Die Macht der Zuversicht
BLOG: Psychologieblog
„Das Glas ist halbvoll“, sagt der Optimist. „Das Glas ist halbleer“, entgegnet der Pessimist. „Optimisten sind nicht davon überzeugt, dass alles gut gehen wird. Aber sie sind überzeugt, dass nicht alles schiefgehen wird.“
„Pessimisten sehen keine Chancen, sondern Risiken.“
Sind Optimisten tatsächlich Glückskinder, die spielend die Krisen und Herausforderungen des Lebens meistern und die Sonnenseite des Lebens genießen? Und sind Pessimisten wirklich ewige Miesepeter, die grummelnd grimmig die Welt betrachten und immer mit dem Schlimmsten rechnen? Mit dem Siegeszug der Positiven Psychologie sind die Vorteile positiven Denkens zu Allgemeinwissen geworden. Die Wissenschaftler um den Begründer dieser neuen Fachrichtung, Martin Seligman, versuchen, das Rätsel des Glücks zu entschlüsseln. Einer der Schlüssel zum Glück ist eine optimistische Lebenseinstellung. Viele wissenschaftliche Befunde dokumentieren die Vorteile einer optimistischen Grundhaltung. Sie hat einen positiven Einfluss auf die Psyche und steigert die Lebensfreude. Optimisten spüren weniger Schmerz, haben eine schnellere Wundheilung, haben einen niedrigeren Blutdruck und stecken sich nicht so häufig mit Erkältungsviren an. Sie kommen besser mit Stress zurecht, bewältigen Belastungen besser, haben ein geringeres Depressionsrisiko und leben länger. Sie haben ein höheres Selbstwertgefühl und eine stärkere Selbstwirksamkeitserwartung. Das heißt, sie vertrauen ihren eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten, den Anforderungen des Lebens gewachsen zu sein und Situationen im Sinne ihres angestrebten Ziels beeinflussen zu können. Diese Überzeugung wirkt sich positiv auf die Wahrnehmung der Lebensumstände, die Motivation und die Leistung aus.
„Das Glück deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab“, schrieb Marc Aurel vor vielen hundert Jahren und liegt damit auch heute noch im Grunde richtig. Vom Realisten unterscheidet den Pessimisten und den Optimisten die gedankliche Bewertung. Der Klassiker um das halbvolle beziehungsweise halbleere Glas verdeutlicht diesen Unterschied beispielhaft. Der Realist würde ohne Bewertung beschreibend sagen: „In das Glas passt doppelt so viel Flüssigkeit hinein.“ Da Menschen aber stark zu Bewertungen neigen, scheint eine positive Wertung deutlich Vorzüge gegenüber einer negativen Bewertung zu haben. In besonderen Leistungssituationen, etwa wenn wir Prüfungen absolvieren müssen oder Vorträge halten sollen, kann negatives Denken hinderlich sein. Wenn wir fürchten, die Situation nicht zu meistern, Angst haben, zu versagen, kann dieser zusätzliche Stress, der sich durch negative Gedanken immer mehr verdichtet, dazu führen, dass wir es wirklich nicht schaffen. Und das haben wir dann ja schon vorher gewusst, ein Beispiel für eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.
