Schwindende Sternströme, was ist hier los?

Galaxien können im wahrsten Sinne des Wortes zerissen werden. Solche galaktischen Kollisionen hinterlassen spektakuläre Formen um Galaxien, welche wir mit unseren Teleskopen aufnehmen und studieren können. Ein solches Paradebeispiel finden wir um die Spiralgalaxie NGC 5907, welche umgeben ist von einem Sternstrom, der als Geist einer zerstörten Zwerggalaxie diese Galaxie heimsucht. Die extrem schwach leuchtende Struktur wurde aber nicht etwa durch die grossen Teleskopen in den Wüsten Chiles entdeckt, sondern von leidenschaftlichen Amateuren mit ihren kleinen Teleskopen, welche quasi im Vorgarten aufgestellt werden können. Der Trick dabei: Diese Astronomen haben viel Zeit und Geduld, und halten für Stunden das Teleskop an den gleichen Himmelsausschnitt. Der Doppelschleifen ist ein beliebtes Ziel für Amateure und so wurde er seit seiner Entdeckung mehrfach beobachtet.

Die Galaxie steht mit der Kante zu uns und schwach sichtbar ist ein Sternstrom, der sich zwei mal um die Galaxie windet.
Die Spiralgalaxie NGC 5907 mit dem ikonischen Sternstrom, der sich zwei mal um die Galaxie windet. Dieses Strom wurde von David Martinez-Delgado und einem Team von Amateur-Astronomen entdeckt. Bild: Jay Gabani, CC BY-SA 3.0.

Sternströme, die Geister vergangener Zwerggalaxien

Diese Ströme faszinieren uns Profis sehr, da sie eine wahre Schatzkiste an Wissen darstellen. Durch ihre Form können wir zum Beispiel den Orbit der zerissenen Galaxie bestimmen. Das funktioniert etwa so: Man nehme ein Gravitationspotential, dass der zentralen Galaxie, also hier der Spiralgalaxie NGC5907 entspricht und wirft eine Testgalaxie in ihr verderben. Dabei werden die anfängliche Geschwindigkeit, die Masse der Testgalaxie und die Bewegungsrichtung so lange variiert, bis eine Bahn herauskommt, welche dem beobachteten Sternenstrom entspricht. Denn der Sternenstrom ist das Überbleibsel der Galaxie, die durch Gezeitenkräfte der Hauptgalaxie zerissen wurde. Passt beides zusammen, können wir die Dauer eines solchen Ereignisses bestimmen. Und dies geht wirklich lange, so können Millionen von Jahren vergehen, bis eine solche Konstellation wie beobachtet entsteht.

Doch nach zehn Jahren ist Schluss

Zehn Jahre nach der Entdeckung dieses doppel-schlaufigem Sternenstrom durch Amateur-Astronomen scheint aber unerwartete Bewegung in die Sache zu kommen. Ein Team von Astronomen in Yale haben mit dem Dragonfly Teleskop letztes Jahr NGC 5907 genauer unter die Lupe genommen und etwas seltsames gefunden. Nämlich nichts. Keine Spur von der Doppelschlaufe, welche sich um die Galaxie windet. Nada.

NGC 5907 beobachtet mit den Dragonfly Teleskop. Oben: Das ganze Feld mit dem Mond als Vergleich der Grösse. Links unten: Die sichtbaren Sternströme um NGC 5907. Rechts mitte: die Bahn der Zwerggalaxie, welche den beobachteten Sternstrom am besten beschreibt.
Bild: van Dokkum et al. (2019), The Astrophysical Journal Letters, Volume 883, Number 2.

Okay, zugegeben, “Nichts” war ein zu starkes Wort, denn es wurden allemahl ein Sternstrom gefunden, nur nicht so wie es die Amateure beobachtet haben. Hat sich innerhalb von zehn Jahren der Strom in Luft aufgelöst? Das kann fast nicht sein.

Dragonfly muss falsch liegen, oder?

Das Team um Pieter van Dokkum hatte bereits vor einem Jahr Schlagzeilen gemacht, welche in der Wissenschaftsgemeinschaft nicht gut ankamen. Dashalb war die natürlichste Reaktion, eine solche Ankündigung einfach nicht ernst zu nehmen. Ich selbst war gerade an einer Konferenz, in welcher es um genau solche Sternströme ging und die Stimmung dort zum Thema NGC 5907 und van Dokkum war zwischen hämisch und feindschaftlich einzustufen. Mir passte das auf jedenfall nicht. Obwohl auch ich mir dachte, dass da etwas mit den Dragonfly Beobachtungen falsch lief – denn wie sonst konnten unzählige Amateure diesen Doppelschleifen beobachten, Profis aber nicht–, wollte ich eigene, unanbhängige Beobachtungen machen.

