Zeit, Demografie und Musik im Christentum am Beispiel von Der Herr segne Dich, 2020

Auch gestern wurde ich wieder auf den Zweifel junger Menschen angesprochen: “Sollen wir in diese Welt überhaupt noch Kinder setzen?” Diese Frage klingt sehr modern, ist aber als sog. Anthropodizee-Frage seit Jahrtausenden belegt und von hoher, nicht nur philosophischer Relevanz. Und da hier auf “Natur des Glaubens” zuletzt Blog-Dialoge über Evolution, Zeit & Demografie sowie über Zeit, Sinn und Musik hervorragend geglückt sind, biete ich dazu noch einen Blogpost.

Ich möchte Sie dabei bitten, erst einmal die Entwicklungen über die Jahrtausende, Jahrhunderte und Generationen hinweg zu betrachten, statt gleich wieder in einen zustimmenden oder ablehnenden Dualismus zu verfallen. Wissenschaft & Dialog verlangen: Erst verstehen, dann beurteilen.

Ein traurig blickende Person links symbolisiert die verrinnende Zeit, eine aufwärts strahlende Person rechts verkörpert die Demografie.

Verrinnt die Zeit oder schreitet sie voran? KI-Personifizierungen von Zeit und Demografie für den Blogpost “Evolution, Zeit und Sinn”. Michael Blume mit Leonardo.AI, Oktober 2024

In der hebräischen Bibel – der Tora, deren jüdischer Feiertag als Simchat Tora 2023 von der Hamas angegriffen wurde – wird diese Frage mehrfach pronatal beantwortet. So wird dem Menschen laut 1. Mose 1, 28 als erstes aller Gebote aufgetragen:

“Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und macht sie euch untertan, und herrschet über Fische im Meer und über Vögel unter dem Himmel und über alles Tier, das auf Erden kreucht.”

Diese Lebensbejahung wird in der Noah-Erzählung wiederholt. In der Sarah-Hagar-Abraham-Geschichte (1. Mose 15:5) wird die zahlreiche Nachkommenschaft sogar bereits als Segen gedeutet:

Und er hieß ihn hinausgehen und sprach: Siehe gen Himmel und zähle die Sterne, kannst du sie zählen? Und sprach zu ihm: Also soll dein Same werden.

Heute sind jüdisch-religiöse Familien wieder durchschnittlich kinderreich, werden etwa in Israel derzeit um die 3 Kinder pro Jüdin geboren. Das hat selbstverständlich auch kulturelle, politische, wirtschaftliche und militärische Auswirkungen. Und trotz des NS-Vernichtungsantisemitismus gibt es heute wieder jüdisches Leben in allen Nationalstaaten des EUSALP-Alpenraums.

Ein Mastodon-Post über einen RTR-Film zum jüdisch-christlich-säkularen Miteinander in Davos, Schweiz.

Derzeit begegnen sich sehr unterschiedliche Religions- und Familienkulturen sommers in Davos, Schweiz. Screenshot zum RTR-Film: Michael Blume

Mit der apokalyptischen Naherwartung im frühen Christentum setzte jedoch eine Rückkehr der familienskeptischen Anthropodizee ein: In der sog. Parusieverzögerung bis zur erwarteten Rückkehr des Messias Jesus galt die Ehe mit Kindern zeitweise nur als Notlösung, um Sünde zu vermeiden. Christinnen und Christen sollten stattdessen so viel wie möglich missionieren. So hieß es noch im 1. Korintherbrief des reisenden Paulus, 7,7 – 7,9:

Ich wünschte, alle Menschen wären (unverheiratet) wie ich. Doch jeder hat seine Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so.

Den Unverheirateten und den Witwen sage ich: Es ist gut, wenn sie so bleiben wie ich.

Wenn sie aber nicht enthaltsam leben können, sollen sie heiraten. Es ist besser zu heiraten, als sich in Begierde zu verzehren. 

Ein enthaltsames, dann bald auch zölibatäres Leben galt lange Zeit dominant als christliches Ideal. Erst mit dem Buchdruck und der Reformation bildete sich das kinderreiche, evangelische Pfarrhaus als Keimzelle eines christlichen Bildungsbürgertums.

Das Gemälde "Familie Luther" von Gustav Spangenberg 1875 zeigt den ehemaligen Augustineremerit Dr. Martin Luther und seine Ehefrau, die ehemalige Zisterzensierin Katharina Bora musizierend mit ihrer Kinderschar.

Die kinderreiche Familie der ehemaligen Zisterzienserin Katharina von Bora (1499 – 1552) und des ehemaligen Augustinereremiten Dr. Martin Luther (1483 – 1546) wurde vom kirchlichen Skandal zum christlichen Ideal. “Familie Luther” von Gustav Spangenberg, 1875

Im Kontext der Säkularisierung wandte sich dann wiederum der ehemalige Landpfarrer und dann säkularisierende Nationalökonom Thomas Robert Malthus (1766 – 1834) mit seinem sog. “Bevölkerungsgesetz” gegen kinderreiche Familien. Die bis heute verbreitete, vor allem säkulare Angst vor der sog. “Überbevölkerung” trug erheblich zur Entstehung von Sozialdarwinismus und Eugenik, aber auch zur Neubelebung der Anthropodizee-Frage und zu Freiheitsrechten für Verhütung und Abtreibung bei. Neomalthusianische Drukos tauchen auch auf diesem Blog immer mal wieder auf. So wenden sich sog. Climate-Overshoot-Argumentationen inzwischen vor allem gegen Völker des sog. globalen Südens.

Eine Brasilianerin, ein Mexikaner und eine Nigerianerin vor einem leuchtenden Regenbogen.

Drei Repräsentanten von drei Demokratien: Eine Brasilianerin, ein Mexikaner, eine Nigerianerin. Michael Blume mit Leonardo.AI für einen hoffnungsvollen Solarpunk-Blogpost

Mit dem sog. “Pillenknick” ab den späten 1960er Jahren beschleunigt sich der säkulare Geburtenrückgang so stark, dass spätestens zur Mitte dieses Jahrhunderts mit einer weltweiten Bevölkerungsschrumpfung zu rechnen ist.

Inzwischen versuchen islamische Radikale wie die afghanischen Taliban, US-amerikanische Rechtsdualisten um Donald Trump und russische Altherren-Ressourcenfluch-Imperialisten um Wladimir Putin die Freiheitsrechte junger Menschen und vor allem junger Frauen zu beschneiden, um wieder höhere Geburtenraten zu erzwingen. Doch nach aller Erfahrung führt Zwang in der modernen Welt nur immer tiefer in die demografische Traditionalismusfalle. So berichtet auch t-online:

Kremlchef Putin meldet sich in der Debatte auch persönlich zu Wort. In einer Rede lobte er beispielsweise Großfamilien und rief Frauen dazu auf, acht Kinder zu bekommen – mindestens. Dafür setzt der Kreml auch finanzielle Anreize: So erhalten Mütter mit zehn oder mehr Kindern eine Einmalzahlung von umgerechnet 11.000 Euro vom Staat. Und seit 2022 wird auch der Titel “Mutter-Heldin” wieder vergeben – auch dies ein Relikt aus der Sowjetzeit. Ob sich die demografische Krise mit solchen Mitteln lösen lässt, erscheint allerdings als unwahrscheinlich.

Unter den Bedingungen von Religionsfreiheit sammeln sich dagegen in den verbleibenden, liberalen Demokratien christlich-pronatale Stimmen gerade auch um Sängerinnen, die die Anthropodizee-Frage nach Kindern in der Zeit als freie Wahl und positiv beantworten.

So wurde der Song “The Blessing” der US-Gospelsängerin Kari Jobe zum internationalen Hit – die allerdings auch in die Kritik geriet, weil sie eine Einladung Trumps zum Gebet ins Weiße Haus angenommen hatte. “The Blessing” greift den sog. aaronitischen Segen aus der Tora für die Israeliten (4. Mose 4, 23 ff.) auf und verknüpfte ihn mit einem Segen auf Kinderreichtum über mehrere Generationen hinweg.

Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich:
So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet:
Der Herr segne dich und behüte dich;
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.

In Deutschland wurde dann 2020 eine deutsche Übersetzung als “Der Herr segne Dich” von Markus Fackler und Veronika Lohmer gesungen. Anstelle der paulinischen Skepsis gegen das Weitergehen der diesseitigen Zeit hören wir hier einen ganz anderen Ton:

“Seine Gunst sei immer auf dir
Und auf tausend derer nach dir
Auf den Kindern deiner Kinder
Und den Kindern ihrer Kinder

Seine Gunst sei immer auf dir
Und auf tausend derer nach dir
Auf den Kindern deiner Kinder
Und den Kindern ihrer Kinder

Seine Gunst sei immer auf dir
Und auf tausend derer nach dir
Auf den Kindern deiner Kinder
Und den Kindern ihrer Kinder”

Selbstverständlich wird es noch Jahrzehnte und Generationen benötigen, bevor auch das Christentum wieder aus dem säkularen Geburtentief herausfindet – bis dahin steht nicht nur in Europa ein massiver Bevölkerungsrückgang an.

Aus evolutionsforschender und religionswissenschaftlicher Sicht ist es jedoch faszinierend zu sehen, wie sehr sich auch grundlegende Narrative in Religionen und Weltanschauungen über die Jahrtausende, Jahrhunderte und Generationen hinweg verändern können. In Abermillionen kulturell vielfältiger Diskurse und auch ganz persönlicher Entscheidungen passen wir uns als Menschheit immer wieder neu an unsere Mitwelt an. Autoritäre Ideologen und Ressourcenfluch-Tyrannen, der feindselige Dualismus – diese vermögen das nicht.

Aus meiner Sicht ergibt sich aus der ruhigen Betrachtung also eine grundsätzliche Wertschätzung von Menschenwürde, Freiheit und Vielfalt auch in Kultur und Religion(en), von wehrhafter Demokratie und kritisch-konstruktivem Dialog. Wer dagegen meint, die biokulturelle Evolution top-down planen und bestimmen zu können, verhebt sich m.E. an Größenwahn. Lebe Deine Werte im Dialog, Diktaturen hatten und haben wir genug…

Drei Kinder bestaunen eine Solarpunk-Schwammstadt nach einem Regenschauer.

Für Kinder braucht es Quellen der Zuversicht. Ein Solarpunk-Motiv im Angesicht der fossil befeuerten Klimakrise. Michael Blume mit Leonardo.AI

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

72 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Blume,

    wir feiern gerade in Österreich Nationalfeiertag und ich wünsche ihnen somit ebenfalls einen wundervollen Tag. Danke für die Bereicherung und den Input, mir wurden durch ihren Blog sehr viele Ideen weitergegeben, die mich sehr bereichert haben.

    Ich habe mir schon früher öfters den Kopf zerbrochen, ob die Gesellschaft in der ich Lebe Kinderfeindlich ist oder besser gesagt, keinen guten Nährboden bietet fürs Kinderkriegen. In Gesprächen mit Menschen die sich ebenfalls darüber beklagen, bekam ich meist immer das gleiche zu hören.
    Zu teuer, zu aufwendig, zu viel abverlangen, man kann sich nicht mehr verlassen, oftmals wurden Migranten erwähnt das deren Anwesenheit sich negativ darauf auswirkt, eine mehr als eigenartige Begründung.
    Dabei kam mir das immer seltsam vor, wo doch wir in einem der reichsten Länder der Welt Leben, der Sozialstaat trotz allem stark ist und auch die Möglichkeiten für Kinder sehr hoch sind.

    Auch die Formen um die Geburtenrate zu erhöhen, von den verschiedensten Ländern, ist eigentlich lächerlich, wenn man es genau betrachtet. Frauen bekommen so viele Kinder wie sie wollen und wie sie für normal und richtig finden.

    Geld spielt dabei wohl eine sehr kleine Rolle dabei.

    Ich glaube, das es sich wohl sehr ähnlich verhält wie, pardon das ich diesen Vergleich ziehe, ich bin mir bewusst, das ich mich damit auf dünnem Eis bewege, der Viehzucht. Auch wenn man den Eindruck erweckt, das Schwangerschaften einfach Mechanisch ablaufen, hat die Umgebung, also die Mitwelt, einen enormen Einfluss. So senkt sich der Stress bei Tieren bei Liebevoller, ordentlicher und Mitfühlender Handlung, bei ordentlicher Ausstattung und wenn eben ein gutes Klima herrscht.

    Da wir ja unsere ganze Existenz lang von Tieren gelernt und abgeschaut haben, sollte man nicht auch daraus lernen?

    Wenn man als Mann will, das die Demografie seines Landes oder Umgebung nach oben geht, Frauen mehr Kinder bekommen, dann bleibt wohl nur eines, nämlich hilfreich sein. Die Frauen in seinem Leben unterstützen, ihnen zeigen das sie sich verlassen können und das sie abgesichert sind. Natürlich, niemand kann Zukunftsversprechungen machen, aber so wie ein Kind das erlebt hat, das es Vertrauen und Liebe gibt, so werden auch die Frauen diese Hoffnung in sich tragen. Dabei geht es nicht nur um die eigene Familie, sondern darüber hinaus. Einer der Gründe, warum ich zum Beispiel meiner Schwester, die gerade mit dem zweiten Kind schwanger ist, bei so einigen Besorgungen helfe, liegt dieser Überlegung zu Grunde.

    Wenn ich meine Mitmenschen Liebe und will, das es auch Nachfolger gibt, dann kann ich durch Hilfsbereitschaft den Richtigen Nährboden geben. Ob sich nun die Damen dafür entscheiden Kinder zu haben oder nicht, das bleibt dabei ihnen allein überlassen. Aber es geht ja auch nicht darum das eine jede viele Kinder bekommt. Wenn eine von Zehn am liebsten Zehn Kinder hätte, aber sich nicht traut weil sie sich nicht sicher fühlt, dann wird sie auch keine Zehn bekommen.

    Man gibt aus Liebe Leben weiter, nicht aufgrund irgendeiner Ideologie oder Nationalgefühls.

    Was wohl auch die Musik betrifft, die ja Emotionen und Energie in einem Menschen hervorruft. Das richtige Lied kann wohl auch die Hoffnung aufblühen lassen, trotz aller bedenken und Angst das Leben zum blühen zu bringen.

    Okey, ich glaube das sollte reichen.

    Schönes Wochenende 🙂

    • Vielen herzlichen Dank für den konstruktiven und teilweise auch gewagten Druko, @Berthold Forster 🙏

      Herzliche Glück- und Segensgrüße zum österreichischen Nationalfeiertag mit dem tapfer demokratischen Bundespräsidenten Alexander van der Bellen, Eurofighter-Überflug und offenen Parlamenten! 😊👍

      https://kurier.at/chronik/wien/nationalfeiertag-oesterreich-heldenplatz-leistungsschau/402967217

      An Ihrem Druko hat mir besonders der folgende Satz sehr zugesagt:

      “Wenn man als Mann will, das die Demografie seines Landes oder Umgebung nach oben geht, Frauen mehr Kinder bekommen, dann bleibt wohl nur eines, nämlich hilfreich sein.”

