Promotion mit Interferenzen

BLOG: Promotion mit Interferenzen

Auf dem Weg zum Profi-Astronomen
Promotion mit Interferenzen

Mit diesem Beitrag möchte ich mich vorerst von den Scilogs verabschieden und dabei meinen bisherigen Werdegang in der Astronomie zusammenfassen.

Promotion in Heidelberg

Begonnen hatte ich diesen Blog am Anfang meiner Promotionszeit am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Damals, vor mittlerweile fast zehn Jahren, fing ich an, mich mit der Infrarot-Interferometrie zu beschäftigen, die es uns ermöglicht, Objekte aufzulösen, die etwa fünf bis 30 mal kleiner sind als die Dinge, die man mit einem “gewöhnlichen” 8m-Teleskop so sehen kann. Bereits gut zwei Monate nach dem Beginn meiner Doktorarbeit im September 2007 bekam ich schon das erste Mal die Gelegenheit an einer Beobachtung am VLT-Interferometer selbst teilzunehmen und dazu nach Chile zu fliegen. Dieser wahr werdende Traum eines jeden begeisterten Astronomen faszinierte mich so sehr, dass ich meine Erlebnisse festhalten wollte. So entstanden zahlreiche Blog-Beiträge über die Reise an sich, über das Paranal-Observatorium und natürlich über das Beobachten in der Nacht mitten in der Atacama-Wüste – zunächst in meinem privaten Blog für meine erste Reise im November 2007. Ab meiner zweiten Reise ein knappes halbes Jahr später habe ich dann hier in den Scilogs geschrieben, etwa diese Serie, die mit einem Beitrag über die Antragstellung für Beobachtungszeit beginnt. Mein dritter Besuch am VLT fühlte sich bereits wie Routine an. Beim vierten Besuch bin ich leider nicht zum Bloggen gekommen, dafür wieder 2012, als ich das fünfte Mal am VLTI war. Später beschrieb ich noch eine Reise zum Large Binocular Telescope in Arizona. Die Reisen ans VLTI hatten allesamt zum Ziel, die Struktur der Materie rund um supermassereiche schwarze Löcher (super-massive black hole, SMBH) zu erkunden. Es stellte sich dabei heraus, dass das VLTI sehr gut dazu geeignet war, genau den Bereich von ein paar Parsec rund um das zentrale SMBH, den so genannten Torus, aufzulösen. Aus dieser Region wird die Materie letztlich zur Akkretionsscheibe (deren Durchmesser sich in Milli-Parsec misst) befördert. Ein Großteil (eigentlich: fast alles!) der akkretierenden Materie landet aber schlussendlich nicht im Schwarzen Loch, sondern wird wieder aus der Galaxie herausgeblasen und verursacht dabei möglicherweise einen bleibenden Schaden an der Galaxie. Diesen in Modellen vorhergesagten “feedback” von Aktiven Galaxienkernen (Active Galactic Nucleus, AGN) tatsächlich räumlich aufzulösen und den Mechanismus zu verstehen ist das große Ziel der hochaufgelösten Untersuchung von AGNs.

Mit unseren Beobachtungen haben wir diese zentrale Frage zwar nicht geklärt, aber wir haben immerhin die Struktur des Torus aufgelöst und das vorherrschende Bild eines “Donuts im Raum” widerlegen können. In insgesamt fast 20 Publikationen (bei neun davon war ich beteiligt) haben wir die Beobachtungen beschrieben, modelliert und interpretiert. Vor kurzem habe ich die Ergebnisse für eine breitere wissenschaftliche Leserschaft zusammengefasst, der Artikel ist kostenfrei im ArXiv abrufbar.

