Visite 2009: Fremder Besucher mit Interferenzen

BLOG: Promotion mit Interferenzen

Auf dem Weg zum Profi-Astronomen
Promotion mit Interferenzen

Blogvisite 2009

Gastbeitrag von Christian Hoppe

Fremde, nicht persönlich eingeladene (hoffentlich nicht ungebetene) Gäste sollten sich kurz vorstellen: Ich bin Christian Hoppe, blogge in WIRKLICHKEIT im Bereich der Brainlogs, bin Psychologe und Theologe und arbeite als klinischer Neuropsychologe in Patientenversorgung und Forschung an der Klinik für Epileptologie der Universität Bonn. Daher wird es niemanden verwundern, dass ich beim Stichwort "Visite" weniger an eine Party mit netten eingeladenen und überraschenden Gästen denke als vielmehr an die einmal wöchentlich stattfindende Chefarzt-Visite, ein schönes altes Ritual, das seit mindestens Jahrhunderten (?) fast unverändert von Medizinergeneration zu Medizinergeneration tradiert wird. Bei einer klinischen Visite sprechen die "Besucher" untereinander, dann und wann stellt man dem Besuchten eine Frage – zum Beispiel "Wie geht es uns denn heute?" -, um dann wieder intern zu diskutieren und bald wieder zu gehen. Nein, keine Angst, ganz so läuft es heute nicht mehr – aber Relikte sind nicht zu übersehen. Also, beginnen wir mit der Visite.

Die besorgt-ärztliche Frage lautet natürlich: "Was fehlt denn unserem Kosmolog PROMOTION mit INTERFERENZEN?" Nun, die Promotion. Aber das gilt keinesfalls als Krankheit, hier besteht vielleicht Handlungs- aber sicher kein Behandlungsbedarf. Zudem erwecken die Projektberichte der letzten Monate, die anschaulich, verständlich und rundweg sympathisch geschrieben sind, den Eindruck, dass die Fortschritte in dieser Hinsicht enorm und viel versprechend sind, so dass es sich hier letztlich wohl nur noch um eine Formalie handeln wird. Dieser "Mangel" wird also in absehbarer Zeit behoben sein.

Was aber fehlt dann? Religion, Philosophie, Theologie! In der Tat: Nicht nur INTERFERENZEN, überhaupt die KOSMOLOGS sind eine sterile, unwirtliche Zone für Metaphysiker – aus manchen Kommentaren ist ein deutliches "Betreten verboten!" zu hören, das "R-Wort" gilt hier manchenorts als verpönt. Ja, machen sich die Astronomen etc. denn etwa mit den Naturalisten, Materialisten, Konstruktivisten, Pragmatiker und Evolutionisten gemein, die keine Naturwissenschaftler sind, sich aber auch nicht so recht entscheiden mögen, Philosophen zu sein?

Mir scheint, die Astronomie ist nicht nur das historische Urbild von Naturwissenschaft, sie verkörpert auch am reinsten das Ideal des naturwissenschaftlichen Geistes. Sie zieht zwar die höchste Ingenieurskunst auf sich, aber nichts könnte weniger praktisch und nützlich sein, als das Wissen über ferne Galaxien: Wir werden sie nie erreichen (wenn es sie überhaupt noch gibt), wir können dort nichts ändern und die physischen Einflüsse dieser Galaxien beschränken sich auf die Affizierung unserer Messsysteme. Niemand von uns wird auf absehbare Zeit dorthin reisen (wohin denn auch genau?) und jeder "vernünftige" Mensch, der Denken für Rechnen hält, fragt sich: Warum investiert man nur einen einzigen Cent, um etwas über aktive Galaxien heraus zu finden? Natürlich haben die Astronomen keine Probleme, den Ökonomen einige Häppchen praktischen Nutzens vor die Füße zu werfen – aber, mal ehrlich, das ist doch nicht ernst gemeint, oder? Es geht hier um nicht mehr und nicht weniger als die Erkundung der Wirklichkeit, in der wir leben und von der wir ein Teil sind. Wohlgemerkt, es geht hier auch nicht um die Erkundung unseres biologischen Habitats, dem wir uns besser anpassen wollen.

