Zeit zum Dialog über Zeit – In Erinnerung an Wolfgang Achtner (1957 – 2017)

Genau heute vor sieben Jahren – am Reformationstag 2017 – verlor ich mit dem evangelischen Theologen Wolfgang Achtner (1957 – 2017) durch einen Herzinfarkt plötzlich und unerwartet einen lieben Freund und herausragenden Kollegen. Mit niemandem konnte ich so gut über das interdisziplinäre Thema der Zeit(en) diskutieren und ich werde mich immer an ein gemeinsames Abendessen am Rande einer Tagung erinnern, in dem wir über die Zeit die Zeit vergaßen. Es war mir gelungen, ihn auch zwischen 2010 und 2013 zum Wissenschaftsbloggen zu bewegen.

Die Todesanzeige für den "hochgeschätzten Kollegen und Dozenten apl. Prof. Dr. Wolfgang Achtner" von der Universität Gießen. Wolfgang Achtner war am 31.10.2017 - dem Reformationstag - überraschend an den Folgen eines Herzinfarktes verstorben.

Todesanzeige zu apl. Prof. Dr. Wolfgang Achtner, der am Reformationstag 2017 verstarb. Screenshot: Michael Blume

Eine große Bedeutung hatte  für mich sein “Dimensionen der Zeit. Die Zeitstruktur Gottes, der Welt und des Menschen” (WBG 1998 / 2012), das er gemeinsam und interdisziplinär mit Stefan Kunz und Thomas Walter geschrieben hatte. Auch über interreligiöse Mystik hatte Wolfgang viel geschrieben, zu einem Sammelband hatte auch ich ein Kapitel beigesteuert und diesen noch wenige Wochen vor seinem Tod vorgestellt. Ein großartiges und überaus komplexes Meisterwerk ist für mich sein dichter Text zu Meister Eckhart (1260 – 1328) im “Meister-Eckhart-Jahrbuch 9 / 2015” mit dem Titel: “Eckharts Bildkritik – vom Bild zur Bildlosigkeit” zur Frage von Neuplatonismus, interreligiöser Spiritualität und einem tieferen Verständnis von Bildung.

In den letzten Tagen hatte ich oft an Wolfgang gedacht, als hier auf dem Blog Dialoge zu Zeit, Religion & Demografie und zu Zeit, Musik & Hoffnung gelangen. So halte ich das Lied “Time” (deutsch: Zeit) von Hans Zimmer zum Film “Inception” (deutsch: Anfang, Einleitung) für eines der großartigsten Instrumentalstücke der Musikgeschichte.

Aber auch zu neueren Themen wie der Frage, warum die anfangs führenden Elektroautos “ihrer Zeit voraus” waren oder was es mit Thymotik, Hormonen und Zeitempfinden auf sich hat, werde ich immer wieder auf Gedanken und Texte von Wolfgang zurückgreifen können. Er fehlt.

Auf dem Schreib- und Lesetisch von Dr. Michael Blume liegen derzeit die aktuelle Ausgabe von Spektrum Gehirn & Geist 12/2024 zur "Macht der Hormone", "A History of Electric Cars" von Nigel Burton und "Dimensionen der Zeit " von Wolfgang Achtner, Stefan Kunz und Thomas Walter.

Zeit für Zeit-Themen: “A History of Electric Cars” von Nigel Burton und “Die Macht der Hormone” im aktuellen Gehirn & Geist von Spektrum der Wissenschaft. Foto: Michael Blume

Auch bei Vortrag und Diskussion in Hessen gelang es, das Thema Zeit, Zuversicht & “Hetze” vorzustellen und zu diskutieren. Danke allen, die sich mit in die Dialoge um das so wichtige Thema Zeit stürzen. Die Evolution hat unsere Psyche mit starken Wahrnehmungen für den Raum ausgestattet, aber ein Verständnis von Zeit müssen wir uns langsam erarbeiten. K2 empfahl dafür auch dieses Video von Vsauce: 

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Lehrbeauftragter am KIT Karlsruhe, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus und für jüdisches Leben. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren für das Fediversum, Wissenschaft und Demokratie, gegen antisoziale Medien, Verschwörungsmythen und den Niedergang Europas.

33 Kommentare

  1. Wir haben ein gutes Näschen für die Zeiten, und daraus ergibt sich ein Gespür für die Zeit – wir merken’s nur nicht. Sie merken ja kaum, dass Ihre Gedanken und Gefühle anders sind als gestern, dass Ihnen das, was sich gestern wahr angefühlt hat, heute naiv vorkommt, dass Sie bestimmte Ideen, die logisch naheliegend wären, gar nicht haben oder nicht ernsthaft verfolgen, oder dass die Stimmung, die Sie seit Ihrer Geburt erleben, nicht die einzige ist, die die Gesellschaft haben kann. Wir haben das Zeitgefühl eines Werkzeugs, das nicht wissen, nicht verstehen muss, was es tut, um die Zeit zu erschaffen. Wir schaffen den Zeitgeist, der Zeitgeist schafft uns.

    Meine Tagesmeinung ändert sich durch Wetter, Tagesnachrichten, Jahreszeiten, Zufälle, ich schwinge mit jeder Welle mit. Gestern habe ich mir aber mal wieder den Langzeit-Trend angeguckt: Weil ich keine Zukunft in der Gegenwart sehe, reise ich hoffend und bangend in ein fremdes Land jenseits der Zukunft, das bislang nur in meine Fantasie existiert und mir von einer Gegenwart gebaut werden soll, in der Hass und Hetze und Rassismus alles ersticken. Mir geht’s gut. Fühlt sich an, als hätte der Zug nach Auschwitz eine I Klasse bekommen.

    Jede Festung ist auch ein Gefängnis. Die Halbinsel Europa ist ein prima Ort, sich eine Fluchtburg für die Menschheit einzurichten. Ein prima Ort, um eine Mini-Menschheit zu beherbergen, wenn die Bevölkerungszahl gesunken ist, um uns an die verfügbaren Ressourcen anzupassen. Es ist auch ein prima Ort, Menschen zusammentreiben, wie Delfine Fische in Buchten zusammentreiben, denn Entkommen gibt es nicht.

    Ich schaue mir gerade an, wie der Computer Erde Wellenfunktionen berechnet – wir sind mittendrin und Teil davon, ist eine längere Geschichte und Sie können sie sich ja selbst überall angucken. Da die Berechnung zu Ende geht, sehen wir schon die Ergebnisse – unter anderem ist die Wahrscheinlichkeit, dass Europa nicht das Schicksal der Ukraine teilt und in fremden Kriegen verheizt wird, ist drastisch gesunken. Außerdem wird der Computer schneller, und besser im Ausschließen von Alternativen – wir bauen uns eine deterministische Welt, in der wir keine Wahl haben, als Programme auszuführen, und die Zukunft fast vollständig vorhersagbar ist. Je mehr wir uns dem Endergebnis nähern, desto mehr wird es zum Schicksal ohne Entkommen.

    Ich bin mitten in einem Quanten-Kollaps in einer Welt, die nicht mal glaubt, dass es so was in der Makro-Welt geben kann, während alle ihre Entscheidungen ihn herbeiführen. Sein Schicksal zu wenden, einen Zug umzuleiten, den alle Menschen mit all ihrem Willen und all ihrer Kraft vorantreiben, ist nicht leicht, und wir verpassen eine Ausfahrt nach der anderen.

    Tja. Ich nehme zur Dusche trotzdem die Seife mit. Vielleicht hab ich ja Glück. Falls ich Pech habe, schnitze ich „ERSTER!“ hinein. Wenn die dann durchzählen, merken die nicht, dass ich weg bin. Egal wie. Vielleicht schaffe ich’s im letzten Moment, mich hinter einem richtig dicken SS-Mann zu verstecken, dann hechte ich in den Wäschekorb. Welche Klamotten ich auch immer darin finde, bis ich das Tor erreicht habe, wird das mein Schicksal sein. Verpissen macht frei.

    Schwerelos, doch irgendwie immer schneller, ohnmächtig, doch über alles erhaben – das ist unser Zeitgefühl: Der Fall ins Ungewisse. Und dennoch fallen wir zwischen Türen mitten in der Luft, wenn wir eine erwischen, werden wir uns dahinter auf einem Flur mit noch mehr Türen, noch mehr Schicksalen wiederfinden. Doch wie glaubwürdig erscheinen Ihnen schwebende Türen in andere Welten, während Sie in den Abgrund stürzen?

    Was wohl Ihr Freund und Kollege dazu sagen wird? Ob es ein Leben nach dem Tod gibt oder nicht, das Leben vor dem Tode ist schon schwer genug, und Abschiede für immer machen es noch schwerer. Gehen Sie einfach davon aus, dass er schon Feierabend macht, während Sie hier im Büro noch ein Bisschen Arbeit liegen haben. Ob es wahr ist oder nicht, hier und jetzt ist es wahr genug.

    • Lieben Dank für Ihre Zeit-bezogene Reaktion, @Paul S.

      Gerade auch am heutigen Reformationstag empfinde ich eine Mischung aus Freude, Schmerz und Hoffnung. Denn genau anläßlich des 500. Jahrestages der Reformation – ein leider nur einmaliger, bundesweiter Feiertag – hatte mich die evangelische Kirchengemeinde Lauf an der Pegnitz um Pfarrer Jan-Peter Hanstein in ihre traditionsreiche Johanniskirche zur Festpredigt eingeladen. Normalerweise bevorzuge ich ja den wissenschaftlichen Vortrag, angesichts des hohen Feiertages machte ich jedoch eine (auch auf Video festgehaltene) Ausnahme:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/jesus-als-primaeres-medium-auch-ein-festes-byte-ist-unser-gott-festpredigt-zum-500-jahrestag-der-reformation-in-der-johanniskirche-lauf-bei-nuernberg/

      Selbstverständlich hatte ich währenddessen noch keine Ahnung, dass der liebe Freund und brillante Kollege Wolfgang Achtner am gleichen Tag überraschend verstarb. Zwar habe ich in der Tat die religiöse Hoffnung, ihn dereinst wiedersehen und unseren freundschaftlichen Dialog fortführen zu dürfen – doch für die Dauer meines restlichen Lebens würde ich ohne ihn weitermachen müssen. Deswegen auch dieser Gedenkpost zum 507. Reformationstag und seinem siebten Todestag. Wolfgang fehlt mir hier, immer noch.

      So hätten wir mit Sicherheit intensiv diskutiert, was das vorläufige Scheitern der Elektroautos am Beginn des 20. Jahrhunderts über den Zeit-Mythos eines linearen Fortschritts aussagt. Auf Mastodon hat Tilmann Schneider dazu heute diesen Netzfund gepostet:

      https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/als-die-stromer-laufen-lernten-6415771.html

      Zitat aus dem lesenswerten Artikel von Markus Mechnich immerhin schon von 2012:

      “Angesichts dieses Höhenflugs des Elektroautos wirkt es wie ein Sarkasmus der Geschichte, dass gerade Erfindungen der Elektrik den Siegeszug des E-Mobils stoppten und dem Verbrennungsmotor den Weg bereiteten. Vor allem der elektrische Anlasser machte die benzingetriebenen Autos deutlich bequemer. Das lästige Ankurbeln der schweren Motoren entfiel, die Hände blieben sauber und auch schwächere Menschen konnten einen Verbrennungsmotor in Gang bringen. Daneben waren elektrische Zündanlagen dafür verantwortlich, dass der Verbrauch in vernünftige Bahnen gebracht wurde und sich die Zuverlässigkeit deutlich erhöhte.

