Uruguay und die Zellstofffabriken – das Skandinavien Südamerikas?

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Uruguay gilt als das umweltfreundlichste Land Südamerikas. Doch seit einigen Jahren liegt es im Streit mit Nachbar Argentinien. Es geht ausgerechnet um ein Umweltthema, nämlich die Frage, ob Uruguay mit zwei Zellstofffabriken den gemeinsamen Grenzfluss Uruguay verschmutzt.

Der Umweltgüteindex ESI, erstellt von der Universität Yale aus Daten des Weltwirtschaftsforums, listet Uruguay auf Platz drei von 146 Ländern. Damit ist das südamerikanische Land auf Augenhöhe mit Finnland, Norwegen und Schweden (Plätze 1,2, 4). Deutschland folgt erst auf Position 31. Der Umweltzustandsbericht der Europäischen Union vergibt ebenfalls Bestnoten für Uruguay. Ursächlich dafür sei – neben der konsequenten Umweltgesetzgebung – eine Situation, die gut zum Abschneiden beim Umweltgüteindex passt: Uruguay besitzt eine hoch entwickelte Industrie bei gleichzeitig geringer Bevölkerungsdichte. Skandinavien lässt grüßen.

Dennoch gibt es auch Kritik. Falsche Bodennutzung, geringe Wertschätzung von Wasser, Luftverschmutzung und schwindende Artenvielfalt nennt der Umweltzustandsbericht. Kommt das jemandem vertraut vor? Falls nicht, gehe ich gerne weiter ins Detail.

Da ist beispielsweise die Überweidung, die dazu führt, dass die Weideflächen unproduktiver werden. Andere Böden werden durch die industrielle Landwirtschaft ausgebeutet und zerstört. Erosion ist ebenso die Folge wie Umweltverschmutzung durch Agrarchemikalien. Rund um die Hauptstadt Montevideo sind die Böden mit Blei belastet.

Wasser wird ebenso durch mangelhafte Klärung im Bereich der Städte und Industrien verschmutzt, wie es in der Landwirtschaft verschwendet wird, weil es augenscheinlich im Überfluss vorhanden ist: Das Land hat neben der 660 Kilometer langen Atlantikküste mehrere große Flüsse. Dennoch entnehmen Landwirte mehr Wasser, als nachhaltig vorhanden ist.

Um Wasser dreht sich daher auch der Streit, der das zweitkleinste Land Südamerikas in den letzten Jahren wiederholt in die Schlagzeilen brachte, und in dem der internationale Gerichtshof in Den Haag erst im April ein Urteil gefällt hat. 2003 und 2005 gaben ein spanisches und ein finnisches Unternehmen bekannt, am Fluss Uruguay jeweils eine Zellstofffabrik errichten zu wollen. Da der Uruguay die 579 Kilometer lange Grenze zu Argentinien bildet, haben beide Staaten ein Abkommen, sich gegenseitig über Maßnahmen zu informieren, die den Fluss beeinträchtigen. Argentinien befürchtet, dass die Zellstofffabriken den Uruguay verschmutzen und sah das Abkommen verletzt; zurecht, wie der internationale Gerichtshof befand.

Recht bekam Argentinien allerdings nur in dem Punkt, dass sein Nachbar frühzeitiger über die geplanten Fabriken hätte informieren müssen. Die Verschmutzungsvorwürfe erkannten die Richter nicht an, weil dafür Beweise fehlten. Tatsächlich handelt sich bei der bereits 2007 in Betrieb genommenen Fabrik um eine sehr moderne Anlage, die ihr Abwasser vorbildlich klärt. Der finnische Betreiber Botnia brüstet sich sogar damit, dass sein Werk die Wasserqualität des Uruguay verbessert hat, weil es auch die Abwässer lokaler Siedlungen klärt – was zuvor nicht geschehen sei. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace beendete Proteste schon vor Jahren, als klar wurde, dass die Fabrik modernsten EU-Standards genügen würde. Dennoch entschied sich die spanische Firma Ence für einen neuen Standort für ihre Fabrik, der 250 Kilometer von Uruguay entfernt liegt.

Schwer zu sagen, was an diesem Vorfall interessanter ist. Dass er so gut in die Analogie zu Skandinavien passt? Schließlich ist auch dort einer der größten Umweltkonfliktherde die Papierindustrie, die für ihre Rohstoffe finnische Urwälder vernichtet. Welche Rohstoff die Fabrik in Uruguay nutzen soll, konnte ich leider nicht herausfinden, sicher ist aber, dass sie gesetzlich zur Wiederaufforstung verpflichtet ist.

Vielleicht ist aber das Interessanteste an diesem Fall, dass zwei gut befreundete Nachbarländer über eine ökologische Frage in einen internationalen Streit geraten können, der streckenweise mit harten Bandagen geführt worden ist. Schade daran ist nur, dass es sich hier wohl um ein zu vernachlässigendes Problem handelt, während bei wichtigen internationalen Konflikten wie dem Klimawandel bislang keine Nation mit entsprechender Härte auftritt. Vielleicht, weil kaum ein Land eine so gute Ökobilanz aufweisen kann, wie Uruguay. Unter den 32 Nationen, die an der Fußball-WM 2010 teilnehmen, ist Uruguay – zumindest im Umweltgüteindex – nicht nur Gruppensieger, sondern schon jetzt Weltmeister. Gratulation!

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www.buero32.de

Björn Lohmann ist freier Wissenschaftsjournalist und Trainer für Onlineredakteure. Sein Anliegen ist es, die wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen zu hinterfragen, die unser aller Leben maßgeblich beeinflussen - denn nicht immer sind die Prioritäten von Forschern, Unternehmern und Politikern die besten im Interesse der Gesellschaft. In seiner Freizeit rettet Björn Lohmann die Welt, weil er findet, dass es sich mit ihr einfach netter lebt.

1 Kommentar

  1. Internationaler Applaus

    Hi Björn,
    danke für den schönen Beitrag, den ich eben – zusammen mit den anderen “Kick it”-Posts – im Rahmen einer internationalen Tagung der Redaktionen innerhalb der “Scientific American”-Familie gezeigt habe. Die Kollegen haben begeistert geklatscht; die Blumen reiche ich gern hiermit an Dich und die anderen Blogger weiter.
    Liebe Grüße
    Carsten

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