Canophobie I

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Das menschliche Miteinander auf der Couch
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Als Muttertier wittere ich instinktiv überall potenzielle Gefahrenquellen: Stolperstellen, elektrische Geräte, Straßenverkehr, Steckdosen, Lärm, Gentechnik, Buttermesser, Bakterien sowie herunterfallende Gläser, Blumentöpfe, Lampen, Ventilatoren, Kinder – aber das alles ist nichts gegen die Aufregung, wenn des Deutschen (oder zumindest Berliner) liebstes Haustier sich auf vier Pfoten nähert. Das Herz klopft und Visionen steigen auf. Während sich die bedrohliche Hundenase in gleicher Augenhöhe auf meine Kinder zu bewegt, probe ich mental bereits mein beherztes Eingreifen, wenn der irritierte Hund die Zähne fletschen sollte. Und muss dem Impuls widerstehen, die Straßenseite zu wechseln. Diese Form der Vermeidung einer angstbesetzten Situation würde in Berlin durch einen erzwungenen Zickzack-Kurs zu doppelt so langen Wegzeiten führen. Zumal ja klar ist, dass die Angst in keinem angemessenen Verhältnis zum Reiz steht. Schließlich ist die Wahrscheinlichkeit beim ständigen Überqueren der Straße verletzt zu werden statistisch wesentlich höher als durch einen Hundebiss.

So lächle ich vermeintlich entspannt und versuche meine Position durch geschickte Streichelmanipulation strategisch günstig zwischen dem lieben Hund und dem Kinderwagen einzunehmen. Ganz beiläufig erkundige ich mich, ob der Hund nur dann beißt, wenn ihn vorher die Kinder gebissen haben. Blitzschnell versuche ich beruhigende Zusammenhänge zwischen der Friedlichkeit des Besitzers und seines Kampfhundes zu finden. Die Freude der Kinder gleicht der Freude des Hundes, wenn es zwischen ihnen zum Körperkontakt kommt. Mit bleibt nichts anderes übrig als diesen glücklichen Moment zu genießen. Wenn sich der Hund dann wieder fröhlich herumschnüffelnd entfernt, glaube ich, der Entstehung einer Hundephobie wieder einmal erfolgreich entgegen gewirkt zu haben.

Dass ich mir als bevorzugtes Angstobjekt Hunde ausgesucht habe und nicht Steckdosen, könnte mit Seligmans These der biological preparedness zusammenhängen. Aufgrund einer physiologischen Prädisposition reagiert der Organismus besonders empfindlich auf bestimmte Stimuli. Reize wie z.B. Spinnen und Schlangen sind leichter konditionierbar und löschungsresistenter als Reize wie Häuser oder ähnliches. Den zugrunde liegenden Lernmechanismus der klassischen Konditionierung demonstrierte Watson 1920 am kleinen Albert. Dem Baby wurden verschiedenste Reize gezeigt wie ein Kaninchen, ein Hund oder brennende Zeitungen. Die Darbietung wurde in einigen Fällen mit einem unangenehm lauten Geräusch gekoppelt, so dass nach einigen Durchläufen allein das harmlose Objekt Furcht auslöste. Im berühmt-berüchtigten Little-Albert-Experiment initiiert Watson dem nun mehr 11 Monate alten Baby vor laufender Kamera eine Phobie vor weißen Ratten. „Albert wurde unglücklicherweise entlassen, bevor Watson mit der Rekonditionierung beginnen konnte.“

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Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

3 Kommentare

  1. Little big Albert

    ach, der Fehler ist so schön, ich mag ihn gar nicht verbessern, aber ich möchte nicht, dass er tatsächlich zu Mißverständnissen führt 😉

  2. Wer hat mehr Angst

    Manchmal beissen Hunde nur deshalb, weil sie erschrecken.
    Ich habe mir angewöhnt, ein oder zweimal kräfiger aufzutreten oder zu klingeln, wenn ich mich einem Hund nähere – dann ist er informiert, dass jemand kommt und erschrickt nicht.
    Eventuell ist es auch sinnvoll, langsamer zu gehen, damit der Jagdinstinkt nicht geweckt wird.

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