Astronomie ist m.E. auch nicht mit konstruktivistischen Intuitionen vereinbar. Hier wird gemessen und das, was sich hier zeigt – natürlich in einer Weise, die für uns wahrnehmbar ist – denken wir uns nicht aus. Gerade weil die Astronomie so herrlich zweckfrei ist, ist sie auch von jeglichem Projektionsverdacht dispensiert. Ist das nun "naiver Realismus"? Natürlich können wir uns täuschen, verrechnen, vermessen und vieles übersehen – aber der Astronom glaubt, dass der Versuch einer Erkundung der Wirklichkeit nicht von vornherein sinnlos ist und dass wir tatsächlich etwas über die Welt erfahren und wissen können. Den astronomischen Entdeckungen kommt, vergleichbar mathematischen Beweisen, sogar ein "Ewigkeitswert" zu: eine einmal entdeckte Galaxie wird nicht plötzlich wieder verschwinden. Und selbst wenn sie verschwindet, wird sie in alle Ewigkeit einmal existent gewesen sein.

Die Bedingung der Möglichkeit für Astronomie ist, dass im Geist des Forschers eine Idee von der Einheit der Welt besteht, z.B. die Idee der Gültigkeit von Naturgesetzen an jedem Ort der Welt. Ferner nimmt er, während er hier auf der Erde hockt, geistig eine Perspektive ein, die ihn über das gesamte Universum virtuell erhebt und ihm das Ganze zeigt bzw. immer weiter enthüllt. Schließlich akkumuliert er Beobachtungen in der Zeit und er stellt Bewegungen/Veränderungen in der Zeit fest – was ohne Gedächtnis nicht möglich wäre. Das Universum betrifft uns nicht nur, weil wir Sternenstaub sind, sondern auch, weil es in gewisser Weise nur dadurch anwesend ist, weil unser Bewusstsein seine Anwesenheit bemerkt: Wir spüren die Welt! Ohne Bewusstsein, rein materialistisch, wäre das Universum nichts anderes als die je aktuelle Konstellation aller Elementarteilchen genau jetzt – wobei dieses Jetzt unendlich kurz wäre, ein Umschlagen von Zukunft in Vergangenheit, so dass das Universum stets entweder noch nicht oder nicht mehr existieren würde. Das Bewusstsein muss das Universum "fest-stellen"; die Astronomie handelt von diesem solchermaßen fest-gestellten Universum. Vorausliegend jeder einzelnen Beobachtung, ist Gegenwart das eigentliche Urphänomen von Philosophie und Theologie.

Ich verstehe absolut die massive Abgrenzung von religiösen Anwandlungen, der Wirklichkeit etwas hinzuzudichten bzw. sich etwas auszudenken, nur weil es sich z.B. besser anfühlt. Heute werden Religion und Metaphysik fast ausnahmslos genau so verstanden – und von wissenschaftlicher Seite her zurecht bekämpft. Die wahre Religion und die wahre Metaphysik stecken meines Erachtens jedoch implizit in den Wirklichkeitsannahmen zum Beispiel der modernen Astronomie. Das zweckfreie Interesse an Wirklichkeit und der Glaube an eine, wenn auch begrenzte Erkenntnisfähigkeit haben sich nicht zufällig aus einem monotheistischen Kontext heraus entwickelt – wenngleich gegen viele religiöse Widerstände. Es gibt, etwa bei Thomas von Aquin, Traditionslinien der Theologie, die mit den Naturwissenschaften auf Augenhöhe diskutieren und zum Verständnis von Wirklichkeit und zu unserem Verhältnis zur Wirklichkeit wertvolles beitragen können.