Stress ist mitunter hausgemacht und hat manchmal mit der Realität nicht viel zu tun. Der Psychologe William James hat diesen Mechanismus umgekehrt betrachtet und verallgemeinert: „Wer daran glaubt, dass das Leben lebenswert ist, handelt so, dass das Leben lebenswert wird.“ Da wir keine Hellseher sind, die in die Zukunft schauen können, ist es durchaus legitim, von einer positiven Entwicklung auszugehen, anstatt eine negative Entwicklung zu erwarten. Schon allein die Erwartung, dass die Zukunft Gutes bringt, hat einen positiven Effekt. Hilary A. Tindle von der University of Pittsburgh und ihre Kollegen untersuchten mehr als 97000 Frauen im Alter von 50 bis 79 Jahren über einen Zeitraum von mehr als acht Jahren. Frauen, die optimistisch in die Zukunft blickten, hatten im Vergleich zu pessimistisch eingestellten Frauen ein um 9 Prozent geringeres Risiko, Herzkrankheiten zu entwickeln, und ein um 14 Prozent geringeres Risiko, im Laufe des Studienzeitraums aus beliebigen Gründen zu versterben. Das Sterberisiko für Teilnehmerinnen, die besonders pessimistisch und feindselig eingestellt waren, war dagegen um 16 Prozent erhöht. „Der Großteil der Beweise legt nahe, dass beständige hohe Anteile von Negativität ein Gesundheitsrisiko darstellen“, erklärt Tindle. „Als Ärztin würde ich daher begrüßen, wenn die Menschen versuchten, ihre Negativität allgemein zu reduzieren.“
Müssen wir uns gesund denken? Kann man positives Denken lernen? Unser Gehirn ist aufgrund der neuronalen Plastizität ein ständig lernendes System. Jede Erfahrung, die wir machen, verändert die synaptischen Verschaltungen im Neuronen-Netzwerk. Damit sind wir nicht durch Gene und Kindheitserlebnisse in unserer Persönlichkeit determiniert. Jeder optimistische Gedanke und jede Handlung hinterlässt Spuren, die mitunter zu neuen positiven Erfahrungen führen können, die ebenfalls unsere neuronalen Verschaltungen beeinflussen. Wenn eine Sache nicht rund läuft, ist das noch kein Grund, seine gesamte Kompetenz in Frage zu stellen. Wenn ich eine Prüfung nicht bestehe, heißt das nicht zwingend, dass ich den Master nicht schaffe, oder wenn mich ein Zahnarzt falsch behandelt, heißt das nicht, dass alle Zahnärzte inkompetent sind. In vielen Fällen ist uns der Mechanismus der Generalisierung nützlich, weil wir unsere komplexe Welt vereinfachen, um nicht die Orientierung zu verlieren. Wir müssen nicht auf jede einzelne Herdplatte fassen, um immer wieder zu lernen, dass wir uns die Finger verbrennen. Wenn wir aber durch starke Verallgemeinerungen wichtige Details übersehen, sind sie nicht mehr hilfreich. Schwarz-Weiß-Denken lässt außer Acht, dass unser Leben vor allen Dingen aus Mischtönen besteht. Die Realität ist viel differenzierter und nutzt alle Farben des Farbspektrums. Ob das Glas halbvoll oder halbleer ist, kommt auf die Sichtweise des Betrachters an. Die bewusste Suche nach allen Aspekten einer Situation gehört wesentlich zu einer optimistischen Lebenseinstellung.
Doch die Sache hat einen Haken: Aufgrund der Vielfalt an wissenschaftlichen Befunden über die Vorteile positiven Denkens besteht die Gefahr, dass im Zuge des Versuchs, positiver zu denken, negative Emotionen und Gedanken als ungesund abgewertet und aus dem Alltag verbannt werden. Dabei sind negative Gefühle nicht per se schädlich. Ganz im Gegenteil, Gefühle der Trauer, Einsamkeit oder Wut müssen ihren Raum bekommen und sind notwendig für ein erfülltes Leben. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen ist wichtig. Eine optimistische Grundhaltung bedeutet nicht, negative Emotionen zu verdrängen oder einfach die rosarote Brille aufzusetzen, um die Welt schöner zu färben. Es geht eher darum, die eigene Wahrnehmung für das Positive zu schärfen und Zuversicht zu entwickeln, dass vieles schon gut gehen wird.
Das ist ein Beitrag aus meinem Buch: “Das kleine Handbuch für mehr Gelassenheit im Alltag” (2013), Freiburg im Breisgau: Kreuz Verlag.
Mal ganz davon abgesehen, dass ‘halbvoll’ oder ‘halbleer’ (klingt irgendwie dümmlich btw) keine Wertungen sind, sondern unterschiedlichen Maßgaben folgen:
It depend’s. Liegen keine ernsthaften, Furcht erregenden Probleme vor, darf sehr gerne “positiv” konnotiert werden, liegen aber furchteinflössende Probleme vor, spricht nichts gegen das alternative Bemühen der Sprachlichkeit.
Konsequente positive Wertung ohne besonderer Beachtung der Relevanz kann zu so etwas führen:
-> http://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/thumb/a/a6/Odie_the_Dog.svg/136px-Odie_the_Dog.svg.png
HTH
Dr. W
PS: Geht es also um das Befüllen eines Containers, bietet sich ‘halbvoll’ an, beim Entleeren desselben ‘halbleer’, wenn der gemeinte Zwischenstand erreicht ist.
In dieser Welt- und “Werteordnung” des nun “freiheitlichen” Wettbewerbs, sind Optimisten vor allem geprägt in ignoranter Arroganz, die sich LOGISCH in teils brutal-egoisierendem “Individualbewußtsein” wiederspiegelt!