      Genau so ist es. Wir sehen ja auch gerade wieder, wie sich Ressourcenfluch-Altherren wie Wladimir Putin auf Kosten insbesondere der jungen Generationen völlig in fossil finanzierte Kriege und Traditionalismus verrennen:

      https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_100515526/russland-putins-absurder-kampf-gegen-kinderlosigkeit.html

      Zitat: “Wenige Geburten bei gleichzeitig sinkender Lebenserwartung: Schon vor dem Überfall auf die Ukraine blickten russische Experten mit Sorge auf die Entwicklung der eigenen Bevölkerung. Der Krieg hat den demografischen Niedergang noch beschleunigt, wie neue Zahlen zeigen. So ist die Geburtenrate inzwischen so niedrig wie zuletzt 1999, der turbulenten russischen Nachwendezeit.”

      Wer die säkulare, demografische Bevölkerungsexplosion noch abbremsen möchte – ein Aufhalten oder gar Umdrehen erscheint mir noch auf sehr lange Zeit als nahezu unmöglich -, sollte erneuerbare Friedensenergien, Pflanzenkost, Freiheit, Sicherheit und die Unterstützung von Familien etwa durch verlässliche Kinderbetreuung und gute Bildungsangebote befördern. Zwang und Gewalt sind zuletzt auch etwa im sozialistischen Rumänien grausam gescheitert und werden junge Menschen nicht dazu gewinnen, mehr Zuversicht zur Familiengründung zu fassen.

      Zudem brauchen implodierende Gesellschaften sehr dringend Arbeits- und Fachkräftezuwanderung, um den wirtschaftlichen Niedergang zu bremsen. Sogar Japan hat daher inzwischen Zuwanderungsprogramme gestartet – und auch westliche und gerade auch doitsche Rassisten könnten sich der Realität etwa der Gesundheits- und Rentensysteme mal langsam stellen.

      Mein Vorschlag wäre ja ein Geburtenrate-Ziel von 1,8 – was immer noch eine Schrumpfung von 10%+ pro Generation bedeuten würde. Gesellschaften, die lange deutlich darunter liegen, scheinen in eine Vielzahl von demografischen Turbulenzen zu geraten. Aber als Wissenschaftsblogger habe ich selbstverständlich wenig Illusionen über die kommunikative Wirkung wissenschaftlicher Hinweise. 🙂

      Ihnen nochmal Dank für den Druko und einen schönen Feiertag!

      • Danke Herr @Blume,

        ich bin bei solchen Themen immer vorsichtig, da es schon öfters vorgekommen ist das ich dadurch in Streitigkeiten geraten bin. Andererseits bin ich davon überzeugt das man offen und ehrlich sprechen muss, auch um vielleicht den einen oder anderen Denkfehler in sich selber zu finden, den nur so kann ich ja zu einem besseren Menschen werden. Theoretisch halt.^^

        Beim Thema Klimawandel, Wirtschaftswachstum, Verschiebung der Machtverhältnisse im Globalen Bereich, immer geht es zentral auch um die Bevölkerung, nur eben nicht als Hauptziel sondern als Mittel zum Zweck. Dabei verkommt doch der Mensch als bloße Zahl, als Figur auf einem Schachbrett und das finde ich eigentlich nicht akzeptabel.

        Der Mensch ist kein Diener der Wirtschaft, des Wachstums, eines Staates oder einer Ideologie. Er ist frei und unabhängig davon und jedes Instrument soll sein Leben verbessern. Wenn es wie in der Richtung von KI geht, einige wenige erhalten viel Ressourcen und Macht auf Kosten der übrigen Gesellschaft und der Mitwelt, dann ist das nicht zu akzeptieren.

        Solange man den Menschen nur als Ressource wahrnimmt, wird auch das System daran zugrunde gehen was man aufbauen möchte.

        Liebe Grüße 🙂

  2. @Hauptartikel

    „Wer dagegen meint, die biokulturelle Evolution top-down planen und bestimmen zu können, verhebt sich m.E. an Größenwahn. Lebe Deine Werte im Dialog, Diktaturen hatten und haben wir genug…“

    Es gibt dann schon Faktoren, an denen man drehen kann. So hatte die DDR Paaren mit Kindern eine Wohnung verschafft. Wer kinderlos war, musste bei den Eltern wohnen bleiben. Das hat durchaus funktioniert. Empfehlen würde ich es aber trotzdem nicht.

    Auch andersherum ist Bildung für Mädchen und Berufsmöglichkeiten für Frauen ein Faktor, der für wenige Kinder sorgen kann. Das kann man weltweit beobachten. Damit einher geht eine Leistungsorientierung, und je schärfer die ist, desto gravierender der Bevölkerungsrückgang. Spitzenreiter damit ist wohl Südkorea mit nur 0,72 Kindern pro Frau und 52 Wochenstunden Arbeitszeit.

    Vielleicht brauchen wir vor allem eine entspanntere Lebensweise, wollen wir wirklich wieder mehr Kinder haben?

    Derweil auch die persönliche Antwort der individuellen Menschen auf die Frage der ganz aktuellen Anthropodizee eine erhebliche Rolle spielen kann. Ich selber habe mir auch immer gedacht, im Zweifelsfall lieber ein paar Kinder weniger, als eine überfüllte Welt zu riskieren.

    Es ist aktuell auch gar nicht leicht festzustellen, wie viele Menschen der erhitzte Planet noch ernähren kann. Wir wissen nicht so genau, wie der Klimawandel genau fortschreitet und wie dessen Folgen auf die Landwirtschaft ausfallen werden.

    Hinterher gibt es noch die Produktion von Nahrung durch Bakterien in großem Stiel, dass gerade tierische Produkte kaum noch nachgefragt werden. Wenn wir uns dann völlig unnötigerweise geschrumpft haben, dann ist das aber auch nicht so schlimm. Der Genpool ist allemal groß genug, wieder vermehren steht uns ja frei, sobald sich konkret zeigt, dass genug Platz für sehr viel mehr Menschen zur Verfügung steht.

    Der geburtenfördernde Effekt von Religiosität kann auch in einem geringeren konkretem Horizont liegen? Man macht sich weniger Gedanken, und folgt einfach der Gemeinde, zu der man gehört. Zusammen mit weniger Fixierung auf immer mehr Wohlstand könnte dies den Religionseffekt auf die Geburtenraten zumindest teilweise erklären.

    Das würde wiederum bedeuten, dass eine entspannte Welt mit definitiv reichlich Platz für viele Kinder auch tatsächlich mehr Geburten motiviert.

    • Danke für den konstruktiven Druko, @Tobias

      Gerne gehe ich auf zwei Aspekte ein:

      “Es gibt dann schon Faktoren, an denen man drehen kann. So hatte die DDR Paaren mit Kindern eine Wohnung verschafft. Wer kinderlos war, musste bei den Eltern wohnen bleiben. Das hat durchaus funktioniert. Empfehlen würde ich es aber trotzdem nicht.”

      Nein, auch der staatliche Druck durch die SED-Diktatur hat nicht wirklich “funktioniert”. Es gab einen kurzen sog. Honecker-Buckel, der aber auch dadurch befeuert wurde, dass noch mehr Kinderlose die Auswanderung oder Flucht wagten:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/wie-ddr-familienpolitik-informationen-honecker/

      Auch aus dem fossilen Ressourcenfluch-Staat Russland sind ja Hunderttausende vor allem junger Menschen ausgewandert – was die Altherren-Regime zwar zeitweise stabilisiert, den demografischen Niedergang der autoritären Gesellschaften aber noch beschleunigt.

      Deine zweite These:

      “Der geburtenfördernde Effekt von Religiosität kann auch in einem geringeren konkretem Horizont liegen? Man macht sich weniger Gedanken, und folgt einfach der Gemeinde, zu der man gehört. Zusammen mit weniger Fixierung auf immer mehr Wohlstand könnte dies den Religionseffekt auf die Geburtenraten zumindest teilweise erklären.”

      Das mag für den religiösen Dualismus und streng-religiöse Parallelgesellschaften etwa der Old Order Amish oder jüdischen Haredim stimmen, die unliebsame Erkenntnisse einfach verwerfen. Aber gerade auch im deutschsprachigen, (inter-)religiösen Bereich begegnen mir sehr viele dialogische Monistinnen und Monisten, die beispielsweise die Klimakrise voll anerkennen, ihr aber ein hoffnungsvoll-vertrauendes Dennoch entgegenhalten. Das sprichwörtliche Gottvertrauen kann, muss aber nicht auf Ignoranz basieren. Es kann sich auch aus vertrauensvoller (“faithfull”) Zuversicht speisen.

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/fuer-kinder-braucht-es-zuversicht-frieden-zu-solarpunk-und-demografie/

      Ein Paradebeispiel für die gelungene Verbindung von Religiosität und Wissenschaftlichkeit war der modern-orthodoxe Chief Rabbi Jonathan Sacks (1948 – 2020), dessen Gelehrsamkeit immer mehr auch nichtjüdische Leserinnen und Leser gewinnt.

      Dir Dank für das Interesse und den konstruktiven Kommentar!

    • @Tobias Jeckenburger

      Hallöchen, das Problem ist ja das wir ja im Prinzip, wie eben beim Klima, keinen gemütlichen Wandel haben.

      Anstatt das Schrittweise, über Generationen und Jahrhunderte die Menschheit sich zurück schrumpft, oder anpasst an die Gegebenheiten, machen wir es radikal. Wenn eine Stadt innerhalb von Dreißig Jahren die hälfte der Bevölkerung verliert, größtenteils nur alte Menschen überbleiben, bricht ja die gesamte Infrastruktur zusammen. Das ist alles, nur nicht nachhaltig. Du brauchst auch eine Junge, tatkräftige Jugend die immer wieder neue Technologien und Innovationen angeht.

      Wir können das nicht einfach so kontrollieren, das ist ja das Problem. Wenn dann jeder das Gefühl bekommt, es ist ja eh egal und nach uns kommt eh keiner mehr, die Menschheit hat halt versagt, nun, das ist eben auch schädlich für den Planeten weil wir uns dann eventuell noch weniger mühe geben.

      Ich bin einmal gespannt ab wann Migranten das neue Erdöl werden, wo sich die hälfte der Länder um den Nachwuchs der anderen hälfte streitet.

      Scheinbar möchte Kanada bis zum Jahre 2100 nach Christus wohl knapp 100 Millionen Menschen seine Einwohner nennen und das bei einer Geburtenrate von 1,4 herum. Da wird mit Macht und Geld versucht ganze Bevölkerungsgruppen aus ärmeren Ländern zu saugen. Fast so wie Westeuropa des mit Osteuropa getan hat.

  3. Ab 1870 gab es die Möglichkeit der Massenproduktion von Kondomen. Bei diesem Verhütungsmittel lag die Verantwortung der Verhütung bei den Männern. Das ist in der Bevölkerungsentwicklung nicht sichtbar geworden.

    Ab 1960 gab es die Antibabypille. Nun lag die Verantwortung der Verhütung überwiegend bei den Frauen. Der Pillenknick in der Bevölkerungskurve in Deutschland in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre gibt einen Hinweis darauf, dass die Pille eben doch Einfluss auf die Anzahl der Kinder pro Frau hat.

    Ja, Kinder sind ein Segen.
    Viele Kinder sind aber nicht unbedingt ein größerer Segen.
    Ja, auch die Antibabypille ist für viele Frauen, aber auch für die Männer ein Segen.
    Und wenn ein Paar gemeinsam die Entscheidung für oder gegen Kinder trifft, dann ist das eine gute Sache.

    Kinder bedeuten viel Verantwortung.
    Jede dritte Ehe in Deutschland wird geschieden. Was sich sicherlich häufig nicht unbedingt als Vorteil für die Kinder erweist.
    In knapp jeder fünften Familie gibt es ein alleinerziehendes Elternteil bei Kindern unter 18 Jahren.
    Bei mehr als der Hälfte der Scheidungen im Jahr 2023 waren minderjährige Kinder betroffen.

    Die gesamte Familienstruktur hin zur Kleinfamilie hat sich doch in den letzten 70 Jahren erheblich verändert. Kleinfamilien sind viel anfälliger, wenn es soziale Schwierigkeiten gibt. Sie sind darauf angewiesen, dass der Staat für Kitaplätze und eine gewisse Versorgungssicherheit sorgt. Großmütter stehen nicht immer zur Verfügung, weil sie selbst noch berufstätig sind.
    Scheidungsraten sind in religiösen Gemeinschaften häufig geringer als in der übrigen Gesellschaft. Das muss auch nicht immer gut sein.

    Heute kann eine Frau oder besser ein Paar sich für oder gegen Kinder entscheiden und das finde ich richtig.

    Ich bin dankbar dafür, dass ich Kinder und Enkelkinder habe, aber 4, 5, 6 Kinder hätte ich nicht haben wollen. Mit zwei Kindern konnte ich Familie und Beruf gut vereinbaren, mit mehr Kindern wäre es für mich nicht möglich gewesen zu arbeiten, was ich immer wollte.

    • Vielen Dank für Deinen konstruktiven, historisch informierten, lebenserfahrenen und, ja, weisen Kommentar, liebe @Elisabeth! 🙏

      Wenn mir Menschen – zugegeben, meist Männer – mit allzu starken, demografischen Festlegungen gegenübertreten, so denke ich mir immer wieder still: Wollen wir denn wirklich in einer Welt leben, in der gar keine Menschenkinder mehr geboren werden? Und umgekehrt: Wollen wir denn wirklich in einer Welt leben, in der alle Frauen die maximale Zahl an Kindern gebären? Beides sind doch m.E. klare Dystopien!

      Was wir uns wünschen sollten ist m.E. Vielfalt und vor allem das Wohlergehen jedes Kindes. Wer (weitere) Kinder haben möchte, sollte entsprechend respektiert und verlässlich unterstützt werden. Und umgekehrt: Wer keine (weiteren) Kinder haben möchte, sollte in dieser Entscheidung ebenso respektiert und gewürdigt werden. Wenn Menschenkinder auf die Welt kommen, so sollten sie gewollt, geliebt und willkommen sein. Entsprechend kann ich auch nichts mit Rechtsdualisten anfangen, die gegen Verhütung und Abtreibung wettern – dann aber die Kinder der Armut, Not und Verzweiflung überlassen.

      Auch wir Blumes haben uns nach jeder Geburt gemeinsam und gut überlegt, ob wir noch ein weiteres Kind wollen und schaffen. Und in unserem interkulturellen und interreligiösen Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis gibt es von gewollter Kinderlosigkeit bis zu gewolltem Kinderreichtum alles.

      Ich mache die Erfahrung, dass Menschen auch in ihren Betrachtungen von Demografie gelassener werden, wenn sie etwas größere Zeiträume betrachten – und dadurch auch erkennen, dass sie selbst zu verschiedenen Zeiten möglicherweise verschieden entschieden hätten. Und auch in Religionen gab und gibt es immer wieder enorm unterschiedliche Varianten – im Christentum etwa die strikt zölibatären Shaker und die extrem kinderreichen Old Order Amish.

      Kurz: Ich wünsche mir, wie Du es ja lebst und formulierst, ehrliches Interesse an Vielfalt, Gelassenheit im Urteilen und vor allem Respekt vor der Würde und Biografie jedes Menschen. Dann werden auch demokratische Dialoge über Wissenschaft und Religion(en), über Demografie und Solarpunk, über Zeit, Sinn und Musik möglich, wie sie auf “Natur des Glaubens” zuletzt gelungen sind.