      Vor allem aber war es aber die Reichweite, die dem Benzinern zum Durchbruch verhalf. Mit der Verbreitung von Tankstellen und der damit einhergehenden Verfügbarkeit von Benzin bekam das Automobil eine Flexibilität, die mit Elektromotoren in dieser Form nicht möglich war.”

      Immerhin: Dass der Dialog über Zeit, Evolution und Hoffnung auf “Natur des Glaubens” inzwischen wieder in Gang gekommen ist, liegt an immer mehr konstruktiv und dialogisch interessierten Kommentierenden. Hier sehe ich eine reelle Chance, in den nächsten Jahren auch an den Arbeiten von Wolfgang verstärkt anknüpfen und gemeinsam mit vielen rund um die Zeit und das Zeiterleben erkunden, forschen, publizieren zu können.

  2. @Paul S 31.10. 12:13

    „Ob es ein Leben nach dem Tod gibt oder nicht, das Leben vor dem Tode ist schon schwer genug, und Abschiede für immer machen es noch schwerer.“

    Schwer genug ist es in der Tat. Unterstützung von Geisteswelten sind hier durchaus gefragt. Aber nicht noch weitere Komplikationen für das Leben nach dem Tod, würde ich sagen. Sowohl Wiedergeburten wie auch jenseitige Existenzen verkomplizieren das ohnehin komplizierte Sein nicht unerheblich.

    Da ist mir eine einfache Wiederauflösung im Kosmischen Geist echt lieber. Dann kann ich mich auf die Herausforderungen des Lebens konzentrieren. Das hilft jetzt.

    Und eben die Unterstützung durch Geisteswelten für alle vernünftigen Projekte, die der Mensch so anstellen kann, das können wir wirklich gut gebrauchen.

    Die Angst vor dem göttliche Urteil mag auf den ersten Blick für Disziplin im Leben sorgen können. Ich glaube allerdings, dass das unterm Strich hilflos ist, insbesondere wenn hier z.B. die Sexualmoral ganz hoch gehängt wird, während vernünftiges Wirtschaften im Sinne von Mensch und Natur beiseite geschoben wird.

    Wenn die Religion die Horizonte gar nicht erweitert, sondern auch noch einengt, dann taugt sie nichts. Das kann Welt und Mensch wirklich nicht mehr gebrauchen. Selbst wenn sich das Geburtentief global noch viele Jahrzehnte auswirkt, und wir schneller schrumpfen, als es der Wirtschaft gut tut, ist das immer noch besser als Religionswelten, die uns einschränken, statt uns den Kosmos zu öffnen.

    Hier leistet doch längst die Wissenschaft in jedem Jahrzehnt mehr als die Religion in tausend Jahren, als sie noch an der Macht war.

    • @Tobias

      Du schriebst:

      “Sowohl Wiedergeburten wie auch jenseitige Existenzen verkomplizieren das ohnehin komplizierte Sein nicht unerheblich.

      Da ist mir eine einfache Wiederauflösung im Kosmischen Geist echt lieber. Dann kann ich mich auf die Herausforderungen des Lebens konzentrieren. Das hilft jetzt.”

      Dazu möchte ich einfach informieren, dass Wolfgang Achtner das Erleben der “mystisch-holistischer Zeit” als höchste Stufe der sowohl religiösen wie spirituellen Zeiterfahrung verstand.

      So schrieb er auch im Meister-Eckhart-Jahrbuch 9 / 2015 auf S. 103:

      “Da aber die Bilder an den Willen und den Intellekt gekoppelt sind, diese wiederum an die Ich-Funktion, so stellt sich die Frage, wer denn hier überhaupt noch erkennen kann, wenn es um die Gotteserkenntnis geht, und was für eine Erkenntnis dies denn sein soll.

      Es kann sich im Sinne kategorialer Erkenntnis nicht mehr um eine Objekterkenntnis handeln. Sie muss vielmehr transkategorial sein.

      Raum und Zeit als Wahrnehmungskategorien in Verbindung mit Ich-Funktion müssen in der undifferenzierten Einheit Gottes verschwinden. Genau dies führt auch Eckhart aus, wenn er die Einheit von Ich und Gott predigt.”

      Auf seinen Sammelband zur “Mystik als Kern der Weltreligionen?” mit einem (auch online verfügbaren) Beitrag von mir darf ich hier noch einmal verweisen:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/mystik-spiritualitaet-interdisziplinaerer-perspektive-ein-neues-buch-eine-neue-kategorie/

      Perplexity.ai zur “Deutung der Zeit bei Prof. Dr. Wolfgang Achtner:

      Basierend auf den Informationen aus den Suchergebnissen unterschied Prof. Dr. Wolfgang Achtner drei Strukturen der Zeit im menschlichen Bewusstsein:

      ## Drei Zeitstrukturen

      1. Zyklisch-mythologische Zeit
      2. Linear-rationale Zeit
      3. Mystisch-holistische Zeit

      Diese Unterscheidung traf Achtner in einer kulturübergreifenden und religionsvergleichenden Untersuchung. Dabei stellte er fest, dass besonders die mystisch-holistische Zeit ein gemeinsames Merkmal in allen mystisch orientierten Religionen darstellt[2].

      ## Bedeutung für die Religionswissenschaft

      Achtners Differenzierung der Zeitstrukturen ist relevant für das Verständnis verschiedener religiöser Traditionen und deren Zeitkonzepte. Die Identifizierung der mystisch-holistischen Zeit als übergreifendes Element in mystischen Strömungen verschiedener Religionen ermöglicht einen vergleichenden Ansatz in der Religionswissenschaft.

      ## Implikationen für das Gottesverständnis

      In seinem Werk “Gott als Schöpfer der Zeit und die Grenzen zeitlichen Sprechens über Gott” geht Achtner auch auf die Frage ein, wie man angemessen über Gott in Bezug auf Zeit sprechen kann. Er diskutiert dabei:

      – Die Vorstellung von Gott als zeitlos oder zeitlich
      – Die Herausforderungen, die sich aus einem zeitlosen Gotteskonzept für das Wirken Gottes in der Welt ergeben
      – Mögliche Lösungsansätze für das Verständnis göttlichen Wissens in Bezug auf zeitliche Ereignisse

      Diese Überlegungen zeigen, wie Achtners Zeitkonzepte auch theologische und philosophische Implikationen haben[2].

      Citations:
      [1] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/musik-als-hoffnung-in-der-zeit-wie-erlebt-ihr-das/
      [2] https://www.academia.edu/10737397/Gott_als_Sch%C3%B6pfer_der_Zeit_und_die_Grenzen_zeitlichen_Sprechens_%C3%BCber_Gott
      [3] https://www.boell-bw.de/de/2022/12/05/dr-michael-blume-gegenstrategien-von-seiten-der-politik-und-den-institutionen
      [4] https://www.booklooker.de/B%C3%BCcher/Angebote/autor=Wolfgang+Achtner&titel=Dimensionen+der+Zeit
      [5] https://www.uni-giessen.de/de/fbz/fb04/institute/evtheo/system-theo/personen/achtner-wolfgang
      [6] https://www.deutschlandfunk.de/religionswissenschaftler-michael-blume-antisemitismus-102.html
      [7] https://stm.baden-wuerttemberg.de/de/themen/beauftragter-gegen-antisemitismus
      [8] https://www.antenne1.de/g/Hoffnungsmensch/Folge-16-Michael-Blume-Hass-Hetze-Hoffnung-7bOKncHDX8wziOlHj1Pv3y

      Persönlich würde ich – auch nach Diskussion ähnlicher Konzeptionen schon in meiner Doktorarbeit – dazu ergänzen, dass ich die “mystisch-holistische Zeit”-Erfahrung zwar tatsächlich in allen großen religiösen und spirituellen Traditionen vorfinde. Allerdings vermag sie die Anthropodizee-Frage nicht zu lösen und mündet daher regelmäßig in einer kinderlosen, Welt-entsagenden Askese, gar Monastik. Deswegen zögere ich, sie als “Kern” oder gar “Ziel” religiöser, spiritueller und generell biokultureller Evolutionsprozesse anzusehen.

      Wo vorschnell mystisch-holistisch “Alles Eins Wird”, auch das Ich, Du und Es unterschiedslos ineinanderfließen, kommt es ja nicht mehr zum Dialog, sondern nur noch zum Relativismus. Meine ich.

      Die einfache Vermutung, dass das mystische Einheitserleben die Belohnung am Ende eines Stufenweges darstellen werde, erscheint mir deshalb noch nicht überzeugend, da 1. ja das “belohnte” Subjekt aufhören würde zu existieren und 2. auch alle Wesenheiten, die sich gar nicht erst auf den Stufenweg gemacht hätten, in der gleichen Einheit aufgehen würden. Die Zwischenschaltung einer zeitlichen Zwischenphase bis hin zur kirchlich-katholischen Lösung eines Purgatoriums erscheint mir als denkbar, aber doch als etwas willkürlich.

      Denn die gleiche Zeitstruktur Aufstieg – zeitliche Vergeltung bei fehlendem Aufstieg – Erlösung wäre ja auch durch einen Zyklus von Wiedergeburten wie (mehrheitlich) im Buddhismus, Hinduismus, Sikhismus, einigen jüdischen, christlichen und islamischen Strömungen gegeben. Läuft es hier also interreligiös auf eine Konvergenz der drei Zeitstrukturen hinaus?

      Da bin ich auf künftige interdisziplinäre Befunde, Dialoge, Erkenntnisse also noch sehr gespannt!

      • @Michael

        Du schreibst.

        „Wo vorschnell mystisch-holistisch “Alles Eins Wird”, auch das Ich, Du und Es unterschiedslos ineinanderfließen, kommt es ja nicht mehr zum Dialog, sondern nur noch zum Relativismus. Meine ich.“

        Dieser Moment liegt außerhalb von Sprache und Dialog, auch außerhalb von Relativismus und ist nach meiner Meinung und Erfahrung ein erleuchtetes Gefühl. Ein solcher Moment liegt außerhalb der Beschreibung durch Sprache, vielleicht wie ‚Alles-Eins-Ist‘. Diesen Moment kann man nicht aktiv herbeiführen, es geschieht einfach. Es ist der Moment, in dem Zeit sich auflöst.

        • Vielen Dank für Deinen dialogischen Druko, liebe @Elisabeth

          Und, zunächst: Ja, die absolute Einheitserfahrung gehört in den Bereich der auch spontan geschehenden Spiritualität. Gleichwohl kann sie „geübt“ werden und alle gewachsenen Religionen haben entsprechende Übungs- und Stufenwege entwickelt.

