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Umwelt sind Du und ich
Öko-Logisch?

AKW (Foto: Bernd Boscolo/Pixelio)

„Es bestand zu keiner Zeit Gefahr für die Bevölkerung.“ Diesen Satz hört man immer nach Unglücksfällen in der Industrie. Auch der Energiekonzern Vattenfall spendierte uns Bürgern diese Floskel, als sein Atomreaktor Krümmel per Schnellabschaltung vom Netz ging – nach zwei Jahren Wartung. Wann ist Atomkraft eigentlich sicher?

„Die Atomkraft ist sicher.“ Wann immer ich diesen Satz höre oder lese, muss ich an Norbert Blüm denken. „Die Renten…“. Auch Sunnygirl Angela Merkel beeilte sich nach der erneuten Panne im AKW Krümmel, ihr Vertrauen in die Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke öffentlich kund zu tun. Kein Wunder, hat sie sich doch Vattenfall-Chef Lars Josefsson als Klimaberater ausgesucht. (Richtig, den, der nebenbei auf Kohle- statt Solarenergie setzen will; der, der jetzt Deutschland verklagt, weil es für das Kraftwerk Moorburg Umweltauflagen gibt.)

Die Bundesregierung hat jedenfalls schon vor zwei Jahrenauf eine Anfrage hin mitgeteilt, dass Krümmel und einige andere Reaktoren „nicht zu den sichersten Atomkraftwerken gehören“. Wenn RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann dem entgegen hält, dass anderswo die Laufzeiten doppelt so lang seien wie bei uns, dann frage ich mich schon: Soll mich das jetzt beruhigen, dass die Atomkonzerne keine Skrupel haben, veraltete Pannenreaktoren noch über Jahrzehnte laufen zu lassen?

Zwei Jahre lang hat Vattenfall Krümmel gewartet, nachdem es im Atomkraftwerk einen Transformatorbrand gegeben hatte. Was passiert wenige Tage nach dem Wiederanfahren? Der nächste Transformator brennt. Als wenn das noch nicht peinlich genug wäre, stellt Vattenfall wenig später fest, dass sogar einige Brennstäbe beschädigt seien – unabhängig vom Brand des Trafos. Und das nach einer zweijährigen Reparaturphase.

Jetzt sagen einige: Es ist ja nichts passiert, die Sicherheitssysteme haben gegriffen. So, wie in den anderen 5700 (!) Pannen in deutschen Atomkraftwerken in den letzten 50 Jahren. Eine Schnellabschaltung erfolgt übrigens immer dann, wenn sonst ein GAU die Folge sein könnte. Bei der Krümmel-Panne 2007 versagte die automatische Schnellabschaltung, die interne Notstromversorgung fiel aus. Das schwedische AKW Forsmark stand 2006 unmittelbar vor der Kernschmelze, weil der Notstromdiesel versagte.

Seien wir aber großzügig und nehmen an, dank der Notfallsysteme wäre die Pannentechnik tatsächlich sicher. Dann gibt es da noch einen Faktor: den Menschen. So wurde das AKW Philipsburg jahrelang mit zu wenig Kühlwasser angefahren – das Sicherheitssystem hätte im Ernstfall eine Kernschmelze nicht unterbinden können. Die Kernschmelze gab es – zumindest partiell – 1979 in Harrisburg. Die Betriebsmannschaft war total überfordert und nicht in der Lage, angemessen zu reagieren. Müßig, die reale Gefahr eines terroristischen Anschalgs hier zu erwähnen. Bereits bei den olympischen Spielen 2000 in Sydney konnte ein solcher Angriff nur durch den Geheimdienst abgewendet werden.

Dass Vattenfall wie schon beim ersten Trafobrand 2007 auch dieses Mal seiner Informationspflicht gegenüber der Atomaufsicht nicht korrekt nachgekommen ist, erscheint dagegen schon fast trivial. Wenn im Falle eines GAUs die Bevölkerung erst ein paar Stunden später evakuiert werden könnte – wen stört’s?

Foto: Bernd Boscolo/Pixelio

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www.buero32.de

Björn Lohmann ist freier Wissenschaftsjournalist und Trainer für Onlineredakteure. Sein Anliegen ist es, die wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen zu hinterfragen, die unser aller Leben maßgeblich beeinflussen - denn nicht immer sind die Prioritäten von Forschern, Unternehmern und Politikern die besten im Interesse der Gesellschaft. In seiner Freizeit rettet Björn Lohmann die Welt, weil er findet, dass es sich mit ihr einfach netter lebt.

5 Kommentare

  1. Woher kommt die Radioaktivität ?

    Erinnert mich an 1986, als das Atomkraftwerk Tschernobyl in die Luft flog. Eine Frau, deren Sohn in Amerika studierte, erzählte uns ganz aufgeregt, sie hätte gerade einen Anruf aus den Staaten erhalten, es müsste irgendwo einen Reaktorunfall gegeben haben, da man erhöhte Radioaktivität gemessen hätte. Da wir nichts weiter hörten, gingen wir wie gewohnt im Freien spazieren, aßen Salat aus dem Garten und sahen die Nachbarskinder im Sandkasten spielen. Erst zwei Tage später erfuhren wir aus den Medien, dass es in Tschernobyl einen Supergau gegeben hatte. Da der Wind in unsere Richtung wehte, müsse sofort mit Vorsichtsmaßnahmen begonnen werden: Kein unnötiger Aufenthalt im Freien, sämtliches Freilandgemüse sei zu vernichten, Wild solle nicht mehr verzehrt werden und vom Genuss von Waldpilzen werde dringendst abgeraten.
    Siehe auch:
    http://www.greenpeace-berlin.de/…nobyl/tage.html

  2. Mir tun die Vattenfallleute eher leid. Trafo- und Leitungsfehler, die die Zuverlässigkeit einschränken wird es in großen Systemen immer geben. Egal, was die Leute vor Ort machen, sie können gegen die die Angstpopulisten, Wahlkampfpolitiker und katastrophengeilen Medien nur verlieren.

  3. Krümmel abschalten

    Ich denke zur Abschaltung von Krümmel gibt es keine Alternative. Denn was wird nach den nächsten meldepflichtigen Störfällen jeweils passieren? Der Ruf nach Abschaltung wird erneut ertönen, weitere tausende von Vattenfall-Kunden werden zu einem anderen Stromanbieter wechseln.

    Es entsteht also ein ungeheurer Druck auf die Betreiber, jede weitere Unregelmäßigkeit zu vertuschen. Das aber nicht nur in Krümmel.

    Das Vertrauen in die Sicherheitsphilosophie der Kernenenergie ist unwiderruflich zerstört.

  4. Vattenfall

    Also was Vattenfall angeht, sollte man über eine Abschaltung nachdenken. Mag sein, dass das bisher alles nur “kleinere” Fehler waren, aber wenn sie die schon nicht in den Griff bekommen, dann sollte man nicht einfach weitermachen und auf den großen Bumms warten.

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