Mit Dank für die gewährte Gastfreundschaft ende ich mit der Erzählung einer kleinen Begebenheit, die ich vor einigen Jahren in Schottland erlebt habe: Ich und meine Frau waren bei einer Bergwanderung. Während wir aufstiegen, kam uns eine Familie entgegen: ein ca. 4-jähriger Junge, ein Vater mit der kleinen Tochter auf den Schultern und hintendran die Mutter, Engländer. Da plötzlich stolperte der kleine Junge, fiel hin und fing an zu schreien. Der Vater blieb ganz ruhig, setzte die Tochter ab, und half dem Sohn aufzustehen. Uns schien, dass er erst wartete, bevor er genau im richtigen Augenblick fragte: "Oh, wasn’t it a bit of a shock?" Der Junge hatte sich offensichtlich nicht verletzt, er hatte sich vor allem erschrocken – und geschämt. Genau das sprach der Vater jetzt an, aber gerade so, dass der Junge sich eben nicht schämen musste. Die Tochter schaute während der gesamten Szene stolz und verliebt in ihren Papa zu. Es war wirklich anrührend, wie einfühlsam der Vater das gemacht hat. Das gleiche Urphänomen: Präsenz.

Ich will, dass diese klitzekleine Begebenheit in diesem gigantischen, unermesslichen Kosmos etwas bedeutet. Vielleicht glaube ich sogar, dass dieses gigantische Universum aus Gas und Staub nur wegen dieser kleinen Begebenheit etwas bedeutet.

 


Christian Hoppe ist Psychologe und Theologe und bloggt normalerweise in den Brainlogs in WIRKLICHKEIT.

 

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www.ileo.de

Nach dem Studium der Physik in Würzburg und Edinburgh, habe ich mich in meiner Diplomarbeit mit der Theorie von Blazar-Spektren beschäftigt. Zur Doktorarbeit bin ich dann im Herbst 2007 nach Heidelberg ans Max-Planck-Institut für Astronomie gewechselt. Von dort aus bin ich mehrere Male ans VLT nach Chile gefahren, um mithilfe von Interferometrie im thermischen Infrarot die staubigen Zentren von aktiven Galaxien zu untersuchen. In dieser Zeit habe ich auch den Blog begonnen -- daher der Name... Seit Anfang 2012 bin ich als Postdoc am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching im Norden von München. Dort beschäftige ich mich weiterhin mit Aktiven Galaxien und bin außerdem an dem Instrumentenprojekt GRAVITY beteiligt, das ab 2015 jeweils vier der Teleskope am VLT zusammenschalten soll.

16 Kommentare

  1. Super

    Ein wirklich prima Beitrag. Wenn man als Kind zu den Sternen aufblickt, wer hat da nicht angefangen zu philosophieren? Diese unvorstellbare Größe und Weite …

  2. Wirklichkeit und Habitat

    Lieber Herr Hoppe,
    auch auf diesem öffentlichen Weg nochmals vielen Dank für den Blog-Besuch und die freundlichen einleitenden Worte.

    Astronomie als Wirklichkeitserkundung zu sehen ist sicher eine mögliche Definition dieser ältesten Naturwissenschaft. Aber ich würde auch die “Erkundung des Habitats” als legitime Motivation gelten lassen wollen. Freilich werden wir uns nicht (in absehbarer) Zeit mit Überlichtgeschwindigkeit durch das Universum bewegen, aber es ist dennoch ein Ur-Ansinnen des Menschen, seine “Umgebung” zu kennen — auch seine weitere, unerreichbare. Jedes Kind fragt (sich) irgendwann, was das da oben denn ist und wie weit es weg ist. Als Erwachsene haben wir oft nur verlernt, uns über ganz elementare Dinge Gedanken zu machen und neugierig zu sein. Gerade um diese Neugier wach zu halten, brauchen wir die (astronomische) Forschung. Dabei ist es aus meiner Sicht auch sehr wichtig, sein Forschungsfeld im Kontext sehen und der Öffentlichkeit die Relevanz für sehr allgemeine Fragen erklären zu können.

    Für uns Menschen ist natürlich der “Jetzt”-Zeitpunkt, den wir bewusst wahrnehmen, sehr wichtig. Auch die Hoffnung oder den Wunsch, dass unsere “klitzekleine Begebenheit” eine überragende Bedeutung hat, kann ich sehr gut nachvollziehen. In gewisser Weise habe ich den auch. Aber wenn wir ehrlich sind und so unvoreingenommen wie möglich und ohne Tabus an diese existenziellen Fragen herangehen, sehen wir, dass es keine Indizien für eine überragende Bedeutung unserer Zeit, ja von uns selbst, gibt.

