Onlinetest Phonagnosie: Wie gut können Sie Stimmen unterscheiden?

BLOG: NeuroKognition

Kognitive Fähigkeiten und Gehirnprozesse des Menschen
NeuroKognition

von Katharina von Kriegstein  und Claudia Roswandowitz – Viele Menschen erkennen andere sofort an der Stimme. Einigen fällt es schwer. Nur wenige können Stimmen überhaupt nicht erkennen: Sie sind von einer kaum untersuchten neurologischen Besonderheit betroffen, der Phonagnosie. Warum solche Einschränkungen im Stimmenerkennen auftreten, ist bislang ein Rätsel. Dass es sie gibt, ist selbst Betroffenen häufig nicht bewusst.

Wir haben deshalb in unserer Forschungsgruppe “Neuronale Mechanismen zwischenmenschlicher Kommunikation” einen Online-Test entwickelt, mit dem jeder seine Fähigkeiten im Erkennen von Stimmen prüfen kann.

Phonagnostiker hören ganz normal, aber sind nicht in der Lage, andere Menschen – selbst enge Familienmitglieder und Freunde – an der Stimme zu erkennen. Störungen in der Stimmwahrnehmung können durch Hirnverletzungen auftreten, beispielsweise nach einem Schlaganfall (Van Lancker et al., 1982, Neuner et al., 2000). Sehr viel seltener ist die angeborene Form, für die wir uns besonders interessieren.

Tatsächlich gibt es bisher nur einen einzigen bekannten Fall, den der Britin „KH“, die selbst ihre eigene Tochter am Telefon nicht erkennen kann. „KH“ schien ihre Einschränkung nie als besonders ungewöhnlich wahrzunehmen. Sie fand Wege, ihr Defizit auszugleichen. Erst nachdem sie in der Zeitung über das Phänomen der angeborenen Prosopagnosie (der Unfähigkeit, Gesichter zu erkennen) gelesen hatte, entschloss sie sich, mit Londoner Forschern Kontakt aufzunehmen, woraus die erste Studie zur angeborenen Phonagnosie entstand (Garrido et al., 2009).

Unsere Suche nach Betroffenen und interessierten Studienteilnehmern im deutschsprachigen Raum läuft seit einem Jahr. Bis jetzt haben 650 Leute an unserem Test teilgenommen und einige scheinen tatsächlich angeborene Schwierigkeiten in der Stimmerkennung zu haben.

Bislang ist unklar, wie viele Menschen von dem angeborenen Defizit der Phonagnosie betroffen sind. Untersuchungen zu dem vergleichbaren Phänomen der angeborenen Prosopagnosie  lassen jedoch vermuten, dass 2-3 % der Bevölkerung betroffen sein könnten. Phonagnostiker scheinen sich häufig ihrer Einschränkungen in der Stimmerkennung nicht bewusst zu sein und entwickeln unbewusst Vermeidungsstrategien. Dass dies auch auf Menschen mit Schwierigkeiten in der Gesichtererkennung zutrifft und wie wichtig es war, über die Existenz des zunächst nur Spezialisten bekannten neurologischen Phänomens aufzuklären, beschrieb die Prosopagnosie-Forscherin Martina Grüter kürzlich eindrucksvoll in ihrem Blog bei Scilogs.  Deshalb ist es uns wichtig, das Wissen auch über die angeborene Phonagnosie zu erhöhen.

Ihre Erforschung könnte nicht nur all denen helfen, die Schwierigkeiten haben, Stimmen zuzuordnen, sondern auch wichtige Erkenntnisse über die Hirnfunktionen bei der Personenerkennung und Stimmverarbeitung liefern. So könnten Mechanismen identifiziert werden, die sich in einem gesunden oder durch Schlaganfall meist großflächig geschädigten Gehirn nur schwer isolieren ließen.

Wir freuen uns, wenn Sie unseren Test ausprobieren und in Ihrem Bekanntenkreis darauf hinweisen. Er dauert ungefähr 20 Minuten und man benötigt dafür Kopfhörer oder Lautsprecher.

Testen Sie Ihre Stimmerkennung: http://phonagnosie-test.cbs.mpg.de

Die Resultate werden online angezeigt und anonymisiert ausgewertet. Mit Teilnehmern, die ein auffälliges Testergebnis aufweisen und Interesse an einer Zusammenarbeit haben, nehmen wir anschließend Kontakt auf.

Ausführlichere Informationen zur Phonagnosie, zu „KH“ und zu den geplanten Studien finden Sie hier:

http://www.phonagnosie.de

http://www.wissenschaft-online.de/artikel/1071419

 

Van Lancker D. R., Canter J. G. (1982) Impairment of Voice and Face Recognition in Patients with Hemispheric Damage. Brain Cogn 1:185-195.

Neuner F., Schweinberger S. R. (2000) Neuropsychological impairments in the recognition of faces, voices, and personal names. Brain Cogn 44:342-366.

Garrido L., Eisner F., McGettigan C., Stewart L., Sauter D., Hanley J. R., Schweinberger S. R., Warren J. D., Duchaine B. (2009) Developmental phonagnosia: a selective deficit of vocal identity recognition. Neuropsychologia 47:123-131.

Gruter T., Gruter M., Carbon C. C. (2008) Neural and genetic foundations of face recognition and prosopagnosia. J Neuropsychol 2:79-97.

 

4 Kommentare

  1. Frauenschwäche

    Hmm, ich habe wohl eine Frauenschwäche (heh). Ist man normalerweise eher auf ein Geschlecht geprimet? Vielleicht war das auch Training, oder gar das Alter wegen der höheren Frequenz. 😉

  2. Ist bei mir auch so

    dass ich ein Geschlecht wesentlich besser erkennen kann als das andere. Allerdings auf insgesamt weit unterdurchschnittlichem Niveau.

    Das ist im Test bestimmt in Wirklichkeit immer die gleiche Stimme! 😉

  3. Ich unterscheide die verschiedenen Stimmen weniger am gesamten Stimmklang, sondern an weicherer oder härterer Aussprache. So versuche ich auch den Charakter der Person zu bestimmen. Bestimmte subtile Informationen einer Stimme nehme ich nicht wahr.

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