Sprachlos

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Das menschliche Miteinander auf der Couch
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Ich möchte so gerne mit Fug und Recht behaupten, dass ich Schriftstellerin sei. Kann ich aber nicht. Ich habe keinen Lektor, keinen Verleger und … kein Buch geschrieben. Das liegt einerseits an meinem mangelhaften Talent (oder Selbstbewusstsein) und andererseits an der Tatsache, dass mir schlicht die Geschichte fehlt. Das Thema. Die Story. Der Plot. Etwas, dass ich für erzählenswert erachte. Und habe ich ein Ereignis, einen kleinen Anfang gefunden, setzt dem zaghaften Mitteilungsversuch das Gefühl, ihm mit meiner Sprache nicht gerecht zu werden, ein ebenso plötzliches wie unwiderrufliches Ende:

"Wenn ich Zeitung lese, Radio höre oder im Cafe darauf achte, was die Leute sagen, empfinde ich immer öfter Überdruß, ja Ekel ob der immer gleichen Worte, die geschrieben und gesprochen werden – ob der immer gleichen Wendungen, Floskeln und Metaphern. Und am schlimmsten ist es, wenn ich mir selbst zuhöre und feststellen muss, dass auch ich die ewig gleichen Dinge sage. Sie sind so schrecklich verbraucht und verwohnt, diese Worte, abgenutzt von millionenfacher Verwendung. Haben sie überhaupt noch eine Bedeutung? Natürlich, der Austausch der Wörter funktioniert, die Leute handeln danach, sie lachen und weinen, sie gehen nach links und rechts, der Kellner bringt den Kaffee oder Tee. Doch das ist es nicht, was ich fragen will. Die Frage ist: Sind sie noch Ausdruck von Gedanken? Oder nur wirkungslose Lautgebilde, welche die Menschen dahin und dorthin treiben, weil die eingravierten Spuren des Geplappers unablässig aufleuchten?"

Quelle: Mervier, P.: "Nachtzug nach Lissabon" (2004). Carl Hanser Verlag: München.

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Veröffentlicht von

Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

24 Kommentare

  1. “Ich möchte so gerne mit Fug und Recht behaupten, dass ich Schriftstellerin sei. Kann ich aber nicht. Ich habe keinen Lektor, keinen Verleger und … kein Buch geschrieben.”

    Warum möchten Sie gerne Schriftstellerin sein? Ist es der Anerkennung wegen? Was liegt an der Anerkennung? Und im übrigen: “Vom Warten verdirbst du nicht, an Mißachtung stirbst du nicht” (Wir sind Helden)

  2. Perspektiven

    Auf irgendeine Art und Weise bist Du Schriftstellerin, Katja, weil Du Deine Schriften und Gedanken ins Internet stellst.

    Wenn Du Buchautorin werden willst, solltest Du Dir überlegen, welches Thema ausreichend Stoff für ein derartiges Projekt hergibt. Mit einer Gliederung und/oder einem Manuskript kannst Du Dich dann an einen passenden Verlag wenden, den Du für Dein Vorhaben begeistern kannst.

    Ich bin aufgrund Deiner Aktivität in Beruf und Blog überzeugt, dass man Dir früher oder später ein Buchprojekt anbieten wird.

    Beste Grüße,
    Andreas

  3. Träume

    Schreiben Sie doch ein Buch zu einem Thema, über welches Sie schon immer etwas lesen wollten – wozu es aber bisher kein Buch gibt.

    Bei http://www.bod.de kann man sehr preiswert veröffentlichen.

    Oder – Als Anregung: Stellen Sie doch eine Familienchronik zusammen. Erstens macht es Spass; zweitens haben Sie dann bereits die nächsten Weihnachtsgeschenke beisammen und drittens: viel Familien-Wissen geht verloren, weil es nicht aufgeschrieben wurde.

  4. Da bin ich ja schwablos.

    Hallo,
    ich bin zwars entgegen Tolya, so nah am Buch wie eine Kuh dem fliegen, aber schreiben ist wohl jenseits der Idee, vor allen viel handwerkliche Arbeit.
    Es gibt einen inflationären Umgang, mit neuen Büchern und eine Autorenschwemme.

    Die L(esens)ebens-Zeit ist ja zu kurz um auch nur einen Bruchteil aller schon guten erschienennen Bücher zu lesen.

    Was fehlt sind gute Jugendbücher, die die
    Kinder da abholen wo sie jetzt stehen.

    Ich liebe Kinderbücher und würde gern eines schreiben, aber irgendwie traue ich mir (D-das nicht zu.
    Aber Frau Schwab Sie füllen hier doch eine schöne und nützliche Funktion als, mit der Nase drauf Schubserin aus.

    Auch wenn mich der Alltag scheinbar auffrist, versuche ich das als neues Spiel mit neuen Regeln zu begreifen.

    Blumen und, im kindlichen Sinne, Glitzersteine gibt es immer wieder am
    Wegesrand. Unter anderen Ihre Blogs.

