Zukunftsglauben zwischen Paradies und Hölle, zwischen Demokratie und Extremismus

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Früher war alles besser, vor allem die Jugend! Heute dagegen regiert der böse Zeitgeist und alles geht den Bach herunter! Unsere gewählte Regierung hat uns verraten und verkauft! Wer will in diese Welt überhaupt noch Kinder setzen!? Entweder jetzt räumt ein Retter nochmal richtig auf, oder alles wird in den Abgrund stürzen! Und das ist ja vielleicht auch besser so…

Sicher kommt Ihnen dieser Sound bekannt vor – gerade auch im Internet. Wo früher mancher Senior grantelte, steigern sich heute Wutbürger digital vernetzt in ihre Angstlust. Auch hier auf dem Blog treten immer wieder Untergangsverkünder auf, die ihre selbstgestrickten Prophezeiungen zur Islamisierung, dem wirtschaftlichen Zusammenbruch, der Bildungs- oder Ökokatastrophe usw. mit wüsten Beschimpfungen gegen gewählte Politikerinnen, Medien und auch Wissenschaften garnieren. Regelmäßig haben sich diese Menschen in einen Verschwörungsglauben samt übermächtigen Superverschwörern hineingesteigert, der fließend in die extremistische Legitimierung von Gewalt (ob links, rechts oder religiös) übergeht.

Die Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung “Vertrauen, Zufriedenheit, Zuversicht” von Dr. Sabine Pokorny widmet sich auf Basis einer repräsentativen Ipsos-Umfrage vom Jahresanfang 2017 dem leider noch empirisch wenig erforschten Zukunftsglauben. Dabei bestätigen die Daten aus Deutschland die gefühlten Beobachtungen: Anhängerinnen und Anhänger der demokratischen Parteien schauen überdurschnittlich hoffnungsvoll in die Zukunft, wogegen die Anhängerschaft der Linken nahezu hälftig, jene der AfD sogar zu drei Vierteln von Niedergangsängsten (fachdeutsch: Deklinismus) geprägt ist!

So wird eigentlich auch schnell klar, warum die Förderung von Optimismus und Tatendrang (das sogenannte “Empowerment”) für lebendige, dynamische Gesellschaften unverzichtbar ist, bei Kritikern aber den Vorwurf der Verharmlosung (oder gar verschwörerischen Täuschung) hervorruft.

Ein Film zu Zukunftshoffnung und Empowerment bei der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Und was kann die Wissenschaft dazu sagen?

Als Religionswissenschaftler würde ich mir sehr wünschen, dass wir das Entstehen, Gegen- und Miteinander von Utopien (also dies- und jenseitigen Paradieshoffnungen) wie auch Dystopien (der Vorstellung dies- und jenseitiger Höllen) besser verstehen. Die bisherigen Forschungen in diesen Bereichen weisen darauf hin, dass früher zyklische Zeitvorstellungen (mit einem Kreislauf auf Auf- und Niedergang) geherrscht hätten, wogegen sich mit dem Aufkommen des Monotheismus (Eingottglaubens) ein neues Schema zeitlichen Fortschritts durchgesetzt habe: Gute Schöpfung – Verderbnis & Prüfung – Apokalypse – Messianisch-glückliche Endzeit. “Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.” Säkulare Weltanschauungen wie der Sozialismus, Nationalismus und auch (Trans-)Humanismus hätten diesen monotheistischen Fortschrittgsglauben dann (überwiegend unbewusst) aus den Religionen übernommen: Früherer Paradieszustand – Verderbnis & Verschwörung – Aufklärung & Revolution – Glückliche Endzeit.

In einem früheren Blogpost hatte ich ein Musikvideo zur linksextremen Katastrophenlust der Band K.I.Z. (“Hurra diese Welt geht unter!”) thematisiert, hier eine gnostisch-verschwörungsgläubig aufgeladene Version des Rappers Kollegah (“Apokalypse”), in der er sich selbst als Messias vorstellt:

https://youtu.be/QZXCqTe5__A

Wir sprechen hier also nicht von einem nur historischen, sondern einem alltäglichen, politischen wie auch populärkulturellen Thema (man denke nur an Filme!). Doch wirklich große, interdisziplinäre und kulturvergleichende, vor allem auch empirisch unterlegte Studien fehlen dazu meines Erachtens nach leider immer noch – wir ahnen und vermuten (!) viel, wissen aber zum Beispiel über die Psychologien von mythischen Ängsten (von Migration bis Chemtrails) und Hoffnungen noch immer zu wenig.

“Früher war alles schlechter” von Guido Mingels

Immerhin ist aber inzwischen stark belegt, dass Menschen tatsächlich zur Konzentration auf Negatives neigen, gesellschaftlicher Optimismus also eine kulturelle und immer wieder bedrohte Leistung darstellt. So engagiert sich der studierte Germanist, Linguist und Philosoph Guido Mingels seit einigen Jahren mit seiner journalistischen Arbeit, in der er den meist negativen “Headlines” (Schlagzeilen) die häufig sehr viel erfreulicheren “Trendlines” (längerfristigen Trends) gegenüberstellt. Auch für mich persönlich gehört die datenreiche Rubrik “Früher war alles schlechter” inzwischen zu den stärksten Leseargumenten für den SPIEGEL.

Auf das Jahresbuch dazu will ich in Zukunft nicht mehr verzichten, da es auch die eigenen, häufig unbewussten und unreflektierten Annahmen durch empirische Daten hinterfragt.

Der “Früher war alles schlechter”-Band von 2016. Foto: Michael Blume

Als Erklärungen für die Stärke angstverzerrter Wahrnehmungen der Weltlagen verweist Mingels dabei einmal auf die menschliche Tendenz zur Nostalgie: Unser Gehirn erinnert frühere schöne Ereignisse (zum Beispiel “weiße Weihnachten”) stärker als den Alltag, so dass “früher” als tendenziell “schöner” erinnert wird. Zweitens begünstige unsere evolvierte Psyche schon aus Gründen der Selbsterhaltung negative und gefahrenverheißende Informationen gegenüber Neutralem oder gar Positivem. Und darauf reagierten wiederum, drittens, um Aufmerksamkeit konkurrierende Medien mit einem Angebot, das Ängste, Paniken und Krisen bediene und schüre. Bad News are Good News. “Heute erneut keine Hungersnot ist nun mal keine Schlagzeile.” (S. 9)

Interessanterweise pflegen dabei – so möchte ich ergänzen – ausgerechnet jene extremen Medien die Angstverzerrungen, die den “Mainstream-Medien” gerne Vertuschung und Lüge vorwerfen.