NGC 5907 zum dritten, ein unabhängiges Team tritt in den Ring

Gerade an dieser Konferenz fragte mich ein Kollege, der Beobachtungszeit an einem serbischen Teleskop mit einem Durchmesser von 1.4 Meter hatte, ob ich noch eine Idee hätte, etwas zu beobachten, weil in den ersten zwei Stunden der Nächte seine Galaxie noch nicht am Nachthimmel aufgestiegen sein wird. So also schlug ich NGC 5907 vor.

Das Milankovich Teleskop

Das 1.4 Meter Milankovich Teleskop steht in den serbischen Bergen und wurde erst kürzlich, also im Jahre 2016, in Betrieb genommen und von Geldern der EU gestiftet. Es hat also einige der modernsten Instrumente der Welt zur Verfügung. Insgesamt beobachteten wir mehr als sieben Stunden über drei Nächte verteilt, was in etwa die selbe Zeit darstellt, welche die Amateure verwendeten. Mit dem Unterschied, dass die Amateur-Astronomen Teleskope mit Durchmessern von bis zu einem halben Meter verwenden, wir aber ein dreimal so grosses Teleskop und somit die neunfache Fläche zum Sammeln des Lichtes zur Verfügung haben. Damit sollte der fehlende Teil der Doppelschlaufe gefunden werden, falls er denn wirklich existiert.

Das Milankovich Teleskop. Bild: http://firstlight.aob.rs/gallery.html

Da das Teleskop wirklich neu ist und noch nie solche Sternströme abgebildet hatte, wussten wir nicht, was uns erwartet. Und tatsächlich, nach der ersten Beobachtungsnacht fanden wir rein gar nichts. Das war seltsam, denn wir fanden nicht einmal den Teil, welcher klar in van Dokkums Dragonfly Bildern ersichtlich ist. Aber ein paar E-Mails später stellten wir fest, dass die Kamera auf “schnelles Auslesen” eingestellt war, was man braucht, wenn quasi Videos aufgenommen werden. Dieses schnelle Auslesen löscht aber alle schwachen Objekte in den Bildern. Ärgerlich, aber solche Fehler passieren nun mal. Deshalb starteten wir also einen neuen Versuch in der nächsten Nacht und tatsächlich, etwas kam zum Vorschein. Man sehe selbst:

NGC 5907 in einer sieben stündigen Aufnahme mit dem 1.4 Meter Milankovich Teleskop in einer falschfarben Quadrathelix Darstellung, welche optimiert ist, schwache Flecken in den Bildern optisch besser abzuheben. Bild: Oliver Müller.
Die Boxen stellen die fehlenden Teile der Doppelschleife dar. Bild: Oliver Müller

Vergleichen wir unsere Aufnahme mit der von Pieter van Dokkum, finden wir praktisch einen identischen Sternenstrom.

2 Bilder von NGC 5907 mit ihren stellaren Strömen.
Vergleich zwischen unserer Aufnahme (oben) und der des Dragonfly Teleskops. Bild: Oliver Müller.

Wir haben also van Dokkum bestätigt und finden auch nicht den Teil des stellaren Stromes, für welche die NGC 5907 Galaxie so bekannt ist. Was ist da los?

Eine mögliche Erklärung

Hier kommt Spekulation ins Spiel. Wir, das heisst van Dokkums Team und unser Team, haben eine andere Beobachtungs-und Auswertungsstrategie als Amateure klassischerweise verwenden. Es könnte sein, dass sich zum Beispiel Reflektionen der hellen Sternenkette im oberen Teil des Bildes einschleichen. Dies kann ein Problem werden, wenn das Teleskop immer gleich positioniert ist, denn dann ist diese zusätzliche Lichtquelle immer am gleichen Ort im Bild. So wie ich es verstehe, benutzen die Amateure tatsächlich die gleiche Positionierung. Wir hingegen verändern nach etwa drei Minuten Beobachtungen zufällig die Position des Teleskops um ein gutes Stück – teilweise um eine ganze Bildgrösse – um genau solche Artefakte aus den Bildern herauszufischen. Diese Technik nennt sich Dithering und ist heute Standard im Profibereich.