    Oder doch? Ist vielleicht die Tatsache, dass wir Leben bislang nur auf der Erde kennen bedeutsam? Manche meinen, dass wir Leben schon längst hätten finden müssen, wenn es denn wirklich ein häufige auftrendes Phänomen wäre (das sog. Fermi-Paradoxon). Dass wir noch keinen weiteren Ort mit Leben gefunden haben außerhalb der Erde sagt uns entweder, dass wir “Leben” noch nicht gut genug verstehen (und es doch häufig ist) oder dass es eben nicht so häufig ist und wir in der Tat etwas Besonderes sind.

    Beste Grüße,
    Leonard Burtscher

  3. Wunderbare Szene – Chapeau!

    Das hatte ich nicht erwartet: Mitten in der kosmischen Wüste (die ja für sich durchaus wunderbar interessant ist) so einer Oase zu begegnen:
    “Ich will, dass diese klitzekleine Begebenheit in diesem gigantischen, unermesslichen Kosmos etwas bedeutet. Vielleicht glaube ich sogar, dass dieses gigantische Universum aus Gas und Staub nur wegen dieser kleinen Begebenheit etwas bedeutet.”
    Ich schreibe dies in einem Medienraum von Schloss Puchberg, einer Bildungsstätte der Katholischen Kirche. Ich leite hier ein Schreib-Seminar mit 15 Teilnehmern, fühle mich wohl – und doch auch ein wenig einsam. Und was mache ich? Klinke mich bei SciLogs ein, denke: Was machen denn die Blogger so?
    Und finde (ich muss es nochmals wiederholen, weil es so wunderbar ist, als Szene und als Formulierung der Szene):
    Ich will, dass diese klitzekleine Begebenheit in diesem gigantischen, unermesslichen Kosmos etwas bedeutet. Vielleicht glaube ich sogar, dass dieses gigantische Universum aus Gas und Staub nur wegen dieser kleinen Begebenheit etwas bedeutet.”
    Wunderbar, wie gesagt – und vielen Dank, Christina Hoppe!

  4. Uups – Verschreiber “Christina”

    Uups – jetzt habe ich mich doch in der Eile glatt vertippt und aus dem “Christian (Hoppe)” eine “Christiane” gemacht.
    Na, da dürfen die Tiefenpsychologen aber ins Grübeln kommen.
    “Passt scho”, würde unser Münchner “(Fussball)-Kaiser” Franz Beckenbauer sagen.
    So was Mütterliches geht mir hier in Schloss Pucberg schon ab, obwohl die saugut kochen und man auch sonst bestens versorgt wird.
    Entschuldigung also für die Geschlechtsumwandlung – der Text hat ja in sich schon genug Verständnisvoll-Mütterliches und braucht den Verschreiber meines (Unbewussten) eigentlich gar nicht.
    Mit herzlichen Grüßen von Psychologen-Kollege zu Psychologen-Kollege und zugleich als fernst-galaxien-begeisterter Science-Fiction-Fan und Kosmologie/Astronomie-Fan auch an den Blog-Gastgeber Leonard Burtscher
    von eurem Blogger-Kollegen Jürgen vom Scheidt

  5. Astronomie ist schon noch etwas mehr …

    Astronomie ist schon noch etwas mehr als die Nischenrolle der “quasi zweckfreien” Unterdisziplin der Philosphie, die Sie ihr zuweisen.

    Astronomie – und vor allem ihr jüngster und modernster Ausleger, die Raumfahrttechnik, ist eben nicht nur die Betrachtung über beliebig weit entfernte und damit alte Galaxien, über die man nachsinnieren kann, wenn man es will, es aber auch nicht zu tun braucht.

    Es ist auch, nicht zuletzt und vielleicht sogar zuvörderst, ein Türöffner. Die Astromie beschränkt sich eben nicht darauf, von weitem zu schauen, und dann zu grübeln. Lange Zeit mag es so gewesen sein, weil es nicht anders ging. Seit 52 Jahren haben wir aber das Raumfahrtzeitalter, und damit hat auch für die Astronomie eine neue Zeitrechnung begonnen.

