Wissenschafts-PR ist auch nur PR

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von Peter Zekert Florian Aigner, der als Wissenschaftsredakteur für die Universität Wien arbeitet und auf Scienceblogs.de den Blog naklar! betreibt, hat letzte Woche einen bemerkenswerten Text veröffentlicht. Er verteidigt darin die Wissenschafts-PR gegen das unverdient negative Bild, das Journalisten angeblich von ihr hätten (siehe hier). Für meinen Geschmack schießt er dabei weit über das Ziel hinaus – nicht nur wird Journalisten angetragen, sie mögen die Kollegen aus der Pressestelle doch bitte als ihre „Freunde“ sehen. Nein, gleich die ganze Grenzziehung zwischen Wissenschaftsjournalismus und PR wird für überflüssig erklärt. Wenn ich richtig verstehe, leitet er das aus der Tatsache ab, dass seine Pressetexte oft ohne große Änderungen übernommen werden. Zitat:

„Der Versuch, klare Trennstriche zwischen Wissenschaftskommunikation und Journalismus zu ziehen, ist angesichts solcher Praktiken … eher lächerlich.“

Politik- oder Pharma-PR seien zwar weiterhin klar von Journalismus zu trennen, aber

„… wer behauptet, im Wissenschaftsjournalismus seien die selben Trennlinien aufrechtzuerhalten, macht sich etwas vor.“

Weiter schreibt Aigner, unter der Überschrift „Die Unis gehören zu den Guten“:

„Wenn wir an den Universitäten Forschungserfolge nach außen tragen wollen, dann produzieren wir Information, keine Werbung.“

Zu den ersten zwei Zitaten: Doch, genau dieselben Trennlinien gelten. Von Journalismus ist Wissenschafts-PR genauso grundsätzlich verschieden wie Politik- oder Pharma-PR. Der Unterschied ist klar – angenommen, Aigner ist sich bei seiner Pressemitteilung mal uneinig mit dem Wissenschaftler, über dessen Forschung er schreibt. Dann würde er im Zweifel wahrscheinlich nachgeben, während ein Journalist das nicht muss. Bei weniger konfliktträchtigen Forschungsgebieten ist dieser Unterschied zwischen PR und unabhängigem Journalismus vielleicht selten spürbar. Aber es gibt keinen Grund, Pressemitteilungen deshalb gleich als Quasi-Journalismus oder neutrale Information zu verkaufen. Am Ende handelt es sich auch hier um interessengeleitete Kommunikation (selbst wenn man der Meinung ist, die eigene Institution gehöre zu den „Guten“).

Journalisten, so fordert Aigner schließlich, sollen das feindliche Bild von der PR ablegen und ihre Kollegen in der Pressestelle als Partner sehen oder besser noch als Freunde. Wörtlich:

„Also, liebe Wissenschaftsjournalisten: Lasst uns Freunde sein! Ihr seid von uns nämlich genauso abhängig wie wir von euch. Ihr habt leider längst schon keine Zeit mehr, wissenschaftliche Originalpublikationen ordentlich durchzulesen. Wir machen das für euch und sagen euch, was wichtig ist.“

Ist das nun Satire, wie ein Kommentator unter dem Artikel vermutet? Soll das Journalisten zeigen, wohin mangelnde Eigenrecherche sie führt? Dem Rest des Textes nach zu urteilen, ist es wohl ernst gemeint.

Ich hoffe, dass Journalisten in uns weder Feinde noch Freunde sehen, sondern einfach Quellen. Quellen, zu denen sie gesunde Distanz halten, wie zu jeder anderen auch. Darüber muss niemand gekränkt sein. Aigners Job ist, Forschung in verständliche Formulierungen zu übersetzen, die die Zeitungen übernehmen können, wenn sie das möchten. Er gibt Journalisten Auskünfte, vermittelt Interviewpartner, oder rechnet mal ein Zahlenbeispiel für sie durch. Er macht es ihnen ein bisschen einfacher, sich in der – in diesem Fall nun besonders komplexen – Materie zurechtzufinden. Das heißt nicht, dass ein Journalist ihm dafür eine Sonderbehandlung im Vergleich zu anderen PR-Vertretern schuldet oder dass man die Trennung zwischen PR und Journalismus aufgeben darf. Was er und ich machen, ist kein Journalismus. Es ist auch nicht nah dran. Wissenschafts-PR ist auch PR. Ich finde nichts dabei, das zuzugeben.