          Genau davon – von den Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Religiosität & Spiritualität – handelte auch mein Beitrag zum Sammelband von Wolfgang Achtner:

          http://www.blume-religionswissenschaft.de/pdf/Blume-Mystik-als-Kern_EvolutionsforschungSpiritualitaet.pdf

          Vielen lieben Dank, dass Du Dich hierzu einbringst! 🙏📚🖖

  3. Unsere Zeit ist endlich.

    Besonders spürbar wird das im Monat November. Mit Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag und Ewigkeitssonntag wird auf vielfältiger Weise der Verstorbenen gedacht. Auf Friedhöfen werden die letzten Sommerblumen von den Gräbern geräumt, die Herbst- und Winterabdeckung wird vorgenommen, Lichter und Gestecke zieren nun die Gräber.
    An diesen besonderen Sonn- und Feiertagen empfinde ich die Zeit in ihrer Verlangsamung, in ihrem Innehalten.

    In diesem Jahr zum ersten Mal muss ich keine Grabstelle auf den Winter vorbereiten. Alle Familiengräber sind aufgegeben. Sie waren in den Bauerndörfern um Lüneburg verstreut, auch die letzte Grabstelle ist jetzt abgelaufen. Es ist durchaus eine Erleichterung, nun keine 65 km mehr zum Friedhof fahren zu müssen.

    Wenn das eigene Lebensglas dann nur noch eine Neige vorweist, muss man sich der Frage stellen, wo man selber die letzte Ruhe findet.
    Meine Schwester und ich, wir waren uns einig, dass wir eine gemeinsame Grabstelle wollen. So haben wir uns in diesem Jahr eine Grabstelle gekauft und die Möglichkeit der Pflege bis in eine ferne Zukunft hinein organisiert und bezahlt.
    Das ist für mich ein gutes Gefühl.

    In dieser verrinnenden Zeit der letzten Lebensphase ist es sehr beruhigend, wenn man eine Patientenverfügung, eine Vorsorgevollmacht, ein Testament gemacht hat.
    Auch der digitale Nachlass muss bedacht werden. All die vielen Passwörter ….

    Ich lebe gern und empfinde die Zeit als Geschenk.

    Auf alle Eventualitäten des Lebens kann man sich nicht vorbereiten, aber einiges kann man doch für die verbleibende Zukunft vorsorglich planen.

    Trotzdem, ich bin neugierig, was die Zeit bringt.

    • Vielen herzlichen Dank für den freundlichen und kundigen Beitrag zu diesem trauernd-hoffnungsvollen Blogpost, liebe @Elisabeth K 🙏

      Dass wir Heutigen mit den Erfahrungen, Bedrängnissen, aber auch religiösen Hoffnungen nicht alleine sind, belegt ja u.a. Psalm 39, 4 – 8:

      “4 Mein Herz ist entbrannt in meinem Leibe; / wenn ich seufze, brennt es wie Feuer. So rede ich mit meiner Zunge:
      5 »HERR, lehre doch mich, / dass es ein Ende mit mir haben muss und mein Leben ein Ziel hat und ich davon muss.
      6 Siehe, meine Tage sind eine Handbreit bei dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir. Ach, wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben! Sela.
      7 Sie gehen daher wie ein Schatten / und machen sich viel vergebliche Unruhe; sie sammeln und wissen nicht, wer es kriegen wird.«
      8 Nun, Herr, wes soll ich mich trösten? Ich hoffe auf dich.”

      https://www.bibleserver.com/cross-reference/LUT/Psalm90%2C12#verse-psalm39-2c5

      In Psalm 90, 12 heißt es sogar knapp:

      “Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug / weise werden.”

      Deine Sätze dazu haben mich sehr beeindruckt:

      “Wenn das eigene Lebensglas dann nur noch eine Neige vorweist, muss man sich der Frage stellen, wo man selber die letzte Ruhe findet.
      Meine Schwester und ich, wir waren uns einig, dass wir eine gemeinsame Grabstelle wollen. So haben wir uns in diesem Jahr eine Grabstelle gekauft und die Möglichkeit der Pflege bis in eine ferne Zukunft hinein organisiert und bezahlt.
      Das ist für mich ein gutes Gefühl.

      In dieser verrinnenden Zeit der letzten Lebensphase ist es sehr beruhigend, wenn man eine Patientenverfügung, eine Vorsorgevollmacht, ein Testament gemacht hat.
      Auch der digitale Nachlass muss bedacht werden. All die vielen Passwörter ….”

      Ich denke wirklich, dass es auch einer säkularen Gesellschaft hilft, wenn offen über das Erleben von Zeit, über Trauer, Verlust und Hoffnungen gesprochen wird. Perplexity.ai kann bereits recht gut weitergeben, warum ich Zeit und Hoffnung für interdisziplinär relevante Themen halte:

      Dr. Michael Blume betrachtet die Erforschung von Zeit und Hoffnung als äußerst relevant, und zwar aus mehreren Gründen:

      ## Musik als Hoffnungsträger

      Blume sieht Musik als ein wichtiges Medium, das Hoffnung stiftet und das Zeiterleben beeinflusst[1]. Er vertritt die These, dass “der Sinn der Musik die Hoffnung ist, die die Liebe zu retten und den Glauben zu heilen vermag”[1]. Musik kann laut Blume:

      – Das Unerträgliche ertragen lassen
      – Sehnsucht, Zweifel und sogar Verzweiflung ausdrücken
      – Zustände nicht leugnen, sondern herausfordern
      – Zur Hoffnung motivieren

      ## Interdisziplinäre Bedeutung

      Blume betrachtet die Erforschung von Zeit als Schlüsselthema für verschiedene Disziplinen[1]:

      – Religion und Jenseitshoffnung
      – Psychologie und Philosophie
      – Politik, Wirtschaft und Demografie
      – Kultur und Recht

      Er sieht darin einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der “Natur des Glaubens”.

      ## Wissenschaftliche Faszination

      Als Religionswissenschaftler ist Blume fasziniert von neueren wissenschaftlichen Theorien zur Entstehung der Zeit, insbesondere:

      – Der Quanten-Emergenztheorie der Zeit
      – Dem Page-Wootters-Formalismus, der Zeit als Emergenzphänomen aus Quantenverschränkung betrachtet
      [1]

      Er sieht darin Potenzial, empirische Befunde und interdisziplinäre Evolutionsforschung zu vereinen.

      ## Gesellschaftliche Relevanz

      Blume erkennt die Bedeutung von Hoffnung und Zeitverständnis für aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen:

      – Im Kampf gegen Antisemitismus und Verschwörungsmythen[2][3]
      – Für die Förderung von Bildung und Fortschrittshoffnung[2]
      – Zur Stärkung von Vertrauen in demokratische Institutionen[2]

      Durch die Erforschung von Zeit und Hoffnung sieht Blume Möglichkeiten, positive Gegennarrative zu entwickeln und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern.

      Citations:
      [1] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/musik-als-hoffnung-in-der-zeit-wie-erlebt-ihr-das/
      [2] https://www.deutschlandfunk.de/religionswissenschaftler-michael-blume-antisemitismus-102.html
      [3] https://stm.baden-wuerttemberg.de/de/themen/beauftragter-gegen-antisemitismus
      [4] https://www.antenne1.de/g/Hoffnungsmensch/Folge-16-Michael-Blume-Hass-Hetze-Hoffnung-7bOKncHDX8wziOlHj1Pv3y
      [5] https://www.boell-bw.de/de/2022/12/05/dr-michael-blume-gegenstrategien-von-seiten-der-politik-und-den-institutionen
      [6] https://www.zeit.de/autoren/B/Michael_Blume/index
      [7] https://www.altemuehle.de/de/programm/item/fries-macht-musik-dr-michael-blume-liest-zum-thema-hoffnung-222
      [8] https://www.amazon.de/Warum-Antisemitismus-alle-bedroht-Verschw%C3%B6rungsmythen/dp/3843611335

  4. Buchtipp:
    Augustinus: Bekenntnisse, Reclam-Verlag

    Wer sich mit dem Thema ´Zeit´ beschäftigt, sollte unbedingt die Überlegungen von Bischof Augustinus zu diesem Thema lesen (Buch 11, Kap. 13-29)

    Er unterschied deutlich drei Typen: die a) göttliche, b) physikalische bzw. c) menschliche Zeit/Zeitwahrnehmung.

  5. @Michael 31.10. 14:45 / Wolfgang Achtner / Perplexity.ai

    „Raum und Zeit als Wahrnehmungskategorien in Verbindung mit Ich-Funktion müssen in der undifferenzierten Einheit Gottes verschwinden. Genau dies führt auch Eckhart aus, wenn er die Einheit von Ich und Gott predigt.“

    Ungefähr das meine ich ja mit Auflösung im Kosmischem Geist. Wovon man auch zu Lebzeiten schon eine Ahnung und sogar eine Verbindung zu finden kann. Entsprechend freue ich mich eigentlich sogar auf den Tod.

    „Dabei stellte er fest, dass besonders die mystisch-holistische Zeit ein gemeinsames Merkmal in allen mystisch orientierten Religionen darstellt“

    Dass das jetzt religionsübergreifend gilt, wundert dann wiederum wenig. Letztlich sind all diese Konzepte von Welterfahrung und damit auch von Geisteserfahrung inspiriert. Erfahrungen, die eben dem tatsächlichem Kosmos entspringen. Es kann sich nur auf die tatsächliche Wirklichkeit beziehen.

    Hoffnungen also, die begründet sind.

    Es bringt nichts, hier den Lebensmodus der Seele ins Jenseits zu verlängern. Dann lieber die Geistesseiten aller Existenz ins Leben holen. Und im Hier und Jetzt nicht nur leben, sondern auch vernünftig wirksam sein. Was gar nicht kompliziert ist.

  6. @Michael 31.10. 15:42

    „Der Dialog über Fragen der Zeit, Hoffnungen und Anthropodizee geht auch seitdem unvermindert weiter.“

    So kann ich mir auch eine Gegenwartsfunktion des allgemeinen Kosmischen Geistes vorstellen. Wovon wir im Leben ein aktiver Teil von sind. Was wiederum eine wesentliche Aufgabe von uns und von Lebewesen aller Art sein dürfte.

    Wir haben diesen wunderbaren Planeten in diesem wunderbaren Kosmos einfach zu erleben. Das ist unsere Hauptaufgabe. Dazu gehört dann eben auch das eigene Überleben wie speziell beim Menschen, sich um das irdische Leben wirklich gemäß unseren tatsächlichen Fähigkeiten auch zu kümmern.

    Und nicht alles in übermäßiger Arbeitstätigkeit kaputtnutzen.

    Diese allgemeine Gegenwartsfunktion des allgemeinen Kosmischen Geistes wäre auch ein Bestandteil des Panpsychismus, indem sich hier persönliche Wahrnehmungswelten als Teil der allgemeinen Funktion auswirken. Das wäre dann sogar die Grundlage der eigenen inneren Erlebniswelt und damit auch des eigenen Bewusstseins.

    • @Tobias

      Vielen Dank, auch für das Aufrufen des mir wichtigen Panpsychismus:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/das-ende-des-physikalismus-patrick-sp-t-ber-den-graduellen-panpsychismus/

      Gleichwohl möchte ich zu Deinem Druko doch gerne nachfragen. Es klingt ja sehr schön, wenn Du schreibst:

      “Wir haben diesen wunderbaren Planeten in diesem wunderbaren Kosmos einfach zu erleben. Das ist unsere Hauptaufgabe. Dazu gehört dann eben auch das eigene Überleben wie speziell beim Menschen, sich um das irdische Leben wirklich gemäß unseren tatsächlichen Fähigkeiten auch zu kümmern.

