Lebenszeichen aus der Wüste

BLOG: Promotion mit Interferenzen

Auf dem Weg zum Profi-Astronomen
Promotion mit Interferenzen

Nach einer langen Pause möchte ich mich an dieser Stelle gerne zurückmelden — aus Chile. Am Samstagabend habe ich zum fünften Mal eine astronomische Beobachtungsreise nach Chile angetreten, wieder zum Paranal-Obervatorium, wieder um mit dem Mitt-Infrarot-Interferometer MIDI die Strahlen mehrerer Teleskope zu kombinieren und wieder um den Staub in der Umgebung von super-massereichen schwarzen Löchern zu untersuchen.

Durch die in Küstennähe bewölkte Atacama-Wüste führt der Weg zum VLT

Nach kurzer Zeit lichten sich die Wolken und man erreicht, ganz gemächlich und ohne es wirklich zu merken, eine Seehöhe von 2500 Metern.

 

Am VLT angekommen: Hier eines der vier großen “Unit Telescopes”

 

Und doch ist es dieses Mal anders. Zum Einen verwenden wir dieses Mal nicht die 8 Meter großen Spiegel der “Unit Telescopes”, sondern die relativ kleinen “Auxiliary Telescopes”, deren Hauptspiegeldurchmesser nur 1,8 Meter beträgt. Aber genau wie von den großen, gibt es auch von den kleinen vier Stück, womit zu jedem Moment bereits sechs verschiedene Kombinationen möglich sind. Der große Vorteil der kleinen Teleskope ist aber, dass sie beweglich sind — sie werden auf Schienen verschoben — und damit sind mit diesen Teleskopen viel mehr verschiedene Teleskopkombinationen realisierbar, als mit den großen. Natürlich haben sie den Nachteil, dass der Spiegel nur knapp ein Viertel so groß ist und damit nur etwa ein zwanzigstel des Lichtes ankommt im Vergleich zu den großen.

Eines der vier “kleinen” (1,8 Meter) Hilfsteleskope (Auxiliary Telescopes oder ATs). Die ATs können auf Schienen (vorne im Bild) bewegt werden und so an 30 verschiedene Orte gestellt werden. Damit werden Teleskopabstände (“Baselines”) von winzigen 8 Metern bis zu etwa 200 Meter erreicht.

Um das zumindest zum Teil zu kompensieren, werden wir dieses Mal aber eine neuartige Kombination von Interferometern verwenden, die uns im Idealfall erlauben wird, viel länger zu belichten und damit die Empfindlichkeit deutlich zu steigern. Da es in der Atmosphäre Turbulenzen gibt, “wabern” die Lichtstrahlen, die zwei unterschiedliche Teleskope erreichen, gegeneinander um viele Mikrometer hin und her, ganz ähnlich wie ein einzelner Lichtstrahl in sich wabert, also “Seeing” zeigt, wenn er nur groß genug ist. Daher ist man in der Interferometrie gezwungen, sehr kurze “Belichtungszeiten” zu wählen (im so genannten thermischen Infraroten sind das typischerweise etwa 100 Millisekunden), um dieses Wabern gewissermaßen einzufrieren und ein scharfes Interferenzsignal aufzunehmen. Das hat aber den Nachteil, dass man nur Objekte untersuchen kann, die hell genug sind, dass sie in 100 Millisekunden detektierbar sind — davon gibt es am südlichen Himmel etwa 30, wenn man sich für Galaxien interessiert. Man kann zwar die Signalqualität der Aufnahmen steigern, indem man viele Tausend solcher kurzbelichteten Interferenzmuster aufaddiert, aber damit man die Muster auch richtig aufaddiert, also so dass Wellenberg immer auf Wellenberg liegt, muss man eben in jeder einzelnen Aufnahme etwas erkennen können. Der vielversprechendste Weg, um die Empfindlichkeit von Interferometern deutlich zu steigern ist daher, mit einem separaten Instrument das Interferenzmuster zu stabilisieren, damit man sich mit dem wissenschaftlichen Instrument ganz auf die Aufnahme konzentrieren kann. Solch ein “Hilfs-Interferometer” nennt sich “Fringe Tracker” und wird bei allen modernen Interferometern eingesetzt oder ist in der Entwicklung.
Auch bei meinem fünften Besuch am Paranal ist es wieder faszinierend an diesem Mekka der modernen Astronomie zu sein: Wie immer führte mich ein 15-stündiger Flug nach Santiago, wo ich die Nacht im Gästehaus der ESO verbrachte. Gestern in der Früh ging es dann mit dem Flugzeug weiter in den Norden in die Hafenstadt Antofagasta und von dort mit einem Bus knapp drei Stunden wieder Richtung Süden, bis man über viele sanfte Hügel bei der ca. 2500 Meter hoch gelegenen Residencia am Fuße des Cerro Paranal ankommt. Im Laufe des Tages war ich dann noch damit beschäftigt an einem Beobachtungsantrag zu arbeiten (in 9 Tagen ist die nächste Deadline für VLT-Beobachtungen!) und fuhr dann am Abend mit den Nachtastronomen zum Teleskop, um bei anderen Beobachtungen zu zu schauen. Heute Abend finden wahrscheinlich die ersten Testbeobachtungen für den Fringe-Tracking-Modus statt, den wir morgen dann erstmals an unserem wissenschaftlichen Objekt probieren wollen.