So zeigt Mingels in stark bebilderten Datengrafiken beispielsweise auf, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland von 1550 bis 1850 um gerade einmal zwei Jahre stieg: Von 39 auf 41 Jahre. Um 1900 waren es bereits 46 Jahre, um 1950 (nach den beiden Weltkriegen!) 69 Jahre. 2011 waren bereits 81 Jahre erreicht – und ein Ende ist nicht in Sicht (S. 12/13).

Doch auch die malthusianische Panik vor einer drohenden “Überbevölkerung” verliere ihren Schrecken, zumal auf allen Kontinenten die Geburtenraten auf derzeit nur noch 2,5 einbrächen, mit Afrika “erst” seit den 1960er Jahren als Schlusslicht im Rückgang der Fertilität (S. 14/15).

Oder nehmen wir das Anfang der 1980er Jahre verkündete Waldsterben: Tatsächlich wuchs die Waldfläche in Deutschland seit 1970 auf nun 11,4 Millionen Hektar. Der Zuwachs um eine Million Hektar entspricht dabei der Größe Jamaikas. (S. 32/33)

Die Zahl der Suizide in Deutschland ging von einem Höchsstand von 236 pro einer Million Einwohner in 1980 auf zuletzt nur noch 126 pro Million in 2014 zurück. Und sie lag – von der dortigen, autoritären Staatsführung selbstredend verschwiegen – im “sozialistischen Arbeiterparadies” DDR stets deutlich höher als in der gerne beschimpften, sozialen Marktwirtschaft der alten und nun wiedervereinigten Länder. (S. 74/75)

Oder nehmen wir internationale Daten: Die Zahl der Kriegstoten pro 100.000 Menschen hatte in den 1940er und 1950er Jahren mehr als 20 betragen, in den 1970er Jahren immer noch mehr als 5 – seit dem Jahrtausendwechsel liegt sie unter 3. (S. 40/41) Selbstverständlich kann ich gerade auch aufgrund der Irak-Erfahrungen nur betonen, dass jedes einzelne Kriegsopfer eines zuviel ist – doch gerade deswegen sollten wir auch die großen Fortschritte in der Friedenssicherung in Europa und darüber hinaus anerkennen. Das Engagement für Frieden ist erfolgreich, wenn auch noch nicht am Ziel.

Vorgestellt wird auch der nach seinem Entdecker benannte “Flynn-Effekt”, nachdem der durchschnittliche Intelligenzquotient weltweit von 1909 bis 2013 um volle 30 Punkte gewachsen sei – vor allem aufgrund von mehr Bildung, Wohlstand und besserer Ernährung. (S. 84/85)

Was glauben, hoffen, fürchten Sie?

Die empirischen Daten scheinen also eine klare Sprache zu sprechen – doch gerade auch die Freiheiten der demokratischen Rechtsstaaten erlauben es, die erreichten Fortschritte zu ignorieren oder in Frage zu stellen. Während Diktaturen jede abweichende Lesart von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unterdrücken und verfolgen können, können freie Menschen und um Aufmerksamkeit konkurrierende Medien jede Statistik bezweifeln, überall Verschwörungen wittern oder auch einfach davon ausgehen, dass die aktuelle Entwicklung eine letzte Scheinblüte vor der weltlichen Apokalypse darstelle.

Die Zukunft ist offen, noch unbekanntes Land. Und sie wird immer auch gestaltet werden aus dem, was wir heute – religiös oder säkular – glauben…

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

41 Kommentare

  1. Dr. Michael Blume,
    …..Angst und Zuversicht,
    als Beispiel wähle ich CDU und AfD.
    CDU Wähler sind die Etablierten mit “Pensionsanspruch” mal bildhaft gesprochen.
    AfD Wähler sind das restliche Drittel, mit Hartz IV , ohne Eigentum , so einfach!
    Dazu kommt noch unsere Presse. Es ist leichter mit negativen Meldungen “Kasse zu machen” als mit positiven.
    Wenn sich einer zu Wort meldet, dann um seinen Unmut kund zu tun, und nicht um die “Schöpfung zu loben”.
    Soweit ist alles normal.
    …….Scheinblüte vor der Apokalypse.
    Da müssen wir uns tatsächlich an die eigene Nase fassen, so wie beim letzten Tanz auf der Titanic.
    Andererseits tun wir so, als ob wir unsterblich wären.Da wäre etwas mehr geistiger Tiefgang angesagt. Aber dass ist der Trend. Irrationales ist nicht gerade hipp und wir haben alles fest im Griff, sogar den Stellvertreterkrieg im Nahen Osten. Die Atomkraft ist mittlerweile doch als Gefahr erkannt und deshalb besteht insgesamt Hoffnung. Hoffnung , dass sich die Vernunft durchsetzt. Auch die drohende Klimakatastrophe führt den Menschen wieder zurück zu seinen Wurzeln.

  2. Zitat:“Die Zukunft ist offen, noch unbekanntes Land.” Genau. Das ist der entscheidende Punkt und ebenso wichtig: Die Zukunft müssen wir alle noch bis zu unserem Tod erfahren und erleben – und sie kann ebensogut besser als auch um Vieles schlechter als die Gegenwart sein. Wer sich allem gewappnet fühlt, der muss sich vor der Zukunft nicht fürchten. Doch wer kann sich heute allem gewappnet fühlen? Niemand, kein Einzelner und auch nicht die Gruppe oder selbst das Land zu dem er gehört, denn die am weitesten verbreitete Erzählung über die nahe Zukunft ist die der Disruption und dieser Disruption kann keiner entgehen, denn heute ist alles verbunden, hat alles globale Auswirkungen wie uns die US-Finanz-und Immobilienkrise gezeigt hat, welche Europa härter getroffen hat als das Ursprungsland.
    Die Disruption: Alles wird anders durch die Digitalisierung, den Klimawandel, die zunehmende Migration vom Süden in den Norden, die zunehmende Überalterung, das Unwissen welche Macht den zukünftigen Welthegemon stellt. Viele spüren deutlich, wir sind jetzt nicht in einer Konsolidierungsphase oder in einer Phase der Entfaltung beispielsweise der Wirtschaft oder der Demokratie, sondern in einer Phase des Umbruchs und der Ungewissheit. Das beflügelt Optimisten ebenso wie Pessimisten – nur haben Pessimisten und Apokalyptiker die stärkeren Bilder und Symbole und sie können diese Bilder und Visionen heute viel leichter weltweit bis in den letzten und privatesten Winkel (für viele sind die jederzeit abfüllbaren sozialen Medien das Privateste) verbreiten.

