Angst essen Seele auf

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Das menschliche Miteinander auf der Couch
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Von einer Gesellschaft, die auszog, das Fürchten zu lernen

Angst ist eines der elementarsten Gefühle. Sie beinhaltet, wie Kierkegaard es so schön formulierte, "die unendliche Möglichkeit des Könnens, die den Motor menschlicher Entwicklung bildet" – Angst treibt an. Die Angst, zu versagen, zu scheitern, nicht gut genug zu sein. Wie in vielen anderen Dingen im Leben ist das Maß entscheidend, ob sich etwas positiv oder negativ auswirkt.

Zu viel Angst hemmt. Einige Betroffene meiden bspw. das Fliegen (Aviophobie, Flugangst – eine Form der spezifischen Phobien) oder andere Menschen, aus Angst von ihnen abgelehnt zu werden (Soziale Phobie). Andere leiden unter plötzlich auftretenden Panikattacken, die sich im Extremfall bis in die Todesangst steigern können, häufig im Zusammenhang mit (Angst vor) Menschenmassen (Agoraphobie).

Glaubt man den Zahlen scheinen die Angststörungen in unserer Gesellschaft zu zunehmen (z.B. Gesundheitsreport 2005 von der DAK). Obwohl der Krankenstand im Allgemeinen stetig sinkt, stieg die Anzahl der durch Ängste begründeten Krankheitstage um 27 Prozent. Neben der Depression gehören die Angststörungen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland.

Schätzungsweise jeder zehnte Bundesbürger leidet an einer ihn stark behindernden Angst, jeder Zwanzigste ist durch eine Angststörung erheblich eingeschränkt.

Angst vor dem Morgen

Nimmt die Angst in unserer Gesellschaft tatsächlich zu? Ist die Kehrseite der Wohlstandsgesellschaft, dass "noch nie so viele Menschen so viel zu verlieren hatten wie heute" (Wolfgang Schmidbauer)? Ist die zunehmende Angst ein Zeichen, dass viele Menschen in unserer Gesellschaft verunsichert sind, weil das "was heute tragend zu sein scheint, was glückt, uns befriedigt und Geborgenheit gibt, morgen nicht mehr gelten kann" (Verena Kast)?

Politischer Wandel und gesellschaftlicher Umbruch sind mit Unsicherheiten verbunden. Denn Veränderung bedeutet auch immer, dass Unbekanntes auf einen zukommt: die Herausforderung, ob man dem Neuen gewachsen ist, es bewältigen kann.

Angst tritt immer dort auf, wo wir uns in einer Situation befinden, der wir uns nicht oder noch nicht gewachsen fühlen." (Fritz Riemann)

"Angst haben wir alle. Der Unterschied liegt in der Frage: wovor?" Frank Thieß

Quelle: Psychologie Heute, Feb. 2007, 34. Jahrgang (Heft 2), Das Fürchten lernen

(kat)

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Veröffentlicht von

Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

1 Kommentar

  1. Instrumentalisierung der Angst

    Ich halte es für eine Trivialisierung des komplexen Phänomens Angst, wenn man es für irgendeine Geselschaftskritik intrumentalisiert. Es geht hier ja wohl um Angststörungen und nicht um begründete Ängste wie zum Beispiel der Angst vor dem Arbeitsplatzverlust, die man natürlich nur in einer Gesellschaft mit Arbeitsplätzen haben kann. Meines Wissens gibt es keine Studie, die belegt, dass Angststörungen in unserer Gesellschaft und unserer Zeit signifikant häufiger sind. So monokausal lässt sich dieses Phänomen nicht begreifen.

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