Sonnenuntergang von der VLT-Plattform aus: In Richtung Westen sieht man ein paar kleinere Berge und dann ein Ozean von Wolken, die den Blick auf den Pazifik verdecken.

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www.ileo.de

Nach dem Studium der Physik in Würzburg und Edinburgh, habe ich mich in meiner Diplomarbeit mit der Theorie von Blazar-Spektren beschäftigt. Zur Doktorarbeit bin ich dann im Herbst 2007 nach Heidelberg ans Max-Planck-Institut für Astronomie gewechselt. Von dort aus bin ich mehrere Male ans VLT nach Chile gefahren, um mithilfe von Interferometrie im thermischen Infrarot die staubigen Zentren von aktiven Galaxien zu untersuchen. In dieser Zeit habe ich auch den Blog begonnen -- daher der Name... Seit Anfang 2012 bin ich als Postdoc am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching im Norden von München. Dort beschäftige ich mich weiterhin mit Aktiven Galaxien und bin außerdem an dem Instrumentenprojekt GRAVITY beteiligt, das ab 2015 jeweils vier der Teleskope am VLT zusammenschalten soll.

3 Kommentare

  1. Na, dann viel Erfolg bei deiner Arbeit da oben!

    Eine Frage: Warum ist es eigentlich ein Vorteil, verschiedene Kombinationsmöglichkeiten der ATs zu haben? Ich dachte bislang, je weiter auseinander, desto besser? (Was aber offenbar nicht stimmen kann, denn bei der Radiointerferometrie lassen sich die Teleskope ja auch gegeneinander verschieben…)

  2. Interferometrie

    Hi Jan,
    längere Basislinien geben in der Tat eine bessere Auflösung. Wie bei einem einzelnen Teleskop ist die Auflösung etwa durch lambda/D bestimmt, wobei anstelle des Teleskopdurchmessers D beim Interferometer der (auf den Himmel projizierte) Abstand der Teleskope kommt. Wenn man also nur höchste Auflösung haben will, würde man in der Tat immer mit der längsten Basislinie beobachten. Aber man möchte im Idealfall ein zweidimensionales Bild (oder Modell) aus den Beobachtungen ableiten und dafür benötigt man auch die radiale Koordinate, den Positionswinkel.
    Anschaulich kann man es sich wirklich so vorstellen, dass man die Fläche eines gedachten Riesenteleskops mit den Aperturen des Interferometers “füllen” möchte.
    Viele Grüße,
    Leonard

  3. Echtes Superauge

    Ein beeindrückendes Gerät. den wissenschaftlern wünsche ich viel Glück und vor allem viel Spaß beim Beobachten des Universums. Findet, was aufregendes für uns.

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