Im Mai 2011 wurde ich nach ca. dreieinhalb Jahren Doktoranden-Daseins promoviert. Die Doktorandenzeit in Heidelberg war für mich eine sehr interessante und schöne Zeit. Neben den vielen astronomischen Eindrücken, gab es unter den Doktoranden meiner “International Max-Planck Research School” auch enge freundschaftliche Bande. Darüberhinaus war ich in der Zeit auch wissenschaftspolitisch aktiv und vertrat als Sprecher des Doktorandennetzwerks PhDnet die ca. 5000 Doktoranden der Max-Planck-Gesellschaft gegenüber ihrem Präsidenten. Wir haben Umfragen durchgeführt und uns mit den Feinheiten der deutschen Wissenschaftsbürokratie beschäftigt, um den Doktoranden als Wissenschafts-Arbeitern Geltung zu verschaffen (und sie nicht nur als Studenten mit sozialversicherungsfreien Stipendien abzuspeisen). Die Mühlen der Wissenschaftsbürokratie arbeiten zwar besonders langsam, aber vorletztes Jahr kam das PhDnet mit seinen Anliegen zum Erfolg, wie wir generationenübergreifend in Science Careers darlegen konnten.

Vor allem bleibt mir aus meiner Doktorandenzeit aber der Dank an meinen Doktorvater Prof. Klaus Meisenheimer und auch an meinen inoffiziellen zweiten Betreuer Prof. Walter Jaffe in Leiden. So trivial es vielleicht klingt, aber die Doktorandenzeit hat mich vor allem gelehrt: “Gut Ding braucht Weile”. Während man im Physik-Studium und zum Teil auch noch in der Diplomarbeit ja mit mehr oder weniger gelösten Problemen konfrontiert wird, die es auszuarbeiten gilt, wird man in der Doktorarbeit vor Probleme gestellt, bei denen die Lösung noch unklar ist. In meinem Fall war das die Frage, wie die sehr erfolgreiche Beobachtung von zwei der hellsten Aktiven Galaxien auf eine größere Zahl schwächerer Objekte ausgedehnt werden kann. Das war mitunter zum Verzweifeln, denn weder die Beobachtungsmethoden, noch die Analyse-Software, noch unsere Interpretation der helleren Objekte half uns da zunächst weiter, so dass in mühevoller Kleinarbeit alles erst wieder neu entwickelt werden musste.

Postdoc in Garching

Ab 2012 war ich mit meiner Familie in Garching, im Münchner Norden, bei der Infrarot-Gruppe (Leitung: Reinhard Genzel) des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik angestellt. In den ersten drei Jahren war ich außerdem Teil eines Konsortiums, das ein neuartiges Instrument für das VLTI gebaut hat, GRAVITY (siehe dazu auch den vorletzten Blog-Beitrag). Dies war eine sehr spannende Erfahrung, die meine Sicht auf astronomische Instrumente grundlegend verändert hat. Als Doktorand dachte ich noch (und ich weiß, dass viele Astronomen so denken), dass der Bau einer astronomischen Kamera quasi eine Art “Dienstleistung” ist, die irgendwelche Ingenieure erbringen, damit die genialen Astronomen damit dann fantastische Beobachtungen machen und vielzitierte Papers schreiben können. Doch ist der Bau der Kamera selbst, vor allem der einer hochkomplexen wie GRAVITY, eine äußerst kreative (und damit auch interessante) Aufgabe. Es gilt unzählige große und kleine Fragen aus verschiedensten Bereichen zu lösen, z.B.

  • das thermische Design des Kryostaten (wie stelle ich sicher, dass der Detektor möglichst kalt ist, sich das Filterrad aber trotzdem noch dreht?)
  • das optische Design der Kameras (in GRAVITY gibt es z.B. eine Kamera die für jedes der vier Teleskope Pupille und Feld abbildet, die optischen Aberrationen zeigt und dazu auch noch die Bewegung der Pupille misst)
  • die Stabilität des gesamten Instruments (mit GRAVITY werden Winkel im Bereich von Mikro-Bogensekunden gemessen, was linearen Skalen von Nanometern entspricht; auf diesen Skalen sieht man Verzerrungen durch thermische Ausdehnung von Glasfasern)
  • dem Zusammenspiel von etwa zwanzig Computern, die unterschiedliche Subsysteme mit verschiedenen Geschwindigkeiten ansteuern und natürlich alle fehlertolerant sein müssen

Dabei ist vermutlich die wichtigste Lebensweisheit die ich gelernt habe (vom GRAVITY-Chef Frank Eisenhauer), dass alles immer erst mal schief geht und man daher frühzeitig anfangen muss, Probleme zu erkennen, um am Ende etwas zu haben, was wirklich funktioniert.