Inzwischenzeit gibt es weitere Indizien dafür, dass es sich tatsächlich nicht um eine Doppelschlaufe handelt, sondern eher um einen simplen stellaren Strom, denn auch andere Teams finden das gleiche Resultat wie wir. Aber warum interessiert uns dies so sehr, ob nun die Zwerggalaxie einmal oder zweimal um NGC5907 geflogen ist?

Stellare Ströme als Test für die Dunkle Materie

Wie bereits oben beschrieben, könnnen wir durch solche Ströme das Gravitationspotential der Galaxie testen. Dieses Gravitationspotential ist aber vorallem durch die Dunkle Materie gegeben, somit testen wir in Wirklichkeit diese unscheinbare Materie, die uns seit Jahrzehnten Kopfschmerzen bereitet. Und ein wichtige Vorhersage der Dunklen Materie ist die Anzahl an solchen Sternströmen im Universum. Zählen wir, wie viele Sternströme wir um Galaxien finden und vergleichen wir dies mit kosmologischen Simulationen, können wir testen, ob diese Simulationen der Realität entsprechen oder das unterliegende Modell falsch ist. Dies können wir aber nur tun, falls wir den Beobachtungen vertrauen. Und dieses Vertrauen hat nun gerade einen Knacks bekommen.

Literatur

  • Martinez-Delgado et al. (2008) “The Ghost of a Dwarf Galaxy: Fossils of the Hierarchical Formation of the Nearby Spiral Galaxy NGC 5907”, ApJ, 689, 184
  • van Dokkum et al. (2019) “Dragonfly Imaging of the Galaxy NGC 5907: A Different View of the Iconic Stellar Stream”, ApJ, 883L, 32
  • Müller et al. (2019) “Hunting ghosts: the iconic stellar stream(s) around NGC 5907 under scrutiny”, A&A, 632L, 13

Veröffentlicht von

Studiert habe ich Physik an der Universität Basel. Eigentlich mit dem Ziel, Lehrer zu werden, bin ich doch noch in der Wissenschaft hängen geblieben. An der gleichen Uni habe ich dann als Letzter im Fach Astronomie promoviert, kurz darauf wurde die Astronomie geschlossen. Zurzeit arbeite ich mit einem Forschungsstipendium des Schweizerischen Nationalfonds an der Universität Strasbourg. In meiner Forschung verwende ich verschiedene optische Teleskope, wie etwa das Very Large Telescope. Mein Arbeitsfeld ist die extragalaktische Astronomie, vorallem die kleinsten Galaxien im Universum – die Zwerggalaxien – begeistern mich seit Jahren. Dies, da sie das beste Labor für die Erforschung der Dunklen Materie und alternative Gravitationstheorien darstellen.

17 Kommentare

  1. Immerhin kann man in der Astronomie Aufnahmen wiederholen und ferner darf man annehmen, dass Sternströme sich in 10 Jahren kaum ändern. Wir haben es also nicht mit einer Crime scene zu tun, an der jemand herummanipulieren könnte (Spuren wegwischen, Gegenstände entfernen etc)

    Einschub: Crime scenes contain physical evidence that is pertinent to a criminal investigation. This evidence is collected by crime scene investigators (CSIs) and Law enforcement.

    Aber astronomische Aufnahmen können scheinbar auch Artefakte enthalten und wenn man darauf hereinfällt und diese Artefakte als Input oder Output einer scene reconstruction nimmt, dann kommt Unsinn heraus. Zudem hat man dann Zeit und Arbeit verschwendet (hoffen wir nur dass LIGO echte Gravitationswellen und nicht Artefakte aufgezeichnet hat).

    Dieser Beitrag zeigt jedenfalls: Als Astronom braucht man Zeit und Geduld und auch etwas Finderglück, denn unter den fast unendlich vielen Himmelsobjekten gibt es wohl genau gleich wie unter den Milliarden Menschen dieser Erde viele, mit denen zu beschäftigen sich nicht lohnt.

    • Die Wiederholung und/oder die Unabhängigkeit macht das Ergebnis,
      deswegen gibt es ja noch VIRGO und KAGRA, viere sollten zuverlässig sein.

  2. Es ist schon wichtig, daß eine Entdeckung reproduzierbar sein muß. Aber eine Frage hab ich doch noch :

    Wird durch das Dithering nicht der selbe Effekt erreicht, wie durch das schnelle Auslesen der Kamera ? Oder zumindest ein vergleichbarer Effekt ? Gehen durch Algorithmen der Rauschminderung eventuell auch Photonen verloren ?