7 Kommentare

  1. Spannend

    Wie Sie zu Recht feststellen, haben Universitäten und deren PR-Abteilungen auch eigene Interessen und mir sind einige Beispiele bekannt, in denen die PR-Abteilungen die Funde ihrer Wissenschaftler gehörig übertreiben.

    Klar gibt es auch im Journalismus diese Art von Tagesmeldungen, die die Botschaft in aller Kürze auf den Punkt bringt. Kritische, investigative oder Hintergrundartikel gehen aber weit darüber hinaus – und manchmal deutlich dem entgegen –, was die durchschnittliche Uni-Pressemitteilung kommuniziert.

    Gäbe es diesen Unterschied zwischen PR und Journalisten nicht, dann könnten wir einen dieser Berufe verlustfrei abschaffen.

  2. @Stephan Schleim

    Genau – und natürlich gilt das nicht nur für Universitäten, sondern für alle, die Pressemitteilungen aussenden. Das sollte man nie nur als neutrale Information nehmen. Ist auch nicht so, dass die Erkenntnis neu wäre. Vorhin habe ich die ganze Zeit ein Zitat dazu gesucht, das ich mir mal aus einem Aufsatz rausgeschrieben hatte. Hier ist es:

    „Wissenschaftsjournalismus ist von kommunizierter Selbstbeobachtung der Wissenschaft durch Wissenschaftler und PR-Stellen abhängig. Letztere selektieren und bündeln die öffentlichen Äußerungen der Wissenschaftler und bereiten sie unter Antizipation journalistischer Relevanzkriterien auf ABER rahmen sie entsprechend ihren Organisationsinteressen.” (Capslock-Hervorhebung von mir)

    Und weiter:
    “Die Abhängigkeit des Wissenschaftsjournalismus von den Wissenschaftlern ist prinzipiell unaufhebbar. Die Abhängigkeit von der Wissenschafts-PR […] ist hingegen […] abhängig von Engagement, Kompetenz und Berufsethik […] der Journalisten sowie der redaktionellen Ressourcen, die dem Wissenschaftsjournalismus zur Verfügung stehen.”

    Quelle: Hans Peter Peters: Erfolgreich trotz Konfliktpotential: Wissenschaftler als Informationsquellen des Journalismus, S. 109f. In: Holger Hettwer, Markus Lehmkuhl, Holger Wormer & Franco Zotta (Eds), WissensWelten: Wissenschaftsjournalismus in Theorie und Praxis. Gütersloh, 2008. S. 108-130.

  3. Satire

    “Ihr habt leider längst schon keine Zeit mehr, wissenschaftliche Originalpublikationen ordentlich durchzulesen. Wir machen das für euch und sagen euch, was wichtig ist.“
    Was hier für Satire gehalten wurde, ist ein oekonomisches
    Argument.

  4. Sogar die Debatte schießt am Ziel vorbei

    Ich verstehe beide Argumentationen, sowohl die Ihre also auch die von Florian Aigner. Aber beide schießen am Ziel vorbei, denn: alles ist Werbung.

    Aber noch mal in Ruhe: Es wird in den Texten jeweils versucht, einen Berufstyp zu finden, der nicht mit gewissen Interessen im Hinterkopf schreibt. Zwei Beispiele bringen es auf den Punkt: “Wenn wir an den Universitäten Forschungserfolge nach außen tragen wollen, dann produzieren wir Information, keine Werbung” (Aigner). vs. “Am Ende handelt es sich auch hier um interessengeleitete Kommunikation” (Sie).

    Ich sage: Jede Kommunikation, jedes “soziale Leben” (sprich: in Gesellschaft miteinander sein) beruht auf Interessenvermittlung, auf Beeinflussung, auf Komplexitätsreduktion, ja, auf schlichter Werbung. Nicht umsonst gibt es Werbeforschung, die von “6000 Jahre Werbung” ausgeht und – wie leicht ersichtlich ist – dazu weit in die Geschichte zurück schaut.