      Danke für Deine Beiträge dazu, sehr. 🙌

      Perplexity.ai zu den komplexen Auswirkungen von Kondomen und sog. “Pillenknick”:

      Basierend auf den verfügbaren Informationen lässt sich feststellen, dass die Einführung von Kondomen und Anti-Baby-Pillen unterschiedliche Auswirkungen auf die Geburtenraten verschiedener Gesellschaften hatte. Es zeigt sich ein komplexeres Bild als die oft vereinfachte “Pillenknick”-Theorie:

      ## Unterschiedliche Effekte in verschiedenen Ländern

      **Deutschland und USA**
      – In den USA sank die Geburtenrate bereits vor der Einführung der Pille 1960[1].
      – In Westdeutschland stieg die Geburtenrate trotz Pilleneinführung 1961 noch fünf Jahre weiter an[1].

      **Japan**
      – In Japan gab es einen deutlichen Geburtenrückgang ohne nennenswerte Verbreitung der Pille[1][2].
      – Stattdessen spielten dort Kondome eine größere Rolle bei der Verhütung[1].

      ## Zeitliche Diskrepanz

      – Der “Pillenknick” trat in verschiedenen Ländern zu unterschiedlichen Zeiten auf, was gegen einen direkten kausalen Zusammenhang mit der Pilleneinführung spricht[1][2].

      ## Verbreitungsgrad und Wirkung

      – In den USA nutzten 1965 nur 19% der sexuell aktiven Frauen die Pille, was den starken Geburtenrückgang nicht allein erklären kann[1].
      – In vielen Entwicklungsländern haben auch heute noch über 220 Millionen Frauen keinen Zugang zu modernen Verhütungsmitteln[3].

      ## Langfristige Trends

      – In Deutschland sinken die Geburtenraten bereits seit 150 Jahren, was auf komplexere gesellschaftliche und wirtschaftliche Faktoren hindeutet[1].

      ## Andere Einflussfaktoren

      – Gesellschaftlicher Wandel, veränderte Moralvorstellungen und wirtschaftliche Entwicklungen spielten eine wichtige Rolle[2].
      – In manchen Ländern wie Japan beeinflussten auch kulturelle Faktoren und Glaubensüberzeugungen die Geburtenraten[1].

      ## Schlussfolgerung

      Die Einführung von Verhütungsmitteln allein erklärt nicht den Geburtenrückgang in verschiedenen Gesellschaften. Vielmehr scheint es, dass der Wunsch nach weniger Kindern bereits vorhanden war und moderne Verhütungsmethoden diesen Trend unterstützten, aber nicht verursachten. Die Auswirkungen variierten stark zwischen verschiedenen Ländern und Kulturen, abhängig von sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Faktoren.

      Citations:
      [1] https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/datenlese-pillenknick-nicht-verantwortlich-fuer-geburtenrueckgang-a-959087.html
      [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Pillenknick
      [3] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/ohne-pille-und-kondome-6673657.html
      [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Antibabypille
      [5] https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/antibabypille-bedeutung-einfuehrung-jahrestag-100.html
      [6] https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/demografischer-wandel-350/507788/die-ursachen-der-geburtenentwicklung/

      • Perplexity liest sich sehr trocken.

        Es war die Zeit der Beatles und der Sexualaufklärung durch Oswald Kolle.
        Make Love Not War!
        Wir waren jung. Die Studentenbewegung der Achtundsechziger hatte sich formiert. 1969 ging ich an die Uni.
        Es war schon sehr gut, dass es die Pille gab.

        • Ja, @Elisabeth K. – freudvolle Sinnlichkeit nimmt Perplexity.ai nicht einmal für sich selbst in Anspruch. 😉🤭🤷‍♂️

          Und, ja, die Pille hatte nicht nur, vielleicht nicht einmal primär statistische Folgen. 😊🤭🧡

          Danke für den ebenso leichten wie tiefen Druko & eine gute Nacht! 🖖🌙

  4. Global gesehen sind 1 mrd Bevölkerung unter regenerativer Energiegwinnung und genügend wilderness (Schutz der Mitwelt) genug.
    Solarpunk = 1 mrd!

    • Objektiv gesehen sollten wir anderen Menschen nicht das Lebensrecht absprechen – und eher auf einen vernünftigen Sinkflug statt einen demographischen Absturz zielen. Meine ich.

  5. Den Begriff der Anthropodizee habe ich zum ersten Mal vor einigen Jahren hier in diesem Blog kennengelernt, es war eine Besprechung der antinatalistischen Ideen von Benatar and Akerma.

    Vor allem Akermas Artikel/Rezension, “Vom Schaden des Existenzbeginns”, hat mich seitdem nicht mehr losgelassen:

    https://www.tabularasamagazin.de/vom-schaden-des-existenzbeginns/

    Denn rein auf der verstandesmäßigen Ebene kann ich bei seinen Argumenten zu quasi jedem Satz mit dem Kopf nicken. Einleuchtend finde ich v.a. das Argument der “Existenz-Asymmetrie”:

    1. Ich kann nicht sicher sein, ob ein Mensch (mein potentieller Nachkomme) später überhaupt wollen würde, gezeugt worden zu sein.

    2. Dieser Mensch, wenn er mal da ist, wird sicher leiden, zumindest phasenweise. Sei es Krebs, Demenz, Krankheiten und Kränkungen aller Art, Pandemien, Kriege, Armut, Klimakatastrophe, Liebeskummer… irgendwas ist immer.

    3. Zeuge ich den Menschen nicht, muss er auch nicht leiden, es tritt für ihn kein Schaden ein.

    4. Setze ich das Kind in die Welt, ist Schaden dagegen quasi garantiert.

    5. Deshalb ist es moralisch geboten, vom Kinderkriegen Abstand zu nehmen.

    6. Argumente wie “irgendjemand muss ja für die Alten sorgen”, “wer zahlt dann unsere Rente” etc etc zählen nicht. Denn – wie du damals auch im Blog erklärt hast – würde man damit den zu zeugenden Menschen zu einem Mittel zum Zweck degradieren, und Kant hat uns gezeigt, dass das unmoralisch ist.

    Wie gesagt, ich habe immer noch kein rational überzeugendes Gegenargument gegen diese Thesen gehört.

    TROTZDEM finde ich es ganz tief drinnen sehr ok, Kinder zu haben, so man das denn will. Und ich musste mir deshalb eingestehen, dass die Begründung für das Kinderkriegen letztlich nur auf einer eher spirituellen Ebene liegen kann. Eigentlich bin ich ein eher nicht-religiöser Mensch, aber die Rechtfertigung fürs Kinderkriegen kann m.E. nur in einer nicht solide durch den Verstand begründbaren Hoffnung liegen; der Hoffnung, dass irgendwie, irgendwo, irgendwann für den Menschen alles gut wird (sowohl für den konkret gezeugtem, als auch für alle Menschen insgesamt).

    • Kräftiges „Ja“ von mir, @Hans – die Argumente von Akerma und Benatar zur Anthropodizee sind innerweltlich stichhaltig. Und auch die Anthropodozee-Debatte im Talmud und die empirische Religionsdemografie kommen zum von Dir getätigten Schluss:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/die-anthropodizee-frage-wer-himmel/

      Systemtheoretisch ist dies gleichwohl nicht verwunderlich – kein System kann sich aus sich selbst begründen, nicht einmal die Mathematik. 🧮

      Dies bedeutet m.E. dass unsere Vorfahren und höchstwahrscheinlich auch andere bewusst denkenden Lebensformen die Transzendenz und also Religion entdecken (müssen), sobald sie über bewusst über Beziehungen und Fortpflanzung entscheiden.

      Die bewusst denkende Welt weist und wächst über sich hinaus – Evolution führt zu auch geistiger Emergenz. Die Möglichkeiten des Entdeckens und Erkennens halte ich daher für die stärkste Begründung des Dennoch als hoffnungsfrohes Ausgreifen aus der diesseitigen Welt.

    • Sehr geehrter @Hans,

      Ich probiere es mal, da auch mich dieses Thema des Öfteren umtreibt.

      Ist Leben prinzipiell Schlecht? Jeder Leidet, jeder verliert und alles was man bekam, wird einen genommen. Da reicht schon allein die Bücher aus der Bibel Hiob und der Prediger (alles ist hevel). Ist ja nicht so als hätten unsere Ahnen sich diese Fragen nicht auch gestellt.

      Ist die Erfahrung der Existenz es wert sie zu erleben? Ist das was wir hier erfühlen und erleben als aktiver, empfindsamer teil dieses Wunders eines Universums es auch Wert dafür zu Leiden? Oder besser gesagt, wenn es in meiner Logischen Nachfolge eine gebe die Leidenschaftlich gerne lebt, wäre das dann nicht auch ein Argument zum Kinderkriegen? Ich meine, wir wissen es ja nicht.

      Logisch betrachtet ist das Leid des einen einfach der normal Zustand. Kitzel ist auch Schmerz, wird nur vom Hirn anders eingeordnet und somit ist die Wahrnehmung entscheidend. Wenn man Nihilistisch ansetzt, dann kann das Dasein keinen Wert erhalten. Hat ja auch alles keinen Sinn, teil eines Universums zu sein, einfach weil man es ist, also Existenz um der Existenz willen.

      Ich glaube, das muss wohl jeder selbst entscheiden, wie er damit umgeht.

      Meine Hauptargumente würden wohl im Bereich des Unglaublichen Sein. Das es mich so, wie ich bin gibt, ist eigentlich unfassbar. Eben ein Wunder, wenn man alles do bedenkt.

      Dieses Wunder möchte ich gerne weitergeben.

      Hoffe es war irgendwie hilfreich, danke sehr für den Denkanstoß 🙂

    • @Mussi

      Könnten wir doch auch jetzt schon. Auch mit 8 oder 9 Milliarden würde sich ein Ökologisch und glückliches Leben leben lassen. Das liegt an der Art und weise von System und Staaten, nicht am Menschen per se.

  6. @Michael 26.10. 14:54

    „..die beispielsweise die Klimakrise voll anerkennen, ihr aber ein hoffnungsvoll-vertrauendes Dennoch entgegenhalten. Das sprichwörtliche Gottvertrauen kann, muss aber nicht auf Ignoranz basieren.“

    Das sind dann auch die richtigen Leute, wenn die dann mehr Kinder haben. Denen traue ich es auch eher zu, die grassierende Verschwendung zu reduzieren. Nicht nur im Sinne einer schnelleren Energiewende, auch um eben die Geburtenzahlen in Richtung 1,8 Kinder pro Frau hinzubekommen.

    Es geht wohl auch nicht einfach um Zahlen, und auch nicht unbedingt um mehr Reichtum für uns im Alter. Es geht um einen mit wunderbaren Menschen belebten wunderbaren Planeten.

    Berthold Forster 26.10. 16:44

    „Da wird mit Macht und Geld versucht ganze Bevölkerungsgruppen aus ärmeren Ländern zu saugen.“

    Indien holt auch gerade mit Macht auf. Wir werden dann womöglich bald gar nicht so viele Einwanderer mehr bekommen können, wie wir gerne hätten. Dann begrenzt das eben die wirtschaftlichen Möglichkeiten, und wir müssen eben mit weniger Konsum klar kommen.

    Auch ein Argument, jetzt langsam mal anzufangen, für mehr eigene Kinder zu sorgen. Dazu fällt mir auch ein, dass es eventuell vielen jungen Frauen passen könnte, schon zu Studienzeiten erste Kinder zu bekommen. Mit entsprechender Unterstützung könnte das praktikabel sein. Also die Möglichkeit dann etwas langsamer zu studieren, und trotzdem weiter Bafög zu beziehen, und überhaupt noch genug Geld für den Unterhalt der Kinder zu bekommen. Und eine Kita direkt an der Uni, wo man morgens die Kinder abliefert und nachmittags gleich wieder mitnimmt.

    So hätte die Frau auch ohne verlässlichen und solventen Partner die Möglichkeit, schon mal für die Kinder gesorgt zu haben, um dann nach dem Studium eine erfolgreiche berufliche Laufbahn zu realisieren.

    Und wenn es dann doch mitten in der Karriere passiert, dass Kinder dazu kommen, dann könnte man auch die Väter zum Vaterschaftsurlaub verpflichten, dass das nicht ganz bei den Müttern hängenbleibt, die kleinen Kinder zu versorgen. So wie es jetzt läuft kommt da schon ein spürbarer Karrierenachteil für die Mütter zum Tragen.

    @Michael 26.10. 22:25

    „Die bewusst denkende Welt weist und wächst über sich hinaus – Evolution führt zu auch geistiger Emergenz. Die Möglichkeiten des Entdeckens und Erkennens halte ich daher für die stärkste Begründung des Dennoch als hoffnungsfrohes Ausgreifen aus der diesseitigen Welt.“

    Ich freue mich entsprechend meines auch geistigen Lebens. Und bin meinen Eltern dankbar, dass sie mich gezeugt und aufgezogen haben. Was nicht einfach war und auch nicht selbstverständlich gewesen ist.

    @Mussi 26.10. 18:48

    „1 mrd könnten im Paradies leben!“

    Mindestens 5 Mrd. aber voraussichtlich eben auch. Und mit entsprechender Genügsamkeit wahrscheinlich sogar 10 Mrd..

    Und die Genügsamkeit macht nicht nur Platz für mehr Menschen, sie ist auch mit weniger Aufwand möglich und damit sogar mit weniger Stress und Arbeit verbunden.

    Mit Natur oder mit Geisteswelten kann man sich ja nun wahlweise auch sehr schön beschäftigen. Wenn man eben nicht alles Geld sofort für jeden aufkommenden Konsumunsinn ausgibt. Dann ist wiederum auch Luft für Kinder. Und für eine Kultur, die sich wirklich in der Breite immer mehr um wirkliche Erkenntnis dreht. Bis hin zu Geisteswelten gerne dann auch noch, wenn man denn nun dazu neigt.

    Auch hier kann KI wohl viel helfen. Mit ihren Zusammenfassungen können die Neuigkeiten der wachsenden globalen Erkenntnisse immer schneller bei den Menschen ankommen, die danach suchen.

    • Danke, @Tobias, das ist schön formuliert:

      “Das sind dann auch die richtigen Leute, wenn die dann mehr Kinder haben. Denen traue ich es auch eher zu, die grassierende Verschwendung zu reduzieren. Nicht nur im Sinne einer schnelleren Energiewende, auch um eben die Geburtenzahlen in Richtung 1,8 Kinder pro Frau hinzubekommen.

      Es geht wohl auch nicht einfach um Zahlen, und auch nicht unbedingt um mehr Reichtum für uns im Alter. Es geht um einen mit wunderbaren Menschen belebten wunderbaren Planeten.”

      Als Christ und dialogischer Monist, als Wissenschaftler und Solarpunk bin ich davon überzeugt, dass in jedem Menschen das Potential angelegt ist, über das Streben nach Luxus hinaus “wunderbar” zu sein. Dialog, Liebe, Musik, Bildung, Kunst, Erkenntnis sind Dimensionen des Menschlichen, die keine Verschwendung von Ressourcen erfordern. Deswegen ist mir auch dieser Wissenschaftsblog so wichtig.

      Dir von Herzen Dank für Dein Blog-Engagement und einen schönen Sonntag! 🌞📚🙌

  7. Ganz grundsätzlich habe ich großes Missbehagen, wenn politische und religiöse Führer in Famlien, Ehen und Kinderzahl hinein bestimmen wollen; sowohl wenn sie mehr als auch wenn sie weniger Kinder fordern.