    Die Astronomie hat die Chance freudig ergriffen, sie geht hin zu den Objekten ihrer Studien – zumindest zu den erreichbaren, also Planeten, ihren Monden, Asteroiden und Kometen. Sie geht möglichst nahe heran, sie entnimmt ihnen Material, sie hilft uns, zu lernen und zu verstehen, was wir zuvor unmöglich hätten lernen und verstehen können, auch mit noch so großen optischen und Radio-Teleskopen.

    Über kurz oder lang, wahrscheinlich über kurz, wird es aufgrund der planetologischen Forschung – auch sie nur eine Facette der Astronomie – zur permanenten Besiedlung anderer Himmelskörper kommen, und darauf werden weitere Schritte folgen.

    Es war schon immer Eigenschaft des Menschen, sich nicht mit dem bloßen Augenschein oder der zweitbesten Erklärung zufriedenzugeben, sondern er wollte mehr, er wollte es wissen, er gab nicht klein bei. Die Astronomie als älteste und vielleicht umfassendste Wissenschaft ist nicht der Motor diese menschlichen Eigenschaft, sie ist ihr Ausdruck.

    Der Hinweis auf den praktische Nutzen der Astronomie ist nicht ernst gemeint? Wenn es denn eine Ikone des 20sten Jahrhunderts gibt, ein Bild, das wie kein anderes im allgemeinen Bewusststein den technischen Fortschritt und die Jetzt-Zeit symbolisiert, dann ist das so ein Bild …

    http://ch3086.k12.sd.us/…_Aldrin_on_the_Moon.jpg

    *Das* ist auch eine Leistung der Astronomie, und vor allen Dingen eine Leistung des menschlichen Willens, Probleme anzugehen und sie zu lösen.

    Sie schreiben ferner: “es geht hier auch nicht um die Erkundung unseres biologischen Habitats, dem wir uns besser anpassen wollen” … nun, das trifft auf die astronomische Forschung eben nicht zu, denn bei der geht es sehr wohl auch um ein besseres Verständnis der Erde, ihrer Interaktion mit anderen Himmelskörpern im weiten und ferneren Universum und damit auch um unser biologisches Habitat.

    Das Sich-Bescheiden auf das Sich-Anpassen, genau das war nun einmal noch nie das Wesen der Astronomie, denn da ging es immer eher um das Gegenteil, bis hin zum Bau eines Habitats und damit der Schaffung einer eigenen menschlichen Biosphäre auf anderen Himnmelskörpern.

    Es ist zwar groß in Mode, deises Sich-Anpassen als Tugend anzzpreisen, die wenigsten wären jedoch willens und imstande, die negativen Konsequenzen dieser doch oft allzu unbedacht hingeworfenen Forderung zu akzeptieren. Ich bin sehr froh, dass ich, wie wir alle, von diversen Annehmlichkeiten profitieren kann, die wir dem menschlichen Willen verdanken, sich nicht seiner Umwelt anzupassen, sondern seine Umwelt aktiv zu gestalten … unter anderem auch die Tatsache, dass wir uns hier im Internet über solche Themen unterhalten können.

  6. @Khan

    Ihre praktischen Überlegungen scheinen sich auf die Astronomie unseres Sonnensystems, allenfalls der Milchstraße zu beziehen. Herr Burtscher peilt da intereferenztechnisch ganz andere Dimensionen an. Im Übrigen hatte ich nichts von “Anpassen” gesagt, schon gar nichts von “die Hände in den Schoß legen” – was man hier erkundet und wozu man aufbricht mit allen jeweils verfügbaren Mitteln ist die Erkundung der Wirklichkeit. Das ist mit philosophischer Innenschau und nur in Gedanken gerade nicht zu machen – denn die Wirklichkeit ist nicht ausgedacht und wir können sie uns nicht ausdenken. Bei dieser Erkundung stehen praktische Nutzenerwägungen nicht im Vordergrund, und daher sind die diesem Unternehmen impliziten Annahmen philosophisch interessant.

