Zum Homo religiosus wird von Baba Brinkman gerappt – und von Wuketits & Leser in der Wiener Zeitung debattiert

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Als ich als Jugendlicher begann, mich für Wissenschaft zu begeistern, hatte ich den Traum, zu Forschungen beizutragen, die aus den Elfenbeintürmen ihren Weg in die Öffentlichkeit, zu den Küchentischen, ja zu Film und Kunst finden würden. Derzeit erlebe ich die Erfüllung dieses Traumes mit – zuletzt bei Quarks & Co. mit Ranga Yogeshwar und nun auch beim (unterstützenswerten!) Rap Projekt “Religion evolves” von Baba Brinkman. Darin greift der begabte Kanadier, der bereits mit dem Überraschungserfolg “Rap Guide to Evolution” Wissenschafts- und Rapgeschichte geschrieben hatte, die “Evolutionary Religious Studies” auf und hat auch einige von uns kontaktiert, um seine Lyrics aus wissenschaftlicher Sicht zu “peer reviewen”. Und ich darf schon soviel verraten: Der “Rap Guide to Religion”, der bereits erfolgreich in Edinburgh aufgeführt wurde, wird nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich ein Hammer!

ReligionevolvesBabaBrinkman

Aber auch in den Zeitungen wird das Thema immer wieder aufgegriffen. So wurde ich zuletzt z.B. von publik-forum um einen Artikel gebeten – der dann prompt zur aktuellen Titelgeschichte erhoben wurde!

GottGehirnBlumepublikforum0714

Homo religiosus – auch in Österreich

Eine große Freude war schließlich auch ein Grundsatzartikel über “Die Naturgeschichte des Glaubens” von Prof. Franz M. Wuketits in der Wiener Zeitung. Obgleich der Biologe auch selbst als Religionskritiker vielfach tätig geworden ist, leugnet er nicht – wie manche andere – die wissenschaftlichen Befunde. Stattdessen rezensierte er bereits vor Jahren “Gott, Gene und Gehirn”, beruft sich auf seinen Kollegen Eckart Voland und zitiert meine (hier kostenlos abrufbare) G&G-Titelgeschichte “Homo religiosus”.

NaturgeschichteGlaubenWuketits

Während Wuketits immerhin die empirischen Befunde zum evolutionären Erfolg von Religiosität anerkennt, so setzt er dennoch einige reduktionistische Akzente und meint: Wir sind nur von dieser Welt und alles, was unser trickreiches Hirn uns über “andere Welten”, über “erste Gründe” und “letzte Zwecke” zu ersinnen erlaubt, muss der Prüfung der Evolution durch natürliche Auslese standhalten. Bislang hat religiöser Glaube diese Prüfung gut bestanden.

Darauf wiederum antwortet Norbert Leser, Professor für Sozialphilosophie, in einem ausführlichen Leserkommentar, in dem er sich gegen “Relativismus und Reduktionsmus” verwahrt und vielmehr annimmt: Das menschliche Bewusstsein verweist, ohne dass hierzu ein förmlicher Beweis nötig wäre, auf ein übergeordnetes, innerhalb dessen auch die Evolution als ein innerweltlicher Vorgang stattfindet.

Und so verfolge ich fasziniert und glücklich, wie sich ein Traum erfüllt hat: Die interdisziplinäre und internationale Evolutionsforschung zu Religiosität und Religionen – sie lebt und rappt und rockt! 🙂

 

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

49 Kommentare

  1. Ist Baba nicht ein doch recht eigenwilliger Verbündete.

    Immerhin hat er aus der Evolutionstheorie geschlossen es gäbe keinen Gott, eine Feststellung die du doch immer ablehnst, das man die Evolution als Argument nimmst.

    • @Zoran Jovic

      Solange es Wissenschaft gibt, wird es wohl immer auch atheistische, agnostische und theistische Deutungen geben. Ebenso setzen sich ja z.B. muslimische, jüdische und hinduistische Denker je aus ihrer Perspektive mit dem Thema auseinander. Ich denke, ich wäre ein schlechter Religionswissenschaftler, wenn ich nur evangelische Christen als “Verbündete“ achten würde. Mindestens verbunden erlebe ich mich allen, die sich konstruktiv und wissenschaftlich für das evolvierte Phänomen Religion interessieren. 🙂

  2. Den Artikel von Wuketit fand ich sehr gut, aber wenn es um die Wahrheitsfrage geht, schwächelt er etwas. Man kann aus der Religion als evolutionäres Phänomen selbstverständlich weder einen Beweis für Gott noch gegen Gott abgewinnen. In rein naturwissenschaftlicher Sicht kann man den evolutionären “Nutzen” der Religion herausarbeiten, mehr aber auch nicht. Alles andere wäre Philosophie oder Theologie.