    Gruß Uwe Kauffmann

    (*Soll keine unangebrachte Nähe erzeugen, sondern Wertschätzung ausdrücken*)

  5. Schreiben will gelernt sein

    Hallo Katja,
    ich mag deine Artikel immer mehr, da doch sehr viel persönliches mit schwingt.

    Und wenn ich dass so bemerken darf, bist du doch bezogen auf dein Alter recht weit…

    Vielleicht interessiert dich ja, was Christian Henner-Fehr die Tage geschrieben hat: Schreiben will gelernt sein

  6. Schreiben als Handwerk

    Vielen Dank für die Anteilnahme. “Vom Warten verdirbst du nicht” – während des Wartens hege und pflege ich die Vorstellung, dass sich meine zarten, literarischen Versuche in der Schublade in Verbindung mit dem hartnäckigen Wunsch eine treffende Sprache zu finden zu einer Idee reift, der ich verfalle, die mich verzaubert und fesselt. Und ich freue mich auf das Ringen um die richtigen Worte fern jeden Handwerks. Erst wenn dieses Feuer entfacht ist, wende ich mich dem Hadnwerk zu. Und bis dahin erfreue ich mich an der ersten Glut. Zu meiner schriftstellerischen Motivation und literarischen Ambition äußere ich mich gern, Herr Hilsebein, in einem eigenständigen Blogbeitrag. Ich werde Sie formvollendet langweilen mit meiner Liebe zum geschriebenen Wort, dem Geruch eines vergilbten Buches, …

    Liebe Leser, dieser Kommentar ist mir in Hinsicht auf obigen Blogbeitrag vortrefflich gelungen, denn er wimmelt von verbrauchten Metaphern durchzogen vom Mief stinkender Phrasen. Ich habe mich sehr bemüht, Ihnen dieses Lehrstück an schlechter Wortwahl präsentieren zu können 😉

  7. Kein Trackback

    Am schönsten fand ich ja den Kommentar von M.Wald: “Und wenn ich dass so bemerken darf, bist du doch bezogen auf dein Alter recht weit…” Herrlich.

  8. Inhalt

    Hier schreibt Thilo:

    “Darauf erhielt sie in den Kommentaren von verschiedenen scilogs-Lesern völlig ernstgemeinte Ratschläge, wie sie auch ohne Inhalt ein Buch veröffentlichen könne.”

    Hab ich was verpasst???

    Kommentatoren werden ernst genommen?

    Und sorry, ich nehm alles zurück und behaupte das Gegenteil =)

  9. @Thilo

    Ich glaube, ich kapiere nicht, was spektakulär daran ist, dass die Kommentare ernstgemeint waren?

  10. Sprachlos

    Katja,

    (erstmal) nichts zu sagen zu haben, ist kein Hindernis für’s Schreiben – ganz ohne Sarkasmus: es kann sogar eine Voraussetzung dafür sein. Vollständige Freiheit, die Form wird den Inhalt gebären, die Fabulierlust die Fabel zeugen, die Allegorie wird das Bild malen, das sie nie je sah.

    Kleist lesen: “Von der allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden”. Beim Reden ist’s nämlich genauso: die Rede ist ein Gedanke, der genau in dem Moment zu Sprache gerinnt und Wirklichkeit wird, in dem man ihn ausspricht.

    “Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage/bevor ich’s aufgeschrieben habe?”

    Genau.

    Ich weiss es nicht. Udn ich versteige mich zu der Aussage: niemand weiss es.

  11. @ Helmut

    Mir schwebt kein Buch vor, dessen Inhalt sich in freien Assoziationen treiben lässt. Ist es nicht vielmehr so, dass die Idee als der Faden und die Fabulierlust als sprachliches Gewand ein Buch stricken? Um es zu überspitzen: form follows function?

    Ein Text, der aus der vollständigen Freiheit der Assoziation entsteht, besticht und fasziniert vor allem in seiner Kürze (Essay, …). Kennst Du ein Buch ohne erkennbaren Faden (dieser stellt dann vielleicht am ehesten noch die Persönlichkeit des Autors dar?) oder Rahmen oder Konstruktion, welches du mir empfehlen könntest?

    Wenn Du aber einen Schritt weiter gehst und mit diesem Zitat (“”Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage/bevor ich’s aufgeschrieben habe?”) meinst, dass die Idee bereits da ist und irgendwo im Unbewussten herumspaziert und durch die Wüste von 400 Seiten leeren Blatt Papier führt, wenn der Geist nur willig ist, sich mitzuteilen – dann hoffe ich, Du hast recht!

  12. @ Katja – Bücher ohne Faden

    Ich les gerade – auf Anraten von Frau Albat aus der G&G-Redaktion – von Pessoa: “Die Unruhe des Hilfsbuchalters..”. Definitiv fadenfrei, dennoch lesbar.

