Medienkompetenz

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An den Universitäten ärgert man sich über Studierende, die Wikipedia für Primärliteratur halten und google für … ach, fragen Sie nicht. Der Beweis für eine Entwicklung, die bereits im Jahr 2000 aufgrund empirischer Daten zum Thema Internetnutzung prognostiziert wurde?

Studierende wurden in ihrem Nutzungsverhalten und ihrer Einstellung bezüglich des Mediums Internet untersucht. Und obwohl sich die Ergebnisse mit dieser kleinen Stichprobe (n=35) im spekulativen Rahmen bewegen, sind die Schlussfolgerungen der Autoren unter aktuellen Gesichtspunkten interessant: „Es findet mit der Zunahme der Nutzung eine Zunahme der positiven Bewertung des Internets statt. Gleichzeitig geht mit der Zunahme der Internetnutzung eine Verringerung kritischer Beurteilungen des Internets einher.“ Zur Erklärung des Phänomens ziehen die Autoren die Theorie zur Entstehung interpersonaler Attraktivität (Rosemann & Kerres, 1983) heran:

Nach dem Zwei-Faktoren-Modell von Moreland & Zajonc (1979) existiert eine positive Beziehung zwischen Kontakthäufigkeit und interpersonaler Attraktion. Rosemann & Kerres geben an, dass zur Ausbildung dieses Zusammenhangs zumindest eine neutrale oder leicht positive Einstellung gegenüber der Person vorliegen muss. Liegen diese Voraussetzungen vor, dann bewirkt wiederholter Kontakt mit einer bisher unbekannten Person „beim Wahrnehmenden einerseits ein Gefühl der Bekanntheit und des Vertrauens, andererseits werden gefühlsmäßige Reaktionen wie Sympathie provoziert.“ (2)

Unter Annahme dieser Theorie wird mit Ausbreitung der Internetnutzung auch der kritische Blick der Gesellschaft auf dieses Medium getrübt. Im Feuilleton, und im Netz sowieso, wird zunehmend die mangelnde Medienkompetenz beklagt. Die Quellen dieses Beitrags sind leider schon etwas angestaubt wegen Internetunpässlichkeit … Hüstel … Ich mag das Internet.

Quellen:

(1) Bielski, S. & Gleser, C. „Internet und Studium“ In: Krampen, G. & Zayer, H. (Hrsg., 2000). „Psychologiedidaktik und Evaluation II“. Band 5 aus der Sektion Aus-, Fort- und Weiterbildung. Bonn: Deutscher Psychologenverlag GmbH.

(2) Rosemann, B & Kerres, M. (1986). „Interpersonales Wahrnehmen und Verstehen“. Bern: Huber.

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Veröffentlicht von

Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

8 Kommentare

  1. Tja, es ist besorgniserregend, dass die Schere zwischen den (ich nenn das mal stark vereinfacht so) “Wissenden” und den “Unwissenden” im Bereich IT immer stärker auseinander klafft. Das öffnet neue Wege für Missbrauch. Entweder im eher kleinen Ramen (Spam, Phishing und ähnliche Kriminalität) oder im Großen.

    Wikipedia hier mit dem Begriffen “Primärliteratur” oder “Sekundärliteratur” in Verbindung zu bringen, trifft aber den Kern der Sache nicht ganz. Es handelt sich hier um ein Phänomen, das es in dieser Art schon seit jeh her gibt. Bekannt wurde es mit z.B. “die verlorene Ehre der Katharina Blum”: Wenn es schwarz auf weiss in der Zeitung steht, dann muss es wahr sein, per Definitionem. Früher standen solche unumstößlichen Wahrheiten eben in irgendwelchen Büchern oder Schriftrollen. Nach der Zeitung kamen Radio und vor Allem Fernsehen dazu: Wenn der Nachrichtensprecher der Tagesschau Irgendwas sagt, dann ist es wahr. Da muss dann keine Überprüfung oder kritische Hinterfragung mehr stattfinden. Und heute wird das eben durch Wikipedia ergänzt. Und so, wie wissenschaftliche Arbeiten früher vielleicht Aristoteles zitiert haben als Quelle unumstößlicher Wahrheit, so zitiert man eben heute Wikipedia. Aber nur, weil Aristoteles a) älter und b) tot ist, muss er deswegen nicht besser sein.

