Ein Tag voller Interferenzen und Simulationen
BLOG: Promotion mit Interferenzen
Auf dem Weg zum Profi-Astronomen
Um 9:30 Uhr begrüße ich Angel und Georgi im Besprechungszimmer des MPI für Astronomie. Die beiden sind Journalistikstudenten aus Bulgarien und über das EU-Programm RELATE nach Heidelberg gekommen. Ich erkläre ihnen einige Grundlagen der Interferometrie am Very Large Telescope Interferometer, erläutere, welche Möglichkeiten die Interferometrie für die extragalaktische Astronomie bietet, und schildere ihnen, wie eine Beobachtungsnacht aussieht. Im Rahmen des Programms schreiben die beiden einen Blog.
Danach widme ich mich wieder dem (letzten) Projekt meiner Doktorarbeit zu: Einem Large Programme über AGNs mit dem Mitt-Infrarot-Interferometer am VLTI. Dabei haben wir zum ersten Mal umfassende Daten von einer größeren Zahl (12) Galaxien gesammelt, um hoffentlich bald statistische Aussagen über die Staubverteilung im zentralen Parsec dieser Galaxien treffen zu können. Diese Beobachtungen sind relativ anspruchsvoll, weil die Galaxien allesamt sehr schwach sind; damit ist es aber nicht getan: Auch die Datenreduktion (also das Extrahieren der astrophysikalisch interessanten Spektren aus den Rohdaten — den Bildern) ist anspruchsvoll und erfordert, wie wir jetzt festgestellt haben, eine größere Modifikation der Datenreduktionssoftware, die ich heute weiter getestet habe.
Nach dem Mittagessen treffe ich mich mit meinem Kollegen Rene Andrae und Klaus Jäger, dem wissenschaftlichen Koordinator des MPIA. Wir organisieren eine Veranstaltung am MPIA zu der verschiedene Unternehmen eingeladen werden sollen, um über Karrieremöglichkeiten für Astronomen zu informieren.
Anschließend versuche ich noch einen mir unerklärlichen Fehler in der neuesten Datenreduktionssoftware im Programmcode zu lokalisieren und zu beheben und fahre kurz vor 5 vom Königstuhl in die Stadt, zum Astronomischen Kolloquium.
Dort sprach heute Romain Teyssier vom CEA Saclay (Paris) über kosmologische Simulationen und wie in diesen Simulationen versucht wird, ganze Galaxien und deren Entwicklung zu simulieren. Ein grundsätzliches Problem dabei ist, dass sich die Entwicklung einer Galaxie auf ganz unterschiedlichen Skalen abspielt, etwa wenn sie durch die Kollision mit anderen Galaxien massiv beeinflusst wird. Dann gibt es zum Einen die großräumigen Effekte, dass sich die Galaxien durchdringen und das Gas (Scheibengalaxien bestehen zu 90% aus Gas und nur zu etwa 10% aus Sternen, von dunkler Materie mal abgesehen) umverteilt wird. Andererseits führt dies aber "lokal", auf Skalen die viel kleiner sind als eine gesamte Galaxie, zu erhöhter Sternentstehung, da das Gas dichter ist und, evtl. durch Schockwellen ausgelöst, in kleinere Klumpen zerfällt, die wiederum Sterne bilden können. Wenn man aber die gesamte Galaxie (typischerweise 100 000 Lichtjahre im Durchmesser) mit ihrer Gasdynamik erfassen will, kann man nicht gleichzeitig die sehr kleinen Skalen (viel kleiner als ein Lichtjahr) genau simulieren, um die Sternentstehung zu verfolgen. Man behilft sich mit so genannter "subgrid physics", also physikalischen Effekten, die sich auf Skalen kleiner als die Auflösung des Gitters (grid) abspielen. Das geht aber nur gut, wenn man diese "subgrid physics" wirklich verstanden hat und aus großskaligen Durchschnittswerten die physikalischen Effekte im Kleinen vorhersagen kann.
Diese Art der Simulationen prägt im Moment sehr stark das astrophysikalische Weltbild (etwa die Millennium-Simulation). In Simulationen wird unter anderem nach einer Erklärung des Phänomens gesucht, dass bei einer Verschmelzung von Spiralgalaxien, wenn eine elliptische Galaxie entsteht, die Sternentstehungsrate nicht weiter ansteigt, sondern stark zurückgeht, so dass die entstehenden elliptischen Galaxien "red and dead" genannt werden. Die jungen, blauen Sterne fehlen, daher erscheinen die Galaxien rötlich und sie formen keine neuen Sterne mehr, sind daher "tot". Die gängige Erklärung dafür ist derzeit, dass es "AGN feedback" gibt, dass also ein Aktiver Galaktischer Kern im Zentrum solch einer Galaxie eine große Energiemenge in der Galaxie verteilt, sich dadurch das Gas stark aufheizt und daher keine neuen Sterne gebildet werden (zur Sternentstehung aus atomarem Wasserstoff braucht man kaltes, dichtes Gas). Dies ist eine mögliche Verbindung meiner Arbeit, die sich ja um Aktive Galaxienkerne dreht, mit kosmologisch interessanten Fragestellungen. Allerdings ist es derzeit mehr als fraglich, ob der "AGN feedback", wie ihn die Modelle vorhersagen, tatsächlich funktionieren kann. Jedenfalls gibt es derzeit keine Einigkeit darüber, ob die aktuellen Beobachtungen die Modelle eher stützen oder stürzen.