    In der deutschen Gesellschaft herrscht kein wirklich familien- u kinderfreundlichen Klima.
    Angefangen von der Ermahnung: “Man muss sich halt vorher überlegen, wie viele Kinder man sich leisten kann.”, über die Tatsache, dass ‘kinderreiche Familie’ quasi gleichzusetzen ist mit von Armut betroffen, über die Berichte von Familien, die ihre Kinder trotz Erkältung in die Betreung geben, weil sie gar keinen anderen Ausweg haben, bis hin zu den ganzen Diskriminierungen auch im Steuerrecht gegenüber Alleinerziehenden und anderen Vater-Mutter-Kind Abweichungen.
    Dem steht der Egoismus Vorwurf gegenüber, wenn jemand keine Kinder hat.

    Ist es eher typisch deutsch, es niemals richtig machen zu können?
    Aber nach wie vor zerreiben wir die Menschen zwischen völlig widersprüchlichen Idealen und Vorstellungen, fordern Rechtfertigungen selbst in diesem Lebensbereich, der doch so höchst privat ist, dass er intim genannt wird.

    Aufgabe der Politik, Gesellschaft und Religionen müsste mE sein tatsächlich den Freiraum zu schaffen sich ohne äußere Druck über Kinder und ihre Anzahl entscheiden zu können.

    • Vielen lieben Dank, @PrinterAngel 🙏 – auf diesen intensiven Kommentar gehe ich gerne ausführlicher ein!

      “Ganz grundsätzlich habe ich großes Missbehagen, wenn politische und religiöse Führer in Famlien, Ehen und Kinderzahl hinein bestimmen wollen; sowohl wenn sie mehr als auch wenn sie weniger Kinder fordern.”

      Diese gefühlte Skepsis ist m.E. auch völlig berechtigt. Beziehungen, Familien, Kinder erwachsen aus den intimsten Entscheidungen mündiger Menschen. Politische und auch religiöse Institutionen dürfen das Leben unterstützen – aber nicht erzwingen. Auch als Christ bin ich beispielsweise der Meinung, dass Kirchen das Recht auf sexuelle und körperliche Selbstbestimmung einschließlich Verhütung, Abtreibung und auch assistierten Suizid respektieren sollten – und für das Leben bestenfalls Beratung und vor allem Unterstützung anbieten sollten. Betroffene Frauen, unheilbar Kranke, aber auch z.B. Ärzte und Politikerinnen unter Druck zu setzen, halte ich für falsch und im Übrigen auch schädlich.

      Denn jede Form von Zwang auf Erwachsene schiebt die Menschen in die demografische Traditionalismusfalle – Familienstrukturen verhärten, verknöchern, werden gemieden oder gar aufgelöst. Die Liebe, das Leben brauchen Freiheit, Verständnis, Zuversicht. Diese werden durch Zwang und Gewalt zerstört – wie sich ja gerade auch in Russland zeigt.

      “In der deutschen Gesellschaft herrscht kein wirklich familien- u kinderfreundlichen Klima.
      Angefangen von der Ermahnung: “Man muss sich halt vorher überlegen, wie viele Kinder man sich leisten kann.”, über die Tatsache, dass ‘kinderreiche Familie’ quasi gleichzusetzen ist mit von Armut betroffen, über die Berichte von Familien, die ihre Kinder trotz Erkältung in die Betreung geben, weil sie gar keinen anderen Ausweg haben, bis hin zu den ganzen Diskriminierungen auch im Steuerrecht gegenüber Alleinerziehenden und anderen Vater-Mutter-Kind Abweichungen.”

      Ja – und dies ist ein weltweites Problem. Ich möchte noch einmal auf Malthus verweisen, der als Landpfarrer (eigentlich “Kurat”, Hilfsprediger) der Oakwood Chapel mit Armut und Kinderreichtum in Wotton, Surrex konfrontiert war. Doch statt den Armen christlich beizustehen, wies er ihnen selbst die Schuld für die Zustände zu, indem er ihnen die Geburt der Kinder vorwarf. Er wandte sich gegen die elisabethanische Armengesetzgebung (die “Poor Laws”) und gegen die Hoffnung, durch eine Verbesserung etwa von Bildung und Wohlstand die Geburtenraten absenken zu können. Ein brutaler Lehrsatz aus seinem “Essay on the Principle of Population / Bevölkerungsgesetz” war:

      “”The power of population is indefinitely greater than the power in the earth to produce subsistence for man.” – “Das Bevölkerungswachstum ist unendlich größer als die Macht der Erde, Ernährung für den Menschen zu produzieren.”

      Dieses Argument vertrat hier zuletzt auch der Account @Andreas mit einem Climate-Overshoot-Paper. Das Problem sehe ich dabei weniger in den schon bei Malthus allzu simplen Berechnungen, die etwa Dünger, Pflanzenkost, Verhütungsmittel usw. negieren, sondern in der psychologischen Externalisierung: “Die” seien doch selber schuld, also wäre es gerecht, “die” und deren Kinder leiden zu lassen.

      Und das ist m.E. nicht nur ethisch, sondern auch demografisch falsch: Wer die Geburtenraten in armen Menschenpopulationen mäßigen möchte, der helfe den Menschen – insbesondere den Frauen – durch Unterstützung, Bildung, Freiheit aus der Armut. Würden wir Heutigen beispielsweise weniger Futtermittel, Wasser, Energie an die industrielle Massentierhaltung verschwenden, so müsste auch heute kein einziges Kind auf der Erde hungern. Und wenn wir in den reicheren Ländern nicht bereit sind, konsequent erneuerbare Friedensenergien und Elektromobilität zu fördern, mit welchen Argumenten könnten wir dann von Ärmeren den Schutz der letzten Regenwälder verlangen?

      Der säkulare Neo-Malthusianismus liegt in seiner Abwertung kinderreicher Familien ebenso daneben wie der damalige Malthusianismus. Diese Denktraditionen sind jedoch noch immer unglaublich mächtig und schwer zu überwinden.

      “Dem steht der Egoismus Vorwurf gegenüber, wenn jemand keine Kinder hat.

      Ist es eher typisch deutsch, es niemals richtig machen zu können?
      Aber nach wie vor zerreiben wir die Menschen zwischen völlig widersprüchlichen Idealen und Vorstellungen, fordern Rechtfertigungen selbst in diesem Lebensbereich, der doch so höchst privat ist, dass er intim genannt wird.”

      Nach meiner Beobachtung ist das kein spezifisch deutsches, sondern ein allgemein menschliches Problem. So hat gerade der – selbst kinderlose – französische Präsident Emmanuel Macron von den Französinnen angesichts sinkender Geburtenraten die “demografische Wiederaufrüstung” gefordert. Und in den USA attackierte der republikanische Kandidat für die Vizepräsidentschaft J.D. Vance die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris als “childless cat lady” – kinderlose Katzenfrau. Der russische Ressourcenfluch-Diktator Wladimir Putin eskaliert sogar völlig, fordert wieder acht Kinder pro Frau…

      “Aufgabe der Politik, Gesellschaft und Religionen müsste mE sein tatsächlich den Freiraum zu schaffen sich ohne äußere Druck über Kinder und ihre Anzahl entscheiden zu können.”

      Ganz genau so ist es auch nach meiner Einschätzung. Menschliches Leben lässt sich fördern, aber nicht erzwingen. Die biokulturelle Evolution auch von Familien lässt sich nicht planen, sondern bestenfalls begleiten. Wer Menschen nach ihrer Herkunft abwertet, stürzt in die Abgründe von Sozialdarwinismus und der Eugenik. Die Würde jedes Menschen ist mehr als eine nur unverbindliche Idee. Sie ist die beste Richtschnur für gelingende Politik, für gelingendes Engagement, für Solarpunk.

  8. An einem Satz (unter mehreren anderen) bin ich hängengeblieben:

    “Selbstverständlich wird es noch Jahrzehnte und Generationen benötigen, bevor auch das Christentum wieder aus seinem säkularen Geburtentief herausfindet – bis dahin steht nicht nur in Europa ein massiver Bevölkerungsrückgang an.”

    Da stellt sich mir die Frage nach der Zukunft des Christentums in Europa in den nächsten Jahren und Jahrzehnten. Die letzten Jahre waren gekennzeichnet von einer hohen Anzahl an Austritten aus der katholischen und evangelischen Kirche.
    Kirche spielt für immer weniger Menschen eine Rolle. Aber auch wenn diese Menschen – aus welchen Gründen auch immer – ihre Kirche verlassen, bedeutet das m.E. nicht, dass sie damit auch nicht mehr an Gott glauben.

    Daher sehe ich eine weitere Schrumpfung voraus, sodass die Entscheidung Kinder zu bekommen, weniger aus religiösen Gründen getroffen wird.

    Der Kinderwunsch ist sicher bei vielen Paaren da. Und vielleicht ist der Wunsch bei Menschen, die fest in den christlichen Kirchen verankert sind, größer. Sie erwähnten das “seid fruchtbar und mehret Euch”. M.E. spielen häufig persönliche Gründe eine Rolle, keine oder noch mehr Kinder zu bekommen. Kinder muss man sich leisten können – das ist bitter. Finanziell, psychisch, physisch.

    Wir leiden als Gesellschaft heute an einem Perfektionismus, der insbesondere Eltern unter Druck setzt. Die medizinische Wissenschaft legt beispielsweise fest, was ein Kind wann können sollte. Wenn das eigene Kind diesen “Standard” nicht erfüllt, erzeugt dies Druck. Immer wieder lesen und hören wir von den “Helikopter-Eltern”. Mütter und Väter, die ihre Aufgabe als Eltern perfekt machen wollen.

    Es gibt nicht das “Standardkind”, das nie Probleme hat oder bereitet. Kinder brauchen Zuwendung, vor allem dann, wenn die Dinge nicht wie gewünscht laufen. Nicht jede Familie hat die Großeltern in der Nähe, die zudem ja auch zeitlich in der Lage sein müssen, sich um das Enkelkind zu kümmern.

    Auch die staatliche Betreuung und Förderung von Kindern in den Kitas steht vor dem Problem, dass es immer wieder zu Engpässen in der Betreuung kommt. Da werden dann die Betreuungszeiten verkürzt oder Angebote zumindest zeitweise eingestellt. Wie sollen berufstätige Eltern da planen?

    Meine beiden erwachsenen Töchter haben noch keine Kinder. Sie studieren noch. Ob sie irgendwann einmal Mütter werden, kann man nicht wissen. Aufgrund der allgemeinen Weltlage würden sie vermutlich nicht auf Kinder verzichten, wenn der Wunsch wirklich da ist. Aber wie in vorhergehenden Drukos schon erwähnt, sind Scheidungen ein Armutsrisiko und Alleinerziehende haben häufig dann den doppelten Druck – daran ändert auch gemeinsames Sorgerecht nichts.

    Erschreckend finde ich, dass Despoten und Diktatoren auch im 21. Jahrhundert noch ein solches Frauenbild haben. Sie schreiben, dass die amerikanischen Republikaner um Donald Trump mehr Geburten haben wollen. Aus medizinischer Sicht ist ihr Handeln kontraproduktiv. Die Entscheidungen von Gerichten zu IVF führen sicher nicht zu mehr Kindern. Auch die Tatsache, dass Frauen medizinische Hilfe teilweise verweigert wird, wenn es Probleme mit dem ungeborenen Kind gibt, ist nicht dazu angetan, dass Frauen ruhig einer potentiellen Schwangerschaft entgegensehen.

    Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag!

    • Vielen lieben Dank für den starken Druko, liebe @SabineH., dem ich sehr zustimmen möchte!

      Allerdings ist mir der sorgfältige Dialog so wichtig, dass ich mir dafür auch die nötige Zeit nehmen möchte. Jetzt rufen bei mir die Familienpflichten, aber heute oder morgen bekomme ich es hoffentlich hin. 😊📚

      Ihnen von Herzen Dank und auch einen gesegneten Sonntag! 🌞🙏

    • So, liebe @SabineH – nun kann ich mit der gebotenen Zeit (🤓!) auf Ihren Kommentar eingehen.

      „Da stellt sich mir die Frage nach der Zukunft des Christentums in Europa in den nächsten Jahren und Jahrzehnten. Die letzten Jahre waren gekennzeichnet von einer hohen Anzahl an Austritten aus der katholischen und evangelischen Kirche.
      Kirche spielt für immer weniger Menschen eine Rolle. Aber auch wenn diese Menschen – aus welchen Gründen auch immer – ihre Kirche verlassen, bedeutet das m.E. nicht, dass sie damit auch nicht mehr an Gott glauben.“

      Ja, die Säkularisierung geht auch als Individualisierung weiter. Und die wachsende Freiheit von institutionellen Vorgaben bringt auch große Chancen mit sich. Eine christlich-islamische Familie, wie Zehra & ich sie leben dürfen – wäre lange zwischen die Mühlsteine mächtiger Autoritäten geraten. Echte Religionsfreiheit beginnt immer bei der Freiheit des Individuums.

      Gleichwohl entfalten Religionen ihr demographisches Potenzial vor allem in Gemeinschaften. Und klar wäre es denkbar, dass die christlichen Kirchen ⛪️ völlig verebben und durch andere Religionsgemeinschaften ersetzt werden. Damit rechne ich jedoch eher nicht, da bislang nur jüdische und christliche Traditionen den säkularen Geburtenrückgang überwunden haben. Selbst islamischen Gemeinden fehlten dafür bislang die notwendigen Zeiten der Religionsfreiheit. Auch die Ahmadiyya oder die Hizmet-Bewegung um den kürzlich verstorbenen Fethullah Gülen konnten sich bislang nur in christlich oder jüdisch geprägten Demokratien erhalten. Und welche Demokratien gewaltenteilig und freiheitlich bleiben – ob etwa die USA 🇺🇸, Israel 🇮🇱 oder Argentinien 🇦🇷 dazugehören -, das werden die nächsten Jahre und Jahrzehnte erweisen.

      Daher sehe ich eine weitere Schrumpfung voraus, sodass die Entscheidung Kinder zu bekommen, weniger aus religiösen Gründen getroffen wird.

      Die demografischen Befunde sind hierzu seit Langem eindeutig: Weder in Vergangenheit noch Gegenwart konnte auch nur eine einzige säkulare Population demografisch stabil bleiben. Wer den Himmel über einer Menschengruppe leer räumt, verurteilt diese zum Geburteneinbruch und Verebben.

      Erkenntnistheoretisch sehe ich hier die philosophische Anthropodizee am Werk, wie sie @Hans auch in dieser Blog-Diskussion kundig vorstellt. Kein System kann sich aus sich selbst begründen. Die diesseitige Welt bietet nicht genügend Gründe für Kinderteichtum.

      Nachdem unsere Vorfahrinnen und Vorfahren im biokulturellen Evolutionsprozess die demografische Schwelle der familienbezogenen Entscheidungen überschritten hatten, mussten sie pronatale Gründe zunehmend aus der Transzendenz schöpfen. Nicht zufällig besteht die religiöse Ikonografie über zehntausende Jahre hinweg vor allem aus pronatalen, sog. Venus-Figurinen.

      Der Kinderwunsch ist sicher bei vielen Paaren da. Und vielleicht ist der Wunsch bei Menschen, die fest in den christlichen Kirchen verankert sind, größer. Sie erwähnten das “seid fruchtbar und mehret Euch”. M.E. spielen häufig persönliche Gründe eine Rolle, keine oder noch mehr Kinder zu bekommen. Kinder muss man sich leisten können – das ist bitter. Finanziell, psychisch, physisch.