    Franz Wuketit:
    “Mit anderen Worten: Wir sind nur von dieser Welt und alles, was unser trickreiches Hirn uns über “andere Welten”, über “erste Gründe” und “letzte Zwecke” zu ersinnen erlaubt, muss der Prüfung der Evolution durch natürliche Auslese standhalten. Bislang hat religiöser Glaube diese Prüfung gut bestanden.”
    Das klingt sehr missverständlich, was ist denn das Maß dieser “Prüfung”? Der Erfolg oder die Wahrheit? Beides sind rein menschliche Konzepte, “Erfolg” ist innerweltlich, “Wahrheit” dagegen transzendent. Die Evolution kennt beides nicht, sie evolviert einfach und die Wissenschaftler beschreiben sie.

    Stanislav Lem kam in einer seiner satirischen-philosophischen Geschichten (ich weiß nicht mehr welche) auf die Idee, sich eine Welt auszumalen, wo der wissenschaftliche Fortschritt alle Religionen und Ideologien durch naturwissenschaftliche Erklärungen entkräftet hatte. Zudem waren Diskussionen sinnlos, weil das Ergebnis nur davon abhing, wer von den beiden Gesprächspartner über die bessere Technologie zur Gehirnmanipulation verfügte. Die einzigen, die an einen eigenschaftslosen Gott glaubten, waren Androiden, also intelligente Roboter mit Bewusstsein, die abgesondert im Untergrund lebten.

    • @Paul Stefan

      Das sehe ich ganz genau so. Freilich gestehe ich Einerseits zu, dass er sich wenigstens auf die Empirie einlässt – auch dort, wo ihm die Befunde erkennbar nicht gefallen -, wogegen sich Leser zwar in vielleicht schönen, aber von Empirie völlig abgelösten Sphären bewegt. Ein Negativbeispiel – wie es leider immer wieder vorkommt – bietet dagegen jener Kommentator, der sich gegen jede erkenntnisoffene Forschung wehrt, da Religionen für ihn “das Böse“ verkörpern…

      • “wogegen sich Fest zwar in vielleicht schönen, aber von Empirie völlig abgelösten Sphären bewegt.”

        Wer ist “Fest”? Oder meinen Sie Norbert Leser?

          • Vermutung:
            Könnte sich auch *irgendwie* auf Nicolaus Fest bezogen haben, als Freudscher Fehler.

            MFG
            Dr. W (der seine Pappenheimer kennt)

          • @Webbär

            Hatte ich auch schon überlegt – aber Leser war mir ja sympathisch und liegt auch mit dem bekennend islamophoben Atheisten Fest nun gar nicht auf einer Linie. 😉

            Danke übrigens für den faszinierenden Fund der Homo orans-Ansprache von Benedikt XVI. in 2011! Mir war nicht bekannt, wie relevant der “Homo religiosus” für das katholische Lehramt sein kann. Und zu gerne hätte ich mich mit dem Verfasser dieser deutschsprachigen Ansprache unterhalten und gefragt, ob dieser zufällig auch Gehirn & Geist gelesen habe. 😉

          • @ Herr Dr. Blume :
            Nicolaus Fest hat in seinem kurz gehaltenen, “knackigen”, Kommentar, drei Sachen gemacht:
            1.) Er hat den Islam als mögliches Integrationshindernis festgestellt.
            2.) Er hat angeregt von der antiselektiven Einwanderungspolitik wegzukommen und, wie es sich zumindest aus Sicht einiger gebührt, für ein Einwanderungsland, die BRD ist ein Einwanderungsland und eine Steuerung der Einwanderung vorzunehmen, auch über sogenannte Quota, implizit: die Asylpolitik und Nachwanderungspolitik sozusagen wegzustoßen.
            3.) Er hat angedeutet den I nicht gut zu finden.

            Dies natürlich eher nur am Rande angemerkt, der Ex-Papst hat natürlich einen weit größeren Fundus zu bieten, als die bekannte und knapp kommentierende BamS-Kraft.

            MFG
            Dr. W (der noch einen schönen Abschluss dieses Tag des Herrn wünscht)

          • @Webbär

            Es war ja SO klar, dass Sie nur auf eine Gelegenheit warten würden, Ihre Sympathie für den islamfeindlichen Kommentar von Nicolaus Fest in die Welt zu tragen.