  3. Es ist die Bewusstseinsschwaeche (ein genetisches aber/und absolut verarbeitbares Erbe unserer Entwicklungsgeschichte), die stets an den Zeitgeist angepasst und somit hierarchisch gepflegt wird, wobei diese Hierarchie eine Welt- und “Werteordnung” generiert, die stets gleichbleibend-verachtenswert eine Menschlichkeit von arm & reich, Gewinner & Verlierer und Opfer & Sündenböcke zum schöpferischen Willen erhebt, oder in der scheinbaren Sicherheit des Zeitgeistes, diese Schwäche als unveränderbares Element zur bestmöglichen Form von Vernunft REKAPITULIERT!

    “Wie im Himmel all so auf Erden” – Eine nie annähernd versuchte Vorgabe/Philosophie, denn Mensch “ALLEIN”, ist nicht der Sinn. 😎

  4. Pingback:Zukunftsglauben zwischen Paradies und Hölle, zwischen Demokratie und Extremismus | Ruhrbarone

  5. Es erstaunt mich ein bisschen, dass die Lebenserwartung um 1850 nicht deutlich höher gewesen sein soll als in der frühen Neuzeit. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde nämlich in einigen deutschen Staaten (zuerst in Bayern!) die Pockenschutzimpfpflicht eingeführt. Außerdem hatte die Pest an Virulenz verloren, und es gab auch andere zarte Anfänge der evidenzbasierten Medizin.
    Sollten also die Schrecken des Frühkapitalismus all diese Vorteile “gefressen” haben? Es fällt mir schwer, dies zu glauben.

  6. Vom zweituntersten Quintil der Einkommensverteilung abwärts ist in den reifen Industrieländern ein (langsamer) Niedergang beobachtbar. Das Wirtschaftswachstum wird vom obersten Zehntel eingetütet.
    Dies ist offensichtlich nicht ewig in die Zukunft fortsetzbar.
    Wieder ein Grund für Optimismus! Langfristig, jedenfalls (geschlagen ziehen wir nach Haus, unsre Enkel fechten’s besser aus).

    • @wereatheist

      Interessanterweise gelingt es dabei Rechtspopulisten, gerade auch Ärmere gegen ihre eigenen Interessen stimmen zu lassen. Dabei wird die Unzufriedenheit von den eigenen Gutverdienern auf Migranten, Minderheiten und Gebildete umgelenkt. Sowohl Trump wie AfD machen ja keinen Hehl aus ihrer Verachtung von Sozialstaat und Umverteilung.

      Linkspopulisten ruinieren dagegen ihre Gesellschaften und auch Wählerschaften regelmäßig durch eine ruinöse, planwirtschaftliche Politik.

      Dagegen haben sich liberal akzentuierte Politiken einer sozialen Marktwirtschaft nie als perfekt, aber in der Summe als erfolgreich erwiesen. Von größter Bedeutung scheint mir ein breites und aufstiegsorientiertes Bildungssystem zu sein.

  7. Was das Bildungssystem angeht, volle Zustimmung.
    Dass Arme, die für die Rechtspopulisten/Trump stimmen, sich selbst schaden, ist auch klar.
    Aber auch Leute, die für Schröder & Clement (der Huguenot und Turbo-Calvinist) gestimmt haben, waren vielleicht schlecht beraten.

    • Zitat:“Dass Arme, die für die Rechtspopulisten/Trump stimmen, sich selbst schaden, ist auch klar.” Trump versprach Jobs anstatt Sozialhilfe. Das wirkliche Problem für die Abgehängten ist tatsächlich, dass es für sie keine Jobs mehr gibt, höchstens mehr Sozialhilfe.

  8. Zukunftsglauben,
    es ist schon seltsam, dass man bei der Zukunft von Glauben spricht, während die Konzerne sehr genaue Vorstellungen von der Zukunft haben, wenn sie in die Zukunft investieren.
    etwas präziser wären “Zunkunftsvorstellungen”, die man dann auch präzessiert.
    Das vermisse ich in der Diskussion. Z.B. wird in der Politik gefordert (vorhergesagt), dass 2030 keine KFZ mit Verbrennungsmotoren mehr gebaut werden.
    Sogar Winfried Kretschmann nennt diesen Termin utopisch.
    Oder die Senkung der CO2 Gase. Das ist Wunschdenken, solange der KFZ-Bestand zunimmt.
    Was fehlt? Eine verlässliche Informationquelle, die nicht im Verdacht steht ideologisch zu sein. Gibt es so etwas?

    • “während die Konzerne sehr genaue Vorstellungen von der Zukunft haben, wenn sie in die Zukunft investieren.”

      Nein, die haben keine genauen Vorstellungen, das ist Fassade. Ich kannte einen Manager of Sale, der musste für eine ziemlich große Logistikfirma für seinen Bereich jährlich einen Geschäftsplan für das nächste Jahr erstellen. Er nannte das einen Blick die Glaskugel. Er musste ständig wichtige Entscheidungen ohne hinreichendes Wissen treffen, es war praktisch nicht möglich. Er säße auf einem Stuhl mit drei Beinen, der ständig wackele, hat er mir erzählt. Vor den Angestellten hat er so etwas natürlich nicht erzählt.

    • Lieber @bote17,

      Sie fragten: Was fehlt? Eine verlässliche Informationquelle, die nicht im Verdacht steht ideologisch zu sein. Gibt es so etwas?

