10.-11.09. Langer Name, weiter Weg

BLOG: Neustart nach dem Putsch

Wie sich der Regierungswechsel in Madagaskar auf Mensch, Natur und Entwicklungszusammenarbeit auswirkt
Neustart nach dem Putsch

Am Pariser Flughafen Charles de Gaulle begrüßt ein Schild die Reisenden. In roter Schrift wird darauf vor Ebola gewarnt: Vorsicht vor dem Blut und Speichel fiebriger Menschen; keine Wildtiere auf afrikanischen Märkten verspeisen! Stunden später sitze ich (gemeinsam mit meinem Onkel, der mich kurzentschlossen als Fotoreporter begleitet) in einer Maschine der Fluggesellschaft „Air Madagascar“ auf dem Weg in die madagassische Hauptstadt Antananarivo. In der Dunkelheit unter uns ziehen ostafrikanische Landmarken hindurch: Die Lichter von Karthoum, Addis Abeba und Nairobi. Dann der Kilimandscharo. Auf der anderen Seite des Kontinents muss es noch dunkler aussehen als auf dieser. Dort reißt das Ebola-Virus seit März ganze Staaten ins Chaos während die Weltgemeinschaft der Dynamik der Epidemie langes Zögern entgegensetzt.

Am darauf folgenden Tag gegen Viertel vor neun setzen wir bei strahlend blauem Himmel auf der Landebahn in Antananarivo auf. Wir laufen über das Rollfeld. Vor Betreten des Flughafengebäudes messen zwei Frauen die Körpertemperatur am Ohr mit Hilfe kleiner Infrarotgeräte. Angeblich eine Vorsichtsmaßnahme gegen Ebola.

Ein Fahrer unseres Hotels holt uns ab, kurvt mit uns durch die belebten Straßen. Eine Stadt auf tausend kleinen Hügeln, dazwischen Reisfelder. Am Straßenrand Markstände, Zebu-Karren, Stapel gebrannter Ziegel, ein Geruch nach Holzfeuer und Abgasen liegt in der Luft. Die Flagge vor der umzäunten US-Botschaft weht auf Halbmast – zum 13. Mal jähren sich heute die Flugzeug-Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon.

IMG_3415Credit: Lennart Pyritz

Der Königinnen-Palast, madagassisch “Rova”, über den Hügeln von Tana.

Am Nachmittag kreuzen wir durch die Stadt, die der Einfachheit halber Tana genannt wird. Zum Präsidentenpalast, vorbei am grünlichen Lac Anosy, hinauf zur Rova, dem Königinnenpalast. Alles sei ruhig im Moment, sagt unser Fahrer Mahefa. Keine blutigen Proteste wie in der Zeit des Putsches im Jahr 2009. Seit letztem Februar hat Madagaskar wieder einen demokratisch gewählten Präsidenten, sogar den mit dem mutmaßlich längsten Nachnamen weltweit: Hery Rajaonarimampianina. Ob er die Menschen und die Natur der Insel wieder auf einen sichereren Weg führen kann und wie auch ausländische Initiativen dazu beitragen wollen – das versuchen wir in den kommenden sechs Wochen zumindest ansatzweise zu ergründen…

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Nach einem Biologiestudium in Göttingen promovierte Lennart Pyritz am Deutschen Primatenzentrum über das Gruppenverhalten von Lemuren. Dafür verbrachte er insgesamt 14 Monate im Trockenwald Westmadagaskars. Über diese Zeit führte er einen Blog für Spektrum.de, der 2012 in erweiterter Form auch als Buch veröffentlicht wurde ("Von Makis und Menschen", Verlag Springer Spektrum). Nach der Doktorarbeit wechselte Lennart Pyritz in den Wissenschaftsjournalismus, hospitierte bei der Süddeutschen Zeitung in München, ZEIT Wissen in Hamburg und arbeitete als Vertretungsredakteur der Sendung "Quarks & Co" im WDR. 2012 bis 2014 volontierte er anschließend beim Deutschlandradio in Köln und Berlin und für einen Monat bei BBC 4 in London. Anschließend arbeitete er als Junior-Programm-Mitarbeiter im Deutschlandfunk. Vom 10. September bis zum 22. Oktober unterbricht er seine Anstellung beim Radio, um mit einem Recherchestipendium der Heinz-Kühn-Stiftung als Journalist nach Madagaskar zurückzukehren.

1 Kommentar

  1. Ebola ist also auch in Madagaskar angekommen – mindestens psychologisch, wenn auch nicht physisch. Nicht nur vom nächtlichen Flugzeug aus gesehen sind grosse Teile Afrikas dunkel, auch aus durchschnittlicher europäischer Sicht ist es ein dunkler Kontinent – einer über den man wenig weiss und auch nicht wissen will. Da können im Kongo-Krieg zwischen 1998 und 2003 8 Jahren 4 Millionen Menschen getötet werden – es kümmert kaum jemanden in Europa oder den USA. Afrika wird sich aber im 21. Jahrhundert stark entwickeln. Die Bevölkerung wird von heute 1.2 Milliarden Menschen auf 3 bis 4 Milliarden zunehmen, der Stromverbrauch in der Subsahara, der heute für mehr als 500 Millionen Menschen gleich gross ist wie der von Spanien wird um mindestens den Faktor 5 wachsen. Es fragt sich aber wie die Subsahara und auch Madagaskar sich entwickeln wird, welchen Weg es einschlagen wird. Es gibt schon einige Hinweise: So wird das Problem der sehr geringen Erträge in der Landwirtschaft (für den Eigengebrauch) teilweise wohl durch Verkauf oder Pachtung grosser Landflächen an grosse ausländische Agrarfirmen gelöst werden. Dies zeichnet sich nämlich schon heute ab – auch und gerade in Madagaskar, obwohl die Reisfarmer in Madagaskar im afrikanischen Vergleich effizient arbeiten. Auch die Ausbeutung der übrigen Rohstoffe, der Metalle, des Rohöls und Erdgases wird oft durch ausländische Firmen in Angriff genommen, wobei China immer mehr die Europäer ersetzt. Ob die Chinesen aber den Afrikanern mehr bringen als es die Europäer taten muss bezweifelt werden.

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