      …und damit auch philosophisch. In der post-agrarischen, urbanen Wirtschaft sind Kinder teuer und riskant, während ihre Leistungen vor allem anderen zugute kommen. Entsprechend brechen die Geburtenraten weltweit immer schneller ein. Und bedenken wir bitte, dass ein oder auch zwei Kinder noch nicht einmal ausreichen, um eine Population stabil zu halten!

      Erst seit etwa 2007 lebt die Mehrheit der Menschheit in einer Stadt. 🏙️ Und ich sehe den demografischen Widerspruch immer wieder in der Cyberpunk-Ästhetik: Technologisierte, meist kinderlose Individualisten, die durch „überbevölkerte“ Strassenschluchten stolpern.

      Dazu wird es nicht kommen. Der Solarpunk ist auch drmografisch realistischer.

      Wir leiden als Gesellschaft heute an einem Perfektionismus, der insbesondere Eltern unter Druck setzt. Die medizinische Wissenschaft legt beispielsweise fest, was ein Kind wann können sollte. Wenn das eigene Kind diesen “Standard” nicht erfüllt, erzeugt dies Druck. Immer wieder lesen und hören wir von den “Helikopter-Eltern”. Mütter und Väter, die ihre Aufgabe als Eltern perfekt machen wollen.

      Ja, das ist so. Seit dem säkularisierenden Malthus sind Eltern „selber schuld“ und „haften für ihre Kinder“. Finde es völlig logisch, dass daher immer mehr junge Menschen überall auf der Welt sagen: „Danke, dann halt nicht.“ Die Folgen für Wirtschaft, Gesundheits- und Rentensysteme deuten sich auch in Deutschland 🇩🇪🇪🇺 drastisch an. Für die Mitwelt bietet die Bevölkerungsimplosion gleichwohl auch Chancen zur Erholung.

      @Mussi hofft hier auf nur noch eine Milliarde Menschen, die dafür in einem diesseitigen „Paradies“ leben würden.

      Es gibt nicht das “Standardkind”, das nie Probleme hat oder bereitet. Kinder brauchen Zuwendung, vor allem dann, wenn die Dinge nicht wie gewünscht laufen. Nicht jede Familie hat die Großeltern in der Nähe, die zudem ja auch zeitlich in der Lage sein müssen, sich um das Enkelkind zu kümmern.

      Und da inzwischen sogar schon Erziehende und Pflegende knapp werden, steigt wiederum der Druck vor allem auf Mütter, sich beruflich und also auch finanziell wieder einzuschränken. Und so verschärft sich die demografische Abwärtsspirale weiter.

      Auch die staatliche Betreuung und Förderung von Kindern in den Kitas steht vor dem Problem, dass es immer wieder zu Engpässen in der Betreuung kommt. Da werden dann die Betreuungszeiten verkürzt oder Angebote zumindest zeitweise eingestellt. Wie sollen berufstätige Eltern da planen?

      Das politisch-finanziell-säkulare Signal ist schon heute: Es fehlen Fachkräfte, also habt besser weniger oder keine Kinder. Was wiederum den Mangel in der nahen Zukunft verschärft. Unsere Situation verkürzt auf einen Satz: Für kurzfristige Profite weniger werden die Kosten auf Familien externalisiert.

      Meine beiden erwachsenen Töchter haben noch keine Kinder. Sie studieren noch. Ob sie irgendwann einmal Mütter werden, kann man nicht wissen. Aufgrund der allgemeinen Weltlage würden sie vermutlich nicht auf Kinder verzichten, wenn der Wunsch wirklich da ist. Aber wie in vorhergehenden Drukos schon erwähnt, sind Scheidungen ein Armutsrisiko und Alleinerziehende haben häufig dann den doppelten Druck – daran ändert auch gemeinsames Sorgerecht nichts.

      Ja, @SabineH – das empfinde ich auch so. Auch zwei meiner Kinder befinden sich gerade als junge Erwachsene im Studium.

      Erschreckend finde ich, dass Despoten und Diktatoren auch im 21. Jahrhundert noch ein solches Frauenbild haben. Sie schreiben, dass die amerikanischen Republikaner um Donald Trump mehr Geburten haben wollen. Aus medizinischer Sicht ist ihr Handeln kontraproduktiv. Die Entscheidungen von Gerichten zu IVF führen sicher nicht zu mehr Kindern. Auch die Tatsache, dass Frauen medizinische Hilfe teilweise verweigert wird, wenn es Probleme mit dem ungeborenen Kind gibt, ist nicht dazu angetan, dass Frauen ruhig einer potentiellen Schwangerschaft entgegensehen.

      Exakt so ist es. Autoritärer Zwang hilft Familien überhaupt nicht, sondern verschärft nur die demografische Traditionalismusfalle: Eine junge, gebildete Japanerin, Amerikanerin, Europäerin usw. weiß recht genau, in welche Kosten und Abhängigkeiten sie sich durch Ehe und Kinder begibt. Und auch denkbare Partner gleichen Alters fragen sich, ob sie ein Leben als Familienväter anstreben sollen, zumal etwa Sex und auch Beziehungen längst nicht mehr daran gekoppelt sind.

      Viele derjenigen, die jetzt noch malthusianisch oder gar rassistisch über „Überbevölkerung“ sinnieren, werden die drastischen Folgen der Bevölkerungsimplosionen noch selbst erleben. Auch deswegen ist es so wichtig, dass wir vorausschauend darüber sprechen. Und die jungen Generationen besser wahrnehmen und unterstützen.

      Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag!

      Vielen Dank 🙏, das wünsche ich Ihnen auch! 😊📚☕️

      • Ganz herzlichen Dank für Ihre Mühe, meinen Druko zu beantworten.

        Ich bin überzeugt, dass Religionen und Glaube auch weiterhin gebraucht werden. Denn aus eigener Erfahrung weiß ich, dass der Glaube eine Quelle der Kraft und Hoffnung sein kann.

        Junge Leute müssen den für sie passenden Weg im Leben finden. Wir tragen als Gesellschaft aber hier und heute die Verantwortung, dass es auch nachfolgenden Generationen möglich ist, Teil einer aufgeschlossenen Mitwelt zu sein.Vielfalt und Toleranz sind wichtige Voraussetzungen dafür. Man sagt ja häufig, dass Generationenkonflikte dazu führen, dass die jüngere Generation die Dinge dann ganz anders anpackt.

        Nochmals herzlichen Dank!

        • Der Dank ist wirklich ganz meinerseits, @SabineH – und ich kann hier nur jeden Satz Ihres Drukos unterschreiben. Jeden Satz und jedes Wort.

          Ihnen Dank für Ihr Mit-Bloggen und Ihrer ganzen Familie von Herzen guten Segen! 🙏😊🖖

  9. Lieber Berthold Forster,

    wenn es in meiner Logischen Nachfolge eine gebe die Leidenschaftlich gerne lebt, wäre das dann nicht auch ein Argument zum Kinderkriegen?

    Nicht, wenn man der Argumentation von Benatar und Akerma folgt, die ich auch an dieser Stelle für schlüssig halte: Demzufolge haben wir eine moralische Verpflichtung, niemandem Unglück zuzufügen; wir haben aber umgekehrt keine Verpflichtung, einem gar nicht geborenen Menschen großes Glück zu schenken – wenn der Mensch gar nicht erst geboren wird, kann er die Abwesenheit dieses Glücks auch nicht bedauern, er existiert ja gar nicht und kann sich also auch nicht beschweren über das Nicht-Existieren und über das Vorenthalten des großen Glücks.

    Akerma:

    Der Kerngehalt der ethischen Existenz-Asymmetrie besteht also zunächst darin, dass wir verpflichtet sind, keinen Menschen zu zeugen, wenn gewiss ist, dass er leiden würde, dass wir hingegen nicht einmal dann verpflichtet wären, einen neuen Menschen zu zeugen, wenn gewiss wäre, dass ihm eine überaus glückliche Existenz beschieden sein würde.

    Ich würde zustimmen, dass die Sichtweise dieser beiden Antinatalisten ziemlich erbsenzählerisch ist, im Aufrechnen von Leid und Glück. Aber das “Asymmetrie-Argument” finde ich trotzdem stichhaltig; und zwar selbst dann, wenn man findet, dass großes Glück das Leid quasi auflöst.

    Meine Hauptargumente würden wohl im Bereich des Unglaublichen Sein.

    – Eben, das meinte ich. Rational kommt man nicht weiter, man landet immer bei spirituellen Motiven.

    • Sehr geehrter Hans,

      Na gut, dann ist das aber ein massives Totschlag argument. Da ja das Nichts sein schon grundsätzlich positiv gesetzt wird🤔

      Solange man keine existenz vor der Zeugung bestätigen kann ist das Argument sehr stichhaltig.

      Ich würde dabei ja schon ins Feld führen, das Leid empfindung ja auf Mitgefühl und Empathie basiert. Is es dem Logischen Verstand wirklich wichtig Leid zu verhindern? Moral exestiert ja für ihn so gesehen nicht.

      Somit ist es eher ein Konflikt einer mitfühlenden Logik gegen eine auf Neugier, erleben bestimmte Logik?

      Oder bin ich da auf dem Holzweg?🤔

      Einen schönen Sonntag noch 🙂

      • Somit ist es eher ein Konflikt einer mitfühlenden Logik gegen eine auf Neugier, erleben bestimmte Logik?

        Das Problem ist, denke ich, dass man die Entscheidung, Kinder zu kriegen nicht alleine ausbadet; die Hauptlast dieser Entscheidung trägt eben dieser neugeborene Mensch. Natürlich kann ich mich für mein eigenes Leben für “Neugier und Erleben” entscheiden, ich kann lebensgefährliche Hobbies haben, usw .
        Aber was gibt mir denn das Recht, diese “Neugier&Erleben”- Philosophie (oder irgendeine andere Ideologie) einem anderen Menschen aufzuzwingen, durch die Entscheidung, diesen Menschen in die Welt zu setzen?

        Es ist sicher möglich, das Kinderkriegen auf jede erdenkliche Weise rational zu begründen. Putins Motivation, dass viele Kinder später viele Soldaten werden, die man in Kriegen verheizen kann, ist auch “rational” aus seiner Sicht.

        In die Rechtfertigungsproblematik läuft man aber, sobald man Menschen als mit individueller Würde ausgestattet versteht; dass eben Menschen niemals “Mittel zum Zweck” sein dürfen. Nationale Größe, militärische Macht, das Überleben einer Religionsgemeinschaft, die Stabilität des Rentensystems, die Versorgung der Alten, auch der eigene emotionale Wunsch, eine Familie zu haben – das sind (mit Akerma und Benatar gedacht) alles unethische Gründe fürs Kinderkriegen. Zumindest wenn man von einer individuellen Menschenwürde ausgeht, wenn also der individuelle Mensch und sein Recht auf Unversehrtheit wichtiger ist als “das System”.

        • Hallo @Hans

          Das ist dann ein Brocken an Ethik ^^

          Wenn ich einen neuen Menschen erschaffe, zwinge ich ihm sogesehen das Leben auf. Wenn man das Leben im Schnitt negativ betrachtet (Leid überwiegt Glück) dann gibt es keinen positiven Grund Kinder zu bekommen.

          Jetzt könnte man entweder Ethik einfach verwerfen, mit dem guten alten Nietzsche kommen und sagen das der Übermensch halt erst sich entwickeln muss. Dann entzieht man sich aber einfach der Überlegung.

          Werde ich noch darüber nachdenken 🤔

          Bis dahin, gute Nacht 🙂

          • Lieben Dank Euch für die starke Diskussion, @Berthold Forster & @Hans! 🙏

            Zum nietzscheanischen “Übermenschen” einfach der Hinweis, dass es sich auch dabei um ein überempirisches Wesen handelt, gewissermaßen eine Gottheit der Zukunft.

            Eine zugleich wertschätzende wie auch historisch-kritische Auseinandersetzung mit diesem Konzept leistete Gerard Jones in seinem Buch “Men of Tomorrow. The True Story of the Birth of the Superheroes, Arrow Books 2006. Nicht zufällig ist es mit einem Superman bebildert – einem hebräisch mit Gottesbezug Kal-El benannten Mensch-Alien-Helden vom Planeten Krypton.

            Zu Recht beginnt daher auch Dietmar Dath sein Reclam-Buch “Superhelden” (2016) mit dem biografisch gehaltenen Vorab-Kapitel: “Schule der Übermenschen”. Er verweist dabei besonders auf die X-Men von Chris Claremont.

            Auf reddit wird das Konzept des Nietzscheanischen Übermenschen im modernen Film seit Jahren emotional und auch kontrovers diskutiert.

            https://www.reddit.com/r/TrueFilm/comments/fbm8vl/examples_of_nietzsches_%C3%BCbermensch_in_film/

            Ich persönlich würde da vor allem auf “2001: A Space Odyssey” von Stanley Kubrick (1928 – 1999) sowie auf Neo in Matrix hinweisen, aber um die Abbildungen von Gottheiten wird seit jeher erbittert gestritten. 😉

            Nochmal vielen lieben Dank Euch für die starke Debatte! 👍

  10. Aus aktuellem Anlass (US-Präsidentenwahl) möchte ich auf die Schrift ´Project 2025´ [siehe bei Wikipedia] der ultrakonservativen Heritage Foundation aufmerksam machen. In dieser Agenda werden Pläne vorgestellt, was/wie man verändern will, wenn Trump die Wahl gewinnt.
    Ein zentrales Thema ist z.B. die Rückkkehr zu den Werten der ´traditional family´.

    • Ja, @KinseherRichard

      Einer meiner Söhne empfiehlt uns dazu die starke Zusammenfassung von Simplicissimus: “Was passiert, wenn Trump gewinnt?”

      Das YouTube-Video dazu hier:

      https://www.youtube.com/watch?v=pL5_QQLnrAU

      Ich habe noch eine gewisse Hoffnung, dass die rechtsdualistische, ja faschistische Thymotisierung der Trump-Kampagne zu einer stärkeren Mobilisierung demokratischer Wählerinnen und Wähler beiträgt. Zuletzt war der Zulauf und die Begeisterung bei den Wahlkampfevents pro Kamala Harris deutlich stärker. Sollte Trump die Wahl gewinnen, werden die US-Demokratie und die Welt in eine tiefe Krise stürzen, zumal er den Obersten Gerichtshof bereits mehrheitlich kontrolliert.

  11. @ Michael Blume 27.10.2024, 10:51 Uhr

    Es stimmt natürlich, dass die christlichen Religionsgemeinschaften an Einfluss verloren haben.

    Es ist ganz einfach, die Medien samt der Journaille, haben die Gemeinschaften absichtlich extrem mit Missbrauchsvorwürfen desavouiert um ihnen die Macht und den Einfluss abzuknöpfen und sich an deren Stelle zu setzen.

    Wenige Prozent an Missbrauchsopfern gibt und gab es praktisch überall, auch in nicht säkularen Erziehungsbereichen, z.B. auch bei „Metzgergesellen“….

    Sogar das ganz gut gelungene „sensationelle Konzept der Nächstenliebe“ haben die Medien auf ihre Art „abgekupfert“ und wollen es auf verrückte Art nachahmen, um eine Art „neue Weltgemeinschaft“ zu schaffen .