      Leider muss ich Ihnen dazu schreiben: Nein, das gibt es nicht – denn schon jede Wahrnehmung, Rekonstruktion und erst Recht Weitergabe von Informationen wird durch Menschen geprägt. Und wir alle haben nicht nur unsere (bewussten und vorbewussten) Vorannahmen und Vorurteile, sondern auch unsere (ebenfalls bewussten und vorbewussten) Interessen. Das gilt für Politikerinnen ebenso wie für Journalisten, für Bürgerinitiativen ebenso wie für Kirchenleute, Unternehmerinnen und Wissenschaftler. Vertreter der Atomkraftlobby werden daher Sachverhalte stets anders wiedergeben und weitergeben (und ggf. auch andere Studien beauftragen) als Vertreter der Kohlestrom- oder Solarenergielobby. Die Vorstellung, wir müssten nur “die Guten” von “den Bösen” scheiden oder alle Wissenschaft wäre richtig oder falsch, greift da leider zu kurz. Ein aktuelles Beispiel für eine solche schmerzhafte Debatte ist die Meldung über das vermeintlich die Menschheit bedrohende “Bienensterben”, vgl. http://meedia.de/2017/07/18/angeblicher-insektenschwund-wie-die-medien-in-die-gruen-rote-wahlkampffalle-tappten/amp/

      Helfen können m.E. nur zwei Aspekte:

      1. Wir sollten uns darüber klar sein, dass wir alle (!) blinde Flecken in unserer Wahrnehmung und auch Interessen haben. Dagegen hilft, in möglichst vielfältigen Teams und Umgebungen zu arbeiten, um auch auf Übersehenes hingewiesen zu werden und Gegenargumente kennenzulernen. Diversität ist also nicht nur ein pseudo-tolerantes Modekonzept, sondern der zentrale Schlüssel, um im Zeitalter der Informationsfluten den Überblick zu verbessern und gemeinsam bessere Entscheidungen zu treffen.

      2. Die wissenschaftliche Methode und (evolutionäre) Erkenntnistheorie werden als Werkzeuge immer wichtiger, um Theorien von Mythen und plausible Aussagen von Halbwahrheiten und Lügen zu unterscheiden. Auch hier sind wir alle – und eben nicht mehr nur “die Profis” – gefordert, um zum Beispiel starke Argumente würdigen wie auch Manipulationen zurückweisen zu können. Daher vertrete – und lehre – ich das Ideal einer “redaktionellen Gesellschaft”, in der möglichst viele Menschen Medien nicht nur passiv konsumieren, sondern als “Prosumenten” mitbedenken und mitgestalten – und also weder in blinder Ergebenheit erstarren noch in absurden Verschwörungsglauben abdriften.

      Ich glaube, dass an diesen Fragen für unsere Zukunft sehr viel hängt…

      • Zustimmung zu Zitat:“das Ideal einer „redaktionellen Gesellschaft“, in der möglichst viele Menschen Medien … als „Prosumenten“ mitbedenken und mitgestalten”.
        Konkret: Aussagen in Medien haben 1) eine Faktenbasis 2) sind eingebettet in einen grösseren Rahmen 3) Zielen auf etwas ab, sind also absichtsvoll/intentional.
        Es fällt gestern und heute vielen Menschen schwer, diese 3 Dinge auseinanderzuhalten und damit über die reine Meinungsebene hinauszukommen – und es ist in der Tat schwer.
        Das wichtigste ist sicher die Faktenbasis von Medienberichten. Fakten/Tatsachen sind darum wichtig, weil diese fast immer wichtige Bausteine sind auf die sich die Überlegungen und Aussagen von Meinungsartikeln abstützen. Per definitionem beansprucht eine Tatsache eine wahre Aussage zu sein. Ob das überhaupt zutrifft, das ist das erste was zuerst der redaktionelle Apparat und dann die Leser überprüfen sollten. Und heute können so etwas auch zu diesem Zweck organisierte Freiwillige über die Internetrecherche tun. Die geplante Site Wikitribune des Wikipedia-Gründers beabsichtigt genau das: die Faktenbasis zu den News durch ein Team von Journalisten und Bürgern zu überprüfen und diese Wahrheitssuche als Prozess festzuhalten.
        So etwas – Fakten überprüfen – ist überfällig, denn anders als uns gewisse Leute heute weiss machen wollen ist nicht alles Interpretationssacche. Man kann sehr wohl zwischen wahr und falsch unterscheiden.

  9. @bote 17
    Gibt es! Die Erhebungen des statistischen Bundesamtes. Die Ideologie fließt erst bei der Interpretation der Daten ein, und zwar bei nahezu allen, die diese Daten zu politischen Zwecken (miß)brauchen.

  10. Die bisherigen Forschungen sind Indiz dafür, dass Religion und Glaube für die Menschwerdung wenigstens ebenso entscheidend war und ist wie etwa Wissenschaft. Ob Wissenschaft in Zukunft den Glauben und Religion zumindest in der westlichen Hemisphäre insofern verdrängen kann, dass aus Wissenschaft Werte – unbewusst oder unbewusst an die Werte aus dem Monotheismus angelehnt – entspringen, die Religion und Glaube als Folge obsolet machen wird eine interessante Entwicklung sein. Ich glaube nicht, dass es Extremisten sein werden, die sich durchsetzen und letztlich Erfolg haben werden sondern ein “Neotranshumanismus”, der den Menschen und seine Rolle in der Natur als Ganzes besser versteht, denn das Rüstzeug dazu haben wir uns in den letzten Jahrhunderten erarbeitet (Theorie ist da, das praktische Verständnis muss folgen).

    Das Thema des Klimawandels sowie die Vorteile einer sinnvoll genutzten Globalisierung könnten der Beginn eines kollektiven Bewusstsein für gemeinschaftliche Problemlösungsfindung darstellen und Menschenrechte endlich zu mehr machen als zu uneinklagbaren Idealen. Dank mutiger Rechtsprechung und der herzergreifenden Geschichte um Schimpansendame Cecilia sind wir auf gutem Wege, auch anderen Lebewesen endlich Rechte einzuräumen, was Grundlage für das notwendige Verständnis sein kann, nicht allein über ein natürliche Gleichgewicht bestimmen zu können.

    Es gibt gute Gründe der Entwicklung mit positiven Gefühlen entgegen zu treten genauso wie es Gründe gibt, daran zu zweifeln. Allein durch die Darstellung in Ihrem Buch “Öl- und Glaubenskriege” sowie dem Blick auf die Gegenwart – vor allem jedoch nach hinten – könnte erhebliche Zweifeln aufkommen lassen. Es sind jene Optimisten und/oder Aufklärer, sei es aus Wissenschaft oder Religion oder beidem, die – bewusst oder unbewusst – dafür eintreten, dass Dinge nicht nur im Sinne einer Seite beleuchtet, sondern im Kontext einer gesamtheitlichen (menschlichen) Entwicklung verstanden werden (wie bspw. Historiker H. A. Winkler mit seinem normativen Weg des Westens)

    Wir mögen gesamtheitlich nicht mehr sein, als die Summe der Einzelteile. Aber wir sind mehr, als wir uns zutrauen. Wir sind gerade dabei, uns selbst besser zu verstehen. Evolutionsbiologisch haben wir somit die gänzliche Reife sicher noch nicht erreicht. Was auch bedeutet, dass wir noch ein wenig Zeit brauchen werden und möglicherweise den einen oder anderen Rückschlag oder in die eine oder andere faule Nuss beißen müssen.