    • Nein, das schnelle Auslesen löscht tatsächlich Photonen auf der Kamera. Dithering bedeutet, dass mehrere Aufnahmen gemacht werden, die aber versetzt voneinander sind. Dadurch kann man einerseits CCD Fehler besser korrigieren, wenn diese zum Beispiel korreliert sind (also immer am gleichen Ort auftreten), andererseits den Himmelshintergrund besser bestimmen.

  3. Ergänzung :
    Hochachtung vor der Aufnahme der Amateure wie Robert Jay GaBany ! Dahinter verblassen die Aufnahmen der Profis. Die Aufnahme der Amateure ist farbig, die Aufnahme der Profis ist nur schwarz/weiß. Die Aufnahme der Amateure ist scheinbar besser aufgelöst, als die Aufnahme der Profis obwohl die Profis die 3-fache Öffnung zur Verfügung haben. Oder taugen die Kameras der Profis nichts und helle Bildpunkte laufen alle breit ? Auf der Aufnahme der Amateure sind wesentlich weniger Artefakte der Spiegelaufhängung des Sekundärspiegels zu erkennen. Mit anderen Worten : eine Spitzenaufnahme von Robert Jay GaBany. Was leider immer noch nicht ausschließt, daß die Sternenströme Artefakte sind.

    Vielleicht sollten die Profis zur Klärung auch einmal Beobachtungszeit beim HST beantragen.

    Und noch was zum Schluß : Man muß auch die elektronische Bildaufbereitung betrachten ! Meiner Meinung nach darf man Rauschminderung erst zum Schluß nach dem Stacking der Bilder auf das Endbild anwenden. Sonst wird durch die Rauschminderung Information vernichtet !

    • Dahinter verblassen die Aufnahmen der Profis.

      Qualität zeichnet sich nicht durch schöne Bilder aus. Vorallem wenn es um wissenschaftliche Qualität geht.

      Die Aufnahme der Amateure ist farbig, die Aufnahme der Profis ist nur schwarz/weiß.

      Farbig bedeutet, dass einfach in mehreren Bändern aufgenommen wurde. Wir benutzten das L Band, was quasi den ganzen optischen Bereich einschliesst und somit mehr Licht durchlässt. Hier muss man wirklich zwischen “wissenschaftlich” Wertvoll und ästhetisch unterscheiden.

      Die Aufnahme der Amateure ist scheinbar besser aufgelöst, als die Aufnahme der Profis obwohl die Profis die 3-fache Öffnung zur Verfügung haben.

      Auflösung spielt überhaupt keine Rolle bei ausgedehnten Objekten.

      Auf der Aufnahme der Amateure sind wesentlich weniger Artefakte der Spiegelaufhängung des Sekundärspiegels zu erkennen

      Weil das Bild so dargestellt ist, dass die “schwachen” Merkmale schwarz dargestellt werden. Geht man in das Paper von Martinez-Delgado (Link unter Literatur) und schaut sich Figur 1 an, sieht das ganz anders aus! Das ist alles andere als sauber!

      Vielleicht sollten die Profis zur Klärung auch einmal Beobachtungszeit beim HST beantragen.

      Einfacher gesagt als getan, bei einer Überschreibung von 16 (es wird nach mehr als 16 mal mehr Zeit gefragt als es zur Verfügung hat). Das wird niemals akzeptiert, denn dafür ist der Science Case zu wenig sexy.

      Und noch was zum Schluß : Man muß auch die elektronische Bildaufbereitung betrachten ! Meiner Meinung nach darf man Rauschminderung erst zum Schluß nach dem Stacking der Bilder auf das Endbild anwenden. Sonst wird durch die Rauschminderung Information vernichtet !

      Ja Bildbearbeitung ist wichtig. Die Rohdaten von Gabany sind nicht erhältlich, weil sie bei einem Datencrash verloren gegangen sind. Also können wir dies leider nicht nachverfolgen. Unsere Rohdaten sind aber alle online, so wie der Code, welcher alle Datenreduktionschritte enthält, damit kann jedes Team selbst sehen, ob wir vielleicht bei der Bildaufbereitung einen Fehler gemacht haben. Nacho Trujillo und sein Team, welch eng mit David Martinez-Delgado und dessen Amateur Team zusammenarbeiten, haben genau das gemacht und mit ihren Methoden das gleiche Resultat erhalten, wie wir.
      Im übrigen verwenden wir keine Rauschminderung vor dem Stacking. Habe ich auch nirgends geschrieben, dass wir das getan hätten.