Darüberhinaus habe ich in meiner Garchinger Zeit aber auch mit Ric Davies eng zusammen gearbeitet, der für mich sogar einer der Haupt-Gründe war, weshalb ich an dieses Institut wollte. Genau genommen war es sein Paper aus dem Jahr 2007 das mich faszinierte und an deren Idee ich weiterarbeiten wollte. Entsprechend haben wir noch vor meiner Ankunft in Garching ein großes Beobachtungsprogramm (das wir später LLAMA nannten) ins Leben gerufen, um eine gut ausgewählte Stichprobe von aktiven Galaxien und ähnlichen inaktiven Galaxien auf ihre nukleare Sternentstehungsgeschichte hin zu untersuchen. Wir schrieben also einen großen Antrag als “Large Programme”, der uns fast zwei Dutzend Nächte am VLT gesichert hätte. Nach einem Fehlversuch wurde dieses Programm von der ESO zwar als wissenschaftlich besonders interessant gelobt. Aufgrund von diversen Arbeiten an den Teleskopen stand aber nicht die sonst übliche Beobachtungszeit zur Verfügung und so konnte das Programm nicht in dem Beobachtungsplan untergebracht werden und wurde abgesagt. In den folgenden Jahren zerstückelten wir das Programm in insgesamt vier Teilanträge, von denen bisher drei zwar wissenschaftlich sehr gut akzeptiert wurden, aber nur zögerlich beobachtet wurden (da die Beobachtungen teilweise recht anspruchsvoll waren, mit künstlichem Laserstern etwa). Nach gut fünf Jahren haben wir vor wenigen Wochen erfahren, dass der vierte Teil unseres gestückelten ehemaligen “Large Programmes” endlich (zum Teil…) genehmigt wurde und ab April dieses Jahres beobachtet wird. Da unser Programm ein besonderes Augenmerk auf die Auswahl der Galaxien richtet, ist es für uns besonders wichtig, vollständige Beobachtungen zu haben, bevor man daraus Schlüsse zieht. Wir glauben nämlich, dass viele der derzeitig widersprüchlichen Angaben bezüglich der Sternentstehungsgeschichte rund um aktive Galaxien von unvollständigen oder auf verschiedene Arten beeinflussten Stichproben herrühren. Neben den Problemen mit der Durchführung der Beobachtung stellte sich aber auch die Analyse der Daten und die Interpretation der Daten als schwierig heraus. Die eigentlich vorhandene Analysesoftware der ESO funktionierte erstmal gar nicht für unseren Beobachtungsmodus und musste, wiederum in mühevoller Kleinarbeit, Bug um Bug, weiter entwickelt werden, bis das klappte. Nun haben wir die Spektren, sehen aber dass die Modelle, mit denen wir diese vergleichen wollten längst nicht so verlässlich sind, wie wir zu Anfang geglaubt hatten. Das Projekt ist daher noch nicht abgeschlossen, aber wir sind weiter dran und ich hoffe, im Laufe dieses Jahres ein erstes großes Paper zu dieser Frage mit guten Daten schreiben zu können.