    Sie haben den verrückten „Traum“, man könne Menschen die mit völlig unterschiedlichen Ideologien/Religionen herumlaufen, einfach im gleichen (engen) Territorium „zusammen halten“ ohne dass die, womöglich bis hin zum „Bürgerkrieg“, übereinander „herfallen“. Das ist so verrückt, als würde ein Zoodirektor Löwen, Tiger, Zebras und Giraffen im gleichen Gehege unterbringen….

    Den Menschen, besonders in Amerika, hängt die verrückte Bevormundung und Manipulation durch die Medien, die z.B. auch genau bestimmen wollen, „wer gewählt werden darf“, beim Hals heraus und sie wählen immer mehr „rechts“.

    Früher haben Medien einen Politiker der sich „etwas problematisch geäußert“ hat mit „Lügenvorwürfen“ aus dem Amt gejagt. Trump nutzt das perfekt aus, indem er sofort „mit 10 saftigen Lügen nachlegt“, damit die Medien „verhöhnt“, was viele Menschen natürlich schadenfroh zur Kenntnis nehmen.

    Ich meine, dass es viele Menschen gibt, die aus psychologischen Gründen besonders befähigt zur Elternschaft sind und die sollten besonders gefördert werden.

    Islamische Frauen dürften sich wegen der „islamischen Lebensart“ besser „anpassen“ können als christliche Frauen, denen das auch, natürlich von den Medien, „ausgetrieben“ wurde.

    Möglicherweise ist eine „Schrumpfung der Weltbevölkerung“ aus Ressourcengründen ohnehin nötig, wenn wir womöglich wirklich so weit sein könnten, dass die zunehmende Menschheit sogar auf das Klima Einfluss nehmen könnte…..

    Das Leben in der „beengten“ Stadt ist nun einmal „Kinder feindlich“. Es wäre eigentlich ein vernünftiger rationaler und natürlicher „Regelungsmechanismus“, wenn die Geburten in Städten geringer sind als am Land.

    Die Frage ist höchstens, ob das „schwere Leben“ am Land, besonders in gebirgigen Gegenden organisiert werden kann. Früher wurden die Menschen in diese Gegenden verdrängt, jetzt ziehen sie einfach in die Stadt….

    Ich war Techniker, und bin noch immer überzeugt, dass Technik und neuerdings besonders KI, die Menschen „unterstützt“ und Menschen das machen sollten, was nicht „ausgelagert“ werden kann.

    Lernen, Ausbildung und selbst gewisse Pflegeaufgaben könnten problemlos „Maschinen“ übernehmen….

    Bleibt letztlich die „Generationenfrage“ ….

    • Lieben Dank für Ihren besorgten Kommentar, @Realo

      Nach meiner Einschätzung gibt es “die Medien” nicht – auch dieser Wissenschaftsblog ist schließlich ein Medium, auch Ihr Druko dazu ist ein Medien-Text. Zwar stimme ich Ihnen zu, dass sehr viele vor allem kommerzielle Medien um die Aufmerksamkeit und also Zeit von uns Menschen wetteifern, einige zudem auch z.B. fossilen Lobbyismus vertreten. Doch zumindest in den freiheitlichen Gesellschaften haben wir alle auch eine Wahl und also Verantwortung – wir können antisoziale Medien stärken oder das Fediversum, seichte Unterhaltung oder Wissenschaft. Wir haben die Wahl.

      Sie vermuteten:

      “Islamische Frauen dürften sich wegen der „islamischen Lebensart“ besser „anpassen“ können als christliche Frauen, denen das auch, natürlich von den Medien, „ausgetrieben“ wurde.”

      Diese These ist falsch – aufgrund fehlender Religionsfreiheit und autoritärer Regierungen konnten sich islamische Gesellschaften bisher kaum aus der demografischen Traditionalismusfalle und dem säkularen Geburtenrückgang lösen. Es gibt bislang keine dauerhaft kinderreichen Religionsgemeinschaften im Islam wie etwa die christlichen Old Order Amish, Hutterer, Laestadianer oder die oben auch im Film thematisierten jüdisch-ultraorthodoxen Haredim.

      Bereits 2010 – also vor 14 Jahren! – habe ich in Blogposts hier auf den rapiden Geburtenrückgang unter Musliminnen hingewiesen, den ich auch im muslimischen Teil meiner Familie “live” miterlebe:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/werden-deutschland-europa-islamisch-haben-muslime-grunds-tzlich-mehr-kinder/

      Perplexity.ai fasst es ebenfalls bereits stark zusammen:

      Die Entwicklung der Geburtenraten von Musliminnen seit den 1950er Jahren zeigt einen deutlichen Trend zur Angleichung an die Geburtenraten der Gesamtbevölkerung in westlichen Ländern. Dieser Prozess lässt sich anhand mehrerer Aspekte beschreiben:

      ## Globaler Trend in muslimisch geprägten Ländern

      In vielen mehrheitlich muslimischen Ländern ist seit den 1950er Jahren ein signifikanter Rückgang der Fertilitätsraten zu beobachten:

      – In Indonesien, dem bevölkerungsreichsten muslimischen Land, sank die Fertilitätsrate von 6,9 Kindern pro Frau im Jahr 1960 auf 2,4 im Jahr 2015[4].
      – In der Türkei ging die Rate im gleichen Zeitraum von 6,4 auf 2,1 Kinder pro Frau zurück[4].
      – Im Iran fiel die Fertilitätsrate sogar von 5,7 auf 1,7 Kinder pro Frau[4].

      Diese Entwicklung zeigt, dass hohe Geburtenraten nicht primär mit der Religionszugehörigkeit, sondern eher mit sozioökonomischen Faktoren zusammenhängen.

      ## Situation in Europa und Deutschland

      In europäischen Ländern mit muslimischen Einwanderern lässt sich ein ähnlicher Trend beobachten:

      – In Österreich sank der Anteil der Kinder muslimischer Mütter kontinuierlich. Die Fertilitätsrate bei türkischstämmigen Frauen ging von 2,3 Kindern pro Frau im Jahr 1992 auf 1,9 im Jahr 2015 zurück[4].

      – In Deutschland zeigt sich bei türkischstämmigen Frauen ein generationenübergreifender Rückgang:
      1. Generation: 3,33 Kinder pro Frau
      2. Generation: 2,39 Kinder pro Frau
      3. Generation: 0,67 Kinder pro Frau[4]

      Der Gesamtdurchschnitt der Fertilitätsrate lag 2012 bei 1,73 und sank bis 2016 weiter auf 1,67 Kinder pro Frau[4].

      ## Einflussfaktoren auf die Geburtenrate

      Die sinkenden Geburtenraten bei Musliminnen lassen sich auf verschiedene Faktoren zurückführen:

      1. **Bildung**: Mit steigendem Bildungsniveau, insbesondere bei Frauen, sinken die Geburtenraten[4].
      2. **Wirtschaftliche Entwicklung**: Verbesserter Lebensstandard korreliert mit niedrigeren Geburtenraten[4].
      3. **Integration**: Mit zunehmender Integration passen sich die Geburtenraten denen der Mehrheitsgesellschaft an[4].
      4. **Erwerbstätigkeit**: Steigende Erwerbstätigkeit von Frauen führt zu niedrigeren Geburtenraten[4].

      ## Fazit

      Die Vorstellung von konstant hohen Geburtenraten bei Musliminnen erweist sich als Mythos. Tatsächlich nähern sich die Geburtenraten von Musliminnen in westlichen Ländern zunehmend denen der Gesamtbevölkerung an. Dieser Trend zeigt sich sowohl in muslimisch geprägten Ländern als auch bei muslimischen Einwanderern in Europa und Deutschland. Die Entwicklung verdeutlicht, dass religiöse Zugehörigkeit allein kein ausschlaggebender Faktor für hohe Geburtenraten ist, sondern sozioökonomische Bedingungen und Bildung eine weitaus größere Rolle spielen.

      Citations:
      [1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/256530/umfrage/fertilitaetsrate-in-afghanistan/
      [2] https://fowid.de/meldung/geburtenzahlen-kinder-muslimischer-muetter-vaeter
      [3] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/islam-demografie-und-saekularisierung-die-islamisierung-faellt-aus/
      [4] https://fowid.de/meldung/mythos-hoher-muslimischer-geburtenraten
      [5] https://www.derstandard.at/story/2000017551570/geburtenrate-bei-migrantinnen-und-musliminnen-sinkt

  12. @Berthold Forster 27.10. 10:52

    „Solange man keine existenz vor der Zeugung bestätigen kann ist das Argument sehr stichhaltig.“

    Die Existenz vor der Zeugung ist vielleicht gerade die weiterführende Idee?

    Zumindest die Vorstellung eines möglichen eigenen Kindes ist aber doch denkbar. Eine gewisse Vorexistenz kann man hiermit schon setzen, meine ich zumindest. Auch ein geplantes Haus, das vorerst nur als Zeichnung existiert, hat schon eine gewisse Vorexistenz. Der dann genehmigte Bauplan hat existenzielle Substanz.

    Natürlich nur im Kontext von Baufirmen, Bauarbeitern und dem Geld des Bauherrn.

    So ist die Existenz eines tatsächlichen Liebespaares eine gewisse Vorexistenz von möglichen ganz konkreten Kindern. Aber die Umgebungsbedingungen sind mitentscheidend, ob man es denn nun wirklich wagt, eine Familie zu werden.

    Rein spirituell betrachtet ist die Idee der Vorexistenz auch vielleicht sogar weiterführend. Wenn man so wie ich davon ausgeht, sich mit dem Tod im kosmischen Geist wieder aufzulösen, dann kann sich auch allgemeiner kosmischer Geist mit der Zeugung in konkrete lebende Kinder verwandeln. Eine Vorexistenz ist dann nicht streng persönlich, aber im Prinzip dennoch gegeben.

    Gute Gelegenheiten für ein mögliches erfülltes neues Leben auszuschlagen wäre entsprechend ungut zu bewerten. Vergleichbar mit anderen Verschwendungen. Wovon unsere Zeit in den reichen Ländern sowieso in vielerlei Hinsicht bestimmt zu sein scheint.

    Während der halbe Planet abbrennt, kaufen die Leute immer noch Verbrenner-SUVs.

    Nun gut, in wirklich konsequenten Solarpunk hätte man Gelegenheit, jegliche Verschwendung aufzugeben. Womöglich inklusive der Verschwendung, wirklich gute Möglichkeiten für eigenen Nachwuchs nicht zu nutzen.

    Das Leben trägt sich am Ende immer selbst.

    • Guten Abend @Tobias Jeckenburger,

      Wenn man diesen Grundgedanken anhängt, also davon ausgeht das eben eine Seele existiert und wir quasi nur im Äther herumgondeln bis es dann eben wieder soweit ist uns wieder in Fleisch zu kleiden, dann macht das schon Sinn.

      Haben dabei aber nur den Knackpunkt, Wissen wir das oder glauben wir daran?
      Wenn wir nur daran glauben, dann trifft dies ja @Hans perspektive vollkommen. Nachwuchs ist emotional-geistig Logisch, rein empirisch faktenbasierend nicht.

      So gesehen, wenn man etwas Deterministisch auf das ganze blickt, dann könnte man ja auch vorhersagen, wer sich wie vermehrt und entwickelt, also quasi eine gewisse Vorherbestimmung daraus schließen.

      Fällt mir das Lied von Laibach ein, es gibt kein Leben vor dem Tod.

      Ansonsten bin ich wohl ziemlich auf deiner Linie Tobias, das Leben zelebriert sich aus der Freude an sich selbst heraus.

  13. @ Michael Blume 27.10.2024, 13:12 Uhr

    Zitat (von Realo): “Islamische Frauen dürften sich wegen der „islamischen Lebensart“ besser „anpassen“ können als christliche Frauen, denen das auch, natürlich von den Medien, „ausgetrieben“ wurde.”

    Ich habe das nicht auf die Fertilitätsrate bezogen, sondern auf die Scheidungsraten von „Mischehen“. Es scheint darüber keine öffentlich zugänglichen Statistiken zu geben.

    Meine Vermutung ist, dass sich christliche Frauen eher von moslemischen Männern scheiden lassen, als moslemische Frauen von christlichen Männern?

    Außerdem vermute ich, dass es wesentlich mehr moslemische Männer die christliche Frauen heiraten gibt, als umgekehrt?

    Mir ist auch aufgefallen, leider nicht repräsentativ, dass sich die 2. oder 3. Generation nach zugewanderten Moslems einerseits perfekt angepasst hat, andererseits aber es auch relativ viele Fälle gibt, wo die 1. Generation besser angepasst war und die „Nachfolger“ eher „ausgeprägte Moslems“ wurden. Mit der Sichtweise, sie würden sich nicht wie ihre Eltern von den Einheimischen „ausbeuten“ lassen….

    Das führt zu großen Spannungen zwischen den Volksgruppen. Wobei bei den (jungen) Moslems die Religion aber auch “rassistische Vorurteile” eher einen größeren Stellenwert haben, als bei den “Einheimischen”.

    Ich habe selber die Erfahrung machen müssen, dass man bestimmte Gebiete seit einiger Zeit nicht mehr betreten sollte….

    • Nun, @Realo, nun bin ich ja ein evangelisch-christlicher Mann in einer Ehe mit einer sunnitischen Muslimin türkischer Herkunft. Und wir sind nun seit 26+ Jahren glücklich verheiratet und haben drei gemeinsame Kinder, von denen die beiden älteren bereits der evangelischen Landeskirche durch Taufe beigetreten sind. Hier können Sie sogar ein Interview mit uns beiden sehen:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/silberne-hochzeit-25-jahre-christlich-islamischer-monismus-mit-dank-an-paula-martin-buber/

      Nach unserer Beobachtung sind interreligiöse Ehepaare nicht weniger stabil als einheitliche, weil der kulturellen und religiösen Vielfalt auch ein stärkeres Interesse an Dialog, eine wechselseitige Neugier gegenüberstehen kann. Sonst wären wir ja gar nicht miteinander ins Abenteuer des Familienlebens gegangen.

      Und wer möchte, dass es mehr “einheimische” Kinder auf unseren Straßen gibt, möge gerne mehr davon das Leben schenken. Motzen über die Kinder anderer Leute finde ich nicht sehr überzeugend. Die seit Jahrzehnten allzu niedrigen Geburtenraten haben auch wir Deutschen uns selbst zuzuschreiben und ersuchen derzeit auch in Indien nach Arbeits- und Fachkräften. Denn irgendjemand muss ja auch Ihre Techniker-Rente bezahlen, @Realo…

  14. Mir ist auch eine andere biblische Textstelle wichtig, die auch von Gottes Segen handelt.

    Die Bibelstelle “Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein” befindet sich im 1. Buch Mose, Kapitel 12, Vers 2.

    Jeder Mensch sollte sich geliebt, willkommen und gesegnet fühlen. Diesen Segen können wir auch weitergeben. Wir müssen nicht nur Empfänger sein, wir können auch Segen spenden.
    Wenn wir das berücksichtigen, können wir auch im kleinen, es muss gar nicht so spektakulär sein, segensreich wirken.

    • Vielen herzlichen Dank, liebe @Elisabeth K. – und auch inhaltlich volle Zustimmung.

      In diesem Zusammenhang interessant finde ich, dass keine abrahamitische Religion allen Menschen das Segnen absprechen konnte. Im Namen G’ttes segnen können Frauen wie Männer, Junge wie Alte, Gleich- wie Andersglaubende.