    Wo is’n eigentlich Dein Problem? Du hast, ebenso wie ich, Deine Form doch schon lange gefunden: den Essay, die Kurzgeschichte. Wieso muss es denn immer gleich ein Roman sein? Ist nicht – um’s negativistisch in’s Positive zu drehen (hab’ ich von Pessoa gelernt) – ist nicht der klassische Roman eigentlich eine Lüge? Ist nicht unser Leben viel mehr Kontigenz als Kohärenz, Facette als Mosaik, Episode als Epos?

    Und siehst Du: schon wieder ist ein Essay (fast) fertig: Über den Roman als Lebenslüge.

  13. Es muss ein Buch sein, weil nur ein Buch einen Buchdeckel hat, den man sich in das Bücherregal stellen kann 😉

    Ein Roman erfordert so viel mehr als ein Essay: Geduld und Konzentration, Recherche und Wortgewandheit, themenbezogene Faszination (… stelle ich mir zumindest vor. Ha! Ich kann mich so hervorragend in das Schriftstellertum hereinversetzen, dass ich das alles weiss, ohne ein Buch geschrieben zu haben). Na, ich gehe soweit zu behaupten, dass ein Roman sich eben nicht treiben lassen darf. Ein Essay hüpft mal in dieses Thema, das nächste Essay in ein anderes. Nichts wird mal im Großen und Gesamten zu Ende gedacht – wobei man auch hier nicht alle über einen Kamm scheren darf, so wie ich in diesem Kommentar gerade in Versuchung gerate.

    “Ist nicht der klassische Roman eigentlich eine Lüge? Ist nicht unser Leben viel mehr Kontigenz als Kohärenz, Facette als Mosaik, Episode als Epos?”
    Vielleicht ja, daher braucht es Romane und Mosaiken (Plural? gleich wird es ganz schwierig …) und Epen (Eposse? Hilfe!).

  14. @ Katja

    Oh Katja!
    EpEN.
    MosaikE.

    Und ansonsten: man kriegt auch eine Sammlung von Essays zwischen Buchdeckel.
    Fiese Reklame (macht der Stephan ja auch…):

    http://www.wehklagen.de

    Das ist, sozusagen, mein “second life”. Oder mein wahres Leben, wer weiss.

  15. @Helmut

    Sehe ich doch auf der Website: Du bist ein echter “Heiner”! Dann kann ich mich ja auch als Ureinwohner von “hessisch Kongo” bzw. “hessisch Sibirien” (je nach Jahreszeit) zu erkennen geben. Als echter Odenwälder bin ich hier in HD auch wieder gefährlich nahe an der alten Heimat.

    Ist die Schriftstellerei nicht eigentlich eine Frage der getroffenen Unterschiedungen? Ich stelle Kafka bei mir im Regal gerne für ein paar Wochen neben Freud, weil ich das Gefühl habe, dass es ihm gut tun könnte. Ob Kafka jetzt Schriftsteller oder Patient ist, liegt an den Unterscheidungen und Bezeichnungen.

    Die Idee des Buches, das erst mal noch keinen Inhalt hat, scheint mir auch keineswegs weit hergeholt. Inhalt wäre in diesem Falle ja Bedeutung (in dem Buch ist ja nichts “drin”). Ob die Zeichen, denen man diese Bedeutung beimisst, jetzt schon auf dieses Blatt gekritzelt sind (Deckel hin oder her), scheint mir dabei nachrangig.

  16. @ Wölfelschneider @ Schwab

    Matthias!

    An Ourewäller! An Ourewäller, der wo’s zu ebbes gebrachd had! Bis zem Denngge unn Schreiwwe sogar, dann wann aaner de Gaffga nääwer de Freud ins Regal kladschd unn sich üwwer den Widz freud, dann kanner schaants denngge, schreiwwe UNN lääse, was zsamme nedd sou oft vorkimmt.

    Alla, als fordd unn weidder!

    Katja!

    “Form follows function” — oh nein. Nicht das Ornament ist das Verbrechen, das Bauhaus selber ist auch eines, zumindest in seiner pervertierten Form des Baus von einfallslosen Hasenställen.
    Ich kontere mit einer Paraphrasierung Oscar Wildes:
    “In all UNimportant things, it is style, and not content, that matters. In all IMPORTANT things, it is style, and not content that matters.”
    Dem Willen zum STIL wird sich der Inhalt geschmeidiger fügen als dem Willen zum Inhalt sich der Stil fügt. Ich zumindest weiss stets WIE ich schreiben will, nur selten aber WAS.

  17. @Helmut

    Meinte mein Ambulanzleiter in Heidelberg doch, als er mich erstmals unserer Sekretärin vorstellte: “Herr Wölfelschneider ist gebürtiger Odenwälder. Wir haben ihn wegen seiner Fremdsprachenkenntnisse eingestellt.”

  18. Deutsch?

    Wenn ich in einem Cafe´sitze höre ich um mich rum kein gepflegtes Deutsch mehr sondern: russisch,serbokroatisch,türkisch oder die Slangsprache von deutschen Jugendlichen…
    Im eigenen Land entfremdet.

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