      PS: Natürlich habe ich grossen Respekt vor der Arbeit der Amateurastronomen. Ich war selbst einer, bevor ich mein Doktorat angefangen habe. Aber heute verdiene ich mein Brot mit genau diesem Handwerk und Datenauswertung von schwachen Objekten ist mein Spezialgebiet. Das gibt eine gewisse Expertise. 😉

  4. Vielen Dank für Ihre Stellungnahme, Herr Müller. Aber zu meiner Frage aus dem ersten Beitrag haben Sie noch nicht geantwortet.

    Sie haben recht. Es entwertet ungemein, wenn die Originaldaten nicht zur Verfügung stehen und wenn die Bildaufbereitung nicht offengelegt ist. Dann ist nichts mehr nachvollziehbar und das Bild wird einfach nur zum ästhetischen Bild. Schade. Unglaubwürdig klingt auch der Verlust der Originaldaten. Das würde ja bedeuten, daß man die Originaldaten nur ein einziges Mal abgespeichert hat, und keinerlei Backup betrieben hat. So fahrlässig geht doch keiner mit seiner Arbeit um.

    Sonst sage ich nur noch : wenn man es nicht versucht, wird man auch keine Zeit beim HST bekommen. Ich denke, einen Versuch ist es wert.

  5. Ich denke Belichtungszeit bei der ESO mit einem 8 Meer Spiegel bringt noch mehr Licht in die Sache bzw. auf den Chip. Das Amateure mit Daten etwas leichtsinnig umgehen, kommt öfters vor. Manche löschen aus Platzgründen auch die Rohdaten nach dem Ergebnis. Ich werde mir das Objekt mal vornehmen (0.60-m/f3). Kann da durchaus sehr viel Stunden über die Monate belichten.

    • NGC5907 ist zu weit nördlich, um es mit dem VLT aufzunehmen, was aber auch gar nicht nötig ist, denn das gleiche wurde nun mit dem SUBARU Teleskop (10 Meter Teleskop) auf Hawai’i gemacht. Die finden das gleiche Resultat wie wir (https://arxiv.org/pdf/1912.00999.pdf, siehe Figur 1).

      Ich werde mir das Objekt mal vornehmen (0.60-m/f3). Kann da durchaus sehr viel Stunden über die Monate belichten.

      Da bin ich gespannt! Vorallem wenn Sie die Rohdaten öffentlich zur Verfügung stellen, wäre das für die Wissenschaft sehr spannend.

  6. Phantastisch !
    Urteil eines Laien , der von solchen Beobachtungen samt Schlussfolgerungen zum ersten Male hört.
    Im Universum ist also etwas los.

  7. Ich hätte zu der Aufnahme mit dem Milanković Teleskop noch die Frage, bei welchem Öffnungsverhältnis die Aufnahme entstanden ist.
    Hier http://vidojevica.aob.rs/index.php?option=com_content&view=article&id=40:t140&catid=22:teleskopi&Itemid=249
    kann ich nur die Angabe f/8 finden aber auch die Angabe, dass es einen Nasmyth- und einen Cassegrainfokus gibt. 7 Stunden Belichtungszeit erscheinen mir bei f/8 etwas wenig um derart schwache Strukturen abbilden zu können.
    In der Aufnahme von P. Hofleitner stecken mehr als 20 Stunden bei f/5.
    Danke und Gruß
    Dirk van Uden

  8. Hallo Herr Müller,

    erst einmal Gratulation zu Ihren Ergebnissen mit dem 1,4-m-Teleskop. Dass dieser Sternstrom um NGC 5907 keine Doppelstruktur hat, deckt sich auch mit meinen Erfahrungen, siehe weiter unten. Gut finde ich, dass Sie – wie auch Herr van Dokkum – einen so mutigen Schritt wagen und Ihre Ergebnisse der wissenschaftlichen Szene unterbreiten. Ihren Artikel und den von Herrn van Dokkum habe ich gelesen.