      Und nicht alles in übermäßiger Arbeitstätigkeit kaputtnutzen.”

      Wenn aber alles unmittelbar in einer kosmischen Einheit eingeht, dann hat der gierigste und brutalste Ausbeuter und Mörder den gleichen Zugang wie seine Opfer. Der auch von Dir verwendete Begriff “Verantwortung” impliziert ja eine Antwort auf jemanden. Dieser Dialog entfällt jedoch, wenn es keine Unterschiede mehr zwischen den Personen und auch nicht mehr zwischen Gut und Böse gibt. Wenn alles gleich gültig ist, dann wird alles gleichgültig.

      Selbst die derzeit gefeierte “Unfinished”-Animation des chinesischen Computerspiels Black Myth Wukong, das sich an alten Klassikern aus China orientiert, stellt Entscheidungen, Rückschläge, Kämpfe vor die am Ende angedeutete Erlösung:

      https://www.youtube.com/watch?v=2nGWcR4SY3E

      Die Hoffnung auf ein unterschiedsloses, voraussetzungsloses Eingehen in eine sog. “kosmische Harmonie” erscheint mir als beliebig und relativistisch, weil unser Leben, Fühlen und Tun dann beim “Eingehen” oder “Einfließen” in die kosmische Einheit doch belanglos wären.

  7. Es tut mir sehr leid für Sie, dass Sie Ihren Freund und Diskussionspartner so früh verloren haben.

    Spannend finde ich das Thema Mystik in der Religion, habe es aber noch nie im interreligiösen Kontext betrachtet. Es ist selbst im Christentum ein sehr vielfältiges Thema. Früher bin ich davon ausgegangen, dass die Mystik im Protestantismus keine Rolle spielt. Die, wenn auch rudimentäre Beschäftigung mit Johann Michael Hahn hat mich vor Jahren bewogen, über die christliche Mystik zu lesen. Hildegard von Bingen, Johannes Tauler, Meister Eckhart. Ein unerschöpfliches Thema.

    Noch ein Gedanke zum Thema Bildung. Der Begriff wird häufig auf die Schulbildung “reduziert”. Natürlich hat Bildung mit lernen zu tun. Aber auch mit dem Interesse an Neuem. Deshalb ist Ihr Blog wichtig, weil Sie oft für mich Unbekanntes schreiben oder neue Blickwinkel öffnen. Das ist Bildung im besten Sinne. Auch weil Fragen zum besseren Verständnis immer möglich sind.

    • Haben Sie herzlichen Dank für Ihren mitfühlenden, inhaltlichen und aufmunternden Kommentar, @SabineH 🙏

      Ich bin wirklich froh und dankbar, dass meine würdigende Erinnerung an Wolfgang Achtner und unsere interdisziplinären Dialoge zu Zeit und Mystik, also zur Evolution von Religiosität und Spiritualität hier so viele Menschen konstruktiv bewegt! 🙌

      Ihr letzter Absatz bedeutet mir unglaublich viel und ich möchte gerne begründen, warum.

      Sie schrieben: “Noch ein Gedanke zum Thema Bildung. Der Begriff wird häufig auf die Schulbildung “reduziert”. Natürlich hat Bildung mit lernen zu tun. Aber auch mit dem Interesse an Neuem. Deshalb ist Ihr Blog wichtig, weil Sie oft für mich Unbekanntes schreiben oder neue Blickwinkel öffnen. Das ist Bildung im besten Sinne. Auch weil Fragen zum besseren Verständnis immer möglich sind.”

      Nun habe ich ja bereits in einem Beitrag für den Zentralrat der Juden in Deutschland, vorgelesen auch in einer Podcast-Folge von “Verschwörungsfragen” betont: Der Begriff der Bildung entstammt der Tora, der hebräischen Bibel 1. Mose 1, 27 und wurde dann über Maimonides und Meister Eckhart als schönstes und wichtigstes Wort in die deutsche Sprache übertragen.

      Gerade auch durch Wolfgang habe ich gelernt zu verstehen, dass der biblisch-spirituelle Bildungsbegriff gerade auch bei Eckhart die Gleichwertigkeit zwischen Frauen und Männern wie auch zwischen Laien und Klerikern und auch zwischen den Angehörigen verschiedener Religionen lehrt. Einerseits sollen also alle Menschen (!) eine ordentliche, weltliche Bildung erhalten, um sich in der Welt erhalten und Verantwortung auch füreinander übernehmen zu können. Darauf baut dann eine sechsstufige Held(inn)enreise der Ent-Bildung ins Göttliche auf, die sich gerade nicht auf Geld, feindselige Dualisten oder gar antisemitische Finfluencer-Podcast-Verschwörungsmythen bezieht.

      Perplexity.ai fasst diesen eckhartschen Bildungsweg für uns so zusammen:

      Meister Eckhart lehrte sechs Stufen zur Seligkeit, die den Weg des inneren Menschen zu Gott beschreiben. Basierend auf den Informationen aus den Suchergebnissen sind dies die sechs Stufen:

      1. Äußere Vorbilder betrachten:
      Der Mensch orientiert sich an äußeren Vorbildern, einschließlich guter Menschen.

      2. Hinwendung zu Gott:
      Der Mensch wendet sich von der Menschheit ab und Gott zu. Er “läuft und eilt zur Lehre und zum Rate Gottes und göttlicher Weisheit”[2].

      3. Loslösung von weltlichen Sorgen:
      Der Mensch entzieht sich weiter der “Mutter” (symbolisch für die Welt), lässt Sorgen und Furcht hinter sich und verbindet sich in Liebe mit Gott[2].

      4. Verwurzelung in Gottes Liebe:
      Der Mensch nimmt zu in der Liebe Gottes und ist bereit, alle Anfechtungen, Versuchungen und Leiden willig und freudig anzunehmen[2].

      5. Innerer Friede und Weisheit:
      Der Mensch lebt “allenthalben in sich selbst befriedet” und ruht “still im Reichtum und Überfluß der höchsten unaussprechlichen Weisheit”[2].

      6. Vereinigung mit Gott:
      Der Mensch ist “entbildet und überbildet von Gottes Ewigkeit”, hat das zeitliche Leben vergessen und ist “in ein göttlich Bild” verwandelt, “Gottes Kind geworden”[2].

      Meister Eckhart betont, dass die sechste Stufe die höchste ist und es darüber hinaus keine weitere Stufe gibt. Hier findet der Mensch “ewige Ruhe und Seligkeit”, was das ultimative Ziel des inneren, neuen Menschen darstellt – das ewige Leben[2].

      Citations:
      [1] http://www.zeno.org/Philosophie/M/Meister+Eckhart/Predigten,+Traktate,+Spr%C3%BCche/Traktate/1.+Von+den+Stufen+der+Seele
      [2] http://www.eckhart.de/edel.htm
      [3] https://mystiekfilosofie.com/2014/03/20/meister-eckhart-predigten-und-traktate/
      [4] https://ccel.org/ccel/eckhart/mystische/mystische.v.ii.html
      [5] http://www.zeno.org/Philosophie/M/Meister+Eckhart/Predigten,+Traktate,+Spr%C3%BCche/Traktate/3.+Von+der+Abgeschiedenheit
      [6] https://www.reclam.de/data/media/978-3-15-014282-0.pdf
      [7] https://textmaterial.blogspot.com/2016/04/meister-eckhart-um-1260-132728-los.html
      [8] https://de.wikipedia.org/wiki/Meister_Eckhart

      Bemerkenswert finde ich dabei, dass schon dieser große Lehrer nicht nur die Ablehnung von egozentrischem Relativismus und feindseligem Dualismus lehrte, sondern einen dialogischen Monismus, der sich in der Zeit bewährt und auch diese aber am Ende übersteigt. Ohne Wolfgang hätte ich kaum Einblicke in diese faszinierende, Religionen, Philosophien und auch wissenschaftliche Disziplinen transzendierende Perspektive gewonnen. Ich bin ihm dafür sehr dankbar und fühle ihn nahe, wann (!) immer ich an diesen Themen weiterarbeiten darf.

      In Zukunft möchte ich noch näher auf die jüdischen Quellen dieser Gedanken schauen, die bei Wolfgang neben Augustinus und Neoplatonismus sowie einzelnen Bezügen auf Buddhismus und Islam bislang nur eine Nebenrolle gespielt haben.

      So fällt mir beispielsweise auf, dass die sechs Stufen des Bildungsweges von Meister Eckhart den “fünf Stufen oder Ebenen der Seele” in der jüdisch-mystischen Tradition der Kaballah entsprechen, die dort als NaRaNCHaY bekannt sind:

      1. Nefesh (vitale Seele)
      2. Ruach (Geist)
      3. Neshama (göttliche Seele)
      4. Chaya (Lebenskraft)
      5. Yechida (Einheit)

      Ich denke, da wird die kommende Zeit (!) noch einige dialogisch-monistische Schätze finden können.

      Ihnen noch einmal von Herzen Dank für Ihre Blog-Drukos, die auch mich immer wieder dialogisch weiterbringen!

      • Nun habe ich zu Vergleichszwecken Perplexity.ai gebeten, uns auch einmal die ebenfalls gestuften Erlösungswege in Buddhismus, Hinduismus und Islam vorzutragen:

        Die Erlösungswege in den drei genannten Traditionen weisen interessante Parallelen, aber auch wichtige Unterschiede auf. Hier eine Darstellung der Stufenwege zur Erlösung in Buddhismus, Hinduismus und Islam:

        ## Buddhismus

        Im Buddhismus wird der Weg zur vollständigen Befreiung (Nirvana) in vier Stufen unterteilt[2]:

        1. **Stromeintreter (Sotāpanna)**:
        – Erste Erfahrung des Nirvana
        – Unerschütterlicher Glaube an Buddha, Dharma und Sangha
        – Höchstens sieben weitere Wiedergeburten
        – Keine Wiedergeburt in niederen Bereichen mehr möglich

        2. **Einmalwiederkehrer (Sakadāgāmī)**:
        – Tiefere Erfahrung des Nirvana
        – Begierde und Hass stark abgeschwächt
        – Nur noch eine Wiedergeburt in der Sinneswelt

        3. **Nichtwiederkehrer (Anāgāmī)**:
        – Begierde und Hass vollständig überwunden
        – Wiedergeburt nur noch in höheren Bereichen
        – Erlangung des Nirvana von dort aus

        4. **Arahant**:
        – Vollständige Befreiung in diesem Leben
        – Alle geistigen Verunreinigungen beseitigt
        – Kein weiteres Karma, keine Wiedergeburt mehr

        Der Fokus liegt hier auf der schrittweisen Überwindung von Geistestrübungen und karmischen Verstrickungen durch Einsicht und Meditation.