            Wie schon so oft wurde auch hier wieder versucht, mit kruden “Thesen” Ressentiments zu bedienen und zu schüren, die einer wissenschaftlichen Betrachtung überhaupt nicht standhalten. Da die Kollegen Boehnke & Kassis einige der “falschen Thesen des Herrn Fest” hier bereits aufgespießt haben, brauchen wir das hier nicht zu wiederholen:
            http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2014-07/nicolaus-fest-bild-zeitung-rassismus/komplettansicht

            Auch Ihnen einen schönen Sonntag!

          • @ Herr Dr. Blume :
            Es sollte weiter oben zuvörderst natürlich nur Ihre Gelassenheit geprüft werden, die neu hinzugekommene möglicherweise; wenn Sie letztem Rat gefolgt sind, könnte Gelassenheit zunehmend wichtiger geworden sein im Bereich der netzwerkbasierten Kommunikation.

            Wie dem auch sei, spannendes Thema, der Homo Religiosus darf gerne weiter ausgebaut werden,
            MFG
            Dr. W

          • @Webbär

            Wussten Sie, dass (auch) der Begriff der “Gelassenheit” aus der christlichen, deutschsprachigen Mystik stammt und z.B. bei den Amish eine große Rolle spielt? Gemeint ist eine Haltung, die im Vertrauen auf Gott von den Angelegenheiten der Welt und den Leidenschaften des Selbst “lassen” kann…

            Kurz geschrieben: Gefällt mir (wenn es auch keine leichte Übung ist)! 😉

      • “jener Kommentator, der sich gegen jede erkenntnisoffene Forschung wehrt”

        Jener, der also “das Böse” verkörpert? Dem deswegen der Zugang zum Himmelreich für ewig verwehrt bleiben sollte?

        “wogegen sich Fest zwar in [] völlig abgelösten Sphären bewegt.”

        Welch Fest ist gemeint?

          • Ah ja, danke. Es gibt heutzutage ja so viel zu kommentieren und so viele Kommentatoren, da kann man leicht den Überblick verlieren.

            Frei, nach jenem Kommentator gilt also:

            “Alle Ideologien verhindern wahre Erkenntnis, nur meine nicht.”

            Das sehe ich ganz ähnlich.

          • @ Herr Stefan :

            Was “wahre Erkenntnis” sein soll, erklärt er nicht.

            Um mal das relevante Zitat aus dem Leserbrief zu bringen:
            ‘Mit dem aufgezwungenen Glauben an eine bessere Zukunft im Jenseits, wie immer das auch geartet sein soll, werden die Menschen in diesen schwachmatischen Unsinn eingelullt und teils zu unsäglichen Verbrechen angestachelt. Die klare Erkenntnis dieser Tatsachen würde den Weg hin zur Wahrheit weisen. Nicht hin zu einem Glauben, sondern hin zu klarem Wissen. Es ist die Krux jeder Religion oder auch jeder Ideologie, dass die Menschen dadurch gewaltsam daran gehindert werden, zur wahren Erkenntnis zu gelangen.’

            Gemeint dürfte hier im szientistischen Sinne das wissenschaftlich angeleitete Bemühen um Erkenntnis gemeint sein, das statt ‘wahr’ vor allem empirisch adäquat (das Fachwort) und evidenzbasiert sein sollte.
            Der zitierte Gedankengang reicht nicht aus, das Soziale und nicht umfänglich wissenschaftlich Erfassbare betreffend, hier liegt die Crux “harter” Atheisten und der Szientisten allgemein.

            MFG
            Dr. W

        • Da ich es selber wissen wollte, bin ich auch bei Herrn Heinen fündig geworden, der in der Wiener Zeitung den Artikel von Wuketits m.E. ziemlich kurzsichtig kommentiert hat.

          Es dürfte doch klar sein, dass, wenn in unserer Realität und Lebenswelt erwiesenermaßen Gutes und Böses nebeneinander existieren, weil wir beides produzieren, weil beides eben auch in jedem von uns nebeneinander seine Quelle hat, die wir öffnen können oder nicht, dass dann die, die das Gute zu fördern trachten, leider indem sie GEGEN(!) das Böse glauben kämpfen zu müssen, das Böse stattdessen immer herausfordern, was letztendlich nicht sein muss und nicht der richtige Weg ist. Bleibt zu hoffen, dass wir es bald alle anders lernen. Der Weg ist aber noch weit, wie man auch hier an den Diskussionen deutlich sehen kann.

          Und wenn Herr Heinen dann schreibt:
          “Wie alle Auseinandersetzungen mit dem Phänomen Religion und Religiosität auch hier der völlig falsche Ansatz, dass es sich bei Religion um etwas Gutes und für Menschen Wertvolles handelt. Dabei ist ganz genau das Gegenteil unwiderlegbarer Fakt. Religion ist die Quelle alles Bösen und Schlechten.”