    Lassen Sie mich aber einige Anmerkungen zu Ihrer Darstellung hier auf scilogs hinzufügen:
    a) Ich zitiere einen Satz in Ihrem obigen Artikel: “… Mit dem Unterschied, dass die Amateur-Astronomen Teleskope mit Durchmessern von bis zu einem halben Meter verwenden, wir aber ein dreimal so großes Teleskop und somit die neunfache Fläche zum Sammeln des Lichtes zur Verfügung haben. Damit sollte der fehlende Teil der Doppelschlaufe gefunden werden, falls er denn wirklich existiert.”
    So kann das nicht stehenbleiben! Ich selbst bin Mitkonstrukteur und Mitbesitzer an einem gut funktionierenden Newton-Teleskop von 1,12 m Öffnung mit einem Öffnungsverhältnis 1:4,5. Bei dem Nachweis von genügend flächigen Objekten wie Sternströmen ist nicht der Durchmesser D des Teleskops von Relevanz, auch nicht die Brennweite f, sondern das Öffnungsverhältnis D/f. Das Öffnungsverhältnis bestimmt die Zahl der pro Flächenelement einfallenden Photonen. Ein größerer Durchmesser liefert eine größere Detailauflösung im Bild, wenn die Seeing-Bedingungen gut genug sind.
    b) In der VdS-Fachgruppe Astrofotografie existiert seit 2013 eine Untergruppe (TBG), die sich mit tief belichteten Galaxien befasst: http://tbg.vds-astro.de/
    Primär arbeiten wir gemeinsam mit russischen Astronomen um den bekannten Astrophysiker und Preisträger Prof. Igor Karachentsev an der Entdeckung neuer Zwerggalaxien im Local Volume. Wissenschaftliche Publikationen hat´s auch schon gegeben. Insofern ist Dragonfly lange bekannt …
    Unser TBG-Mitglied Robert Pölzl hat bereits 2012 die Galaxie NGC 5907 auf seiner Sternwarte in 1200 m Höhe in den steyrischen Alpen aufgenommen. Belichtungszeit: 9 h 45 min bei 368 mm Öffnung und einem Öffnungsverhältnis von 1:3,6. Resultat: keine Doppelspur, nur eine einfache Schlaufe, ähnlich wie in Ihrem Bild. Gern würde ich das Foto mitsenden, was aber hier wohl nicht möglich ist. Natürlich kann ich es auch an Ihre Mailadresse in Frankreich senden.
    c) Mit Herrn Martinez-Delgado haben wir bereits diverse Erfahrungen, mehr dazu hier aber nicht. Es ist nur schwer verständlich, dass dieser Profi sich ungeprüft auf eine Amateuraufnahme verlässt (selbst wenn Herr Gabany der Astrofotograf war). Wird etwas Neues entdeckt, dann braucht´s auch unbedingt eine unabhängige Zweitaufnahme zur Bestätigung.

    Falls Sie an der TBG-Gruppe Interesse haben – wir können gern miteinander in Verbindung treten.

    Beste Grüße
    Peter Riepe

    • erst einmal Gratulation zu Ihren Ergebnissen mit dem 1,4-m-Teleskop. Dass dieser Sternstrom um NGC 5907 keine Doppelstruktur hat, deckt sich auch mit meinen Erfahrungen, siehe weiter unten. Gut finde ich, dass Sie – wie auch Herr van Dokkum – einen so mutigen Schritt wagen und Ihre Ergebnisse der wissenschaftlichen Szene unterbreiten. Ihren Artikel und den von Herrn van Dokkum habe ich gelesen.

      Danke. Das hat tatsächlich Mut gebraucht, da Feindseligkeiten vorprogrammiert waren (und auch eintraten).

      a) Ich zitiere einen Satz in Ihrem obigen Artikel: “… Mit dem Unterschied, dass die Amateur-Astronomen Teleskope mit Durchmessern von bis zu einem halben Meter verwenden, wir aber ein dreimal so großes Teleskop und somit die neunfache Fläche zum Sammeln des Lichtes zur Verfügung haben. Damit sollte der fehlende Teil der Doppelschlaufe gefunden werden, falls er denn wirklich existiert.”
      So kann das nicht stehenbleiben! Ich selbst bin Mitkonstrukteur und Mitbesitzer an einem gut funktionierenden Newton-Teleskop von 1,12 m Öffnung mit einem Öffnungsverhältnis 1:4,5. Bei dem Nachweis von genügend flächigen Objekten wie Sternströmen ist nicht der Durchmesser D des Teleskops von Relevanz, auch nicht die Brennweite f, sondern das Öffnungsverhältnis D/f. Das Öffnungsverhältnis bestimmt die Zahl der pro Flächenelement einfallenden Photonen. Ein größerer Durchmesser liefert eine größere Detailauflösung im Bild, wenn die Seeing-Bedingungen gut genug sind.