    Daraus folgt natürlich, dass Journalisten ebenfalls gewisse Interessen verfolgen. Worte wie “PR” oder “Werbung” helfen in dieser Debatte anders gesagt als Pauschalisierung überhaupt nicht, sie lassen sich endlos ausdehnen. Vielmehr müssen die Nuancen zwischen der jeweiligen Kommunikation betrachtet werden – und jeder Fall für sich. Dann kann ein PR-Text der Pharmaindustrie manches Mal weitaus interessanter/objektiver/forschungsrelevanter sein als ein Text eines Wissenschaftlers. Denn auch Pharmaforscher setzen sich mit medizinischen/chemischen oder sonstigen Problemen und Fragestellungen auseinander, nicht nur der Verteuflung der Welt wegen. In diesem, wie in vielen anderen Fällen auch, wird mit einem moralisch untermauerten Argument die Diskussion abgebrochen, das ist doch albern und unproduktiv.

  5. Zeitmangel in den Redaktionen

    Ich stimme diesem Beitrag ganz klar zu. Wichtig ist auch, dass selbst Zeitmangel gute Wissenschaftsjournalisten natürlich nicht von der Pflicht entbindet, in das Originalpaper zu blicken, sich Statistiken anzusehen, Zweitmeinungen einzuholen und mehr. Es wäre fatal, wenn Journalisten aufhörten, selbst zu hinterfragen und recherchieren.

  6. Eigeninteressen führen dazu, Informationen wegzulassen. Diesen Kontext müsste dann der Journalist erbringen.

    Der Text hätte also vielleicht die Aufgabenstellung von Redakteuren und PR-Abteilungen nennen und klarer differenzieren können.

    Kostendruck ist oft Qualitätsdruck und somit reicht man vieles nur noch durch oder guckt was am spannendesten (oder reisserischsten) klingt und druckt das in einem entsprechenden Markt-Druck-Umfeld.

    Bei Solar-Meldungen fehlen z.b. die Infos das wir seit Jahren auf diese tollen neuen besseren billigeren Solarzellen warten. Oder auf die 10mal stärkeren Auto-Akkus. Sowas kann man in seine eigenen Texte natürlich oft schlecht reinschreiben.

    PR=überwiegend Positive Selbstdarstellung.
    Bei Bilanzen u.ä. ist die Ehrlichkeit oft höher bzw. die Ausgewogenheit oder Risiken stehen zumindest im Anhang um nicht von Aktionären auf Zilliarden verklagt zu werden.

    Viele Restaurant wärmen Teile von Nahrung auch nur noch auf oder Discounter backen Brote und Brötchen auf. Dasselbe machen teilweise die Forschungsabteilungen (wie das Zitat aufzeigt). Oft aber nur, um an weitere Forschungsbudgets zu kommen wovon dann an die Mitarbeiter, Doktoranden usw. halbe oder Drittel-Stellen verteilt werden und man sich nebenbei noch um Studenten kümmen soll. In Uni-Städten sind die Dr-Vorträge zwar gelistet aber nirgendwo ein Bericht davon oder wofür man das brauchen kann, wenn nicht grade ein Preis verteilt wurde oder eine der paar lokalen Großfirmen an der Dr-Arbeit beteiligt war oder man es als Begründung für Fördergelder nehmen kann.

    Und wie der Text auch anspricht, gibt es weiche Themen und weiche Wissenschaften wo verbindliche Aussagen für die man (wie für Programmierung, Heizungs-Bau, Ingenieur-Tätigkeiten, Physik und Chemie) auch haftet, eher selten sind. Die tägliche Wirtschaftspresse berichtet auch gerne hinterher statt offensichtliche Dinge zumindest als Möglichkeit im Voraus zu benennen.
    Viel Wissenschaft ist also auch nur Selbstzweck um weiter bezahlt zu werden.