  7. Astronomie und Raumfahrt

    Lieber Herr Khan, lieber Herr Hoppe,

    ich denke, Astronomie und Raumfahrt müssen als zwei komplementäre Bereiche der Erkundung des Universums gesehen werden. Die Raumfahrt eröffnet uns den Zugang zu nahen Himmelskörpern, die Erkundung des Sonnensystems, ggf. den Schutz vor Killer-Asteroiden und — und das ist meines Erachtens mit die wichtigste Rechtfertigung — sie ermöglicht es weiter zu machen mit der (hautnahen) Entdeckung des Unbekannten, die ansonsten nach der vollständigen Kartografierung der Erde hätte Schluss machen müssen. Dadurch ist sie Vorbild und Motivation für viele Leute.

    Andererseits wird es uns die Raumfahrt in absehbarer Zeit nicht ermöglichen, Objekte außerhalb unseres Sonnensystems zu erkunden. Selbst der kosmische Katzensprung eines Lichtjahrs ist raumfahrttechnisch in weiter Ferne. Selbst die am weitesten entfernten menschlichen Sonden sind nur wenige Lichtstunden von der Erde entfernt. Die Astronomie bedient daher natürlich ein ganz anderes Feld als die Raumfahrt.

    Interferometrie ist dabei allerdings nicht unbedingt auf extrem weite Entfernungen beschränkt. Das VLTI wurde gebaut um hauptsächlich galaktische Objekte wie junge Sterne anzuschauen. Dort können dann dafür Skalen von wenigen Astronomischen Einheiten untersucht werden.

    Viele Grüße,
    Leonard Burtscher

  8. @Leonard

    Ich sehe schon, dass die Raumfahrt die Erkundung auch sehr ferner Objekte ermoeglicht. Man denke beispielsweise an das orbitale IR-Teleskop Herschel und was man damit machen will (ebenso wie seine Vorgaenger ISO und Spitzer) – das ist bis auf weiteres nicht mit einem terrestrischen Teleskop zu haben. Ich sehe generell keine wirkliche Unterscheidung zwischen raumfahrttechnischer und terrestrischer Astronomie. Klar sind die Methoden und die erzielten Ergebnisse anders, aber methodisch ist die Ueberlappung sehr gross.

  9. @Herrn Hoppe

    Es fiel unter anderem die Einschaetzung von der “herrlich zweckfreien Astronomie”, das gerade ist Astronomie aber nun einmal nicht, und sie ist es auch noch nie gewesen. Meine Ansict unterscheidet sich darin von Ihrer, ebenso wie ich die daraus folgenden Implikationen nicht mittragen kann und mich auch sehr an den Behauptungen und gemachten Verbindungen zwischen Theologie und Naturwissenschaften stoere.

    Ich muss mich der letzlich gemachten Einschaetzung Jan Hattenbachs anschliessen. Ich bedaure, dass Theologen im Zuge einer falsch verstandenen Offenheit nun Eingang bei den Kosmologs gefunden haben und hoffe, dass der Spuk bald vorbei ist.

    Mehr habe ich dazu nicht zu sagen

  10. @Khan

    Keine Angst, die Kosmologs werden weder von Theologen noch von Neuropsychologen (denn das bin ich in erster Linie) unterwandert. Aber sehr schade, dass Sie die Visite-Aktion bedauern. Dabei hatten Sie sich ja selbst sogar zu einem eigenen Beitrag über Religion hinreißen lassen, ganz ohne Not, außerhalb der “Visite”.

    Sie können es gerne bei der Feststellung belassen, dass Sie irgendetwas an meinem Gastbeitrag stört oder dass Sie die Thematik einfach nicht weiter interessiert, okay – aber wir wollen doch festhalten, dass das keine argumentative Auseinandersetzung mit meinen Überlegungen darstellt, wie man sie vielleicht in einem Wissenschaftsblog erwarten darf und wie ich sie mir von der Visite erhofft hatte.

  11. @ Hoppe

    Also, ich bedauere hier nichts. Ich bin sowohl ein Fan der Visite als auch von Ihrem Beitrag hier. Ich finde es sehr interessant, wenn die Blogger aus den “anderen Ecken” das Thema anfassen. Das lockert das Ganze etwas auf und ich finde Blogs sind gerade dafür hervorragend geeignet.

