Über die Kunst, ein astronomisches Gerät zu bauen

BLOG: Promotion mit Interferenzen

Auf dem Weg zum Profi-Astronomen
Promotion mit Interferenzen

…hat am Montag in Heidelberg eine einwöchige Sommerschule begonnen. Es geht dabei um nichts Geringeres, als eine detaillierte Vorstellung von Konzepten und Realisierungen der nächsten Generation von astronomischen Geräten im Optischen und Infraroten. Mit vertreten sind so bekannte Groß-Projekte wie das Large Binocular Telescope, das James Webb Space Telescope (das als Nachfolger des Hubble-Weltraumteleskops gilt) und das E-ELT, das Europäische "Extrem Große Teleskop". Auch wenn man als (beobachtender) Astronom dank ESO & Co. nicht viel von der Komplexitität eines wissenschaftlichen Instruments oder gar eines Observatoriums wie des VLTs zu sehen bekommt, ist es dennoch für alle Schritte der Beobachtung, von der Idee angefangen, über die Planung und den Antrag bis hin zur Durchführung, Auswertung und zur Interpretation, notwendig, zumindest ein Basis-Verständnis über die Funktionsweise der Instrumente zu haben, um die Zuverlässigkeit der Daten einschätzen zu können.

Die Schule "The Art & Craft of Astronomical Instrumentation: From Optical to Infrared Wavelengths", die von der Max-Planck-Graduiertenschule für Astronomie (IMPRS) organisiert wird, hat 60 Teilnehmer, großteils Doktoranden aus Deutschland und der ganzen Welt, und über dreizehn in ihrem Forschungs-Feld sehr renommierte Sprecher. 13/60: Ein sehr gutes "Professoren/Studenten"-Verhältnis! Entsprechend leicht ist es, mit den Dozenten in Verbindung zu treten, sei es in Fragen im oder nach dem Vortrag oder in den Kaffeepausen.

Andreas Quirrenbach, Direktor der Heidelberger Landessternwarte Königstuhl (LSW), gab einen Überblick über die bei der Entwicklung von Teleskopen und Instrumenten relevanten Gesichtspunkte und verglich dabei auch bodengestützte Observatorien mit Weltraumobservatorien: Während erdgebundene Teleskope viel günstiger sind und daher größer gebaut werden können und entsprechend mehr Licht sammeln, punkten Weltraumobservatorien unter anderem mit einer deutlich niedrigeren Hintergrundhelligkeit — und das obwohl optische Observatorien an den dunkelsten Stellen der Welt gebaut werden, wo man sich glücklicherweise nicht mit Lichtverschmutzung (2.0) herumschlagen muss! So ist zum Beispiel im roten Spektralbereich um 700 Nanometer der Hintergrund für ein bodengebundenes Teleskop etwa 250 mal größer als für ein Weltraumteleskop. Entsprechend ist das Hubble-Weltraum-Teleskop mit 2,4 Meter Spiegeldurchmesser in diesem Spektralbereich sensitiver als ein bodengebundenes Acht-Meter-Teleskop.

Richtig schlimm wird dieser Hintergrund im Infraroten, wie Tom Herbst, Leiter der Instrumentierungs-Abteilung am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg (MPIA), erklärte. Beobachtet man bei zehn Mikrometern Wellenlänge, das ist die Wellenlänge, wo Objekte, die etwa Raumtemperatur haben, am meisten abstrahlen, treffen auf ein "wissenschaftliches Photon" bis zu eine Million Rausch-Photonen vom thermischen Hintergrund. Der Hintergrund wird dominiert von der Abtrahlung der warmen Atmosphäre, den Teleskop-Spiegeln und der Teleskop-Struktur. Aus diesem Grund wäre es bei einem Infrarot-Teleskop auch völlig undenkbar, dass, wie beim 200-Inch Teleskop am Mount Palomar in Kalifornien Mitte des 20. Jahrhunderts üblich, ein Astronom den Sekundärfokus betritt (!) und von dort beobachtet. (Ganz davon abgesehen, dass der Astronom im Mitt-Infraroten auch nicht viel sehen würde…)

 


Teleskope damals und heute: Edwin Hubble im "Beobachtungs-Käfig" des 200-Inch Hale-Teleskop am Mount Palomar.

 

"Dummerweise" befindet sich aber gerade in dem Bereich um 10 Mikrometer, dem so genannten "N Band", eines der wenigen atmosphärischen Fenster im Infraroten. Noch wichtiger: Sowohl Staubscheiben um junge Sterne wie auch die für das Verständnis der Erscheinungsformen der Aktiven Galaxien so wichtigen Staubstrukturen um Aktive Galaxienkerne sind etwa Raumtemperatur-warm!

