Skandinavien – die Zukunft des Weinbaus

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Öko-Logisch?

Weinrebe (Foto: Pixelio)

Weinproben auf nahezu nüchternen Magen versprechen per se einige interessante Erfahrungen. Beim Treffen der Scilogs-Blogger am letzten Wochenende gesellten sich dazu noch bemerkenswerte Informationen zu Wein und Klimawandel, deren Weitergabe mir ungefährlicher erscheint als die Details über die Trinkfestigkeit mancher Kollegen: Drei Wochen früher als noch vor hundert Jahren beginnt heutzutage die Weinlese. Und: der deutsche Wein ist mit den Jahren sowohl besser als auch alkoholischer geworden, denn, so unser Weinexperte, „die Klimazonen verschieben sich jedes Jahr 20 Kilometer nach Norden.“ Vorausschauende Pfälzer Weinbauern pflanzen deshalb schon heute Reben in Skandinavien.

Damit sind die Pfälzer jedoch keineswegs Pioniere. Der „Polarkreis des Weines“, der 52. Breitengrad wurde in Deutschland schon längst überschritten, und auch auf der schwedischen Ostseeinsel Gotland finden sich seit Jahren Weingüter. Ich wusste schon immer, dass der Klimawandel auch seine guten Seiten hat.

Noch länger als ich weiß das ein Kollege meiner Freundin, der jedes Mal, wenn der Klimawandel wieder die Medien erreicht, freudig kundtut, es sei doch prima, dass man nicht mehr ans Mittelmeer fahren müsse, wenn das Mittelmeerklima an unsere deutschen Küsten komme. Wenn sich alle Urlauber daran anpassen, müssen wir nur dafür sorgen, dass sie trotzdem so viel CO2 ausstoßen wie bei ihren bisherigen Reisen ans Mittelmeer – nicht, dass der Klimawandel am Ende noch kippt.

Ein paar Nebeneffekte hat das Ganze allerdings. Bäume, zum Beispiel, sind eine schrecklich konservative und unflexible Spezies. Sie weigern sich partout, selbst kleine Standortanpassungen von 20 Kilometern im Jahr mitzumachen. Einer Publikation in Nature zufolge bringen Tiere es wenigstens auf 6,1 Kilometer in Richtung Pole pro Jahr.

Forscher der University of Wisconsin-Madison haben errechnet, dass bis zum Ende des Jahrhunderts 39 Prozent der Erdoberfläche einem neuen Klima ausgesetzt sein könnten. Im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences sprechen sie davon, dass selbst eine schnelle Reduzierung des CO2-Ausstoßes nichts daran ändern kann, dass rund 20 Prozent der Erde eine Veränderung der Klimazonen erfahren wird. Problematisch ist das für polare Ökosysteme und Ökosysteme in hohen Berglagen – beide werden weitgehend von diesem Planeten verschwinden. Aber auch die Tropen bekommen ein Problem. Selbst wenn die hohe Luftfeuchtigkeit dort einen Temperaturanstieg stärker abpuffert als bei uns, ist die Artenvielfalt der Tropen besonders bedroht. Klimatische Veränderungen wie wir sie durch Jahreszeiten schon immer erlebt haben, sind dort unbekannt und werden zu „ökologischen Überraschungen“ führen, so die Klimaforscher.

So toll, wie sie klingt, ist eine Verschiebung der Klimazonen übrigens nicht einmal für Sonnenanbeter und Weinliebhaber: Mildere Winter bedeuten längere Belastungen für Pollenallergiker und größere Mückenpopulationen. Krankheiten, deren Überträgern es bei uns bisher zu kalt war, können sich etablieren. Trockenere, heißere Sommer treiben die Preise für Lebensmittel nach oben, weil es teurer (und schließlich sogar schwierig) wird, die Felder hinreichend zu bewässern. Aber keine Panik: Wenn das Trinkwasser rationiert wird, greifen wir einfach auf schwedischen Wein zurück.

Foto: Pixelio

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Björn Lohmann ist freier Wissenschaftsjournalist und Trainer für Onlineredakteure. Sein Anliegen ist es, die wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen zu hinterfragen, die unser aller Leben maßgeblich beeinflussen - denn nicht immer sind die Prioritäten von Forschern, Unternehmern und Politikern die besten im Interesse der Gesellschaft. In seiner Freizeit rettet Björn Lohmann die Welt, weil er findet, dass es sich mit ihr einfach netter lebt.

4 Kommentare

  1. Gibt es eigentlich eine theoretische Grenze, an der mit dem Weinanbau prinzipiell Schluss ist, auch wenn sich das Klima weiter verändert?

    Ich freu mich jedenfalls schon auf den Riesling aus Spitzbergen… Kann ja nicht mehr allzu lang dauern.

  2. Schön geschrieben

    Dieses Thema wurde dir quasi in das Weinglas gelegt…

    Und ich finde es sehr aufmerksam von dir, daß du nichts über die Trinkfestigkeit deiner Sitznachbarn erzählst. ^^

  3. @Fischer: Grenze des Weinanbaus

    Grundsätzlich ist der Anbau von Wein ja noch weiter nördlich möglich als bisher praktiziert. Nur trinken würde ich ihn dann nicht mehr. 😉

    Sicherlich müsste auch der Temperaturanstieg der Erde enorm sein, um in Nordalaska oder Ostsibirien ein weinfreundliches Klima zu erzeugen; so enorm, dass Vorhersagen für das resultierende Klimachaos (zumindest mir) nicht möglich sind.

    Physikalische Grenzen der Erderwärmung oder der Wanderung von Tiefdruckgebieten gibt es allerdings nicht. Insofern sollte auch in den heutigen Permafrostgebieten bei entsprechendem Klimawandel der Weinanbau möglich sein. Es ist nur fraglich, ob dann noch jemand auf der Erde lebt, der ihn trinken kann.

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