  12. Naturwissenschaftliche Weltsicht

    Mein Name ist Stephan Kaula, bin Dr. der Medizin, 53 Jahre alt und Vater von vier Kindern. Herrn Hoppes Eindruck, dass die Naturwissenschaften kalt sind, kann ich gut nachvollziehen. Diese Kälte entsteht durch die Forderung der Objektivität, die eben das Subjekt, den Forscher vernachlässigt und sich nur auf die Untersuchung des Objektes beschränken will.
    Das -ich- jedoch, der nach Erkenntnis suchende Mensch, wird dabei oftmals ganz vergessen. Und das zeigt sich in den Ergebnissen naturwissenschaftlicher Erkenntnis. So postuliert man eine vom -ich-, vom Bewußtsein unabhängige materielle Realität, die ohne einen großen Sinnzusammenhang unsere komplexe Welt geformt hat und darstellt. Im Bereich der Medizin spüren wir dies an der Kälte des technisch-naturwissenschaftlichen Menschenbildes, eines Menschen, der auf einen biologischen Roboter reduziert wird, und der nur aufgrund unglücklicher Zufälle und physikalischer oder biochemischer Zusammenhänge krank wird.
    Die Wahrheit ist jedoch, dass unser -ich- immer Bestandteil jeder Wahrnehmung und Erkenntnis sein wird.

    Die Naturwissenschaften haben diese Wahrheit inzwischen auf den Kopf gestellt und behaupten, dass die (sinnlose und zufällige) materielle Grundlage die Illusion eines Bewußtseins, unseres Bewußtseins erzeugte. Wahren Fortschritt wird unsere Wissenschaft meines Ermessens erst machen, wenn sie das Bewußtsein als Grundlage von -Allem das ist- erkennt. Religiöse Menschen würden es so ausdrücken: Der Geist Gottes ist die Grundlage unserer Schöpfung. Vedanta würde sagen: Alles ist Gott, alles ist Bewußtsein.

    Unsere heutige Naturwissenschaft beteiligt sich meines Ermessens an der Aufrechterhaltung eines kollektiven Trugbildes unserer sog. Realität. Gerade das was die Naturwissenschaft der Religion vorwirft, in einem Dogma gefangen zu sein, trifft inzwischen auf die Naturwissenschaften zu. So zementiert sie einen kollektiv psychischen Kokon einer sehr beschränkten Realitätssicht. Doch dieser Kokon wird inzischen von innen und außen durchbrochen. So durch eine neue Spiritualität, Religiosiät, Reinkarnationsforschung, Ufo-Phänomen und auch das Phänomen der Abductions, von dem Zehntausende betroffen sind.

    Um die starre naturwissenschaftliche Weltsich ein wenig aufzubrechen, empfehle ich sich z.B. auf you-tube das disclosure project (auch mit deutschen Untertiteln unter exopolitics.de zu sehen).

    Dr. med. Stephan Kaula

  13. Esoterik als Antwort?

    Lieber Herr Kaula,
    ich halte es für keine gute Idee, das, was die Wissenschaft bisher groß gemacht und weiter gebracht hat — Experimente vor einem naturalistischen Hintergrund — aufzugegeben zugunsten esoterisch religiöser Glaubensvorstellungen, die keinerlei objektiven Überprüfung standhalten und mitunter nachgewiesene Fälschungen sind (UFOs).
    Dann bin ich lieber ein kalter Naturwissenschaftler! 🙂
    Leonard Burtscher

  14. Esoterik als Antwort

    Sehr geehrter Herr Burtscher,

    Das Dogma der Naturwissenschaften ist doch, dass nur das wahr ist, was objektivierbar ist. Damit wird ein entscheidender Teil der Wirklichkeit in der wir leben aber ausgeblendet und entwertet. Ich habe nichts gegen die Naturwissenschaft, bin ich ja selbst von ihr fasziniert und wollte ursprünglich deswegen auch Physik studieren. (Bin auch Abonnent von Sterne und Weltraum).

    Das Ausblenden eines wichtigen Teiles unserer subjektiven und persönlichen Wirklichkeit könnte man gar als Scheuklappensicht interpretieren. Und tatsächlich gibt es inzwischen große Bereich unserer kollektiven Realität, bei der die Realität der einzelnen Menschen weit über das akzeptierte kollektive Weltbild hinausreicht. Ich möchte behaupten, dass dies erheblich zugenommen hat. Für tausende von Menschen ist Reinkarnation inzwischen eine Realität, für tausende Amerikaner (es wird inzwischen von 60% gesprochen) ist die Existenz und Anwesenheit von Aliens auf unserem Planeten Realität und Ufos keine Spinnerei. Die Zahl der Menschen mit tiefgehenden spirituellen oder religiösen Erfahrungen jenseits unserer Naturwissenschaft nimmt weiter zu.