    Wenn sich dagegen die Alternative einstellen sollte, wird die Natur oder Gott mit einem neuen Weg fortfahren. So wie sie dies bereits seit Milliarden von Jahren macht 😉

    • @Martin Schmidt: Zitat:“Ob Wissenschaft in Zukunft den Glauben und Religion … verdrängen kann, …” Wissenschaft schafft es nicht bis zum Bürger – höchstens Technik tut das. Und für viele ist fortgeschrittene Technik – etwa das selbstfahrende Auto oder Siri/Alexa -, genauso magisch wie früher das (behaupeten) Wunder der Eucharistie. Glauben gibt es heute (fast) soviel wie früher, nur ist es heute bei vielen ein säkularer Glaube, kein rein diesseitiger Glaube mehr. Zu den säkularen Glaubensbekenntnissen gehört beispielsweise der Glaube an die Persönlichkeitsrechte eines jeden Mitmenschen und ein Glaube ist das, weil es zugleich ein Ziel und ein Auftrag ist oder – etwas profaner – der Glaube vieler an die Erneuerbaren als Lösung aller Energieprobleme und als Kommunion von Natur und Technik. Auch hier gibt es ein Ziel, nämlich 100% Erneuerbare, und einen Auftrag, nämlich den Auftrag alles nicht Erneuerbare durch Erneuerbares zu ersetzen. Insoweit haben auch säkulare Glaubensbekenntisse wie die oben beschriebenen ein Element der Transzendenz, indem sie eine Mission und ein erst in der Zukunft erreichbares Ziel beinhalten. Letzlich unterscheidet sich religiöser und sakraler Glaube (nur?) darin, dass der religiöse Glaube das Ziel im Jenseits, der sakrale aber im Diesseits hat.

  11. @Martin Schmidt
    So wie sie dies bereits seit Milliarden von Jahren macht 😉
    Bis auf einen winzigen Teil allerdings ohne Menschen!

    • @teiresias
      Am Menschen zu zweifeln ist gemessen daran, wozu er imstande ist, durchaus angebracht. Und ebenso ist das Gegenteil der Fall. Wovon wir uns lösen müssen ist die (hoffnungsvolle) Vorstellung, der Mensch würde sich aufgrund seiner Möglichkeiten zu einem Wesen verändern, das gesamtheitlich ausnahmslos “Gutes” vollbringt. Das Konzept Mensch hat sich offenbar als vorteilhaft erwiesen, denn sonst würde es ihn nicht geben. Gemessen an den Gründen und dem Antrieb für die natürliche Selektion (worauf begründet sich denn eigentlich die natürliche Selektion?) hat das Konzept Mensch einen Sinn. Vielleicht jedoch einen anderen, als wir erwarten oder wir uns wünschen würden. Man muss unterscheiden zwischen dem Konzept Mensch, d. h. dem Lebewesen und dem Menschen, der gegenwärtig lebt oder gelebt hat. Ich postuliere, dass jede Generation behauptet, dass früher alles besser war. So wie Michael Blume zu Beginn seines Artikels. So wurde bspw. mein Großvater während des Zweiten Weltkrieges verwundet, hatte furchtbare Gräueltaten von Menschen an Menschen miterleben müssen. Trotzdem leuchteten seine Augen jedes Mal, wenn er von “damals” sprach. Möglicherweise entspringt diese Sichtweise dem stillen und unbewussten Eingeständnis, nicht mehr jung sein und der Zeit seinen Stempel aufdrücken zu können oder sich nicht länger mit dem identifizieren zu können, was die Gegenwart einem bietet. Und erst recht entspricht es nicht der Wertvorstellung der Menschen über sich selbst, der menschliche Würde, sich nur als Ergebnis und ein Instrument der Evolution anzusehen, denn dadurch wäre die Frage nach der Selbstbestimmung und eines Determinismus obsolet.

  12. Martin Schmidt,
    ….ausnahmslos Gutes vollbringen.
    Die allgemeine Enwicklung der Erdbevölkerung bestätigt den Optimismus. Wer hätte vor 100 Jahren an die Vereinten Nationen gedacht, oder von einer Menschenrechtskonvention?”
    Die Religionen müssen allerdings auch anfangen global zu denken und erkennen, dass der Gott der Christen der gleiche ist, wie der der Hindus, der Moslems und aller anderen Menschen auch.

    • @bote17: “Wer hätte vor 100 Jahren an die Vereinten Nationen gedacht, oder von einer Menschenrechtskonvention?“ Wobei: Sind schariakonforme Menschenrechte identisch/kompatibel mit den Menschenrechtskonventionen der Uno? Und gibt es nicht selbst in der UN-Menschrechtskonvention Versuche, behauptete Verletzungen von Menschenrechten als politisches Mittel einzusetzen.

  13. Es wird immer alles im Durchschnitt besser, dies ist der zivilisatorische Maßstab, an dem sich sinnhafterweise festgehalten werden kann bis muss, denn die diesbezügliche historische Datenlage ist gänzlich klar. [1]

    Wobei es allerdings “Durststrecken” gab und diese konnten auch schon mal recht lange dauern, wiederum die historische Datenlage meinend.
    Diesen gilt es sich dort, wo es erlaubt ist, auch weil sie wiederkommen könnten, zeitnah entgegenzustellen, als Bürger, und hier zu fordern Fürsorge zu treffen.

    Womöglich ist die kleine Grafik, die auf einer Erfassung von Ipsos beruht, hier hilfreich. – Hilfreich auch dahingehend zu verstehen, dass einige diesen “Durststrecken”, und es zeichnet sich hier ganz zweifelsfrei in Europa eine “Durststrecke” ab, so meint jedenfalls der Schreiber dieser Zeilen, vorgebeugt sehen möchten, so dass eine Forderung vorliegt, der demokratisch, gerade auch von Mandatsträgern, entsprochen werden darf, ihr Handeln meinend.