          ..dann ist das möglicherweise eine einzige Projektion seines eigenen Denkens, denn Fakt ist einzig und alleine, dass sich das Böse vom Guten – eben auch innerhalb der Religionen, weil diese Problematik eine menschheitliche ist – herausgefordert sieht und sich vorerst quasi an das Gute heftet, es überschattet, ja dranklebt, weil es durch den Kampf des Guten GEGEN das Böse überhaupt erst so richtig leben kann, verstärkt wird und eben nicht überwunden.

          Ganz sicher gibt es deshalb unter den Religiösen derer, die mit der Religion lediglich “Macht und Einfluss über andere Menschen” erlangen wollen. Und es gibt solche, denen diese Haltung von sich selber gar nicht bewusst ist. Herr Heinen ist vielleicht selber so einer, der aber zu dieser erfreulichen Selbsterkenntnis vorgestoßen ist und nun meint, alle Welt sei noch immer so machtbeflissen wie er es bis dato war. Dass er damit dem Fortschritt des Guten gewaltig schadet, möge ihm hoffentlich bald bewusst werden.

          Die verbreitete Meinung, das Gute brauche das Böse, um gut sein zu können, ist Irrsinn hoch drei und mehr.

        • @Joker

          Über “das Böse” (oder “das Gerechte”, den “Zugang zum Himmelreich” etc.) traue ich mir keine absoluten Seinsurteile zu. Dann hätte ich ja gleich Theologe werden können. 😉

          Falls Ihre dahinterliegende Frage ehrlich gewesen ist: Persönlich habe ich drei Merksteine (neudeutsch: “Benchmarks”) für offene vs. geschlossene Weltanschauungen von Diskussionspartner/innen.

          1. Räumt der Anhänger ein, dass es theoretisch auch anders sein könnte?

          2. Lässt sich die Anhängerin auch auf widersprechende, empirische Befunde ein – oder wehrt sie (wie WZ-Kommentator Heinen) von vornherein jeden Befund ab, der nicht ins eigene Schema passt?

          3. Kann die Person auch hin und wieder über die eigene Weltanschauung lachen?

          Wo alle drei Fragen mit Ja beantwortet werden können, würde ich von einer erkenntnisoffenen Haltung sprechen, bei dreimal Nein von einer ideologisch geschlossenen. 🙂

  3. Die Entgegnung Norbert Lesers ist noch schwächer. Ich denke, daß es statthaft ist, die eigene Perspektive durch Zitate zu unterstützen. Reiht man aber nur Zitate aneinander, so begeht man einen Fehlschluß. (argumentum ad verecundiam)

  4. Die Kultursoziologie verwahrt sich generell gegen relativistische und reduktionistische Ansätze, muss aber auch nicht dem Homo Religiosus (duozentrische Christen [1] ergänzen hier auch gerne den Homo Orans) zuneigen, neigt auch eher nicht zu, in etwa so wenig wie sich Kollektivisten mit dem Homo Oeconomicus anfreunden müssen, der im aufklärerischen Sinne aber zu bilden wäre.

    MFG
    Dr. W

    [1] das Christentum gilt erfreulicherweise als theozentrisch und anthropozentrisch

  5. “Bislang hat religiöser Glaube diese Prüfung gut bestanden.”
    Auch Warzen, Homosexualität und der Blinde Fleck haben sich in der natürlichen Auslese bestens bewährt.

    “Das menschliche Bewusstsein verweist, ohne dass hierzu ein förmlicher Beweis nötig wäre, auf ein übergeordnetes, innerhalb dessen auch die Evolution als ein innerweltlicher Vorgang stattfindet.”
    Ich habe nie so recht verstanden, was mit dem Wort “Bewusstsein” gemeint ist. Nach diesem Zitat tappe ich erst recht im Dunkeln.

    • @kereng

      Sie schrieben: Ich habe noch nie so Recht verstanden, was mit dem Wort “Bewusstsein” gemeint ist.

      Oh, damit ist genau Ihre innerer Zustand gemeint, der Sie überhaupt erst “Ich” sagen lässt und Phänomene sowie Meinungen deutet (wie Sie selbst (bewusst…) geschrieben haben: “(nicht) versteht”, “meint” etc.).

      Auch Ihre Abneigung gegen Religiosität findet im Bewusstsein statt, das ja erst positiv oder negativ bewertet.