      Okay, da gebe ich Ihnen recht, da habe ich zu sehr vereinfacht.

      b) In der VdS-Fachgruppe Astrofotografie existiert seit 2013 eine Untergruppe (TBG), die sich mit tief belichteten Galaxien befasst: http://tbg.vds-astro.de/
      Primär arbeiten wir gemeinsam mit russischen Astronomen um den bekannten Astrophysiker und Preisträger Prof. Igor Karachentsev an der Entdeckung neuer Zwerggalaxien im Local Volume. Wissenschaftliche Publikationen hat´s auch schon gegeben. Insofern ist Dragonfly lange bekannt …
      Unser TBG-Mitglied Robert Pölzl hat bereits 2012 die Galaxie NGC 5907 auf seiner Sternwarte in 1200 m Höhe in den steyrischen Alpen aufgenommen. Belichtungszeit: 9 h 45 min bei 368 mm Öffnung und einem Öffnungsverhältnis von 1:3,6. Resultat: keine Doppelspur, nur eine einfache Schlaufe, ähnlich wie in Ihrem Bild. Gern würde ich das Foto mitsenden, was aber hier wohl nicht möglich ist. Natürlich kann ich es auch an Ihre Mailadresse in Frankreich senden.

      Die Arbeit der TBG kenne ich natürlich gut, da mein Steckenpferd ja auch Zwerggalaxien im Lokalen Volumen sind. Ihre Arbeit habe ich gerade in einer Veröffentlichung zitiert (https://www.aanda.org/articles/aa/pdf/2019/09/aa36392-19.pdf). Auch Igor kenne ich persönlich und habe ihn schon mehrmals
      getroffen – unter anderem war ich vor ein paar Monaten in Russland bei ihm auf Besuch am SAO. Auf das Bild bin ich gespannt, Sie können es gerne an meine französische oder persönliche E-Mail (oliver@oliver-mueller.ch) schicken. Wenn Sie wollen, kann ich das Bild auch hier im Blog einfügen.

      c) Mit Herrn Martinez-Delgado haben wir bereits diverse Erfahrungen, mehr dazu hier aber nicht. Es ist nur schwer verständlich, dass dieser Profi sich ungeprüft auf eine Amateuraufnahme verlässt (selbst wenn Herr Gabany der Astrofotograf war). Wird etwas Neues entdeckt, dann braucht´s auch unbedingt eine unabhängige Zweitaufnahme zur Bestätigung.

      Ja, das wäre der Idealfall, nur geben Gremien nicht gerne Teleskop-Zeit, nur um etwas zu Bestätigen. Deshalb können dann Jahre vergehen, bis so etwas gefunden wird.

      Falls Sie an der TBG-Gruppe Interesse haben – wir können gern miteinander in Verbindung treten.

      Ich habe schon mal eine Zwerggalaxie der TBG-Gruppe (um NGC253 wenn ich mich richtig erinnere) für Igor Karachentsev photometriert und ich habe ihm auch meine Hilfe für die restlichen Galaxien angeboten. Er sagte mir, dass er das mit der TBG-Gruppe abspricht. Das ist auch schon eine Weile her. Also ja, mein Interesse ist sicher da.