    Werbefilmchen der Herkunft ‘Konrad-Adenauer-Stiftung’, die persönliche Befindlichkeiten visualisieren und im Audio verfügbar machen, irritieren hier eher, weil nebensächlich.
    Zudem ist die ‘Konrad-Adenauer-Stiftung’ eine Art staatsnahe oder aus staatlichen Mitteln getragene “NGO”, korrekt?
    (Derartige “NGOs” machen das, was der Staat mit seinen Amtsträgern nicht machen darf, nämlich : politisch zu werben. – Dies wissen einige nicht, es gibt für den Staat ja eine Neutralitätspflicht im regulären politischen Diskurs, der eben durch die hier genannten “NGOs” umgangen wird. – Was einige gar nicht gut finden, denn durch eigenes Steuergeld politisch belehrt zu werden kann der Steuerzahler nicht gut finden, denn der ist ja der Souverän.)


    Also, Dr. Webbaer gibt (auch) hier Rat und rät an sich dem, was da offensichtlich kommt, zu stellen, hier auch kritisch zu begleiten – und immer die Möglichkeit im Hinterköpfchen zu behalten, dass diese gesellschaftlichen Systeme auch scheitern könnten.

    MFG
    Dr. Webbaer

      • Lieber @Webbaer,

        lieben Dank für Ihre Kommentare, die ja den obigen Blogpost ebenfalls bestätigen: Während ich viele Gründe für einen Optimismus sehe – ohne die Herausforderungen und Probleme z.B. des demografischen Wandels zu leugnen -, überwiegt bei Ihnen die Angst vor einer bald eintretenden “Durststrecke”, wenn “die Mandatsträger” nicht schnell gegensteuerten. (Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, so fürchten Sie maßgeblich weitere Zuwanderung und eine sog. “Islamisierung”.)

        Zu den parteinahen Stiftungen habe nicht nur ich eine sehr positive Haltung – auch, weil ich selbst aus einer Nicht-Akademiker-Familie kommend von einem Stipendium der Begabtenförderung profitiert habe. Das Geld war dabei weniger wichtig als die Anerkennung und vor allem Förderung in Seminaren etc., die mich inhaltlich, kulturell und sicher auch psychologisch weiterbrachten. Darüber hinaus erlebe ich es so, dass die Präsenz steuerfinanzierter Stiftungen für alle etablierten Parteien den Einfluss von Großspendern und Lobbyorganisationen (wie den US-PACs bzw. Super-PACs) erheblich reduziert und Räume für grundlegende, inhaltliche Arbeiten schafft. Der Gründungsimpuls nach dem 2. Weltkrieg zur Förderung und Festigung des demokratischen Engagements hat sich meines Erachtens sehr gut bewährt und trägt zum Erfolg unserer Demokratie vieles bei.

        Selbstverständlich ist es aber völlig legitim, auch dies anders zu sehen und auf eine Abschaffung dieser Stiftungen hinzuwirken. Allerdings erlaube ich mir den Hinweis, dass nicht nur die Linke zügig selbst eine Stiftung ins Leben gerufen hat; sondern die AfD noch vor ihrem Einzug in den Bundestag gleich mit zwei (!) konkurrierenden Stiftungen an den Start ging…
        http://www.stern.de/politik/deutschland/afd-macht-sich-mit-zweiter-stiftung-selbst-konkurrenz-7369160.html

        Offensichtlich setzen sich dort schon jetzt Erkenntnisse durch, nach denen “das System” gar nicht so schlecht sei, wie gerne plakativ behauptet…

        • Lieber Herr Dr. Blume,
          die Vermengung eines aufklärerischen Staats, der i.p. staatlich finanzierter Meinung, realiter in Form von Stiftungen macht, die in der BRD auch die AfD anstrebt, ist dem Schreiber dieser Zeilen ein Gräuel. (Vgl. mit dem staatlichen Neutralitätsgebot, bei besonderem Bedarf wird Dr. Webbaer diesbezüglich beibringen.)

          Um staatliche oder die Meinung von Mandatsträgern von Steuergeldern finanziert voranzutreiben.
          (Stichwort : Parteienstaat (der eben an sich abzulehnen ist))

          Herr Dr. Konrad Adam weiß um dies, er kann auf eine solide Karriere verweisen, er ist schon insgesamt sehr nett und vertritt insbesondere auch konzediert (das Fachwort) liberale Positionen.
          Er ist OK, sozusagen.

          Herr Dr. Konrad Adam ist hier formal unterwegs, um diese Möglichkeit in einem Gerechtigkeitssinn auch für die AfD anzustreben, um sie erklärtermaßen in der Folge abzuschaffen. [1]

          Diese (erklärte) Rekursion ist hier bemerkt worden.
          Er beißt sich erklärtermaßen ins eigene (Afd-)Bein.


          Wobei es diese “Durststrecken” gerade dabei sind es Euch zu richten.
          Hier muss nicht abgelenkt werden, Ihr Kommentatorenfreund nahm gerne die Hand an, um hier auch anderweitig auszuteilen, Dr. Webbaer ist ja nicht konservativ (“rechts”).
          Diese Islamisierung kommt ja an, in der BRD, aus dem Ausland auch derart irgendwie als promoviert erscheinend.

          MFG
          Dr. Webbaer

          [1]
          Schmunzel, schmunzel, seine Nachfolger betreffend…

  14. Zitat: “Optimismus und Tatendrang ist für lebendige, dynamische Gesellschaften unverzichtbar” Ja, doch »Fortschrittsoptimismus« würde ich nicht mit dem Christentum/Judentum/Islam verbinden, denn dort bringt erst das jüngste Gericht (nach der Apokalypse) die Erlösung – und dies erst noch im Jenseits.
    Die Konrad-Adenauer-Gesellschaft und die moderne CDU/CSU, aber natürlich auch alle anderen Parteien knüpfen bei ihren Zukunftsversprechungen nicht beim Christentum an. Das können sie gar nicht, weil die Zukunftsversprechungen der politischen Parteien sehr von dieser Welt sind und das Christentum wenn schon über seine Idee der Nächsten-, gar Feindesliebe noch eine Perspektive für diese Welt anbietet, nicht aber über christliche, letztlich apokalyptische Zukunftsvisionen à la Martin Luther, Albrecht Dürer und Zeitgenossen. Es stimmt aber dass es transhumanistische Visionen gibt, die sehr an die christlichen erinnern – nur wird im Christentum der Mensch von dieser Welt erlöst, während im Transhumanismus die Welt vom Menschen erlöst und durch KI’s ersetzt wird.