      Dass auch andere Menschen eine solche je erfahrbare, wahrnehmende und wertende Innenperspektive haben, gehört zu den vielen, auch unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern allgemeine Annahmen, die sich streng wissenschaftlich kaum beweisen lassen.

      Detailforschungen erkunden übrigens Aspekte des Bewusstseins, auf diesem Blog finden Sie z.B. eine Rezension des Buches von Volands über die Evolution des Gewissens (das Sie ggf. auch gelegentlich “gespürt” haben?).

      Herzlich willkommen auf Blog & Homepage, schauen Sie sich ruhig ein wenig um!

    • Ich habe nie so recht verstanden, was mit dem Wort “Bewusstsein” gemeint ist. Nach diesem Zitat tappe ich erst recht im Dunkeln.

      Vermutung: Hier ist letztlich der Geist gemeint, vgl. auch Geisteswissenschaften und deren Grenzen.
      MFG
      Dr. W

  6. @Paul Stefan

    »Den Artikel von Wuketit[s] fand ich sehr gut, aber wenn es um die Wahrheitsfrage geht, schwächelt er etwas.«

    Er schwächelt, indem er den Eindruck aufkommen oder bestehen lässt, es wäre da ein irgendwie selbstverständlicher Begriff von Religiosität vorgegeben, der durch Soziobiologie vollständig erklärt würde. Da jedoch letztlich gar kein Bezug auf eine vorgegebene Begriffsbestimmung benannt wird, “erklärt” die Soziobiologie dann eben auch nur das, was sie selbst durch diese vorgebliche Erklärung überhaupt erst als Religiosität begrifflich spezifiziert.

    Beliebigkeit bei der Interpretation dessen, was da erforscht werden soll, scheint ein eher grundsätzliches Problem der Religiositätsforschung zu sein. Manfred Pirner, Prof. für Ev. Religionspädagogik an der Uni Erlangen-Nürnberg, schreibt hier [Religiosität als Gegenstand empirischer Forschung]:

    Eine schon fast paradoxe Zuspitzung erfährt der Forschungspragmatismus, wenn lapidar festgestellt wird, Religiosität sei letztlich eben das, was das Untersuchungsinstrumentarium messe. Ich will hier nicht das Recht und den Sinn in Frage stellen, für empirische Untersuchungen eine jeweils zum Forschungsdesign passende Arbeitsdefinition in Anschlag zu bringen. Es soll allerdings betont werden, dass eine solche nur auf der Basis gründlicher theoretischer Reflexion so erstellt werden kann, dass Nachvollziehbarkeit gewährleistet und eine unkontrollierte „Übernahme unreflektierter Voraussetzungen“ (Pollack 2003, 29) vermieden wird.

    Eine “Übernahme unreflektierter Voraussetzungen”, das ist meines Erachtens auch Wuketits hier unterlaufen.

    • Ich sehe das Problem nicht, vielleicht können Sie eine konkrete Stelle nennen. Es ist ein populärwissenschaftlicher Artikel, der sich nicht allzulang mit Definitionen aufhalten kann. Das es solche Probleme gibt, glaube ich gerne, siehe den Aberglauben von Tauben … Es ist aber für alle Wissenschaften typisch, dass sie Probleme haben, ihren Gegenstand zu definieren.

      Bei der Religionsforschung aus soziobiologischer und evolutionärer Sicht stoßen mindestens drei Wissenschaftskulturen aufeinander (pauschalisierend gesagt): Die Naturwissenschaften (Biologie etc.) mit ihrem Hang zum Reduktionismus und materialistisch orientierten Empirismus, die Soziologie, die auf die Menschen wie Ameisen schaut, und die Geisteswissenschaften, die differenzieren und relativieren und das Besondere und Spezielle herausarbeiten. Diese unterschiedlichen Methodiken sind diesen Wissenschaften inhärent.
      Ich vermute, dass sich Religion/Religiösität nicht allgemeinverbindlich definieren lässt, genausowenig wie z.B. Kunst. Und ein Rest wird wohl immer unerklärbar bleiben.

    • Eine “Übernahme unreflektierter Voraussetzungen”, das ist meines Erachtens auch Wuketits hier unterlaufen.

      Hier müsste ein wenig erklärt werden.

      Die Religiösität gilt gemeinhin als spezielle Rückbindung, die bestimmte Ideenlehre oder Ideologie nur deshalb nicht einschließt, weil durchgehend bzw. definitorisch bestimmte außerempirische (für Herrn Dr. Blume: ‘überempirische’) Entitäten gefordert sind, die unbelegbar bleiben (müssen). – Ansonsten wäre es keine Religion und der Gebetsteppich würde soz. wissenschaftlich-empirisch begründet hervorgeholt werden.