  9. Bemühen wir mal die Statistik: NGC5907 mit dem doppelten Sternstrom ist ein überaus ästhetisches Objekt. Vor Gabani kannte es keiner so. Nach Gabani haben auch nur ganz, ganz wenige das Objekt so abgebildet und veröffentlicht. Zwei habe ich gefunden. Alles anderen sind Kopien oder Zitate. (schließlich gibt es das Bild frei bei Wikipedia)
    Bei anderen “schwierigen aber ästhetischen” Bildern stürzt sich die ganze Astro-Gemeinde auf diese Objekte. Der eine machts ein bisschen besser, der andere etwas schlechter, der (oder die) eine zeigt ein Nebelfleckchen deutlich, ein anderes Bild zeigt es kaum, aber man kann es erahnen und noch jemand anderes zeigt sogar einige schwache weitere Details usw. Also eine gewisse Streuung in der Darstellung der veröffentlichten Bilder und eine gewisse Menge. Bei dem doppelten Sternstrom um 5907 aber nicht. warum? Mein eigenes Bild des Objektes habe ich nie veröffentlicht. Der Grund: nach 10 Std. war von dem Strom nichts zu sehen. Komisch, dass andere nach 10 Std. schon den Doppelstrom haben, die müssen definitiv einen besseren Himmel haben. Ich habe dann abgeschätzt, was nach 20, 30 oder 50 Std. maximal heraus kommen könnte und habe es dann sein lassen. Vielleicht ging es anderen auch so.
    Wer sich ein wenig mit Bildbearbeitung auskennt, dem wird bei dem Gabani-Bild schlecht.(sorry, vielleicht auch nur mir) Hier wurde mit einer gewaltigen Ortsfrequenz gearbeitet, die farbigen Flecken innerhalb der Ströme zeugen davon, die Halos um die Sterne am Rande der Ströme ebenfalls. Also, glätten, alles platt machen, was kleiner ist als vielleicht 50×50 Pixel, dann ist kein Rauschen mehr zu sehen, und dann strecken was das Zeug hält. Irgend etwas kommt da schon zum Vorschein. Sterne und Galaxie sind dabei natürlich maskiert. Das darf auch jeder so machen, der ein “schönes Bild” erstellen will, aber um etwas wissenschaftlich nachzuweisen oder gar zu vermessen geht das gar nicht. Die hässlichen, extrem verrauschten und mit allerlei Störungen versehen Bilder oben, … die sind glaubwürdig. Gabanis Bild nicht, wobei ich ihm keine Absicht unterstelle, ist vielleicht einfach nur ein “gefördertes Artefakt”.

    … und mit der Aussage:
    Bei dem Nachweis von genügend flächigen Objekten wie Sternströmen ist nicht der Durchmesser D des Teleskops von Relevanz, auch nicht die Brennweite f, sondern das Öffnungsverhältnis D/f. Das Öffnungsverhältnis bestimmt die Zahl der pro Flächenelement einfallenden Photonen..
    bin ich auch nicht zufrieden. Mit meinem CCTV-Objektiv f/D (also Blende) = 1,2 (!) will es mir nicht gelingen schwache (flächige) Objekte zu fotografieren, aber das ist ein anderes Thema.
    Freundliche Grüße,
    ralf

    • Hallo Herr Dr. Müller,

      Simulationen entsprechen nie der Realität; wobei “entsprechen” ein dehnbarer Begriff ist. Ob Simulationen die Realität gut beschreiben, sollten wir nicht immer der “falschen” oder “ungenauen” Simulation anlasten, sondern öfter auch mal dem unterliegenden Modell (aus dem diese Simulation ersonnen wurde!).
      Das man nichts sieht, heißt noch lange nicht, dass da nichts ist. Und die Beobachtungen sind zu sehr von Ungeduld geprägt, was wohl in unserer (menschlichen? das geht anderen Lebewesen wohl aus so) Natur liegt…
      Die 7h an Belichtungszeit für NGC 5907 am 1.4m-Milankovic-Teleskop ist vielleicht noch zu kurz gewesen, um mehr an Sternströmen zu zeigen; es sei denn, die Systembrennweite konnte reduziert werden, und ein besonders rauscharmes Sensorsystem kam zum Einsatz (“Andor IkonL CCD camera, focal reducer” ?). Und sicher gibt es gute Gründe, nicht länger als drei Minuten Einzelbelichtungszeit einzusetzen.
      Wie auch immer: über ein sehr interessantes Thema haben Sie hier berichtet. Und Amateure, die durchaus mit gleicher Montierungstechnik (nur eben “downsized”) und -Steuerung arbeiten, auch seit Jahren schon mit Dithering der Einzelbelichtungen, sehen es amüsant an, dass auch den Profis mal ein Schnitzer unterläuft, wenn vesehentlich mit schnellem (glatteren oder detailverlustreichen) Auslesen gearbeitet wird 😉

      Freundliche Grüße
      Martin Nischang

    • Hallo Ralf,

      vielleicht liegt es an der Kamera, dass mit Deinem CCTV-Objektiv bei Blende 1,2 keine schwachen Objekte zu fotografieren sind.
      Hast du mit diesem System nach 10 Stunden Gesamtbelichtungszeit nicht mal den bekannten Sternstrom bei NGC 5907 sichtbar machen können ?
      Könnte eine Kombination aus zu kurzer Brennweite, zu geringer Auflösung und zu rauschstarkem Einzelbild die Ursache sein ?

      Freundliche Grüße
      Martin

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