umschwärmen die Macht wie Motten das Licht und verdunkeln den ungetrübten Blick aus dem Elfenbeinturm. Neben dem Streben nach Individualität darf die Zugehörigkeit zur Gruppe nicht vernachlässigt werden.

Eine Führungskraft braucht den Rückhalt seiner Kollegen genauso wie die Diva ihre Bewunderer.

Quelle: View, Märzausgabe 2007 Brand Eins, „Diven-Dämmerung“, 9. Jahrgang, Märzausgabe 2007

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Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

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