      Und so seien hier alle gesegnet, die diesen Blog lesen & alle, die zu ihm kommentieren! 😊😇🖖

  15. Vielen Dank @Berthold Forster, @Tobias Jeckenburger, allen anderen Kommentatoren und natürlich unserem Gastgeber Michael Blume für die gute Diskussion hier.

    Das Paradox, dass ich den Antinatalismus als Humanist rational vernünftig finde, aber dennoch nicht als Lebensmaxime akzeptieren kann, werde ich hier nicht mehr auflösen können.

    Aber ein Thema des Beitrags ist ja auch die Musik, und die hat Antworten, die man nicht direkt in Worte fassen kann.

    Ich sage Gute Nacht mit einem Song von Kirk Franklin:

    “Today’s a new day, and there is no sunshine
    Nothing but clouds, and it′s dark in my heart
    And it feels like a cold night.

    Today’s a new day, where are my blue skies
    Where is the love and the joy that you promised me
    You tell me it’s alright
    I′ll be honest with you

    I almost gave up, but a power that I can′t explain
    Fell from heaven like a shower

    I smile, even though I′m hurt, see I smile
    I know God is working so I smile
    Even though I’ve been here for a while
    I smile.

    It′s so hard to look up when you look down
    I sure would hate to see you give up now
    You look so much better when you smile, so smile.

    ( falls Youtube-Links hier erwünscht sind:
    https://www.youtube.com/watch?v=hTHyxrn0I7o )

    • Der Dank ist wirklich ganz meinerseits, @Hans – Deine Kommentare dazu hier gehören zum Besten, was ich seit Karim Akerma zu Anthropodizee und Antinatalismus lesen durfte! 🙏📚👍

      Und erstaunlicherweise kann die KI Perplexity.ai bereits sehr gut zusammenfassen, warum ich diese philosophische Frage für anthropologisch und interdisziplinär top-relevant halte:

      Dr. Michael Blume hält die philosophische Anthropodizee-Frage aus mehreren Gründen für interdisziplinär relevant:

      1. Empirische Befunde der Religionsdemografie:
      Blume verweist darauf, dass die wissenschaftliche Disziplin der Religionsdemografie einen paradoxen Befund aufzeigt: Je besser es Menschen geht und je gebildeter sie sind, desto stärker stoßen sie an die Anthropodizee-Frage[3]. Dies deutet auf eine Relevanz über die Philosophie hinaus hin.

      2. Auswirkungen auf Geburtenraten:
      Es zeigt sich eine Korrelation zwischen Religiosität und Geburtenraten. Theisten haben tendenziell mehr Nachkommen als Atheisten[2]. Die Anthropodizee-Frage scheint also demografische Auswirkungen zu haben.

      3. Fehlende säkulare Antworten:
      Blume argumentiert, dass nichtreligiöse Weltanschauungen bisher keine befriedigenden Antworten auf die Anthropodizee-Frage liefern konnten[3]. Dies macht die Frage auch für andere Disziplinen wie Soziologie oder Psychologie relevant.

      4. Biokulturelle Evolution:
      Blume sieht einen Zusammenhang zwischen dem gemeinsamen Glauben an höhere Wesen und der Fähigkeit von Gemeinschaften, Motivation und Vertrauen zu schaffen[3]. Dies verknüpft die philosophische Frage mit kulturwissenschaftlichen und evolutionsbiologischen Aspekten.

      5. Historische Dimension:
      Blume zeigt auf, wie die Anthropodizee-Frage historisch mit der Entwicklung monotheistischer Gemeinschaften und deren demografischem Erfolg zusammenhängt[3]. Dies macht die Frage auch für Historiker und Religionswissenschaftler relevant.

      Insgesamt sieht Blume die Anthropodizee-Frage als ein Phänomen, das nicht nur philosophisch, sondern auch demografisch, soziologisch, psychologisch, kulturwissenschaftlich und historisch bedeutsam ist. Er betont, dass bisher vor allem religiöse Traditionen empirisch wirksame Antworten auf diese Frage gefunden haben, was die interdisziplinäre Relevanz weiter unterstreicht[3].

      Citations:
      [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Anthropodizee
      [2] https://www.philoclopedia.de/2014/05/23/anthropodizee/
      [3] https://www.theologie-naturwissenschaften.de/startseite/leitartikelarchiv/anthropodizee
      [4] https://www.deutschlandfunk.de/kinder-klima-katastrophen-ist-die-menschheit-noch-zu-100.html
      [5] https://www.forum-grenzfragen.de/geburtenstreik/
      [6] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/braucht-die-menschheit-religion-zum-ueberleben-die-anthropodizee-frage-in-der-evolution-von-religion/
      [7] https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/die-anthropodizee-frage-wer-himmel/
      [8] https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Blume

    • @Hans

      Musikalisch hat es mich gerade echt umgehauen.

      Vielleicht liegt ja gerade die Schönheit darin das es eben nicht Logisch ist, das wir in einem Universium leben das sich nicht rein Logisch denken lässt. Und man darüber nur ganz breit Lächeln kann, teil davon zu sein.

      Hui, ich werde sentimental ^^

      Danke für den Beitrag 🙂

  16. @Berthold Forster 27.10. 18:09

    „…also davon ausgeht das eben eine Seele existiert und wir quasi nur im Äther herumgondeln bis es dann eben wieder soweit ist uns wieder in Fleisch zu kleiden…“

    Die Zwischenexistenzen stelle ich mir unpersönlich vor, eben einfach im kosmischem Geist aufgelöst. Und eine Anknüpfung an frühere Leben könnte vielleicht mal Sinn machen, in der Regel kann ich mir Diesen aber nicht sinnvoll vorstellen. Da fängt dann jedes neue Leben wirklich selber an, und macht was draus.

    „Haben dabei aber nur den Knackpunkt, Wissen wir das oder glauben wir daran?“

    Glauben auf jeden Fall, aber es erscheint mir auch logisch. Und diverse persönlich Erlebnisse stützen mir meine These. Andere mögen ähnliche persönliche Belege haben, viele andere aber gerade wirklich nicht. Wobei ich mir vorstellen kann, dass es auch allgemeingültige Wissenschaftliche Belege von im Leben aktiven Geisteswelten geben kann. Die stehen aber derzeit noch aus.

    „Nachwuchs ist emotional-geistig Logisch, rein empirisch faktenbasierend nicht.“

    Das bleibt dann übrig, die Antwort ist also persönlich. Und genau das passiert.

    „So gesehen, wenn man etwas Deterministisch auf das ganze blickt, dann könnte man ja auch vorhersagen, wer sich wie vermehrt und entwickelt, also quasi eine gewisse Vorherbestimmung daraus schließen.“

    Das macht die Sache doch komplizierter als sie ist. Wer geistig oder religiös unterwegs ist, wird mehr Zuversicht haben und eben dem Seelenleben an sich mehr Eigenwert zuschreiben. Das reicht vollkommen aus, um dann mehr Nachwuchs zu produzieren. Zusätzlich mag man auch eher weniger überflüssigem Konsum hinterher rennen, dann hat man mehr persönliche Ressourcen, die man auch in Kinder investieren kann.

    „…das Leben zelebriert sich aus der Freude an sich selbst heraus.“

    Im Tierreich ist genau dieses verbreitet zu beobachten, unter Menschen nicht weniger. Die Geisteswelten, die diesen ganzen Kosmos entwickelt und umgesetzt haben, die mögen selber auch noch am Leben ihr eigenes Interesse haben. Schließlich scheint ja der ganze Kosmos in unzähligen Details am Ende auf die Existenz von Leben ausgerichtet zu sein.

    Die zahlreichen Naturkonstanten, die alle andere Werte haben könnten, dann aber keine Atome, Sterne, Staub, Wasser und Planeten bilden würden, die haben allesamt genau die Werte, die das Leben bracht. Und die Grundkonstitution der Naturgesetze passt sowieso auch noch. Wenn man hier keine Absichten erkennt, dann wo sonst?

    Das haben vermutlich die Steinzeitmenschen schon bemerkt. Entsprechend alt ist auch das Phänomen Religion.

  17. Die Überlegungen zum Antinatalismus sind logisch und ethisch korrekt.
    Deshalb haben wir genetische Steuerprogramme, die uns zum unlogischen und unethischen Verhalten verleiten.
    Die Evolutionsvorgänge nehmen keine Rücksicht auf die Leiden der Individuen.
    Deshalb sollten die Individuen den Evolutionsvorgängen kritisch gegenüber stehen.
    Ganz besonders gilt das für jene genetischen Steuerprogramme, die das Leiden der Individuen begünstigen.

  18. So ist es @Bednarik: wir sind zur Reflexion befähigt. Das ermöglicht uns, Demographie biologisch, chemisch, physikalisch, medizinisch, philosophisch, psychologisch, soziologisch, politologisch, ökonomisch, religiös, ethnisch, mathematisch und künstlerisch usw. zu beschreiben, interpretieren, bewerten und beurteilen. Hierbei kommt es zu unterschiedlichen Urteilen und Schlussfolgerungen, die sich im wesentlichen widersprechen. Da kann man diskutieren ohne Ende und es trägt chaotische Züge. Sichtweisen, wie Biologen und Ökonomen auf die Welt schauen.

    https://www.youtube.com/watch?v=8CYdKT4WuN4&t=50s / arte-wieviel Mensch verträgt die Erde

    https://www.spektrum.de/news/anthropozaen-mehr-beton-als-biomasse/1806368

    Verschiedenen Perspektiven zwischen Dystopie und Utopie.

  19. @Mussi 28.10. 10:13

    „Da kann man diskutieren ohne Ende und es trägt chaotische Züge.“

    Genau das machen wir hier, und wir können auch nichts anderes machen. Entscheiden tun am Ende die konkreten Menschen, ob und wie viele Kinder sie haben wollen.

    Das kann nie ausdiskutiert sein, und vermutlich war dies sogar schon in der Steinzeit ein Aufregerthema.

  20. @ Jeckenburger

    In der Aufzählung der Fachdisziplinen habe ich die Kultur nicht aufgeführt. Gerade heute lass ich von einem Volk in Peru, die mit unserer Zivilisation und Zivilität nichts am Hut haben.
    Im arte-Beitrag spricht man von ca. 3 mrd unter Berücksichtigung unseres Lebensstils.
    Auch ein Inselvolk der Andamanen will mit unserer Kultur nichts zu tun haben.
    Wir diskutieren und fahren digital.
    Wie bekommen wir das unter ‘einen’ Hut?
    Wie schaffen wir es, fremde Kulturen zu respektieren? Ihnen ihren Raum und ihre Zeit zu zugestehen und uns nicht als überlegen anzusehen?
    Nach meinem Empfinden gehen die abgeschotteten Völker sorgsamer mit der Mitwelt um als wir. Wir sind es, wie ausgedrückt, die uns die Probleme einhandeln.

  21. @Mussi 28.10. 14:27

    „Nach meinem Empfinden gehen die abgeschotteten Völker sorgsamer mit der Mitwelt um als wir. Wir sind es, wie ausgedrückt, die uns die Probleme einhandeln.“

    Wir sind nicht nur ziemlich Verschwenderisch, wir sind auch recht viele auf wenig Fläche. Wir müssen entsprechend unsere Klimawirkung abstellen, mit Einsatz der richtigen Technik auf jeden Fall, und wenn es schneller gehen soll, dann auch mit weniger Verschwendung.

    Afrika trägt derzeit ziemlich wenig zu den Treibhausgasen bei, kann aber gerne mit mehr Wohlstand leben. Die sollten dann die fossilen Ära einfach überspringen, und ihren Wohlstand gleich auf grüner Technik aufbauen.

    Die Andamanen können gerne weiterleben, wie sie es immer gemacht haben.

    „Im arte-Beitrag spricht man von ca. 3 mrd unter Berücksichtigung unseres Lebensstils.“

    So einfach ist das nicht einzuschätzen. Und unser Lebensstil ist unsere eigene Entscheidung. Ich tippe hier auf mindestens 5 Mrd Menschen. Eher mehr. Ob Indonesien, Indien oder Afrika überhaupt Lust hat, unseren Lebensstil in vollem Ausmaß zu kopieren, scheint mir eine offene Frage zu sein.

    Vor der kompletten Motorisierung mit Privatautos könnte sich dort gleich ein Sammeltaxisystem auf Basis selbstfahrender Batteriefahrzeugen etablieren. Das würde den Lithium- und Kupferbedarf erheblich reduzieren, und ohne den Riesenbedarf an Parkplatzflächen hätten die wachsenden Städte ungeahnte Entwicklungsmöglichkeiten. Damit lässt sich die Bebauungsdichte locker verdoppeln, oder wahlweise viel Grün und viel Ruhe zum Verweilen realisieren.

  22. @Berthold Forster 28.10. 20:50

    „Und man darüber nur ganz breit Lächeln kann, teil davon zu sein.“

    Den Unterschied kann es machen, wenn das Universum von Grund auf selbst lebendig ist. Da dann Teil von zu sein kann so richtig was ausmachen.

  23. Sehr geehrter @Karl Bednarik

    Naja, wo ist das genau ethisch?
    Wenn Ethik darauf hinausläuft das Nicht leben besser ist als Leben, dann hat Ethik evolutionstechnisch keine Bedeutung. Dann würden nur Leute ohne Ethik sich vermehren. Dann hätten wir so etwas wie TommyKnockers von Stephen King, Intelligent aber Arschig.

    Wir sind ja auch mehr als unsere Gene, wenn wir davon ausgehen das der freie Wille existiert. Ohne Risiko und Leiden wird nichts erfahren und erlebt. Ob es da Logischer ist sich da einfach aktiv fernzuhalten?

    Natürlich nicht möchte ich meinen.
    Man könnte ja auch sagen, das es egal ist ob das leben nun Leidvoll oder Glückvoll ist. Dann wurde ich halt mitten im Leben von einem Braunbären zerrissen, so spielt das Leben. Wir können es im vorhinein nicht wirklich sagen.

    Lebend kommt keiner durch die Ziellinie, also kann man auch bis zu einem gewissen Grad furchtlos für all das einstehen was richtig und wichtig ist. Vielleicht braucht es eine Portion Wahnsinn, um das Leben so richtig erlebbar zu machen, doch das macht es nicht völlig unlogisch.
    Nur ein klein bisschen ^^

    Soweit meine Gedanken 🙂

    • Hallo Berthold Forster.
      Die Ethik dient bei Gemeinschafts-Lebewesen zum inneren Zusammenhalt der Gruppe.
      Für andere Gruppen, und für andere Spezies, halten sich Ethik und Rücksichtnahme in Grenzen.

      • @Karl Bednarik

        Zunächst einmal Zustimmung: Ethik setzt einen freien Willen, also die Möglichkeit zu bewusster Reflexion und von Entscheidungen zwischen verschiedenen Alternativen voraus.

        Menschengruppen sind – ebenso wie Ethiken – Ergebnisse biokultureller Evolution. Und wenn also eine Ethik an der Anthropodizee-Frage scheitert und die Reproduktion der Gruppenmitglieder dauerhaft unter die Bestandserhaltungsgrenze drückt, so darf diese als defizitär hinterfragt werden. Da hat @Berthold Forster auch nach meiner Auffassung durchaus einen Punkt.

  24. @Berthold Forster 29.10. 20:46

    „Lebend kommt keiner durch die Ziellinie, also kann man auch bis zu einem gewissen Grad furchtlos für all das einstehen was richtig und wichtig ist.“

    Wer es nicht wagt, was zu bewegen, braucht sich nicht über Langeweile beklagen. Und wer mit Geisteswelten nichts zu tun haben will, der lebt in einer reduzierten Welt.