        ## Hinduismus

        Im Hinduismus gibt es verschiedene Wege zur Befreiung (Moksha), die oft in Stufen beschrieben werden. Ein klassisches Modell sind die vier Lebensstadien (Ashramas):

        1. **Brahmacharya** (Schüler):
        – Studium der heiligen Schriften
        – Zölibat und Disziplin

        2. **Grihastha** (Haushalter):
        – Erfüllung familiärer und gesellschaftlicher Pflichten
        – Rechtschaffenes Leben

        3. **Vanaprastha** (Waldeinsiedler):
        – Rückzug aus weltlichen Verpflichtungen
        – Intensivierung spiritueller Praxis

        4. **Sannyasa** (Entsagender):
        – Vollständige Hingabe an die spirituelle Verwirklichung
        – Aufgabe aller weltlichen Bindungen

        Daneben gibt es Wege wie Bhakti (Hingabe), Jnana (Erkenntnis) und Karma Yoga (selbstloses Handeln), die ebenfalls stufenweise zur Befreiung führen können.

        ## Islam

        Im Islam wird der Weg zur Erlösung oft in Verbindung mit guten Taten, Glauben und Reue beschrieben. Basierend auf dem Koran lassen sich folgende Stufen ableiten[1][3]:

        1. **Glaube (Iman)**:
        – Grundlegende Voraussetzung für Erlösung
        – Glaube an Allah, den Propheten Muhammad und die Offenbarung

        2. **Rechtschaffene Taten (Amal Salih)**:
        – Erfüllung religiöser Pflichten (z.B. Gebet, Almosen)
        – Moralisch einwandfreies Verhalten

        3. **Reue (Tawbah)**:
        – Aufrichtiges Bereuen von Sünden
        – Bitte um Vergebung und Änderung des Verhaltens

        4. **Gottes Gnade und Barmherzigkeit**:
        – Letztendlich entscheidet Allah über die Erlösung
        – Betonung der göttlichen Barmherzigkeit

        Im Islam spielt auch die Vorherbestimmung (Qadar) eine Rolle, wobei die genaue Beziehung zwischen freiem Willen und göttlicher Vorbestimmung theologisch diskutiert wird.

        ## Fazit

        Während alle drei Traditionen einen stufenweisen Weg zur spirituellen Vervollkommnung beschreiben, unterscheiden sie sich in ihren Konzepten und Schwerpunkten. Der Buddhismus betont die Überwindung geistiger Verunreinigungen, der Hinduismus die Erfüllung verschiedener Lebensphasen und spiritueller Praktiken, und der Islam die Kombination von Glauben, guten Taten und göttlicher Gnade. In allen Fällen wird der Weg zur Erlösung als ein gradueller Prozess verstanden, der Hingabe, Disziplin und spirituelle Praxis erfordert.

        Citations:
        [1] https://academyofislam.com/reflection-no-211-on-q-6414-the-stages-of-forgiveness/
        [2] https://buddho.org/from-stream-enterer-to-arahant-the-four-stages-of-liberation/
        [3] https://www.answering-islam.org/authors/beck/salvation_quran.html
        [4] https://www.spiritrock.org/practice-guides/four-stages-of-enlightenment
        [5] https://en.wikipedia.org/wiki/Noble_Eightfold_Path
        [6] https://www.newindianexpress.com/lifestyle/spirituality/2012/Jun/17/the-three-paths-of-hinduism-377884.html
        [7] https://en.wikipedia.org/wiki/Buddhist_paths_to_liberation
        [8] https://www.britannica.com/topic/Hinduism/Karma-samsara-and-moksha
        [9] https://www.alhakam.org/the-path-to-salvation-insights-from-the-philosophy-of-the-teachings-of-islam/

        Weil bei dieser Antwort eher die islamische Orthodoxie als die Mystik, der Sufismus beschrieben wurde, habe ich hierzu nachgefragt. Die Stufen des Sufismus entsprechen tatsächlich verblüffend auch den anderen Wegen.

        Der Sufismus als mystische Tradition des Islam beschreibt einen spirituellen Weg zur Erlösung und Gotteserkenntnis, der in mehreren Stufen verläuft. Basierend auf den gegebenen Informationen lassen sich folgende Hauptstufen im sufistischen Erlösungsweg identifizieren:

        ## Die vier Hauptstufen

        1. **Scharia (Schari’a)**
        – Grundlegende Ebene des islamischen Gesetzes
        – Regelt äußerlich die ethischen Beziehungen zwischen Menschen
        – Bildet die Basis für den weiteren spirituellen Weg

        2. **Tariqa**
        – Der mystische Pfad oder Weg
        – Beginn der inneren spirituellen Reise
        – Entwicklung von Brüderlichkeit und Teilen unter den Suchenden

        3. **Haqiqa**
        – Ebene der Wahrheit
        – Erkenntnis, dass alles von Gott kommt
        – Loslösung von materiellem Besitz und äußerlichen Dingen

        4. **Ma’rifa**
        – Höchste Stufe der Erkenntnis
        – Erfahrung der Einheit mit Gott (unio mystica)
        – Auflösung der Trennung zwischen Selbst und Göttlichem

        ## Weitere Aspekte des sufistischen Weges

        – **Stationen (maqamat)**: Der Sufi durchläuft verschiedene spirituelle Stationen wie Reue, Gottvertrauen, Armut, Geduld, Dankbarkeit, Zufriedenheit, Gottesfurcht und Liebe[2].

        – **Zustände (ahwal)**: Neben den Stationen erlebt der Suchende verschiedene spirituelle Zustände[2].

        – **Dhikr**: Regelmäßige Meditation und Gottesgedenken als zentrale Praxis[1].

        – **Fana**: Ziel ist die “Entwerdung” oder Auflösung des Egos in der göttlichen Realität[2].

        – **Baqa**: Das “Bleiben” in der mystischen Vereinigung mit Gott[2].

        – **Rolle des spirituellen Meisters**: Ein Scheich oder Pir leitet den Schüler (murid) auf seinem Weg[2].

        Der sufistische Weg zur Erlösung wird oft als ein Prozess der Transformation und Läuterung beschrieben. Ziel ist es, die niedere Seele (nafs) zu überwinden und eine vollkommene Hingabe an Gott zu erreichen[2]. Dabei wird betont, dass dieser Weg lang und beschwerlich sein kann und am besten in Gemeinschaft gegangen wird[2].

        Es ist wichtig zu beachten, dass verschiedene Sufi-Orden und -Traditionen die genauen Stufen und Praktiken unterschiedlich interpretieren und gewichten können. Einige sehen die Stufen als aufeinander aufbauend, während andere sie als aufeinanderfolgende, zu überwindende Ebenen betrachten[2].

        Insgesamt zielt der sufistische Erlösungsweg darauf ab, durch spirituelle Praxis und innere Transformation eine tiefe Gotteserkenntnis und -vereinigung zu erreichen, die über das rein äußerliche Befolgen religiöser Vorschriften hinausgeht.

        Citations:
        [1] https://pfarrerblatt.de/michael-behnke/offene-tueren-zwischen-islam-und-christentum/
        [2] https://www.ezw-berlin.de/publikationen/lexikon/sufismus-islamische-mystik/
        [3] https://www.islamportal.at/beitraege/artikel/sufismus-das-andere-gesicht-des-islam
        [4] https://www.mevlana.ch/die-sufi-lehre-vom-ich/

      • Vielen herzlichen Dank für diese ausführliche Antwort. Sie hat mich motiviert, wieder einmal einen Blick in das Buch “Die deutsche Mystik” von Gerhard Wehr zu werfen. Auch durch Ihre Blogposts verstehe ich vieles jetzt besser und sage auch vielen Dank dafür.

        Das erneute Lesen des Kapitels über Meister Eckhart im o.g. Buch und Ihrer Antwort auf meinen Druko hat wieder die Erinnerung zurückgebracht, warum ich mich auf die Reise in die christliche deutsche Mystik gemacht hatte. Das bewegt mich gerade sehr.

        • Vielen lieben Dank, @SabineH – denn umgekehrt bringen ja auch Ihre so kosntruktiven Kommentare den Dialog und damit die interdisziplinäre Erkenntnissuche immer wieder weiter!

          Hier schrieb ich zur biokulturellen Evolution von Spiritualität und Religiosität für den Weltreligionen-Mystik-Sammelband von Wolfgang Achtner, der dann wenige Wochen vor seinem Tod erschien:

          http://www.blume-religionswissenschaft.de/pdf/Blume-Mystik-als-Kern_EvolutionsforschungSpiritualitaet.pdf

          Perplexity.ai zum Gesamtthema:

          Dr. Michael Blume hält die Evolutionsforschung zu Religiosität, Spiritualität und Zeit aus mehreren Gründen für relevant:

          ## Interdisziplinärer Ansatz

          Blume betont die Bedeutung eines interdisziplinären Ansatzes in der Erforschung von Religion und Spiritualität. Er sieht eine Überwindung der früheren Spaltung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften:

          “Die Religion galt als Angelegenheit der Geisteswissenschaften und der Körper einschließlich des Gehirns als Angelegenheit der Naturwissenschaften. Und wir haben quer durch das 20. Jahrhundert eher ein Sich-entweder-gegenseitig-Vorwürfe-machen oder aber Gar-nicht-miteinander-reden zwischen diesen Wissenschaftsdisziplinen.”[2]

          Diese Überwindung ermöglicht neue Erkenntnisse über die Entstehung und Funktion von Religiosität und Spiritualität.

          ## Biologische Grundlagen der Spiritualität

          Blume argumentiert, dass die Entstehung von Spiritualität und Religiosität konkrete biologische Grundlagen hat, die nicht als Abfallprodukt der Evolution zu betrachten sind. Er sieht die Arbeitsweise unseres Gehirns als wichtigen evolutionären Vorteil, der unser Überleben ermöglicht[3].

          ## Evolutionäre Entwicklung religiöser Vorstellungen

          Blume zeigt auf, wie sich religiöse Vorstellungen im Laufe der Evolution entwickelt haben:

          “In kleinen Gruppengesellschaften, wo man sich noch persönlich kennt, da sind die gemeinsamen Ahnen ganz wichtig. Wenn die Gesellschaften dann größer und komplexer werden, werden auch die Götter immer größer und komplexer.”[1]

          Diese Entwicklung verdeutlicht den Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Komplexität und religiösen Vorstellungen.

          ## Zeitliche Dimension

          Blume betont die Relevanz der zeitlichen Dimension in der Evolutionsforschung zu Religiosität. Er verweist auf die lange Entwicklungsgeschichte religiöser Praktiken:

          “Wir können sehen, dass genau in den Phasen, als sich auch das Stirnhirn entwickelt, als Homo sapiens und Homo Neandertalensis beginnen, Vorausplanung zu beherrschen, Impulskontrolle, biografisches Denken, […] da treffen wir dann auf Bestattungsverhalten.”[1]

          Diese zeitliche Perspektive ermöglicht ein tieferes Verständnis der Entstehung und Entwicklung religiöser Praktiken.

          ## Neurowissenschaftliche Erkenntnisse

          Blume hebt die Bedeutung neurowissenschaftlicher Forschung hervor. Er erklärt, dass verschiedene Formen religiöser oder spiritueller Erfahrungen mit unterschiedlichen Gehirnaktivitäten einhergehen:

          “Es ist tatsächlich so, dass wir sehen können, dass ganz unterschiedliche Gehirnareale beteiligt sind. Bei der Religiosität zum Beispiel wird die soziale Kognition betätigt, also die gleichen Areale, die auch betätigt werden, wenn Sie zum Beispiel an einen geliebten Menschen denken.”[2]

          Diese Erkenntnisse tragen zu einem differenzierteren Verständnis religiöser und spiritueller Erfahrungen bei.

          Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Dr. Michael Blume die Evolutionsforschung zu Religiosität, Spiritualität und Zeit als ein wichtiges Instrument betrachtet, um die komplexen Zusammenhänge zwischen biologischer Evolution, gesellschaftlicher Entwicklung und religiösen Vorstellungen zu verstehen und zu erklären.

          Citations:
          [1] https://www.rpi-loccum.de/material/pelikan/pel3-18/3-18_weber
          [2] https://www.deutschlandfunk.de/religiositaet-hirnforscher-und-theologen-auf-der-suche-nach-100.html
          [3] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/religion-mehr-als-ein-abfallprodukt-der-evolution/
          [4] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/evolution-zeit-und-sinn-warum-demografie-so-viele-triggert/
          [5] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/zum-glauben-geboren-forscher-ergr-nden-die-evolution-der-religion/

  8. Die Idee von Entwicklungsstufen im religiösen Kontext ist z.B. auch in der Asam-Kirche vom Kloster Weltenburg (bei Kelheim/Donau) künstlerisch in der Architektur und künstlerischen Darstellungen erkennbar.

    horizontal:
    Im Eingangsbereich sind einfache Tiere erkennbar – das ist die primitivste Existenzform.
    Der Mittelraum der Kirche entspricht dem Zustand von gebildeten Menschen.
    Und der Altarraum entspricht symbolisch, dass man religiös wurde.

    Eine weitere Darstellung von drei Entwicklungsstufen ist in der vertikalen Struktur der Kirche und den Abbildungen erkennbar:
    Der untere Teil des Kirchenraumes stellt die Lebenswelt von gebildeten Menschen dar.
    Die Schicht darüber entspricht dem Zustand der Gotteserkenntnis, welche dazu führt – und das ist die dritte, oberste Schicht – dass man schließlich erlöst und mit Gott vereint wird.

    • Vielen lieben Dank, @KinseherRichard, für das schöne, bildhafte, sogar architektonische Aufgreifen der religiös-spirituellen („mystischen“) Stufenmetaphern. 🙏

      Aus meiner Sicht dabei faszinierend ist, dass diese Form die Vorteile der zirkulären, linearen und überzeitlich-einenden Zeitdeutungen miteinander verbindet. Einerseits wird eine Rückkehr zum göttlichen Ursprung verheißen (zirkulär), zweitens aber die Jetztzeit auf zukünftige Erfahrungen hin mit Sinn erfüllt (linear) und drittens ein Einfließen in die Überzeitlichkeit erstrebt (mystisch-spirituell).

      So zitiert Wolfgang Achtner im Meister-Eckhart-Jahrbuch 9 (2015) auf S. 95 aus Predigt 76: „denn wir sagen, daß das Erkennen sei etwas vom Leben der Seele, das heißt vernünftiges Leben, und in diesem Leben wird der Mensch als Gottes Sohn und zum ewigen Leben geboren; und diese Erkenntnis ist ohne Zeit und Raum, ohne Hier und ohne Nun. In diesem Leben sind alle Dinge eins.“

      Auch der von Ihnen bereits angeführte Augustinus wird in Predigt 72 für eine Drei-Stufen-Struktur angeführt, bei Achtner auf S. 94:

      „Sankt Augustinus belehrt über dreierlei Erkenntnis. Die eine ist leibgebunden: die nimmt Bilder auf wie das Auge; das sieht und nimmt Bilder auf. Die zweite ist geistig und nimmt doch Bilder auf von körperlichen Dingen. Die dritte ist innerlich im Geiste, die erkennt ohne Bilder und Gleichnisse, und diese Erkenntnis gleicht den Engeln.“

      Dass sich diese Stufenstruktur interreligiös finden und deuten lässt, deutet m.E. auf anthropologische (allgemein-menschliche) Strukturen der Neuropsychologie und Zeiterfahrungen hin.

  9. @Michael 31.10. 17:44

    „Wenn aber alles unmittelbar in einer kosmischen Einheit eingeht, dann hat der gierigste und brutalste Ausbeuter und Mörder den gleichen Zugang wie seine Opfer. Der auch von Dir verwendete Begriff “Verantwortung” impliziert ja eine Antwort auf jemanden. Dieser Dialog entfällt jedoch, wenn es keine Unterschiede mehr zwischen den Personen und auch nicht mehr zwischen Gut und Böse gibt. Wenn alles gleich gültig ist, dann wird alles gleichgültig.“

    Ich kann es doch nicht ändern. Wenn es nichts anderes Vernünftiges nach dem Tod geben kann, als eine Wiederauflösung im Kosmischem Geist, dann muss sich die Moral eben aus der Lebenszeit und dem Weltlichen ergeben.

    Wobei ein gewisses Bewusstsein einer grenzenlosen Geborgenheit doch auch ethisch förderlich sein kann. Es impliziert ja auch ein Miteinander im Ozean des Geistes. Im Prinzip schon zu Lebzeiten, was durchaus für sich schon erstrebenswert sein dürfte. Der Unfriede, den ich mit bösen Taten auslöse, der wirkt doch auch auf mich selbst.

    Naja, und dann eben das Weltliche vernünftig gestalten, freiwillig. Unterstützung durch Geisteswelten dabei sind dann aber auch wieder attraktiv, für den Einen oder Anderen. Insbesondere wer eine gewisse Spielernatur hat, freut sich doch unbändig, wenn er Glück hat im Leben mit dem, was er versucht.

    Und im Leben den wirklichen Geisteswelten näherkommen, ist insbesondere dann elementar, wenn unsere Hauptaufgabe darin besteht, diesen wunderbaren Planeten in diesem wunderbaren Kosmos nicht nur intensiv zu erleben, sondern dann auch zu Verstehen und in diesem Verstehen noch intensiver zu erleben. Eine intelligente Mitgestaltung der Ökosysteme des Planeten dann inclusive.

    Das Miterleben ist schon der Sinn der Tier- und Pflanzenwelt. Bei uns sowieso auch, das Verstehen, die Erkenntnis aller Details dieses wunderbaren Kosmos, die kommt im Menschen noch obendrauf. Hier agieren wir dann letztlich auch als Menschheit, nicht nur als Individuen. Das sollte uns viel bewusster werden.

    Mit Risiken in der Entwicklung, ja. Das Selbstverstehen des Menschen macht sich schnell selbstständig. Wir müssen echt gucken, dass wir das überleben und irgendwann überwinden. Die Hoffnung auf eine Welt mit einer befriedeten und nachhaltigen Lebensweise der Menschen muss als Hoffnung reichen, die sich mit Willen durchsetzt.

    Unterschiedliche Perspektiven im Jenseits heranziehen dürfte m.E. nicht nur unpraktikabel, sondern auch unnötig sein. Zumal ein Mensch, der von der Wiederauflösung im Kosmischem Geist träumt, dann doch auch entspannter und weniger verbissen durchs Leben geht. Man muss zu Lebzeiten dann nicht alles haben, wenn man wirklich Teil von Kosmischen Geisteswelten ist. Das sind auch wirksame Argumente.

    Die Neugier auf die Geisteswelten mag auch wirken. Auch im Sinne von Kindersegen.

    • @Tobias

      Danke für Deinen dialogischen Druko! Du schriebst:

      „Ich kann es doch nicht ändern. […] Unterschiedliche Perspektiven im Jenseits heranziehen dürfte m.E. nicht nur unpraktikabel, sondern auch unnötig sein. Zumal ein Mensch, der von der Wiederauflösung im Kosmischem Geist träumt, dann doch auch entspannter und weniger verbissen durchs Leben geht. Man muss zu Lebzeiten dann nicht alles haben, wenn man wirklich Teil von Kosmischen Geisteswelten ist. Das sind auch wirksame Argumente.“

      Das finde ich spannend, weil auch widersprüchlich. Wenn ich Dich richtig verstehe, betrachtest Du die „Wiederauflösung in den Kosmischen Geist“ als objektive Realität, die Du „nicht ändern“ könntest. Andere Jenseitsvorstellungen etwa eines Weltgerichtes oder einer karmischen Wiedergeburt wären dagegen „nicht nur unpraktikabel, sondern auch unnötig“.

      Wie Du Dir ggf. vorstellen kannst, sehe ich da doch einiges anders. Erkenntnistheoretisch können wir über ein Jenseits wenig wissen, aber vieles glauben. Auch der neoplatonische Glaube an eine „Wiederauflösung im Kosmischen Geist“ glaubt viel, etwa:

      1. dass es einen Kosmischen Geist objektiv gibt.
      2. dass wir (alle(s)?) aus Ihm herausgeschleudert wurden und
      3. glücklich zu Ihm zurückfließen, dabei unsere Individualität wieder einbüßen werden.

      Warum aber sollte ein Kosmischer Geist einen solchen schmerzhaften Umweg zu Sich selbst gewählt oder zugelassen haben? Wenn Er nicht von einer weiteren Macht dazu gedrängt wurde, so wäre wohl ein Fehler, eine Sehnsucht oder Neugier anzunehmen. Und all diese Pfade legen eine aktive Mitarbeit der verlorenen Seele zu ihrer Rückkehr nahe.

      Gibt es also doch eine Prüfung, gar ein Gericht? Und warum genau sollte die „Wiederauflösung“ nur nach einer Lrbenszeit erfolgen? Basiert denn nicht auch der gesamte Evolutionsprozess auf Reproduktion durch Rekombination?

      Schließlich deutet schon die Existenz verschiedener Jenseitsvorstellungen – oft tradiert seit Jahrtausenden – darauf hin, dass hier die behauptete Eindeutigkeit nicht besteht, nicht einmal psychologisch.

      Gefühlte Realitäten sind noch keine objektiven Realitäten. Auch Ideen zum Kosmischen Geist korrespondieren mit Vielfalt – und auch Du sprichst ja intuitiv im Plural von „Geisteswelten“. Wirken diese neben- oder doch auch übereinander? Das Ganze fühlt sich auch für Dich nicht nach dogmatischem, sondern eher nach dialogischem Monismus an. Dieser kostet aber den Mut zum Umweg um den Relativismus herum, ja.

  10. Ich hab auch etwas zum Thema “Zeit”.

    Eine vielleicht “zeitlose” Frage zur Möglichkeit der physikalisch zeitlosen Übermittlung rechtzeitiger Information. Ich hege die Hoffnung, dass jemand die Zeit findet , relativ zeitig etwas Zeitgemäßes zu dieser naturphilosophischen Zeitgeistfrage zu sagen. Und zwar gehts um einen recht aktuellen Beitrag in meinem Lieblings (Regierungs-) Sender Deutschlandfunk. Und weil der im Format “Forschung aktuell” zu hören ist, passt das alles ja auch hier in dieses populärwissenschaftliche scilogs-Blog- Format:

    https://download.deutschlandfunk.de/file/dradio/2024/10/31/forschung_aktuell_31102024_komplette_sendung_dlf_20241031_1634_565e7ce6.mp3

    Und nun meine wirklich zeitgemäße Frage dazu.
    (Vielleicht ist gerade der (religiöse) Feiertag “Allerseelen” ein guter Anlass, sich über Einsteins “Spukhafte” Fernwirkung etwas tiefere metaphysische oder physikalische oder vielleicht am Besten “physikalisch- metaphysische” Gedanken zu machen.Oder auch “nur” theologische .