    Letztendlich kommt man im Leben sowieso nicht darum herum, irgendwelchen Autoritäten zu vertrauen. Das ist schlicht unvermeidbar. Nützlich wäre hier allerdings, wenn sich Jeder dessen bewusst wäre. Das würde nämlich bedeuten, dass all diese unumstößlichen absoluten Wahrheiten als das erkannt werden, was sie sind: An eine Person und an eine Zeit gebundene relative Erkenntnis.

    Die in dieser Studie aufgezeigte entwicklung ist zwar nicht schön, aber alles Andere als neu. Nur die Namen der “Autoritäten” wechseln, nicht aber das Prinzip.

  2. Wikipedia vs. Encyclopædia Britannica

    Auch wenn Wikipedia ständig kritisiert wird, so wurde in vielen Studien belegt, dass Wikipedia in der Fehlerhaftigkeit kaum schlechter ist als die Encyclopædia Britannica (die jedoch auch keine Primärliteratur ist!).

    Allgemein haben die Menschen heutzutage sehr wenig Interesse daran, irgendwelche Daten nachzuprüfen. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb die Anzahl der Onlinebetrüge enorm ansteigen. Den Menschen ist es zu viel Aufwand den Wahrheitsgehalt einer Aussage zu überprüfen.

  3. Medienkompetenz im Studium

    Früher vertrauten die Studenten auf die Primärliteratur, die ihnen ihr Prof. gab, und glaubten ihr, ohne nachzufragen. Heute können sie googeln! Doch bedauerlicherweise wird Medienkompetenz – ich kann hier nur von der Biologie sprechen – nicht im Studium gelehrt. Obwohl Studenten heutzutage mit dem Internet eine riesige Informationswelt zugänglich ist, können sie sie meist nicht nutzen. Für mich gibt es dazu zwei Probleme: Erstens, wer nimmt sich schon die Zeit, Studenten Richtiges recherchieren beizubringen, denn von den Schulen bringen sie diese Fähigkeiten oft nicht mit. Zweitens, habe ich schon Studenten beobachtet die selbst kurz vor ihrem Abschluss, nicht in der Lage sind selbstständig zu denken oder im Internet nach Fachliteratur zu suchen. Sie wiederholen einfach nur Inhalte, vornehmlich aus veralteten deutschsprachigen Fachbüchern und dass, kann es nicht sein!

    Meiner Meinung nach, sollte Medienkompetenz und der kritische Umgang mit Inhalten (Print wie Internet), schon früh trainiert werden auch, wenn es für manche unangenehm ist und sie mit unliebsamen Meinungen konfrontiert werden. Selbstständiges Denken muss gefördert werden, sonst leben wir irgendwann in einer gleichgeschalteten Gesellschaft trotz des Informationsüberflusses.

  4. @ Raffael

    Wie kann man die “Qualität” von Wikipedia messen, wenn die Beiträge quasi täglich verändert werden können?

    Aus meiner Sicht ist eine Qualitätsaussage nur noch zu leisten, wenn alle Stichworte auf ihre Qualität untersucht worden sind. Aufgrund der bunten Vielfalt sind aus meiner Sicht “Stichprobenverlgeiche” unzureichend.(Man nehme an 90 von 100 Artikeln entsprechen dem Stand der Wissenschaft und damit 10 Beiträge nicht). Der 10%-Anteil bleibt übrig und die Gefahr, dass damit unwissenschaftliche “Belege” in die Wissenschaft Eingang erhalten.Bei 90% wissenschaftlich fundierten Artikeln blieben in Wikipedia (2.2 Lineares Wachstum – siehe Stand vom 06.09.2008) von derzeit 800.000 Artikel immerhin 80.000 unbrauchbare Artikel übrig. Die Wissenschaftlichkeit jener 80.000 Artikel steigt auch nicht, wenn die Statistik immerhin 90% taugliche Artikel ausweist………

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