Zivilreligion des Lichts – Rabbi Sacks & jüdisch-christlicher Rap von den Jubalaires, Ben Salomo & Samuel Haas
Meine These über eine neuartige Verbindung von Chanukkah und Advent zu einer Zivilreligion des Lichts, die die einzelnen Religionen respektiert, fand sehr reges Interesse – Danke dafür!
Notizen zum gemeinsamen Chanukka-Advent-Licht-Noah-Festakt am 18.12.2022 in Pforzheim. Foto: Michael Blume
Auch hierzu möchte ich noch einmal den von mir verehrten Religionsgelehrten Lord Rabbi Jonathan Sacks seligen Angedenkens anführen, der noch zu Lebzeiten beschrieben hatte, wie der nichtjüdische Sowjetchef Michail Gorbatschow Teil der Chanukka-Geschichte wurde:
Aber über die Religionsgeschichte hinaus möchte ich auch auf die Musikgeschichte verweisen. Viele Akademiker:innen denken bei heutigem Rap vor allem an Antisemitismus, Rassismus, Sexismus, eben an feind-seligen Dualismus, mit dem sich Rapper gegen eine vermeintlich böse Weltherrschaft auflehnen.
Doch gerade auch die Entstehung der US-Antirassismus-Bewegung und des Sprechgesangs bezog sich von Anfang an zentral auf Mythen der Bibel, konkret der Thora – vor allem die Befreiungsgeschichte der Israeliten um Moses sowie den Regenbogen-Bund des Noah. Hören & sehen Sie hier etwa die Jubalaires, die sowohl die US-Bürgerrechtsbewegung mit Martin Luther King jr. wie auch den afroamerikanischen Rap als Sprechgesang etwa in “Noah” (1946) schon direkt nach dem Zweiten Weltkrieg und Untergang des NS-Regimes vorwegnahmen:
Vom heutigen Berlin aus rappt deutsch-jüdisch Ben Salomo, der in Songs wie “Es gibt nur einen” außer Christ:innen bewusst auch Muslim:innen anspricht (“Sie nennen ihn Gott, Du nennst ihn Allah…”) und die mögliche “Verbrüderung” der Religionen und Philosophien von den Bergen Zions / Jerusalems aus einer überweltlichen Quelle herleitet:
Sie können sich also mein Erstaunen vorstellen, als ich bei den Chanukkatagen 2022 in Tübingen dem Rap-Song “Licht” (!) des christlichen Theologen Samuel Haas begegnete, der sich in seinem Video wiederum direkt auf Ben Salomo bezieht und gegen Antisemitismus, Dualismus und Reaktanz eine überreligiöse Wahrheit auch in der Auseinandersetzung mit der je eigenen Familiengeschichte einfordert:
Und meine akademischen Kolleg:innen mögen es mir verzeihen, aber ich meine doch, dass Musik und gerade auch der Rap viel mehr Menschen erreicht – und anders erreicht -, als notwendig trockene, wissenschaftliche Texte alleine. (Und ja, das gilt auch für meine eigenen Bücher etwa gegen Antisemitismus…)
Auch bestreite ich kein bisschen, dass auch der Rap bei der Aufarbeitung von Antisemitismus (Kanye West!), Rassismus und Frauen-verdrängendem Sexismus noch große Wegstrecken vor sich hat. Gerade deswegen plädiere ich jedoch dafür, auch die ermutigenden Texte und Songs hin zu einem dialogischen und erkenntnistheoretisch reflektierten Monismus wahrzunehmen, ja stark zu machen.
Nicht zufällig erscheint mir dabei auch die Wechselwirkung von Alphabet- und Musik-Medien: Rap-Songs werden aus einer Haltung des Protestes und Demokratisierung in Alphabetschriften gedichtet und verschriftet, dann aber mit musikalischer Begleitung sprechgesungen. Sie versuchen also die emotionalsten Elemente primärer und sekundärer Medien zu verbinden, wurden schließlich mit tertiären (elektronischen) und quartären (digitalen) Medien sehr erfolgreich.
So hoffe ich, dass Sie gesegnete Weihnachts- und Chanukka-Tage erleben durften und nun einen guten Rosch in 2023 erleben!
Denn viel spricht dafür, dass sich aus dem jüdischen Neujahr Rosch HaSchana und dem hebräischen Segenswunsch “Hazlacha uwracha” (Erfolg & Segen) der judendeutsche, ab dem 20. Jahrhundert yidishe Ruf “A gude Rosch! Hazlokhe ve brokhe!” und daraus schließlich das gutmütig zu rufende “Guter Rutsch und Hals- und Beinbruch!” entwickelt habe. Sprache & Melodien, sie rappen über alle Religionen und Weltanschauungen hinweg…