    Also los:
    Wird beim Senden von „Zwillingsteilchen“ mit verschränkten Quantenzuständen über Glasfaser jetzt „Information“ übermittelt oder nicht? Angeblich geschieht die (notwendige) „Dekohärenz“, also der Kollaps der (universellen) Wellenfunktion doch (zeitlos) instantan. Was dann der „Einstein“ – Forderung nach genereller Begrenzung von „ Allem“ auf die Lichtgeschwindigkeit widersprechen würde. (Einsteins „spukhafte Fernwirkung“).

    Aber vielleicht ists auch schon wieder unzeitgemäß bzw. schon zu spät für dieses Thema , weil die Halloween – Spukzeit ja leider schon zur gestrigen Spätzeit geendet hat.
    Aber da es ja auch spukferne (Wissenschafts-) “Geister” gibt, könnten ja dann die sich zeitig dazu äußern.
    Jetzt wirds aber wirklich Zeit, Schluss zu machen. Weil mir sonst die Zeit zu zur Zeit Wichtigerem fehlt.

  11. @Michael 01.11. 14:51

    „Du die „Wiederauflösung in den Kosmischen Geist“ als objektive Realität, die Du „nicht ändern“ könntest.“

    Nein, ich meine vor allem, das eine geistige Wirklichkeit existiert, die nicht zu ändern ist. Unabhängig davon, was ich glaube oder von dem, was z.B. in der Bibel steht.

    „Erkenntnistheoretisch können wir über ein Jenseits wenig wissen, aber vieles glauben.“

    Praktische Gedanken machen geht auch bei dem Thema, würde ich sagen.

    „Warum aber sollte ein Kosmischer Geist einen solchen schmerzhaften Umweg zu Sich selbst gewählt oder zugelassen haben?“

    Leben ist halt biologisch beschränkt, mehr kann man mit Lebewesen nicht anfangen. Zukünftige Lebensformen dürfen gerne besser werden.

    „Und all diese Pfade legen eine aktive Mitarbeit der verlorenen Seele zu ihrer Rückkehr nahe.“

    Wie soll denn eine aktive Rückkehr aussehen? Mit dem Tod sich dann zeitnah auflösen kann ich mir jedenfalls noch am ehesten vorstellen.

    „Und warum genau sollte die „Wiederauflösung“ nur nach einer Lebenszeit erfolgen?“

    Weil eine Zwischenexistenz als ehemaliges biologisches Subjekt dort keinen passenden Lebensraum findet. Insbesondere bei Löwen, Antilopen oder Ameisen. Aber eben auch bei Menschen. Wir sind auch nur Tiere mit Verstand.

    „Auch Ideen zum Kosmischen Geist korrespondieren mit Vielfalt“

    Vielfalt ist hier zu beobachten, aber es dürfte auch genau eine geistige Wirklichkeit geben. Über deren Beschaffenheit es sich nachzudenken lohnt. Auch wenn man es vorerst nur versucht.

    • Gerne führe ich unseren Dialog hier fort, @Tobias

      „Nein, ich meine vor allem, das eine geistige Wirklichkeit existiert, die nicht zu ändern ist. Unabhängig davon, was ich glaube oder von dem, was z.B. in der Bibel steht.

      „Erkenntnistheoretisch können wir über ein Jenseits wenig wissen, aber vieles glauben.“

      Praktische Gedanken machen geht auch bei dem Thema, würde ich sagen.

      „Warum aber sollte ein Kosmischer Geist einen solchen schmerzhaften Umweg zu Sich selbst gewählt oder zugelassen haben?“

      Leben ist halt biologisch beschränkt, mehr kann man mit Lebewesen nicht anfangen. Zukünftige Lebensformen dürfen gerne besser werden.“

      Also zielt die Wirklichkeit des Kosmische Geist auch in Deinem Glauben von einem schmerzhaften Anfang an auf eine Höherentwicklung und sogar „Besserung“ der Lebenden.

      Millionen Generationen sterbender Tiere wurden in Kauf genommen, bis ein bewusster Mensch geboren ward, der dem Kosmischen Geist näher, weil höher kommt.

      So dürfen wir also ganz „praktische Gedanken“ bzw. Fragen in den Raum stellen, wie: Warum hat der Kosmische Geist denn überhaupt einen Anfang und damit auch Abfall zugelassen?

      Es könnte ein feindseliger Dualist (böse) sein, der sich wie ein Sadist an den zunehmend bewussten Leiden des Evolutionsprozesses labt. Es könnte ein egozentrischer Relativist sein, der den Evolutionsprozess unachtsam gestartet hat und sich auch nicht für die Ergebnisse interessiert. Oder es könnte eine dialogische Monistin sein, die mit uns in der Zeitlichkeit webt und geht und leidet und erkennt. Nur im letzten Modi wird gelingende Erfahrung des Ewigen schon im Zeitlichen erhoffbar.

      Wolfgang Achtner schreibt im Eckhart-Jahrbuch 9 / 2015 auf S. 106 dazu:

      „Die Wirkeinheit göttlicher und menschlicher Vernunft zeigt sich auch gerade in der Zeitlosigkeit des göttlichen Schaffensprozesses, an dem die metaphysische Vernunft des Menschen so partizipiert, dass die Modi der Zeit im menschlichen Erleben aufgehoben werden. Traszendenzerfahrung wird so zur Partizipation an der zeitlosen Ewigkeit Gottes. Diese Verbindung von metaphysischer Vernunftstruktur und Zeitlosigkeit der Ewigkeit ist für Eckhart keine Sache philosophischer Spekulation sondern des erfahrungsbasierten Wissens.“

      Sicher: Der Aufstieg in eine dialogisch-monistische Höhe verlangt vom Gehenden mehr als das Flanieren auf einer relativistischen Ebene oder gar der Absturz in einen dualistischen Abgrund. Doch wir dürfen hoffen, dass „Besserung“ gegenseitig anzieht, nicht wahr?

  12. little Louis schrieb (01.11.2024, 15:07 Uhr):
    > […] um einen recht aktuellen Beitrag in meinem Lieblings (Regierungs-) Sender Deutschlandfunk. Und weil der im Format “Forschung aktuell” zu hören ist

    Als langjähriger häufiger Radio-Hörer dieses Formats bin ich nun entsetzt, dass auf der betreffenden Web-Seite nicht mal mehr Transkripte der Beiträge bereitgestellt sind …

    Und bekanntlich auch keine Möglichkeit besteht, öffentlich und Barriere-frei danach zu fragen …

    Wenn ich hiermit also mitteile, dass sich der relevante gestrige “Forschung aktuell”-Beitrag

    Zukunftsmusik wird Realität: Delft ebnet Weg fürs Quanteninternet
    Riethmüller, Carolin | 31. Oktober 2024, 16:49 Uhr

    auf auf diesen “Science”-Artikel (einschl. Supplement) bezog,

    dann in der Erwartung, dass ein entsprechender (auskömmlicher) Anteil unseres Beitrags für kommunikative Teilhabe dafür eingesetzt ist, uns (wenigstens) das öffentlich und Barriere-freie (und Zeit-nahe) Kommentieren vermittels der SciLogs zu ermöglichen.

    > […] meine wirklich zeitgemäße Frage dazu

    > Wird beim Senden von „Zwillingsteilchen“ mit verschränkten Quantenzuständen über Glasfaser jetzt „Information“ übermittelt oder nicht?

    Grundsätzlich wird „Information“ von “Sender” zu “Empfänger” übermittelt. Insbesondere Fig. 3 und 4 des verlinkten Artikels legen nahe, dass sich verschiedene identifizierbare Beteiligte in diesen Rollen abwechseln können; oder sogar beide Rollen (hinsichtlich verschiedener Signal- bzw. „Informations“-Übertragung) auf einmal.

    > Angeblich geschieht die (notwendige) „Dekohärenz“, also der Kollaps der (universellen) Wellenfunktion doch (zeitlos) instantan.

    Die “Measurement Outcomes” (Fig. 3B) können jedenfalls von jedem (“Experimentator”) ermittelt werden, der Kenntnis von allen auszuwertenden und zu korrelierenden Detektor-Befunden zusammen hat; und zwar sobald derjenige insgesamt davon Kenntnis hat.

    > Was dann der „Einstein“ – Forderung nach genereller Begrenzung von „ Allem“ auf die Lichtgeschwindigkeit widersprechen würde.

    Die in der Relativitätstheorie relevante Begrenzung besteht jedenfalls darin,
    dass ein Empfänger frühestens erst dann Kenntnis davon gehabt haben kann, dass
    ein bestimmter Sender eine bestimmte Signal-Anzeige erlebt hatte,
    wenn dieser Empfänger zum ersten Mal davon Kenntnis erhalten hat.

    Jedes Signal ist also durch seine Signal-Front dahingehend begrenzt, wie zeitig es beim Empfänger eintraf.

    (Sofern Sender und Empfänger dabei sogar eine bestimmte Distanz voneinander zugeschrieben werden kann, d.h. dass Sender und Empfänger durchwegs getrennt voneinander gegenüber einander ruhten,
    lässt sich der betreffenden Signal-Front auch eine bestimmte (Durchschnitts-)Geschwindigkeit zuschreiben; nämlich die sogenannte “Signalfront-Geschwindigkeit”, die aus historischen Gründen auch (immer noch) “Lichtgeschwindigkeit im Vakuum” genannt wird.

    In diesem Fall begrenzt die Signalfront-Geschwindigkeit die Geschwindigkeiten jeglicher “Nachklänge”, “Bestätigungen”, “Echos” etc. dieses Signals, die den Empfänger nach der Signal-Front erreicht haben mögen.)

    > (Einsteins „spukhafte Fernwirkung“).

    … ist in mehrfacher Hinsicht eine Eselei, auf der sich nicht herumzureiten lohnt.

  13. @Michael 01.11. 19:15 / Wolfgang Achtner

    „Millionen Generationen sterbender Tiere wurden in Kauf genommen, bis ein bewusster Mensch geboren ward, der dem Kosmischen Geist näher, weil höher kommt.“

    Die Evolution ist in der Tat ein umfangreiches Projekt. Dass es wirklich uns Menschen zum Ziel hat, kann sogar sein. Aber so wie ich Tiere kenne, haben die auch meistens ein recht lebenswertes Leben. Es wird wohl mindestens der Weg auch das Ziel sein können.

    Es kann auch gut sein, dass viele belebte Planeten nur Tiere und Pflanzen, aber nie intelligente Zivilisationen entwickeln. Oder sogar Planeten nur mit Mikroben, die könnten sogar sehr häufig sein. Immerhin gab es auf der Erde schon vor 3,5 Mrd Jahren Mikroben, und erst seit in etwa 500 Mio Jahren höheres Leben.

    „Warum hat der Kosmische Geist denn überhaupt einen Anfang und damit auch Abfall zugelassen?“

    Na weil die verschiedenen Lebewesen eben nicht besser funktionieren. Evolution dauert eben sehr lange. Und anders scheint es nicht zu gehen.