    Letztlich entscheidet jeder schon Einiges selber, was er aus seinem Leben macht. Die Willensfreiheit ist keine zweifelhafte Option, sie ist die Basis allen Lebens.

  25. @ Blume

    Definieren Sie bitte mal Bestandserhaltungsgrenze.
    Bestand bezogen auf was?
    Anzahl der Arten-Biodiversität, Klima,Wasser,Boden,System?
    Im Angesicht dessen, dass es ein exponentielles Wachstum der globalen humanen Demographie gibt und damit nicht nur die Enge der Zeit und sondern auch des Raumes verbunden ist, ist das ja schon satirisch.

    • Danke, @Mussi, aber: Nein. Es gab und gibt kein „exponentielles Wachstum der globalen humanen Demographie“. Das war und ist ein malthusianischer, dualistischer Mythos, der zur Einschränkung der Armenfürsorge, zu Sozialdarwinismus, Eugenik und Rassismus beigetragen hat – und weiter beiträgt.

      Der im Ergebnis menschenverachtende Mythos von der sogenannten „Überbevölkerung“ wertet menschliches Leben armer und ferner Menschen ab und widerspricht der Idee der Menschenwürde. Die säkularen Bevölkerungsimplosionen in immer mehr Gesellschaften der Welt widerlegen ihn auch empirisch. Es gibt keine „Überbevölkerung“, sondern allenfalls eine ungerechte Verteilung von Wohlstand, Nahrungsmitteln und Bildung.

      Unter Bestandserhaltungsgrenze wird in der Demografie die minimale TFR verstanden, die zu einer gleichbleibenden Populationsgröße von Menschen notwendig wäre: 2,1.

      Als ganz persönliche Einschätzung hielte ich im 21. Jahrhundert im Hinblick auf die fossil befeuerte Klimakrise, die notwendige, post-fossile Transformation und den Schutz unserer Mitwelt eine Geburtenrate von 1,8 für erstrebenswert, mit der einerseits also eine auch globale Bevölkerungsschrumpfung verbunden wäre, andererseits aber ein psychologischer, kultureller und wirtschaftlicher Zusammenbruch ganzer Gesellschaften ausbliebe. Vor dem Hintergrund von Menschenwürde, Freiheit und Gleichberechtigung halte ich dazu jedoch kein anderes politisches Mittel als statthaft als die Familien- und Bildungsförderung. Wo diese ausbleibt, rechne ich mit stärkeren Bevölkerungsimplosionen, gefolgt vom demografischen Aufstieg streng-religiöser Gemeinschaften.

  26. https://de.wikipedia.org/wiki/Bev%C3%B6lkerungsentwicklung

    eindeutig exponentiell

    Von Verteilungsfragen und sozialen Bedingung habe ich ja gar nicht gesprochen, stimme Ihnen aber da aktuell ausdrücklich zu.
    Von Menschenwürde auch nicht. Vor allem nicht von der, die nicht geboren wird.

    Mit macht es stark den Eindruck, Sie sind selbst in der Frage der Demographie und wie man das mit den Erdsystemkipppunkten lösen kann, reaktant.

    Ich halte den Menschen für nur eine weitere Art auf diesem Planeten, allerdings für eine maßgebliche. Er sollte sich nur nicht so aufspielen.

    • Nein, @Mussi, selbst im von Ihnen verlinkten, schon etwas veralteten Wikipedia-Artikel ist in der unteren Darstellung bereits der Einbruch der säkularen Geburtenraten sichtbar gemacht. Da ist gar nichts “eindeutig exponentiell” – im Gegenteil.

      https://de.wikipedia.org/wiki/Bev%C3%B6lkerungsentwicklung#/media/Datei:World-pop-hist-de-2.png

      Sie schrieben: “Von Verteilungsfragen und sozialen Bedingung habe ich ja gar nicht gesprochen, stimme Ihnen aber da aktuell ausdrücklich zu.
      Von Menschenwürde auch nicht. Vor allem nicht von der, die nicht geboren wird.”

      Genau das ist aber das Problem beim (Neo-)Malthusianismus. Er verleugnet eine zentrale Erkenntnis der Demografie – dass Frauen dann deutlich weniger Kinder bekommen, wenn sie frei über ihren eigenen Körper verfügen, Bildung und auch Wohlstand erzielen dürfen. Und genau hier setzt auch mein Menschenwürde-Argument ein – nicht erst beim Neugeborenen, sondern schon bei der Frau, die die Würde und das Recht hat zu entscheiden, ob und wie viele Kinder sie haben möchte. Männer haben lange genug im Namen pronataler und auch antinataler Ansprüche Frauen dieses Recht abgesprochen – denken wir an religiöse Fundamentalisten einerseits, an die Zwangssterilisationen in Indien und die Ein-Kind-Politik der chinesischen KP andererseits.

      Ich wünsche mir von Ihnen und anderen (Neo-)Malthusianern, dass sie endlich anerkennen, dass 1. Frauen das Recht und die Würde haben, über ihre eigenen Körper und die Anzahl ihrer Kinder zu entscheiden und 2. es also keine männlichen Zwangsmaßnahmen zur Mäßigung der demografischen Entwicklung braucht, sondern Bildung, Freiheit und eine gerechtere Verteilung von Wohlstand. Ein konkretes Beispiel, das wir auch als Familie Blume praktizieren, sind Bildungspatenschaften, die bereits geborenen Kindern den Besuch von Schulen, regelmäßige Ernährung und ärztliche Begleitung sicherstellen, damit auch die Familien und Gemeinschaften unterstützen.

      Mit macht es stark den Eindruck, Sie sind selbst in der Frage der Demographie und wie man das mit den Erdsystemkipppunkten lösen kann, reaktant.

      Im Gegenteil, lieber @Mussi – ich erkenne den auch empirischen Befund an, dass rechtsdualistische Maßnahmen gegen arme und fremde Menschen unermessliches Leid verursacht und die Menschenwürde von Millionen Frauen und Kindern verletzt haben. Dagegen war die Förderung von Bildung, Freiheit und Wohlstand – wie sie auch schon der Mit-Entdecker der Evolutionstheorie, Alfred Russel Wallace (1823 – 1913), als Alternative zu Sozialdarwinismus und Eugenik gefordert hatte – außerordentlich erfolgreich.

      Frederick Rockell berichtete im Millgate Monthly vom August 1912 von seinem Gespräch mit Wallace:

      I did not like to break the spell of the vision by any untoward remark, but a sceptical vein that runs through my most optimistic moments prompted me to ask: “Under such a scheme, where plenty reigned, would not the population so increase that poverty would eventually come in again?

      This had the result of stirring up the great scientist to make a vigorous protest. “The theory propounded by Malthus,” he said, “is the greatest of all delusions. As man develops towards a higher type; as he becomes more refined and more civilised, so his fecundity decreases. Low down in the scale of life, birth is only limited by available sustenance. But the higher grows the type, the less is the fecundity. This is true, not only of ascending types in the evolutionary scale, but it is also true of ascending man. The fecundity of the slums is much greater than that of Mayfair. As man progresses in comfort and refinement, he tends to have fewer progeny; as witness the millions of India and China, compared with [[p. 663]] the almost stationary population of England, and the declining native population of France. Besides, if young people continued at school until the age of twenty-five, early marriages would be discountenanced, for public opinion would not tolerate marriage during the educational period.”

      “But,” said Dr. Wallace, with an energy that surprised me, “you must not dream that I approve of any of the modern eugenic heresies that are now being advocated. I feel a little sore on this point,” he continued, “because in a popular scientific publication that has just been sent to me, I am referred to as spending the evening of my days in furthering the teaching of eugenics. Wherever did I advocate any such preposterous theories?” he said in scorn. “Not a reference to any of my writings; not a word is quoted in justification of this scientific libel. Where can they put their finger on any statement of mine that as much as lends colour to such an assertion? Why, never by word or deed have I given the slightest countenance to eugenics. Segregation of the unfit, indeed! It is a mere excuse for establishing a medical tyranny. And we have enough of this kind of tyranny already. Even now, the lunacy laws give dangerous powers to the medical fraternity. At the present moment, there are some perfectly sane people incarcerated in lunatic asylums simply for believing in spiritualism. The world does not want the eugenist to set it straight. Give the people good conditions, improve their environment, and all will tend towards the highest type. Eugenics is simply the meddlesome interference of an arrogant, scientific priestcraft.

      Das ganze Interview hier:
      https://people.wku.edu/charles.smith/wallace/S750.htm

      Wenn Sie mich schon kategorisieren wollen, dann bitte im Bereich der dialogischen und damit auch demografischen Zuversicht nach Johann Peter Süßmilch (1707 – 1767), Antoinette Brown Blackwell (1825 – 1921) und dem bereits zitierten Wallace.

      Sie schrieben:

      Ich halte den Menschen für nur eine weitere Art auf diesem Planeten, allerdings für eine maßgebliche. Er sollte sich nur nicht so aufspielen.

      Damit bin ich sehr einverstanden. Und bitte daher Sie und die anderen (Neo-)Malthusianer auch hier in den Blog-Drukos, endlich von der patriarchalen Arroganz zu lassen, Sie müssten und dürften über die Körper von Frauen verfügen. Wenn Sie auch die demografische Entwicklung mäßigen und “Erdsystemkipppunkte” vermeiden wollen, dann fördern auch Sie die Bildung und Selbstbestimmung von Frauen und Kindern. Mehr braucht es nicht, mehr schadet nur.

  27. Ich halte mich nicht für einen Malthesunianer.
    Ich finde es eher erschreckend, wie Sie anhand weniger Einwände kategorisieren.

    • Welche Argumente Sie hier vortragen, welche Forderungen Sie stellen und welche Wahrnehmungen Sie damit auslösen, liegt vor allem in Ihrer eigenen Verantwortung, @Mussi. Ich nehme mir wirklich gerne die Zeit, auf Kommentare auch von pseudonymen Accounts dialogisch und ausführlich einzugehen. Sie sollten dabei aber von mir nicht erwarten, dass ich malthusianischen Bullshit hier unwidersprochen stehenlasse. Dazu habe ich ausreichend gearbeitet und publiziert und von diesem gab es auch hier in den Drukos schon mehr als genug. Wer hier gegen die Menschenwürde und Freiheit von Frauen und Kindern argumentiert, darf meinerseits mit freundlichem, aber klarem Widerspruch rechnen. Auch in Zukunft.

      Wenn Sie sich vielleicht einfach nochmal die Zeit zur Besinnung und wissenschaftlichen Reflexion nehmen und zu einem späteren Zeitpunkt neu positionieren wollen, begrüße ich das sehr. Für identitäre und autoritäre Spielchen ist mir die knappe Zeit zu schade.

      Danke für Ihr Verständnis und einen schönen Abend!

  28. Der negative Utilitarismus hat das Ziel, die Leiden der Lebewesen zu verringern.
    Die einzelnen Lebewesen haben ebenfalls das Ziel, ihre Leiden zu verringern.
    Die Evolutionsvorgänge nehmen darauf keine Rücksicht.
    Was kann ich persönlich gegen die Leiden verursachenden Evolutionsvorgänge unternehmen?
    1.) Nicht fortpflanzen. (erledigt)
    2.) Nicht konkurrieren. (erledigt)
    3.) Nicht sterben. (in Arbeit)
    Weitere Überlegungen zum Leiden der Wildtiere und zum paradise engineering kommen unter anderem von David Pearce.
    Das freut mich, denn ich hatte diese Ideen schon im Jahre 1964, als ich 18 Jahre alt war.

  29. @Karl Bednarik 31.10. 06:02

    „Die einzelnen Lebewesen haben ebenfalls das Ziel, ihre Leiden zu verringern.
    Die Evolutionsvorgänge nehmen darauf keine Rücksicht.“

    Lebensfreude und Lebensleid kommen beides vor. Das eine sollte dabei das andere ausgleichen können. Wobei unsere größte Freude die an der Erkenntnis ist.

    Und die Erkenntnis kann langfristig unser Leiden reduzieren und uns eine Welt einrichten, die deutlich weniger Leid mit sich bringt.

    Geisteswelten dürften zusätzlich dem Leben eine Dimension geben, die es nicht nur weiter fasst, sondern auch im Sinne von Lebensfreude unterstützen kann. Gerade unsere Horizonte spielen für die Lebensfreude wohl eine entscheidende Bedeutung. Einmal erlaubt ein weiterer Horizont eine intelligentere Gestaltung der Systeme, mit denen wir zu tun haben, und zum anderen vergrößert der eigene Horizont den möglichen Erlebnisraum.

    Dabei sein wird hier dann sehr viel mehr, wenn man die Herausforderungen annimmt.

    Wer wirklich meint, Leben wäre zu leidvoll um noch sinnvoll zu sein, der kann dann konsequenterweise auch keine Kinder in die Welt setzen. Im Prinzip wäre das zu respektieren.

  30. Hallo Tobias Jeckenburger.
    In unseren Ländern und zu unseren Zeiten geht es uns relativ gut, wofür wir dankbar sein sollten.
    In anderen Ländern und zu anderen Zeiten ist und war das leider nicht so.
    Auch bei uns ist die Jugend von Stress und Angst belastet, und das Alter von Schmerz und Angst belastet.
    Das Fenster der Wahrscheinlichkeit für Wohlbefinden ist also räumlich, zeitlich, altersmäßig, und auch finanziell stark eingeschränkt.
    Wenn man sich wohl fühlt, dann hat man also eine Menge Glück gehabt.
    —–
    Für die Jugend könnte man an Stelle von Prüfungsangst ein Edutainment mit Hilfe von KI verwenden.
    Für das Alter könnte man noch bessere Medikamente gegen Ursachen und Symptome entwickeln.
    Die notwendigen Arbeiten könnten halbintelligente Roboter durchführen, was ein bedingungsloses Grundeinkommen möglich macht.
    Um das alles durchzuführen, müssen wir noch eine größere Menge Glück haben.

  31. Herje, welch Suggestion?
    Das sich die Kurve ab ca. 2050 verflacht, ist Prognostion. Aber kein Grund, bisher nicht von exponentiell zu reden.
    Auch, wenn in verschiedenen Gesellschaften Sie von Implosion reden, die das Abflachen bewirken. Ich sehe es global.
    Den Bezug von Bestand, den ich nicht bisher geschlossen habe, ist der von 1 mrd oder der von 10 mrd unter der Vorrausetzung, dass Wohlstand bzw. Reichtum für alle präferiert wird.
    Jetzt, ohne Bezug, von Bestandserhaltung suggerieren, ist unredlich.

    • @Mussi

      Es tut mir Leid, aber ich kann da keinen „Deal“ anbieten. „Wegwünschen“ ist ein normatives Werturteil, das auf den sachlich falschen Prämissen des exponentiellen Bevölkerungswachstums beruht. Dieses Werturteil lässt sich also leicht überwinden.

      Die wissenschaftliche Demografie beschreibt dagegen die intersubjektiv überprüfbare Realität. Wissenschaftliche Erkenntnisse lassen sich also vertiefen, aber nicht wegverhandeln.

      Ich darf Sie ermutigen, den dialogischen Monismus als Chance auch für Ihr eigenes Empfinden zu begreifen. Zur Anerkennung wissenschaftlicher Erkenntnisse kann und will ich nicht zwingen.

      Ihnen noch einen schönen Abend! 🌆

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