    Es ist die westliche naturwissenschaftlich denkendende Mentalität, unser Weltbild mit einem rigiden, ausschließenden -Entweder/Oder- zu werten. Indische IT-Spezialisten haben keine Probleme damit, innbrünstig am Hausaltar zu beten und dann zur mathematischen Arbeit am PC zu schreiten. Es gehört allerdings schon eine Offenheit und auch ein bischen Mut dazu, sein Weltbild zu hinterfragen, den Boden auf dem man steht. Und wenn man das ausprobieren will, ist sicherlich das sog. -disclosure project- von 2001 dazu sehr geeignet. In ihm treten stellvertretend für 400 Ex-Militärs, CIA-Mitarbeiter und andere hochrangige Insider, 16 (glaub)würdige Menschen im gesetzten Alter, um von ihrer Wirklichkeit mit Ufos zu berichten. (Und es geht nicht nur um fragwürdige Sichtungen) Sie treten im -national press club- vor die Öffentlichkeit und beenden ihren Vortrag stets damit, dass sie dies jederzeit vor dem Kongress unter Eid bestätigen werden. Das ist schon beeindruckend.

    Doch ist das für mich nur ein Beispiel dafür, dass wir mit dem rigiden Dogma der Objektivierbarkeit=wahr, entscheidende Ebenen unserer Wirklichkeit ausblenden und es damit zu Verzerrungen im kollekiven Weltbild kommt, in dem das Bild von dem was ein Mensch ist, was diese Welt ist, inzwischen kalt, leblos und sinnlos ist. Denn gibt irgend eine moderne medizinische Errungenschaft eine erhebende und erbauende Erklärung dafür, warum ein Mensch lebt, warum er manchmal leidet, warum er stirbt? Im Gegenteil behaupten Neurowissenschaftler bald erklären zu können was Bewußtsein ist. Unsere Wissenschaften mögen den Verstand faszinieren, doch menschliche Wärme, Liebe und Empathie, die reale Ebene der Herzenserfahrung wird immer mehr durch das Dogma der Wissenschaften entwertet, als Gefühlsduselei und illusorisches Spiel von Hormonen und Botenstoffen.

    Mir fehlt die Ballance zwischen Verstandes-Erkenntnis und emotionaler Reife, der Voraussetzung überhaupt Verantwortung für das kostbarste zu übernehmen, mit dem wir es in unserer subjektiven Realität zu tun haben, mit der Seele von Menschen.

    Mit freundlichem Gruß S. Kaula

  15. Esoterische Sackgasse

    Lieber Herr Kaula,

    ich will nicht bestreiten, dass für viele Menschen UFO-Sichtungen, Wiedergeburten, feinstoffliche Schwingungen, Dämonen, Hexen, Erdstrahlen und der Pumuckel zur Realität gehören. Das heißt aber nicht, dass sich diese Dinge tatsächlich in der Realität wiederfinden lassen.

    In der Wissenschaft geht es nach meinem Verständnis nicht um eine ausschließende Scheuklappensicht auf die Realtität. Aber eine objektive, “intersubjektive” Beschreibung der Realität ist die notwendige Basis für gemeinsamen Fortschritt. Nur so können wir geprüftes Wissen von falschen Vermutungen unterscheiden und so das Verständnis der Natur vertiefen.

    Wenn Sie jede persönliche Regung, und sei sie emotional-persönlich noch so nachvollziehbar, zu einer speziellen Form der Realtität erklären wollen, kommen wir nicht weiter. Dann behauptet der eine, das Universum sei erst 5800 Jahre alt und der nächste, die Erde sei hohl. Wenn diese Aussagen aber nicht von einem Dritten objektiv überprüfbar sind, sind sie nur eine Meinung und keine Beschreibung der Realität.

    Viele Grüße,
    Leonard Burtscher

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