    „Oder es könnte eine dialogische Monistin sein, die mit uns in der Zeitlichkeit webt und geht und leidet und erkennt. Nur im letzten Modi wird gelingende Erfahrung des Ewigen schon im Zeitlichen erhoffbar.“

    Wunderbar. Geisteswelten können womöglich sogar mit uns mitleiden. Und uns eben im Leben wo möglich auch ganz praktisch unterstützen. Gerade diese Unterstützung sehe ich als zentral an, wenn es um die Zusammenarbeit von Mensch und Geisteswelten geht.

    Auch die Bibel lässt sich als Unterstützung sehen, indem die Autoren inspiriert waren, als sie sie verfasst haben. Derweil ich es als sinnvoll ansehe, sich da nicht zu sehr drauf zu verlassen. Über jede Inspiration geht verlässliche Evidenz und damit der eigene Verstand und die Vernunft.

    „.Traszendenzerfahrung wird so zur Partizipation an der zeitlosen Ewigkeit Gottes. „

    Wer weis schon, was hier sogar bei Tieren schon zur inneren Lebenswelt gehört? Ich denke da etwa an Elefanten oder Delfine. Wenn am Panpsychismus was dran ist, dann muss das wohl sogar so sein, dann sind auch Tiere rein praktisch schon Geisteswesen, wenn auch ohne es bewusst zu wissen. Ich bin durchaus gespannt, wenn es der KI gelingt, die Sprache von Tieren zu übersetzten, dass hier echte Dialoge möglich werden.

    „Diese Verbindung von metaphysischer Vernunftstruktur und Zeitlosigkeit der Ewigkeit ist für Eckhart keine Sache philosophischer Spekulation sondern des erfahrungsbasierten Wissens.“

    Hört sich wirklich gut an. Vermittelbar dann aber nur so richtig, wenn denn die Erfahrungen auch geteilt werden.

    „Doch wir dürfen hoffen, dass „Besserung“ gegenseitig anzieht, nicht wahr?“

    So sind auch Menschen mit ganz unterschiedlichen Traditionen zuweilen recht dicht bei einander. Was auch keinesfalls verwundert, immerhin sind die Geisteswelten, die das alles inspiriert haben, wohl Teil derselben Wirklichkeit.

    So ergibt sich dann auch öfter eine Konvergenz der Vernunft.

  14. Zitat little Louis
    Wird beim Senden von „Zwillingsteilchen“ mit verschränkten Quantenzuständen über Glasfaser jetzt „Information“ übermittelt oder nicht? Angeblich geschieht die (notwendige) „Dekohärenz“, also der Kollaps der (universellen) Wellenfunktion doch (zeitlos) instantan. Was dann der „Einstein“ – Forderung nach genereller Begrenzung von „ Allem“ auf die Lichtgeschwindigkeit widersprechen würde. (Einsteins „spukhafte Fernwirkung“).

    Ja, mit der Verschränkung gibt es eine instantane Übertragung des Zustandes zwischen „Zwillingsteilchen“, unabhängig von ihrer Entfernung zueinander. Dies steht im gravierenden Widerspruch mit der Relativitätstheorie Einsteins, der eine derartige „spukhafte Fernwirkung“ immer negiert hat, wobei es ihm auch keine Widerlegung gelungen ist.

    Quantenmechanik (beide Interpretationen: Kopenhager Deutung und Brohmsche Mechanik) lehnen das Postulat Einsteins der Lichtgeschwindigkeit c als Grenzgeschwindigkeit ab. Quantenmechanik und Relativitätstheorie sind inkompatibel, siehe ChatGPT hier:

    ChatGPT:

    4. Zusammenfassung der Inkompatibilität

    Die Bohmsche Mechanik ist nicht kompatibel mit der Spezialen Relativitätstheorie aus denselben Gründen, aus denen die Kopenhagener Interpretation es nicht ist:

    • In beiden Theorien gibt es Phänomene der Nicht-Lokalität, bei denen die Zustände von verschränkten Teilchen sofort und unabhängig von der Entfernung festgelegt werden.

    • In der Speziellen Relativitätstheorie gibt es jedoch eine strikte Grenze durch die Lichtgeschwindigkeit, die keine schneller als Licht-Übertragung von Informationen erlaubt.

    Während die Bohmsche Mechanik ein interessanter und konsistenter Versuch ist, eine deterministische Quantenmechanik zu entwickeln, löst sie nicht das Problem der Nicht-Lokalität, das Einstein störte. Daher bleibt auch sie im Widerspruch zur Speziellen Relativitätstheorie.

    Fazit:

    Die Bohmsche Mechanik ist nicht kompatibel mit Einsteins Spezieller Relativitätstheorie. Auch wenn Bohm einen deterministischen Ansatz verfolgte, behält seine Theorie die Nicht-Lokalität bei, die im Widerspruch zu Einsteins Idee steht, dass nichts schneller als Licht wirken kann. Bohms Theorie bewirkt ebenfalls eine „spukhafte Fernwirkung“, die Einsteins Vorstellung von lokalem Realismus verletzt.

    Die beiden Relativitätstheorien Einsteins, die auf der Konstanz von c als Grenzgeschwindigkeit grundlegend aufgebaut wurden, sind ohnehin auf zwei gravierenden Denkfehler Einsteins bei seinem Konzept der „Zeit“ zurückzuführen, der leider als „revolutionär“ gehalten wurde. Diese Denkfehler, lassen sich am klarsten mit zwei Zitaten Einsteins erkennen:

    Albert Einstein:
    „Zeit ist das, was man an der Uhr abliest“.

    Natürlich liest man keine „Zeit“ an einer Uhr ab, sondern liest man eine Uhrzeit ab. Einstein verwechselt hier zwei grundlegende Begriffe: Die „Zeit“ bzw. die „Zeitdauer“ liest man nicht an der Uhr ab, sondern muss man die Differenz zwischen zwei Uhrzeiten berechnen. Man muss immer zwei Zeitpunkte messen, um die Zeit bzw. die Zeitdauer zu berechnen, und das kann man nicht an der Uhr ablesen, man muss es separat berechnen. Einstein hatte Schwierigkeiten mit dem Umgang mit Uhren (siehe seine vielen Gedankenexperimenten mit Bahnhofsuhren oder mit dem Zwillingsparadoxon bzw. mit seiner Vorstellung, dass man langsamer altert, wenn die Uhr, die man trägt, langsamer läuft).

    Albert Einstein:
    “Wenn man mit einem netten Mädchen zwei Stunden zusammen ist, hat man das Gefühl, es seien zwei Minuten. Wenn man zwei Minuten auf einem heißen Ofen sitzt, hat man das Gefühl, es seien zwei Stunden. Das ist Relativität.”

    Auch hier macht Einstein ein gravierenden Denkfehler, indem er eine objektive Messung der Zeit mit einer subjektiven Wahrnehmung der Zeit verwechselt. Die Subjektivität der Wahrnehmung der Zeit gehört nicht zur Physik, sondern zur Philosophie oder Psychologie – und sie ist ohnehin eine Binsenweisheit, die jeder kennt und erfahren kann und wozu man weder eine physikalische Theorie noch Diskussionen braucht.

  15. @Michael 02.11. 07:35

    „Selbst wer die Inhalte von hebräischer und christlicher Bibel, Koran etc. für irrelevant halten wollte, wird doch regelmäßig auf ihr Medium, die semitischen und jafetitischen Alphabetschriften, zurückgreifen.“

    Bei aller Inspiration beim Schreiben der Bibel, vermute ich hier einen gewissen Übermut bei den vermutlich sehr menschlichen Autoren. Man hat mit der Alphabetschrift ein mächtiges Werkzeug gefunden, mit dem sich die vormals rein mündliche Tradierung festschreiben ließ.

    Das Ergebnis war ein richtig dickes Buch, dass selbst bis heute vom Umfang her gefühlter Spitzenreiter ist.

    Genau hier liegt bei mir der persönliche der Grund, die Bibel nur mal durchgeblättert zu haben. Dieses geballte Mythenpotential war mir zu viel, es scheint den Leser buchstäblich zu erschlagen.

    Joycelyn Lopez 02.11. 11:13

    „Dies steht im gravierenden Widerspruch mit der Relativitätstheorie Einsteins, der eine derartige „spukhafte Fernwirkung“ immer negiert hat,…“

    Ich sehe hier eigentlich kein Problem. Die Lichtgeschwindigkeit mag für Partikel insclusive Photonen eine Grenze sein, für die Verschränkung aber eben nicht. Die Verschränkung kann sich gerne an einer absoluten Gegenwart orientieren, die mit einem Bezugssystem definiert werden kann, in der die kosmische Hintergrundstrahlung in allen Richtungen isotrop ist. Davon kann es genau nur eines geben, das seit dem Urknall im gesamten Universum konsistent läuft. Was auch nötig wäre, damit eben die Verschränkung in geordneten Bahnen ablaufen kann.

    Hier sollte wohl besser nicht das eine das andere überholen. Das funktioniert nur mit einer absoluten Gegenwart.

    Was man an der Uhr abließt ist doch recht interessant. So wie die Uhr aufgebaut ist, bildet sie auch ab, was etwa Biochemisch in uns passiert oder was etwa Planeten im Umlauf um die Sonne machen. Entsprechend haben Chemische und Physikalische Gesetze die Zeit und die Zeitdauern fest in ihren Formeln eingebaut. Ohne die mit Uhren gemessenen Zeiten haben all diese Formeln keinen Sinn.

  16. Zitat Jocelyne Lopez:
    „Dies steht im gravierenden Widerspruch mit der Relativitätstheorie Einsteins, der eine derartige „spukhafte Fernwirkung“ immer negiert hat,…“

    Zitat Tobias Jeckenburger:
    Ich sehe hier eigentlich kein Problem. Die Lichtgeschwindigkeit mag für Partikel insclusive Photonen eine Grenze sein, für die Verschränkung aber eben nicht.

    Es mag sein, dass Sie hier kein Problem sehen, die Quantenphysiker und Einstein sehen aber eins. 😉

    Denn die Verschränkung bedeutet ein Kollaps der Welle:

    ChatGPT:

    Aufgrund der Verschränkung führt die Messung des Zustands eines Teilchens unmittelbar dazu, dass der Zustand des anderen Teilchens festgelegt wird, unabhängig von der Entfernung zwischen ihnen.

    Nach der Kopenhagener Interpretation ist dies kein Problem, da Quantenobjekte in einem Zustand der Superposition existieren, bis sie gemessen werden. Die Messung an einem der verschränkten Teilchen kollabiert die Wellenfunktion und bestimmt augenblicklich den Zustand des anderen Teilchens, was als Nicht-Lokalität bekannt ist.

    Es gibt also nach der Quantenphysik keine Übertragung über die klassischen Wellen, also weder mit der Lichtgeschwindigkeit c von Einstein noch mit irgendwelcher Geschwindigkeit, es gibt keine Welle, die Übertragung ist instantan zwischen den Zwillingsteilchen. Das ist eben das Problem der Inkompatibilität zwischen Quantenmechanik und Relativitätstheorie, das Sie zwar persönlich nicht sehen, das jedoch trotzdem besteht. 😉

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