Geteiltes Leid ist halbes Leid?

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Was ist wahre Liebe? Durch gute wie durch schlechte Zeiten bis an das Lebensende?
Schlechte Zeiten können ganz unterschiedlich aussehen. Was ist zum Beispiel, wenn der Partner plötzlich an einer wahnhaften Störung erkrankt?

Erkrankt ein Nahestehender an einer psychischen Störung bedeutet das immer auch eine enorme Belastung für Angehörige, Freunde und Bekannte. Manche Beziehungen scheitern, manche reifen – und manche driften ab, in eine ganz eigene Welt.

Folie a deux

Ein Wahn hat ganz unterschiedliche Gesichter, ist jedoch immer von logischen Widersprüchen gekennzeichnet und nicht zugänglich für gegenteilige Beweise. Besonders ausgeprägt ist das Symptom oft im Rahmen einer Schizophrenie. Leben Menschen sehr lange und vielleicht auch von anderen isoliert zusammen kann es passieren, dass der vorerst stabile Partner anfängt, die Wahnvorstellungen des erkrankten Partners zu teilen. Er entwickelt eine folie a deux.

So kann es sein, dass nun beide fürchten zu verarmen (Verarmungswahn), dass beide sich von ihren Mitmenschen, Außerirdischen oder Geheimdiensten verfolgt fühlen (Verfolgungswahn), alles in ihrer Umgebung auf sich beziehen, z.B. in Zeitungsberichte eine versteckte Botschaft vermuten (Beziehungswahn), sich vielleicht sogar als nicht existent fühlen (Devitalisierungswahn). Obwohl es dafür für Außenstehende keinerlei Hinweise gibt.

Bizarre Romantik

Der gemeinsame Wahn schafft dabei eine eigene Welt, bildet eine Grundlage für Kommunikation, die vorher vielleicht nicht mehr möglich war. Wie oft so eine folie a deux auftritt ist unbekannt.

Sowohl Ehepartner als auch Kinder oder andere enge Kontaktpersonen können betroffen sein. Sie tauchen dann mit ein in die oft bizarren Wahnvorstellungen des anderen, manchmal vollständig, manchmal nur in Teilen. Ob dadurch das Leiden der beiden halbiert wird ist fraglich. Aber wer weiß das schon?

Quelle: Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-IV.

(irm)

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Veröffentlicht von

Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

1 Kommentar

  1. Geteiltes Leid ist halbes Leid?

    Liebe Katja,

    ein Wahn ist nicht immer von “logischen Widersprüchen” gekennzeichnet, sondern nicht selten in sich und in Bezug auf die Außenwelt durchaus logisch aufgebaut. Freud spricht in diesem Zusammenhang von “konstruktivem Wahn”.

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