      MFG
      Dr. W

      • @Webbaer

        Jetzt muss ich doch mal fragen: Was genau meinen Sie immer in Ihrer konstruktivistischen Herangehensweise mit “Ideenlehre”?

        Bei dem, was ich darunter verstehe, stehen mir, wenn Sie den Begriff in Bezug auf Religion, insbesondere den christlichen Glauben, verwenden, immer die Haare zu Berge. Nach meinem Verständnis des Begriffs, geht das so was von daneben.

        PS. noch zu meiner neulich im Kommentar verwendeten Formulierung, Sie hätten sich “inzwischen korrigiert”: als der Post schon unterwegs war, wurde mir klar, (genauer gesagt: habe ich gespürt) dass Ihnen diese Formulierung eventuell auch gegen den Strich geht. Ich hätte es auch anders ausdrücken können.

        • @ Eli :
          Ideen sind Bilder, die sich das Erkenntnissubjekt, zwecks Erkenntnis, zu machen pflegt, die weitergehend zur Ideenlehre oder Ideologie anleiten.
          Interessant vielleicht in diesem Zusammenhang auch die biblische Anweisung sich keine Bilder von Göttern zu machen, blöderweise geht es ohne Bilder im übertragenden Sinne nicht, allerdings ist auch Ihr Kommentatorenfreund kein Freund davon sich Bilder über Personen zu machen, zu: psychologisieren.

          Ansonsten gilt es sich vielleicht doch für alle damit anzufreunden, dass Religionen oder spezielle Rückbindungen wie oben beschrieben, Bildmachung ist.

          MFG
          Dr. W

          • @Webbaer

            “Ideen sind Bilder, die sich das Erkenntnissubjekt, zwecks Erkenntnis, zu machen pflegt, …………”

            Bilder wovon?

            “Interessant vielleicht in diesem Zusammenhang auch die biblische Anweisung sich keine Bilder von Göttern zu machen,”

            Ich schrieb schon nebenan:“Das angebliche Bilderverbot des AT wurde m.E. bislang immer falsch verstanden. Es ging dabei nicht um Gemälde, Statuen, also Kunstwerke etc. sondern um menschliche Projektionen auf Gott,” die ja vorerst noch voll daneben greifen müssen.

            Ich sage inzwischen, die wären nur dann einigermaßen leidlich angemessen, wenn wir in der Lage wären, unsere eigene Existenz erst einmal richtig zu sehen. Dafür wiederum müssten wir nach meiner Forschung fähig sein, unser Leben als komplett invertiert zu sehen, um ihm dann das Original entlocken zu können. Das können wir noch nicht und wir versuchen es auch noch nicht. Es würde aber vieles zurechtrücken.

            und ergänzend schrieb ich das hier:

            …….”dass Gott aber um der seinsgrundlegenden Freiheit und Liebe willen damit ‘vorlieb nimmt’, dass wir ihn in unserer Blindheit vorerst mit Projektionen überziehen, ehe wir wieder in Freiheit lernen, Ihn zu sehen, wie er ist.

            “blöderweise geht es ohne Bilder im übertragenden Sinne nicht, allerdings ist auch Ihr Kommentatorenfreund kein Freund davon sich Bilder über Personen zu machen, zu: psychologisieren.”

            Ja, es geht nicht ohne. Aber es wäre ja schon OK, wenn wir uns und überhaupt niemanden auf ein Bild festnageln, wie wir es in allem so gerne tun. Solche Losgelöstheit kann man lernen. Dann wären wir jedenfalls schon ein gutes Stück weiter.

            “Ansonsten gilt es sich vielleicht doch für alle damit anzufreunden, dass Religionen oder spezielle Rückbindungen wie oben beschrieben, Bildmachung ist.”

            …kommt darauf an, was Sie als den Gegenstand der Bildmachung sehen.

            …was mich noch interessieren würde:
            Hat sich seit 2012 in zentralen Dingen etwas an Ihrer Sicht geändert?

    • @Paul Stefan

      Das Problem sehen Sie doch zumindest ansatzweise recht deutlich, Sie versuchen es ja gerade im zweiten Absatz Ihrer Entgegnung in eigenen Worten wiederzugeben.