    Wie aber lautet denn die Fortschrittsdiagnose für Deutschland und für die gesamte menschliche und nichtmenschliche Welt und wo stehen wir heute. Hier gibt der Artikel Toward a Democratic Vision for the Biosphere einen guten Hinweis (Zitat, übersetzt von google translate):“Während die Zeiten für die meisten Menschen wahrscheinlich nie besser waren, gilt das Gegenteil für den Rest des Lebens auf der Erde: Weniger als ein Viertel des Erdlandes bleibt ohne menschliche Populationen oder Landnutzung.Wildarten, besonders Wildtiere verschwinden schneller, als sie gezählt werden können.”

    Das sehe ich auch so: Für immer mehr Menschen wird das Leben hier immer besser, weil der Wohlstand zunimmt und die Politik immer wieder Fehlentwicklungen in Richtung Ungleichheit korrigieren will und es teils auch tut.
    Die Welt für die meisten Menschen sogar trotz Klimawandel und Artensterben besser, denn mit mehr Wohlstand und Geld kann man sich gegen die Auswirkungen des Klimawandels besser schützen und aus rein menschlicher Sicht sind die meisten Tier- und Pflanzenarten nicht nötig. Damit aber steht folgendes Szenario und folgende Frage im Raum (übersetzt mit google translate, von mir verbessert): “Stellen Sie sich einen Planeten ohne wilde Orte vor. Einen Planeten, der mit Aquakultur, Plantagen, Umlandgebieten, Bauernhöfen, Dörfern und Städten bedeckt ist, wo wilde Kreaturen und naturbelassene Orte, wenn sie überhaupt noch existieren, nur noch am Rande von kultivierten Landschaften, Stadtlandschaften und Seenlandschaften vorkommen.
    Ist das der Planet, auf dem sie wohnen möchten?”

  15. Es wäre ja okay, wenn Herr Blume den Menschen empfohlen hätte, sich an der Realität zu orientieren, ihren eigenen Erfahrungen zu trauen und daraus ihre eigenen – optimistischen oder pessimistischen – Schlüsse zu ziehen.
    Statt dessen fordert er, das Denken nicht auf seinen Wahrheitsgehalt, sondern auf seine “optimierende” Wirkung hin zu beurteilen: innerweltlicher Optimismus als allgemeiner Bürgerpflicht.

    Neu ist das nicht. Es war schon bei den Kommunisten und Faschisten Standard, hat die jeweiligen politischen Systeme aber nicht gerettet. Ist unser “parlamentarischer Kapitalismus” schon so weit, dass er zu demselben verzweifelten Mittel greifen muss?

    Das Christentum, wohlgemerkt, fordert von den Menschen weder innerweltlichen Optimismus noch innerweltlichen Pessismismus. Sollte die Religionswissenschaft nicht ebenso großzügig sein?

    • @Rainer Möller

      Wo genau “fordere” ich einen realistischen Optimismus? Ich empfinde ihn und bin auch der Auffassung, dass er individuell wie gesellschaftlich funktional sein kann. Mir ist keine dauerhaft dynamische Gesellschaft bekannt, die sich auf Panik und Pessimismus begründet hätte.

      Dennoch käme ich nicht auf den Gedanken, Ihnen oder sonstwem irgendeine religiöse oder weltanschauliche Haltung vorschreiben zu wollen. Wer beispielsweise gar keinen überzeitlichen Sinn des Lebens annimmt, kann Funktionalität für irrelevant oder sogar leidverlängernd halten. Stichwort #Anthropodizee.

      Seien Sie also versichert, dass ich aller und also auch unserer beider Freiheit achte und nicht normativ aufheben möchte. Zumal: Ohne Vielfalt nichts zu Forschen und auch keine Evolution! 😉 🙂

  16. Um einige Punkte aus den Facebookdiskussionen auch hier einzubringen:

    Zukunftsängste:
    Ich würde in Zukunftsängsten viel weniger das Phänomen “Früher war alles besser” sehen, sondern eher: “Früher war alles besser, vor allem die Zukunft.”
    Wenn ich die Generation meiner Eltern betrachte, dann haben sie wirklich essentielle, existentielle Verbesserungen erfahren.
    Bei der Generation meiner Großeltern, noch viel mehr.

    Es gibt die Gewissheit: Früher war alles schlechter, und anderswo, da ist es auch schlechter… Das “Schlechter” ist also ganz real vor Augen.

    Nun bleibt die Frage, was könnte denn existentiell noch besser werden ?
    Also so in der eigenen Erfahrungswelt hier in Deutschland ?
    Warmwasser kommt sauber aus der Wand, Essen gibt es reichhaltig und vielseitig, Waschmaschine und Trockner, Spülmaschine und Elektroherd, Zentralheizung – all diese Dinge zählen heute zum Existenzminimum, dazu auch Farbfernseher und eine Palette an Unterhaltungselektronik, und ein Auto haben die meisten auch…

    Das “Besser” ist nun nicht real zu sehen… es existiert rein in der Vorstellung,
    und was ist da im Angebot ?
    Das Elektroauto – ist lediglich deshalb so toll, weil es gegen den “Klimawandel” hilft, der das “Waldsterben” abgelöst hat… Die Verbesserung liegt vielleicht darin, das es selbstfahrend sein wird, und beim gemeinsamen Kneipenbesuch der Fahrer nicht ausgeknobelt werden muss..

    Der Wert der Jobsicherheit hat sich schon real verschlechtert,
    Zeitverträge und Zeitarbeit waren vor einigen Jahren noch kein Thema,
    Hier ist eben eine klare “Bedrohungslage” des persönlichen Wohlstandes gegeben, die Zusammen mit dem Bewusstsein, dass dieser nicht selbstverständlich ist, kritisch werden kann.

    Demokratische und Undemokratische Parteien:
    Demokratisch ist für mich die Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung.
    Undemokratisch ist, was die Abschaffung der verfassungsmäßig geschützten Grundordnung zum Ziel hat.
    Jeden, der nicht konsensfähig ist, als undemokratisch zu bezeichnen halte ich für demokratieschädlich..
    Es macht die Demokratie aus, dass es Minderheitsmeinungen gibt, und diese von der Demokratie geschützt sind..
    Wer nun den Begriff der Demokratie nutzt, um diese Minderheitsmeinungen auszugrenzen, vergeht sich in meinen Augen damit an der Demokratie.. Diese Form von “Extremismus” der Mitte – oder Mehrheit – stößt mir zur Zeit sehr sauer auf.