Marc Aurel, wie viele andere Denker der Vergangenheit auch, müßten und würden sicher vieles noch einmal / präziser neudenken!?
“Müssen wir uns gesund denken?”
ABER GANZ SICHER, in Dimensionen / Möglichkeiten von wirklich-wahrhaftigem Zusammenleben OHNE …!
Nur damit dies einmal hier festgestellt worden ist: Die abwechselnde Schreibweise ganz in Großbuchstaben und dann wieder nicht ist kollektivistische Mode, bspw. hier bei diesem Genossen feststellbar – http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41651326.html -, aber auch im nationalsozialistischen Lager.
HTH
Dr. W
Hier dürfte das J-Wort gedacht gewesen sein.
Dr. W (der den Horst-Dreck schon längere Zeit scannt)
Es gibt Menschen die glauben AUS BESTIMMTEN GRÜNDEN an einen Kampf auf den institutionellen Plattformen des Systems, dazu gehören in tragischer Weise auch die Terroristen der RAF.
Mein Kampf / “Dreck”, gegen die Symptomatiken der UNWAHRHEIT, geht tiefer und macht möglichst KEINE Kompromisse mit dem Schweine-System, verbale Gewalt ist dabei die äußerste Grenze, obwohl es mich oft reizt auch mit körperlicher Gewalt zurückzuschlagen (in den 70ern war ich absolut ein Sympathisant der RAF).
Weisheit ist SICHER kein Ergebnis in Kapitulation vor dem bewußtseinsbetäubenden System von Ausbeutung und Unterdrückung, sondern die Erkenntnis der systematischen Ergebnisse und Wege darüber hinaus!?
Zwischen Deinem politisch orientierten Kommentar und dem Beitrag über Optimismus aus psychologischer Sicht sehnt sich Wahrheit nach Beachtung. Sie liegt, wie meist, dazwischen.
Dabei fordert die auf sich selbst bezogene Psychologie eine politische Entgegnung heraus. “Der Mensch wär´ so gern gut und gar nicht roh/ Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.” (Brecht)
Die institutionalisierte Psychologie leistet einen wichtigen Beitrag zur Verschleierung der Ursachen eines ungerechten Systems. Psychologen üben diagnostische Macht aus. Sie bestimmen den Standard, die Norm.
Sie verkleistern die Wurzel des Übels und üben sich in Schönheits- Operationen.
@Wolf
Schön geschrieben 🙂
Dabei steckt in meiner Deutung nach eindeutiger Wahrheit aber nicht die (schleierhafte / verschleierte) Sehnsucht auf Anerkennung in irgendeinem Profit dieser “Werteordnung”, sondern nach Erlösung durch fusionierende Vernunft in Menschenwürde und Menschenrecht – Optimismus mit pessimistischem Realismus 😉
Ich gehe gerne selbst im kleinen Alltag auf solche Dinge immer wieder ein, wenn es in Kundengesprächen eine Diskussion gibt zu Für oder Wider gewisser Planungen und Projekte. Immer werden fertige Konzepte verlangt, damit überhaupt etwas in Gang gesetzt werden kann. Oft sind es allerdings nur Vorkehrungen der angeblichen Entscheider, damit man bei Fehlschlägen auf andere verweisen kann, die das ja so oder so vorher gesagt hatten.
Mit Planungen und Statistiken kommt man zwar nicht immer zum Erfolg, aber ohne Planung garantiert immer zum Misserfolg!
Mir scheint es, dass viele einfach überfordert sind mit der Tatsache, heute sein ganzes Leben lang lernen zu müssen. Man denkt immer noch, man könne alles aussitzen (pessimistische Einschätzungen). Dem ist nicht so! Man muss immer neue Dinge gleich mit einbeziehen in die Arbeiten und Sichtweisen – auch wenn viele vielleicht später verworfen werden. Diese positive Einstellung, dass immer etwas Ermutigendes, was Inspirierendes, Belebendes hinzu kommen wird, ist Basis der menschlichen, gesellschaftlichen und notwendigen Entwicklung. Was sich nicht entwickelt hatte, verschwand … so war es schon immer.
Jeder Fehltritt ist besser, als abzuwarten und andere machen zu lassen. Die Entwicklungsgeschwindigkeit in unserer Welt – insbesondere der technischen und gesellschaftlichen, ist so hoch, dass man es sich nicht mehr leisten kann, zu schauen, was andere vormachen. Der Vorsprung der Macher ist bei Gelingen so gross, dass man keinen Anschluss mehr gewinnen kann!
Michael Marheine