    @Laser: Die ct wählt keinen Testsieger sondern Dimensionen (meist Preis und Leistung) und ordnet im Fazit die getesteten Geräte untereinander dort ein. Presse hat das Interesse, den Leser korrekt zu informieren und Einseitigkeiten weg zu lassen. Es geht nicht um eine Moralkeule sondern darum, wer wofür bezahlt wird. VW gibt ja auch nicht zu, welche Peugeot/Fiat/Toyota-Modelle für wen eine bessere Preis-Leistung liefern. Vom ADAC-Magazin erwarte ich aber klare Einstufungen worin welche anderen Angebote besser/schlechter sind.
    Das Presse sich neutral nennt, obwohl die Politik-Berichte in politischer Färbung der Herausgeber-Familie erscheinen, ändert nichts an der offiziellen Aufgabe der Presse und den Interessen der Leser. Die wollen doch oft sogar, das ihre Universität die nächsten Praktikantenmassen ausbildet und zur Elite-Only-Universität ernannt wird um sich toll zu fühlen obwohl man die Abschreiber und Leistungs-Versager der eigenen Studiengänge genau kennt. Das sowas Deutschland nicht besser macht, erkennt man dann wenn man alt genug ist und selber mal Steuern bezahlt und jahrelang billiger Praktikant sein musste und keiner der dafür bezahlt wird (Gewerkschaften, Fachschaften, Presse!!!) endlich mal die Liste überfüllter Berufsgruppen, Studiengänge und arbeitslosen-produzierender Universitäten erstellt. Als App wäre das schnell programmiert aber evtl. noch schneller abgemahnt. Jeder Betriebsrat von DAX-Firmen mit zigtausenden Bewerbungen wüsste ganz genau, welche Bewerber von welcher Universität und welchem Studiengang am häufigsten abgelehnt werden. Fehlqualifizierung kostet Milliarden.

    Und sollte man überhaupt relevant viel von einer Branche berichten, die ihre Copy-Paste-Dr-Arbeiten nicht geregelt kriegt, obwohl aus Kostengründen seit 10 Jahren die Arbeiten auf dem Bibliotheks-Server hochgeladen werden weil kaum einer pro Landesbibliothek teuer 2 Exemplare drucken lassen will. Abschreiben ist einfacher als selber machen.

    Interessant für die Leistungsfähigkeit wäre auch mal, die Diplome der PR-Mitarbeiter danebenzuschreiben und sich als Reporter zu denken ob ein Physiker von sich aus lesbare Texte schreibt oder ein Germanist das Gottesteilchen erklären kann.
    Für vieles würden ja auch Wikis reichen aber Abmahnungen und Trivialpatente verhindern von mir programierte werbefinanzierte kostenlose Lern-Wikis und Sachverhalts-Darstellungs-Wikis mit vielen Meinungen (“warum Evolution falsch ist” neben “Evolution in mehreren Stufen erklärt”, “Warum man CDU wählen muss” neben “Warum man SPD wählen muss”) ja möglicherweise.

    Denn die Presse fragt (laut mir aus mangelnder Zeit bzw kennt (laut Telepolis) keinen um mal nachzufragen. Also mussten wir die neuen Solarzellen schon seit 5 Jahren jedes Jahr neu verkündigt kriegen. Oder Tesa-ROM. Oder die neuen Akkus. Oder Pixel-Qi. Für solche wiederkehrenden Informationen und Themen bieten sich Wikis ohne die Fehler von Wikipedia an.
    Davon abgesehen macht man sich mit Kritik (“Uns werden von EU-Fördergelder-Wissenschaftlern seit 5 Jahren neue krass bessere Solarzellen/Akkus/… versprochen”) wenig Freunde aber die Leser finden es vielleicht gut.

  7. Volle Zustimmung: Wissenschafts-PR ist PR und Wissenschaftsjournalismus ist Journalismus – und dieser Punkt stört mich bei Aigner eigentlich noch viel mehr. Er kommt wieder mit der (eigentlich längst überwunden geglaubten) These daher, dass Wissenschaftsjournalismus etwas ganz Besonderes sei, für den die üblichen journalistischen Grundsätze nicht gelten oder zumindest nicht so streng ausgelegt werden müssen.

    Auch wenn es im Wissenschaftsjournalismus leider noch immer viele Vertreter gibt, die sich als Wissenschaftsfans, als Sprachrohr und Übersetzer der Forscher verstehen, darf das nicht der Maßstab sein. Wissenschaftsjournalismus muss – wie Politik- und Wirtschaftsjournalismus – den Finger in die Wunde legen, muss Ergebnisse hinterfragen, muss Missstände aufdecken etc. All das verträgt sich nicht mit PR.

    Und als Journalist ist es mir vor allem wichtig, mit Pressesprechern professionell zusammenarbeiten zu können. Ich will weder ihr Freund noch ihr Feind sein.

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