Zum Glück gibt es aber ein paar Techniken, um dem Hintergrund beizukommen. Die einfachste ist das so genannte "Chopping" (Abhacken): Dabei wird zunächst ein Bild des gewünschten Objekts aufgenommen, das Teleskop dann an eine Position gerichtet, wo es keine Infrarot-Emission gibt, und die beiden Bilder voneinander abgezogen. Damit beseitigt man schon einen guten Teil des Hintergrunds, handelt sich aber auch neue Beschränkungen beim Teleskop-Bau ein: Dieses Hin- und Herfahren muss nämlich einige Male pro Sekunde geschehen (so schnell variiert die Atmosphäre im Infraroten besonders stark)! Aber selbst ein vergleichsweise leichtes Teleskop wie das VLT mit seinem "nur" 23 Tonnen wiegenden Hauptspiegel lässt sich so schnell nicht hin und her bewegen. Man wackelt daher nur mit dem Sekundärspiegel (beim VLT immer noch über einen Meter Durchmesser!) — und der muss daher aus einem besonders leichten Material sein: Beim VLT ist er aus Beryllium und wiegt daher nur 44 kg!

Weitere Themen heute waren Grundlagen zur Adaptiven Optik, bei der wir unter anderem gelernt haben, wie wichtig es ist, die Atmosphäre gut zu verstehen, um diese dann mithilfe von Adaptiver Optik "auszuschalten". Roland Gredel, am MPIA für die Koordinierung der verschiedenen Teleskopprojekte zuständig, fasste das Large Binocular Telescope (LBT) zusammen. Dieses gewaltige Teleskop mit zwei je 8,4 Meter großen Spiegeln steht in einer so gewaltigen Umhausung, in der sogar der Eiffelturm, das Brandenburger Tor oder der Schiefe Turm von Pisa Platz fänden. Helmut Dannerbauer berichtete im März vom "ersten binokularen Licht" dieses Teleskops.

 


Telescope damals und heute: Das Large Binocular Telescope am Mount Graham in Arizona (USA) ist eines der modernsten Groß-Teleskope.

 

Bis die Instrumente für die interferometrische Nutzung des Teleskops fertig gestellt sind, werden am LBT Beobachtungen mit den beiden für den roten bzw. blauen Spektralbereich optimierten "Armen" des Teleskops durchgeführt. Außerdem sollen sowohl für den Bau des Giant Magellan Telescope (GMT), ein aus sieben Acht-Meter-Spiegeln bestehendes geplantes Teleskop, als auch für die beiden geplanten "extrem großen" Teleskope Thirty Meter Telescope (TMT) und European Extremely Large Telescope (E-ELT, 42 Meter) Erfahrungen gesammelt werden.

Morgen geht es weiter mit dem Europäischen Infrarot-Teleskop Herschel, über das Herschel-Team-Mitglied Helmut Dannerbauer schon desöfteren berichtete, Wissenswertem zum Bau und Betrieb von Adaptiver Optik und Surveyteleskopen.

Das war’s für heute. Bitte benutzt / benutzen Sie die Kommentarfunktion, wenn irgendwelche Fragen sind! (Ich lerne selbst am meisten durch Fragen…!)

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www.ileo.de

Nach dem Studium der Physik in Würzburg und Edinburgh, habe ich mich in meiner Diplomarbeit mit der Theorie von Blazar-Spektren beschäftigt. Zur Doktorarbeit bin ich dann im Herbst 2007 nach Heidelberg ans Max-Planck-Institut für Astronomie gewechselt. Von dort aus bin ich mehrere Male ans VLT nach Chile gefahren, um mithilfe von Interferometrie im thermischen Infrarot die staubigen Zentren von aktiven Galaxien zu untersuchen. In dieser Zeit habe ich auch den Blog begonnen -- daher der Name... Seit Anfang 2012 bin ich als Postdoc am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching im Norden von München. Dort beschäftige ich mich weiterhin mit Aktiven Galaxien und bin außerdem an dem Instrumentenprojekt GRAVITY beteiligt, das ab 2015 jeweils vier der Teleskope am VLT zusammenschalten soll.

1 Kommentar

  1. Spannender Bericht! 🙂

    Das 5-m-Hale-Teleskop am Mount Palomar dominierte die bedeutenden astronomischen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts über fast drei Jahrzehnte, auch wenn es uns mit seinem 20 t schweren Pyrex-Spiegel heute wie ein Relikt erscheint. Zum Vergleich: Die 8,20-m-Zerodur-Hauptspiegel der vier VLT-Teleskope wiegen trotz ihres mehr als 60 % größeren Lichtsammelvermögens “nur” jeweils 23 t. Die Fortschritte im Bau von Großteleskopen der zurückliegenden drei Jahrzehnte sind v.a. ohne den “EDV-Quantensprung” nicht vorstellbar. Erst mit dieser “Hilfstechnologie” wurden adaptive und aktive Optik möglich. In der Tat befinden wir uns daher mitten im goldenen Zeitalter der Astronomie. 🙂 Ich bin gespannt auf Entdeckungen mit Großteleskopen der künftigen Generationen wie TMT oder E-ELT!

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