Das Muttertier

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Das menschliche Miteinander auf der Couch
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Mit den Plänen der Ministerin von der Leyen dem Land mehr Krippenplätze zur Verfügung zu stellen, erfährt die alte Debatte um Supermama versus Rabenmutter einen enormen Aufschwung.

"Keine Talkshow über Familienpolitik, in der nicht irgendein Experte alarmierende Studien über die psychischen Folgen von Fremdbetreuung zitiert." In der Talkshow von Sabine Christiansen fiel gar der Satz "Jedes dritte Kind ist psychisch gestört in Schweden", dem Land mit einem großen Angebot an Krippenplätzen. Diese Aussage hielt ich während der Sendung für ausgemachten Unsinn und bin dem Spiegel (20/2007) für den Nachweis dankbar, dass Recherchen ergaben, dass es keine Studien gibt, die diese Zahl belegen.

Das Thema ist hoch emotional besetzt, denn alle Eltern wollen für ihr Kind das Beste. Darf man sein Kind schon mit 6, 9, 12, 18 Monaten oder gar erst mit drei Jahren in die Fremdbetreuung geben ohne dass es "Schäden" davon trägt? Oder ist es für die Entwicklung von Kleinkindern umgekehrt sogar sehr wichtig intensive Kontakte mit Gleichaltrigen und nicht-verwandten Personen zu pflegen? Experten gibt es auf diesem Gebiet viele … mit sehr vielen unterschiedlichen Meinungen. Hinter dieser Debatte steht das Mutterideal – die Frage: was macht eine gute Mutter aus?

Im Zuge der Aufklärung taucht Rousseau 1762 das alterhergebrachte Menschenbild in ein neues Licht: "Der Mensch, sagt der Philosoph Rousseau, ist von Natur aus gut, er ist zudem mit Vernunft und der Fähigkeit zur Selbstverantwortung begabt. Doch diese Anlagen (…) werden durch die Zivilisation oft verdorben. Deshalb braucht der Mensch Anleitung, um aus seiner Unmündigkeit herausgeführt zu werden zu Freiheit und Tugend." Und diese edle und verantwortungsvolle Aufgabe kommt nach dieser Auffassung der Mutter zu. Sie allein hat Sorge zu tragen, dass der Nachwuchs wohl gerät und meistens auch die Schuld, wenn das misslingt. Keine Mutter möchte als Rabenmutter tituliert werden, die egoistische Ziele wie z.B. berufliche Anerkennung anstrebt und ihre Nachkommen "zu früh" sich selbst überlässt. Der Spagat zwischen Kind und Karriere war schon immer sehr schwierig, wird aber mit dem Zuspitzen der öffentlichen Debatte, in der die Argumente zum Teil in dogmatischen Überzeugungen wurzeln, zu einer mütterlichen Zerreißprobe.Und das ist sicher nicht das Ziel dieser Diskussion.

Quelle: Geo, Mai 2007: "Was ist eine gute Mutter?" – lesenswert Spiegel, 20/2007

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Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

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