      Hätte Wuketits als Prämisse seiner Ausführungen genannt, dass nachfolgend Religiosität im Sinne einer “zum soziobiologischen Forschungsdesign passenden Arbeitsdefinition” aufzufassen sei, um es in Pirners Worten auszudrücken, dann hätte er schon fast alles richtig gemacht, und ganz nebenbei der Leserschaft sogar noch etwas über wissenschaftl. Begriffsbildung demonstriert. Da Wuketits u.a. Wissenschaftstheoretiker ist, weiss er auch sehr genau, dass mit einem soziobiolog. Ansatz nicht mehr zu gewinnen ist, als soziobiolog. Erkenntnisse. Zu einer “Wahrheitsfrage” von religiösen Inhalten, die Sie zuvor angesprochen hatten, kann sich die Soziobiologie naturgemäss nicht äussern, weil sich diese Frage im soziobiolog. Kontext nicht einmal formulieren lässt. Und diesen Spruch hätte er dann auch nicht so plakativ zitieren können:

      Vielmehr “müssen Religionsverwalter mit der möglicherweise kränkenden Einsicht fertig werden, dass Religion ein durch und durch irdisches Phänomen mit profanen Nutzenfunktionen innerhalb biologischer Zwecke ist” (Voland).

      Wuketits unterschlägt schlicht eine einfache, klärende Prämisse, was er fraglos hätte vermeiden können. Und dafür hat er sich einen Punktabzug verdient.

      • Jetzt ist es klar, ich stimme zu. Es war gestern wohl zu schwül für diese Transferleistung.

        Seinen weltanschaulichen Standpunkt vertritt er auch hier:

        “Illusionen vermögen den Menschen auch über den Ausblick auf sein eigenes Lebensende hinwegzutrösten.”

        Der Mensch ist aber wohl doch ein “illusionsbedürftiges” Wesen, die Hoffnung stirbt zuletzt.

        • @Paul Stefan

          Vielleicht lag es ja auch an meiner Transferleistung, die, wie ich jetzt sehe, jedenfalls dahingehend unvollständig war, als ich eigentlich zu Pirners Text direkt hatte verlinken wollen. Der Link war bei google scholar nicht angezeigt, hier ist er noch nachgeliefert [PDF].

          Eine Schwierigkeit, die auch Pirner anspricht, besteht darin, sich dem Thema überhaupt mit der eigentlich gebotenen Unvoreingenommenheit zu widmen.

          Beide, religionskritische und religionsaffine WissenschaftlerInnen, neigen manchmal immer noch einerseits zu einem positivistischen Verständnis von Empirie und andererseits zu einer Überschätzung der eigenen Fähigkeit zur – die subjektiven Vorverständnisse „einklammernden“ – Distanznahme.

          Auch Wuketits ist eben nur ein Mensch, der wie andere auch eine private Meinung dazu hat, und das merkt man seinem Artikel dann doch an.

    • @Michael Blume:
      Du sagst im Interview, man würde Kindern Religion nicht einpflanzen, sondern nur dafür sorgen, dass sie sich nicht verliert. Das Problem dabei ist vielleicht, wenn Kindern religiös erzogen werden, dass sie diesbezügliche Vorstellungen auch auf andere Geschichten übertragen. Das würde sich auch mit einer neuen Studie decken, der zufolge sich religiöse Erziehung dahingehend auswirkt, dass religiös erzogene Kinder später Realität und Fiktion schlechter auseinanderhalten können, als Kinder die nicht religiös erzogen wurden.

      http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/familie/studie-wer-an-gott-glaubt-glaubt-auch-an-aschenputtel-13082492.html

    • Nettes Interview! – Auch schön vorgetragen und schlüssig argumentiert, wie Ihr Kommentatorenfreund findet,

      ‘Wir können sehen, dass religiöser Glauben, die Grundlagen dafür, schon bei Kindern da sind, man pflanzt das Kindern nicht ein (…)’ (Quelle)

      , könnte aber, wie bereits Mona bemerkt hat, ein schwacher, vielleicht der einzige, Punkt sein; Religion wird gelegentlich Kindern schon regelrecht eingebläut. Der Schreiber dieser Zeilen geht davon aus, dass sie die an dieser Stelle zu nennenden Beispiele kennen und dass diese insofern an dieser Stelle nicht benannt werden müssen.

      MFG
      Dr. W

      • @Webbär

        Danke für die Rückmeldung! 🙂

        Zur Frage “Einbläuen”: Klar, das gibt es – bei Musik übrigens auch, nicht selten sogar. Dennoch würde man kaum formulieren können, dass Musikalität den Kindern “aufgezwungen” wird – sie ist, je individuell verschieden, bereits angelegt.