Calibration Scientist in Leiden

Mitte letzten Jahres schließlich war mein ehemaliger Heidelberger Bürokollege Roy van Boekel zu Besuch in Garching und erzählte mir von einer neuen Stelle an der Universität Leiden in den Niederlanden, die doch wie für mich geschaffen sei, ich solle mich unbedingt bewerben. Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht besonders aktiv auf Stellensuche, denn mein Vertrag hatte noch eine Laufzeit von fast zwei Jahren (falls es einer Erinnerung bedarf: fast alle Wissenschaftler werden ja an sehr kurzen Leinen gehalten, was die Laufzeit der Arbeitsverträge angeht). Die Stelle las sich allerdings sehr interessant: Es war die Position eines “Calibration Scientist” für das neue Infrarot-Instrument METIS, das 2025 am neuen europäischen Riesenteleskop E-ELT unter anderem die Atmosphären von Exoplaneten charakterisieren soll. Dies versprach sowohl wissenschaftliche als auch technische Herausforderungen und “nebenbei” war die Stelle als “tenure-track”-Stelle ausgeschrieben, d.h. nach ein paar Jahren ist sie unbefristet (das ist sozusagen der heilige Gral der Berufsastronomen). Sie würde mir erlauben, sowohl meine Forschung weiter zu betreiben (sogar mit “eigenen” Doktoranden) als auch an der vordersten Front der astronomischen Instrumentierung mit zu arbeiten. Ich bewarb mich also, aber mit gemischten Gefühlen: von der Stelle war ich sofort begeistert, aber meine Frau und ich wollten eigentlich nicht wirklich von Garching weg. Wir hatten uns hier in fünf Jahren gut eingelebt und auch ein gutes soziales Netzwerk mit anderen Familien aufgebaut. Vielleicht war das eine gute Voraussetzung für die Bewerbung, denn ich konnte den langen Bewerbungsprozess so relativ entspannt angehen.

Nach einem zweitägigen Bewerbungsaufenthalt mit zwei Vorträgen und zahlreichen Diskussionen bekam ich ein Angebot und nach einem weiteren Besuch in Leiden im Spätsommer zusammen mit meiner Frau entschieden wir uns, in die Niederlande umzusiedeln, damit ich diese Stelle antreten kann.

Anfang dieses Jahres habe ich diese neue Stelle nun begonnen und “pendele” momentan noch zwischen Garching und Leiden, bis wir dort ein Haus gefunden und eingerichtet haben. Neben meiner Forschungstätigkeit bin ich schon jetzt für METIS gut eingespannt und organisiere derzeit gemeinsam mit meiner Frau den Umzug unserer fünfköpfigen Familie nach Leiden.

Ich bin sehr gespannt auf die neuen Herausforderungen, die METIS und die “Sterrewacht” Leiden für mich bereit halten werden, muss aber leider dafür momentan ein paar andere Dinge wie das Bloggen pausieren (zudem war ich in letzter Zeit ohnehin nicht so aktiv hier wie ich es gerne wäre). Ich hoffe und plane mittelfristig wieder einen astronomischen Blog zu betreiben und verbleibe an dieser Stelle mit einem Hinweis auf meinen Twitter-Account. Nächste Woche werde ich außerdem im Rahmen der “Astrotweeps” über meine neue Aufgabe berichten.

Vielen Dank für Ihr/Euer Interesse an meinem Blog in den vergangenen neun Jahren, für die vielen Kommentare und freundlichen Zuschriften — bis bald!

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www.ileo.de

Nach dem Studium der Physik in Würzburg und Edinburgh, habe ich mich in meiner Diplomarbeit mit der Theorie von Blazar-Spektren beschäftigt. Zur Doktorarbeit bin ich dann im Herbst 2007 nach Heidelberg ans Max-Planck-Institut für Astronomie gewechselt. Von dort aus bin ich mehrere Male ans VLT nach Chile gefahren, um mithilfe von Interferometrie im thermischen Infrarot die staubigen Zentren von aktiven Galaxien zu untersuchen. In dieser Zeit habe ich auch den Blog begonnen -- daher der Name... Seit Anfang 2012 bin ich als Postdoc am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching im Norden von München. Dort beschäftige ich mich weiterhin mit Aktiven Galaxien und bin außerdem an dem Instrumentenprojekt GRAVITY beteiligt, das ab 2015 jeweils vier der Teleskope am VLT zusammenschalten soll.

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