„Ich bin arbeitslos“

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Das menschliche Miteinander auf der Couch
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Probieren Sie diesen Satz einmal aus – vielleicht bei der nächsten Party, wenn Sie sich einer attraktiven Person vorstellen. „Mein Name ist … und momentan bin ich arbeitssuchend.“

Sie wollen nicht? Verständlich!

Wenn Sie es dennoch tun, werden Sie sich höchstwahrscheinlich verpflichtet fühlen, sogleich anzufügen, dass Sie:

  • sehr wohl arbeitswillig und
  • ausreichend qualifiziert sind
  • keine übertriebenen Ansprüche an einen Arbeitsplatz haben und
  • auch nicht bewusst staatliche Leistungen missbrauchen wollen

Dies sind häufige Schuldzuweisungen von Seiten Beschäftigter gegenüber Arbeitslosen (Kieselbach, 1994). Hand aufs Herz, wer hat das nicht schon einmal gedacht, selbst als Arbeitsloser anderen Arbeitslosen gegenüber?

Jeder ist sich selbst der nächste!?

Die wahrgenommene Ähnlichkeit der sozialen Lage (Arbeitsplatzunsicherheit oder bereits eingetretener Arbeitsplatzverlust) wird als bedrohlich wahrgenommen, weil einem ähnliches widerfahren könnte (Montada, Schneider & Meissner 1988).

Daher werden wir nun fieberhaft nach Unterschieden suchen, um eine Identifikation mit unserem Gegenüber zu erschweren: Ich bin anders!

So können wir das subjektive Gefühl der Sicherheit und Kontrolle erlangen: Weil ich anders bin, wird mir das nicht passieren.

Selbstverschuldungsvorwürfe und Abwertungen eignen sich hervorragend, um Unähnlichkeiten mit einem Opfer zu konstatieren: Ganz unschuldig wird er wohl nicht sein!

Diese "blaming-the-victim"-Strategie macht aus den Opfern der Arbeitsmarkt-Krise die Täter ihres eigenen Schicksals. Es kommt zu einer gesellschaftlichen "Delegitimation" von Arbeitslosen (Bar-Tal 1990). Abwertungen führen zur Akzeptanz von negativen Maßnahmen oder Aggressionen gegenüber Opfern (Bandura, Underwood & Fromson 1975). Ansprüche von Arbeitslosen an die Gesellschaft werden delegitimiert, womit diese weitgehend konfliktunfähig gemacht werden.

Kieselbach warnte bereits 1988, dass sich bei vielen langfristig oder dauerhaft von Arbeitslosigkeit Betroffenen Tendenzen von Passivität, Demoralisierung und Selbstzerstörung verschärfen werden, wenn diese angeführten Mechanismen der gesellschaftlichen Konstruktion von Massenarbeitslosigkeit andauern.

(kat)

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Veröffentlicht von

Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

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