        Für Formulierungsvorschläge bin ich immer dankbar! 🙂

        • @ Herr Dr. Blume :
          Ihr Kommentatorenfreund spielte auf den wichtigen Unterschied zwischen sog. Bekenntnisreligionen und sog. Geburtsreligionen an.
          MFG
          Dr. W (der an dieser Stelle nicht deutlicher werden wird; noch ein schönes WE wünscht)

          • @ Webbaer
            Das Thema ist natürlich umfangreicher, hier nur soviel:
            Was Sie meinen, geht im Grunde auch nicht, außer man bezieht es auf alle Menschen, weshalb es dann aber nicht mehr ethnisch ist. Diese ethnisch gebundene Vorstellung und Praxis von Religion ( die nebenan auch @Martin Holzherr angemerkt hat) war m.E. historisch bedingt, eben damals als Instrument eines noch unerkannten Gottes zur Führung der Menschheit unverzichtbar. Das Ziel dieser Führung ist auch das, was den Kern aller Religion ausmacht: die menschheitliche Erkenntnis, dass in diesem Äon der Glaubensvollzug der einzige Zugang zur GANZEN Realität des Menschen ist und dass dieser allen Menschen immanent und zugänglich ist.

            Der Glaube als Zugang zu unserer umfassenderen Realität, als sie sich uns sichtbar zeigt, dürfte im Zeitalter der Quantenmechanik auch für Agnostiker, Atheisten, Materialisten akzeptabel und sehr spannend sein.

            Wenn schon “Ethnik” gekoppelt mit Religion, dann muss sie sich heute auf die ganze Menschheit beziehen und alle Religionen und Weltanschauungen umfassen. Dadurch würde sie auch ihren aggressiv ausgrenzenden, ethnischen Charakter verlieren. Das wäre m.E. die aktuelle gottgewollte Perspektive.

        • Religion/Glaube KANN NICHT eingebläut werden.
          Was da, wenn, eingebläut wird, ist das evolutionsbedingt blinde, menschliche Fehlverhalten der Erzieher, ist fehlende Liebe, ist Herrschsucht, ist Gewalt, ist Projektion, die etwa im Kind das eigene Böse bekämpft etc., die dann leider auf der Religion reiten.
          Je nach Veranlagung und aktueller Befindlichkeit des Kindes, wird es der gesunden Entwicklung des Glaubens/ der Religion in dem Kind schaden oder gerade so gut nicht schaden. Die Folgen lassen sich nicht generalisieren und hängen von vielen Faktoren ab. Unterm Strich zählt, bzw. wirkt, was wirklich Liebe war. Sie vermag durchaus die pädagogischen Fehler wett zu machen, zu heilen. Umgekehrt sieht es schlechter aus. Die beste Pädagogik ohne Liebe wäre wesentlich schädlicher. Allerdings ist das Mühen um gute Pädagogik natürlich auch schon in sich eine Weise der Liebe…….

          Die Religion jedenfalls kann nicht eingebläut werden. Sie ist vielmehr immer schon da, was in dem Interview in dem Satz: “…man pflanzt das Kindern nicht ein….” erfreulicherweise zum Ausdruck kommt.

          Was den Kern aller Religion ausmacht, die Möglichkeit des Glaubensvollzugs als dem einzigen Zugang zur GANZEN Realität des Menschen ist allen Menschen immanent und in Freiheit zugänglich. Es käme auch niemand auf den Gedanken, zu meinen, dass uns das Herz oder das Gehirn eingebläut wurde.

          • @ Eli :
            KA, ob Sie der obigen Nachricht folgen konnten.
            In totalitaristischen Systemen wird “eingebläut”, der Schreiber dieser Zeilen hat bspw. Kenntnis von jemandem, den es nach Kriegsende erwischt hat, weil er als 22-Jähriger Nazi in Kriegsgefangenschaft aus der Reihe tretend irgendetwas vom Heiligen Deutschland und von Heil Hitler gerufen hat, abgeschossen worden ist (von Briten).
            Geburtsreligionen bedeuten per se “Einbläuung”.

            MFG
            Dr. W

            PS: Ratzinger legte insofern immer besonderen Wert auf den Glaubensentscheid (der zudem erst die Theologie möglich macht).

          • Verehrter Kommentatorenfreund,

            “KA, ob Sie der obigen Nachricht folgen konnten.”
            ganz meinerseits:
            KA ob Sie meiner Nachricht folgen konnten.

            “In totalitaristischen Systemen wird “eingebläut”, …

            klar, aber es fragt sich nur was? Gewiss nicht der Glaube an Gott und nicht die Religion. Eingebläut wird irgendein totalitaristischer Wille des Systems. Religion kann das nicht sein. Die beruht auf Freiheit. Ich spreche außerdem von der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit. Die Vorgeschichte und den geschichtlichen Werdegang der Völker muss man angesichts völlig anderer Bedingungen je für sich betrachten.
            MfG
            Eli

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