Zwei Teleskope sehen schärfer als eines
BLOG: Promotion mit Interferenzen
Herzlich Willkommen in meinem Blog! Als Doktorand am Max-Planck-Institut für Astronomie möchte ich Sie über mein Doktorarbeitsthema (Interferometrie an Aktiven Galaxien) informieren. Darüberhinaus werde ich Ihnen schildern, wie meine Promotion in der Astrophysik abläuft… Auf der Profil-Seite können Sie außerdem ein paar Zeilen über mich lesen.
Zum Einstieg möchte ich erklären, wieso man Teleskope überhaupt "zusammenschaltet", also mehr als ein Teleskop auf dieselbe Stelle am Himmel richtet und das Licht der beiden Teleskope nicht einzeln betrachtet, sondern sich das ansieht, was übrigbleibt, wenn man eben das Licht der beiden Teleskope überlagert. Dazu sollten wir zunächst klären, wieso wir überhaupt ein Fernglas oder Teleskop nehmen, um an den Himmel zu schauen.
Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: Mit einem Teleskop erhöhen wir zum einen die Menge an Licht, die wir sehen (oder auf einem CCD-Chip aufnehmen). Zum anderen, und diesen Punkt will ich hier besonders betonen, sehen wir mit einem Teleskop schärfer als mit bloßem Auge: Ein Teleskop hat ein größeres Auflösungsvermögen als das bloße Auge. Das heißt, dass etwa ein Doppelstern, der mit dem Auge als ein Stern erscheint, mit einem Teleskop eventuell "aufgelöst", also als zwei Sterne gesehen werden kann.
Von Galilei zum Very Large Telescope…
Über Jahrtausende haben Menschen den Sternenhimmel betrachtet, Weltbilder entworfen (und wieder verworfen), Himmelsgesetze erkannt und Kalender berechnet — und das alles mit dem bloßen Auge! Mit einem Auflösungsvermögen von etwas unter einer Bogenminute (dem sechzigsten Teil eines Winkelgrads) könnten wir zwar theoretisch sogar die vier größten Monde des Jupiters mit dem bloßen Auge auflösen, doch Jupiter selbst ist so viel heller, dass er die schwachen Monde einfach überstrahlt. So brauchen wir für diese weltbild-technisch wichtige Beobachtung doch ein größeres Auflösungsvermögen, wie es etwa Galileos Fernrohr hatte.
Das Auflösungsvermögen eines Teleskops ist proportional zum Durchmesser der Öffnung: Mit einem doppelt so großen Teleskop sieht man bei gleicher Entfernung halb so große Dinge. Außerdem kommt es auch noch auf die Wellenlänge an, bei der man beobachtet: Mit blauem Licht (kürzerer Wellenlänge) sieht man schärfer als mit rotem. Warum schaut man also nicht einfach bei immer kürzeren Wellenlängen? Nun, zum einen lässt die Atmosphäre jenseits des Ultravioletten nicht mehr viel Licht durch (und das ist auch gut so) und zum anderen ist durch die Fragestellung oft schon vorgegeben, in welchem Spektralbereich man beobachten muss. Also helfen zunächst einmal nur größere Teleskope.
Nächstes Jahr sind es nun genau 400 Jahre seitdem das erste Mal ein Mensch, nämlich Galileo Galilei, mit einem Fernrohr astronomische Untersuchungen gemacht hat. Diesem Anlass ist übrigens das nächste Jahr als Internationales Astronomiejahr 2009 gewidmet. Das Galileische oder Holländische Fernrohr wurde zwar schon ein Jahr früher, um 1608, vom Holländer Hans Lipperhey erfunden, aber Galilei war der erste, der dieses Fernrohr 1609 nutzte, um damit Objekte am Himmel zu studieren und so Details zu sehen, die für das menschliche Auge nicht erfassbar sind. Galilei startete so das Teleskop-Zeitalter und seitdem werden die Teleskope von Jahrzehnt zu Jahrzehnt größer.
Nun wird fleißig am Nachfolger der derzeit größten Teleskope getüftelt. Nachdem man erst überlegt hatte, ein 100m großes, ein "überwältigend großes" Teleskop (Overwhelmingly Large Telescope, OWL) als Nachfolger der 8-Meter-Spiegel des "sehr großen Teleskops" (Very Large Telescope) zu bauen, hat man sich nun aber auf ein nur "extrem großes Teleskop" (Extremely Large Telescope) beschränkt, dessen Spiegel mit 42 Meter Durchmesser immer noch mehr Spiegelfläche haben wird, als alle derzeitigen Teleskope der 8-Meter-Klasse zusammengenommen.
Da die Kosten eines Teleskops aber etwa mit dem Radius des Teleskops hoch drei ansteigen, ein 100-Meter-Teleskop also etwa 1000 mal teurer als ein 10-Meter-Teleskop wäre, wird dieser Teleskop-Boom auf absehbare Zeit so teuer werden, dass ihn sogar multinationale Organisationen wie die ESO nicht mehr bezahlen können. Für das 100-Meter-Teleskop zum Beispiel hat eine Studie die Kosten auf über eine Milliarde Euro beziffert. Es ist also an der Zeit nach alternativen Wegen zu suchen, um das Auflösungsvermögen zu steigern.
…zum Very Large Telescope Interferometer
Seit einigen Jahren wendet man daher in der optischen Astronomie ein Verfahren an, das in der Radioastronomie bereits seit den 1950er Jahren verwendet wurde: die so genannte Apertursynthese, also das Zusammenschalten mehrerer (verhältnismäßig günstiger) Einzelteleskope zu einem virtuellen Großteleskop. Dabei werden die Signale der einzelnen Teleskope überlagert und das resultierende Interferenzmuster aufgezeichnet. Dieses gibt einem dann Aufschluss über die Ausdehnung, Temperatur und chemische Beschaffenheit des untersuchten Himmelsobjekts. Nach einer Entwicklungszeit von etwa 50 Jahren ist die Radiointerferometrie so weit entwickelt, dass man mit dieser Technik Bilder erstellen kann, die die Schärfe eines Teleskops vom Durchmesser der Erde haben — oder sogar noch größer durch Zuschalten von Satellitenbeobachtungen.
In der optischen Interferometrie ist man davon zwar noch weit entfernt, doch mit dem Very Large Telescope Interferometer (VLTI) konnten dennoch schon auf einige wissenschaftliche Fragen Antworten gegeben werden, auf die man ohne Interferometrie noch lange hätte warten müssen. So hat man 2004 mit dem VLTI eindeutig nachweisen können, dass es im Zentrum so genannter Aktiver Galaxien große Staubscheiben gibt, die zumindest in manchen Fällen den Blick auf das Zentrum der Galaxie blockieren. Viele Nachfolgeuntersuchungen haben die Ausdehnung, Temperatur und Zusammensetzung des Staubes genauer untersucht und unter anderem ergeben, dass die Staubverteilung längst nicht so gleichmäßig ist, wie ursprünglich angenommen. Anhand von Modellen versucht man nun, die Vorgänge im Zentrum dieser fernen Galaxien besser zu verstehen. Aus dieser Forschung lernt man nicht nur, wo es im Universum "staubig" ist, sondern man gewinnt auch Einblicke in die Entwicklung von Galaxien im ganzen. Diese Beobachtungen weiter zu verbessern und anhand von Modellen zu verstehen, ist das Thema meiner Doktorarbeit.
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