    Apokalyptisches vs Zyklisches Weltbild
    In meinen Augen sind in den meisten Betrachtungen beide Bildnisse beinhaltet, wie sie sich eben auch in historischen Entwicklungen Zeigen:
    Aufstieg und Niedergang von Zivilisationen, Reichen, Menschen, Firmen lässt sich immer wieder beobachten.
    Dabei geht es nicht um das absolute Ende, sondern um eben das Ende eines Zeitabschnittes, und einen Wandel, den dieser mit sich bringt.
    Hierbei ist so ein Übergang für die einen der Akt der Revolution in eine ruhmreiche neue Zeit, für den anderen der Verrat am einstigen Paradies.
    Entsprechend streben eben jene, die sich einen Wandel wünschen, im Extrem zur Apokalypse des derzeitigen, um im neuen einen Aufstieg dessen zu erleben, was sie sich wünschen.

    • @Thomas Hanisch

      Vielen Dank! Ich teile Ihre Auffassung, wonach sich lebensweltliche Erfahrungen in weltanschaulich-religiösen Resonanzen äußert. Phasen schneller wissenschaftlicher, technologischer und wirtschaftlicher Aufwärtsentwicklung wären demnach die seltenen und späten Ausnahmen, zyklische Zeitvorstellungen eher die Norm. Möglicherweise lassen sich so in Zukunft auch die selbstzerstörerischen Aspekte populistischer Bewegungen so besser verstehen.

      Freue mich auf den weiteren Gedankenaustausch! 🙂

  17. Der Zukunftseinschätzung “Alles wird gut” stimmen 74% der Anhänger von CDU/CSU zu, bei FDP sind es: 65%, bei SPD 59%, Linke 51%, AfD 23%. Je oppositioneller, systemkritischer die Parteien und ihre Anhänger sind, desto pessimistischer die Zukunftseinschätzung, wäre eine mögliche Interpretation. Dies wäre eine alternative Interpretation zu der hier im Beitrag gemachten(Zitat):“Anhängerinnen und Anhänger der demokratischen Parteien schauen überdurschnittlich hoffnungsvoll in die Zukunft, wogegen die Anhängerschaft der Linken nahezu hälftig, jene der AfD sogar zu drei Vierteln von Niedergangsängsten (fachdeutsch: Deklinismus) geprägt ist!”
    Die implizite Einschätzung von Linke und AfD als nicht demokratisch in der obigen Beurteilung ist problematisch. Sogar die Suchanfrage demokratische Parteien Deutschlands liefert als Suchergebnis alle Parteien in Deutschland – einschliesslich Linke und AfD. Man muss sogar erwarten, dass sich Anhänger von in der Opposition befindenden oder sich oppositionell gebenden Parteien weniger optimistisch in die Zukunft schauen. Wieviele der Anhänger von Linker und AfD würden ihre Partei aber als nicht demokratisch beurteilen?

    • @Martin Holzherr

      Meines Erachtens sind sowohl bei der Linken wie bei der AfD demokratische, aber eben auch links- bzw. rechtsextreme Flügel vertreten. Entsprechend halte ich ihre Lippenbekenntnisse zu unserer demokratischen Grundordnung für zweifelhaft. Nicht weniger, nicht mehr.

  18. Sein meinen dass zB.. der Klimawandel (erzeugt zB Wasserknappheit, Flüchtlingswellen, Kriege um Ressourcen, Kriege um Wasser, demnächst wohl “schlapp” China vs Indien, auch wegen der abschmelzenden Himalajagletscher, einer der Auslöser des Syrienkriegs soll eine Dürre gewesen sein, und nach der Luft ist das Wasser das zweitwichtigste Lebensmittel, ich war auch schon mal in der ressourcenknappen Sahelzone) und das eventuell größte Massenaussterben der Menschheitsgeschichte (beides primär durch den Menschen verursacht) keine zB existenziellen Probleme sind?

    Bei Bedarf erkläre ich gerne noch mal die wissenschaftlich völlig anerkannten Mechanismen des Klimawandels.
    Die Menschheit emittiert jährlich! ca 1-2% des atmosphärischen CO2-Inventars dazu.
    Und nur durch eine natürlichen Treibhauseffekt ist die Erde für Menschen überhaupt erst bewohnbar (die paar Treibhausgase heben die mittlere Temperatur um 33K von -18 auf optimale ehemalige +15°C).

    Das mit am erschreckendsten ist die Tatsache dass den Erklärungen der Regierungen handlungsmäßig exakt das Gegenteil gegenübersteht: die möglichst ungebremste Wachstums- und Globalisierungsreligion.

    Dass die Menschheit den kalten Krieg ein paarmal nur wie durch ein Wunder (je mehr man sich damit beschäftigt um so mehr versteht man das…) überlebt hat heißt ja nicht dass das so bleiben muß.
    Der menschliche Charakter, bzw seine “Defizite” haben sich ja nicht verändert.

    Gut jetzt werden die üblichen Misanthropen sagen: wenn sich die Menschheit ausgelöscht hat wird “die Evolution” (ist das eine Art neue Göttin?) eben was besseres schaffen…

    Aber manche fänden das eben auch schade.

    • @rap: Der Mensch hat schon immer anderen Menschen und seiner Umwelt auch geschadet. Das ändert aber nichts daran, dass es heute den meisten Menschen viel besser geht als ihren Vorfahren. Besser geht es den meisten der heutigen Generation sogar im Vergleich zur Generation der Eltern. Bis jetzt haben weder Umweltverschmutzung, vom Menschen ausgestossene Treibhausgase noch die Weltkriege daran etwas geändert, dass der Mensch immer mehr gemäss seinen Wünschen leben kann, dass er sein Glück mehren und Schmerz vermeiden kann.

      Doch tatsächlich schafft gerade dieser überwältigende Fortschritt auch Probleme und er garantiert nicht, dass es ständig so weiter geht. Der Mensch als nun dominanter Faktor des Erdsystems, den gibt es in Wirklichkeit nicht als handelndes Subjekt, sondern nur als Ansammlung von Menschen, von denen jeder einzelne vor allem sein eigenes Glück verfolgt. Nur wenige kümmern sich um grössere Zusammenhänge und es gibt nicht einmal Einigkeit wie die Menschheit diese grösseren Zusammenhänge beeinflussen oder steuern soll.

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